Die Geburt – der Ton

Der folgende Text ist N.B. gewidmet

Den nachfolgenden Text verstehe ich als den Versuch einer Zusammenfassung der Substanz meiner letzten Artikel. Es ist auch der paradoxe Versuch Unerklärliches zu erfassen. – Dieser Text basiert auch auf rhythmischen Wiederholungen und auf Bilder, die kaum ins Rationale zu übersetzen sind.

Wir brauchen eine existentielle und radikale Spiritualität, die uns berührt (wie die Zärtlichkeit), ergreift (wie die Hingabe) durchströmt (wie lebendiges Wasser) und durchrüttelt (wie ein Sturm und feurige Leidenschaft), eine Spiritualität also, die nicht im Kopf, im Verstand hängenbleibt, sondern bis in die Organe und Knochen eindringt, bis ins Seelenzentrum und uns umwandelt.

Die Metamorphose – durch Vertrauen ausgelöst.

Spiritualität ist Leben, dem wir uns vorbehaltlos hingeben, ist die Bereitschaft, uns vollkommen vom Leben berühren und durchströmen zu lassen. Sie beginnt, wenn wir uns vom Verstand und vom Ego nicht mehr beherrschen lassen und aufgehört haben, zu diskutieren. Wenn wir also die Bücher schliessen, aufstehen und weinen. Weinen, weil wir gerührt, berührt sind.

Stirb und werde durch die befreiende und erlösende Kraft der Metamorphose, die uns über die Schwelle trägt, heiter wie ein Herbstblatt im Wind.
Es ist ein Fallen, ein Gleiten in allem (in Abwandlung von Rilke).


Wir brauchen eine existentielle und radikale Spiritualität – Zärtlichkeit und Hingabe.
Umwandlung, durch das Sterben hindurch, in Heiterkeit.

Die wahre – die zweite Geburt des Menschen- findet dann statt, wenn sein Herz ganz aufgeht und «die Rose» den vollen Duft zu verströmt.

Es ist ein leiser Vorgang. Bevor sich das Herz ganz öffnet ist es bewegt, «schwanger», hervorgerufen durch «die Berührung». Die Rose des Herzens beginnt zu knospen, benötigt nun zärtlichen Schutz.

Doch dann:
Wenn sich die neue Quelle gebildet hat, im Moment der Herz-Öffnung, entsteht ein Ton. Manche sagen: Ein Engel sei geboren worden.
Dieser Ton «sprüht» durch das Universum.

Das Werden des inneren, wahren Menschen ist sehr leise, in einer für das menschliche Ohr unhörbare Frequenz, eine sehr feine Schwingung, die in die Schöpfung eingeht.

Die Schwingungen aller «Neugeborenen» wirken vereinend im Leibe der Schöpfung. Es bildet sich die Gemeinschaft der Liebenden. Aus diesen Schwingungen heilender Liebe erneuert sich der Planet und der Menschheitskörper.

Ist diese Vision auszuhalten? Ich glaube, dass es innere Stärke braucht, um Visionen zu halten. Das verleiht ihnen die Kraft der Verwirklichung.

Der Menschheitskörper erneuert und regeneriert sich fundamental durch das Opfer von Menschen, die bereit geworden sind, dem abgespaltenen Weltenschmerz, dem verdrängten Leiden zu antworten. Opfer ist Darbringung.

Die Antwort des Erwachenden ist Mitgefühl, wahres Mit-Leiden im Vertrauen und im Glauben an das Wirken der heilenden Schwingung, die im «Ton», dem aufbauenden Klang lebt, der in der Stille ist.

Wer hört, wird ins Leben gerufen. Wer hört, wird. Wer hört und empfängt, wird zu dem, was er gehört und empfangen hat. Empfängt er Lebenswasser, wird er zur Quelle.

Wer die Stimme, den Ton/Klang, auf dem Grund der Seele empfindet und empfängt, wird ins Leben hinein verwandelt.

Im «Ton» schwingt der sich in Freude verwandelnde Schmerz.

Wenn Menschen in Stille und Hingabe atmen, entsteht Licht, entsteht Bewusstheit. Darin richtet sich der Licht-Mensch auf, verbunden mit der Quelle, aus der er existiert.

Wo sollen sich die neuen, so benötigten Quellen bilden, wenn nicht im Herzen des Menschen?

Wir Menschen haben die Möglichkeit und Chance, bewusst an der grossen Umwandlung teilzunehmen, um ganz Mensch zu werden, als Mitfühlende, wodurch wir zu Strahlenden werden.

Dafür ist es unerlässlich, dass wir die Schreie der Notleidenden hören, wahrnehmen, zu Herzen nehmen. Der Karfreitag geht Ostern voraus.

Der Wandlungsvorgang ist ganz leise, still, sanft; weit weg von allem Getöse.

Wenn sich eine neue grundlegende Qualität, also eine neue Quelle, gebildet hat, entsteht ein Ton, der eine Brücke zwischen Schmerz und Freude bildet – eine Brücke zwischen Hier und Dort, Himmel und Erde.

Der Erwachende ist ein Antwortender. Im Licht der Stille richtet er sich auf.


Zusammenfassung: Eine tiefgreifende Berührung kann den hingebenden Menschen so zentral ergreifen, dass es in ihm zu einem Prozess der Umwälzung kommt. Dabei öffnete sich sein Herz und er kommt in Verbindung mit der göttlichen Quelle, aus der er lebt. Kann und will er dieses erweiterte Bewusstsein und die einströmende Liebe halten, wird er vielleicht zu einer Lichtträgerin oder zu einem Träger göttlichen Wassers. Im Prozess der Rückverbindung zum Ursprung ist dabei ein Klang oder ein Ton entstanden. Die Töne/Klänge der Erwachten finden zu einer Art Chor zusammen, der heilend und regenerierend auf die ausgetrocknete Erde und die durstige Menschheit einwirkt.

3 Gedanken zu „Die Geburt – der Ton“

  1. Lieber Werner
    Dein Blog schwingt in einer starken Schwingung. Jeder Satz eine Einladung zur Mediation. Danke für Deine radikale Spiritualität, die bis in die Knochen berührt.

    Anna

  2. Das Wort „Kommentar“ trifft nicht das, was mir gerade vorschwebt: eher ein spontaner Gedanke:
    Wir tragen ja alle bereits den höheren Menschen, durch den wir mit allem Sein verbunden sind in uns, das wussten bereits die alten Völker wie die Griechen, nur können wir ihn nicht so ohne weiteres gebären, in ihm aufwachen. Heute, im Zeitalter des Konsumismus im Westen, wo man viel hat und viel verlieren kann, wo deshalb die Angst am grössten ist, scheint das sehr schwer. Manche – wie ich- brauchen noch mehr Leben auf der Erde dazu. Vielleicht noch mehr Schmerz, vielleicht auch Sinn für das Wirken dessen, was man „Karma“ nennt. Ich glaube, dass die gesamte Menschheit bereits seit längerem über die Schwelle gegangen ist, zart, unhörbar, nicht ohne weiteres offen seh- und hörbar. Sie trägt das Potenzial in sich, diese Spiritualität zu entwickeln. Und ich bin davon überzeugt, dass das, was wir menschheitlich zur Zeit in Politik und Wirtschaft, geopolitisch, neoliberal sehen, zum Aufwachen da ist, es soll uns wecken, wir dürfen nicht beim Hass und der Wut stehen bleiben, sondern zum Erlangen tieferen Verständnisses voranschreiten. Dann kommen wir unserer Lichtgestalt, die wir eigentlich sind, auf die Spur, dann kommen wir dem Christus (in uns) näher…
    Ein wesentliches erstes Element ist, meinen Mitmenschen offener zu begegnen, aufhören verurteilen, aufhören zu diffamieren und auszugrenzen, wenn andere als der Mainstream vorgibt oder „eigen“ genannte Meinungen geäussert werden. Praktisch sozial: Verfeinerung der Demokratie, verfeinertes Hinhören, Hinspüren was im Gegenüber wirklich zum Ausdruck kommen will und in dessen Seele „brodelt“: Begegnung und Empathie, statt nur von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, die eigene Meinung frei zu sagen; Wissen-wollen, was geschieht, sich aufklären und Zusammenhänge vertieft verstehen, aus geistigen Gründen und dabei nicht glauben, es wäre bereits die ganze Wahrheit oder gar „meine“ Wahrheit. Spiritualität als „Alchemie des Alltags“.

    Joachim

  3. Lieber Werner

    „… wenn wir aufgehört haben, zu diskutieren … Wenn wir aufstehen und weinen“, ist wie Tannhäuser in einem Satz. Ich würde den Satz nicht weglegen. Ich würde ihn stehen lassen, um zu verstehen, wie ich an den Punkt gelange, an dem ich aufhören kann zu diskutieren und beginnen kann zu weinen. Es ist hilfreich und erforderlich, das Weinen zu verstehen.

    Jürg

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