Katholisch meint: Die Universalkirche, die gesamte Christenheit, die als allumfassende Kirche den irdischen Leib Christi bildet.
Ich bin nicht katholisch. Aber viele meiner Freunde während meiner Kindheit waren es. Eine „Vorladung“ beim Geistlichen der katholischen Kirche – meistens an einem Samstag- galt bei meinen Freunden, als etwas vom Schlimmsten, das einem passieren konnte. Sie alle waren nach diesen Gesprächen, die sich um Onanie, Schuld, Fegefeuer und Hölle drehten, geknickt und verwirrt. Gut war ich nicht katholisch.
Als junger Erwachsener hörte und lass ich viel über die dunkle Seite der Kirche, zum Beispiel über ihre Anpassungsbereitschaft, ihr Schweigen im 3. Reich. Bonhoeffer als einer der wenigen leuchtenden Ausnahmen.
Als junger Psychotherapeut kam ich oft mit Klienten in Berührung, die von ihrer kirchlichen Erziehung her traumatisiert waren. Oft drehte es sich um Scham Schuld, Begehren und um verderbliche Sexualität. Vor allem um Schuldgefühle, die unausweichlich waren.
Dann machte ich einen Stopp und verweigerte für ein paare Jahre jede Auseinandersetzung mit dem Christentum und der Kirche. Diese Latenzzeit tat mir gut.
Später trat das Wesen Christus erneut und intensiv in mein Leben und ich wusste vorerst nicht, wie ich innerlich mit der Kirche umgehen sollte. Ich rettete mich in meinen analytischen Verstand und sagte mir etwa Folgendes:
Die Kirche ist ein System, welches sich überfordert erwies, die Liebes- und Bewusstseinskraft des Jesus Christus zu integrieren und zu leben. Dies ging so weit, dass das System die Wirklichkeit ihres Meister zu unterdrücken und ins Gegenteil zu verkehren begann. Statt Befreiung wurde Zwang gesetzt, statt Liebe und Verzeihen, Urteil und Verdammnis.
Ich sagte mir, dass die Kirche, insbesondere die katholische ein krankes System sei, durchzogen von struktureller Gewalt. Ich bezeichnete das System auch als neurotisch und krank, umso mehr als in den letzten Jahrzehnten der zahlreiche Missbrauch von Kindern und Jugendlichen publik wurde, trotz aller Vertuschungsversuchen. Missbrauch, insbesondere von Kindern, so wurde es klar, hat in der katholischen Kirche System. Es geht hier um Zahlen wie Zehntausende, oder gar Hundertausende von Kindern und Jugendlichen die weltweit in den letzten Jahrzehnten missbraucht worden sind. Ein Beispiel:“ In den Akten aus allen katholischen Bistümern Deutschlands sind in der Zeit zwischen 1946 und 2014 insgesamt 3677 Kindern und Jugendliche als Opfer genannt. Bei 1670 Klerikern gibt es Hinweise darauf,…“ (NZZ). Es handelt sich da also nicht um Einzelfälle, wie ich am Anfang noch glauben wollte. Auch bei den Vergewaltigungen von Nonnen durch Priester und Bischöfe, scheint es sich nicht (!!) um Einzelfälle zu handeln. Die ständigen Verharmlosungen unterstreichen das Grauen.
Dennoch war es mir bewusst, dass es im Katholizismus zahlreiche Inseln echter, liebevoller Nachfolge gibt.
Ich beschäftige mich in den letzten Wochen anfangs mit Fakten, dann spürte ich, wie meine Wut und meine Empörung anwuchsen.
Zuerst war die Analyse da, in die schon einige Wut eingeflossen war, dann war nur doch Zorn und Empörung übrig und als sich die Wut immer wieder meldete, fragte ich mich, was denn hintergründig meine Aufmerksamkeit verlangt und dann wurde es mir plötzlich bewusst:
Ich bin erschüttert. Ich bin sehr traurig.
Ich erinnerte mich an alle meine Klientinnen und Klienten, die als Kinder oder Jugendliche missbraucht worden waren. Mit ihnen, den schwer traumatisierten Menschen, litt ich mit. Ich begleitete sie über sehr viele Jahre, bis sie wieder aufrecht gehen konnten.
Und jetzt sehe ich: Die mächtigste Täterschaft was Missbrauch betrifft, ist die Kirche: die Kirche, der irdische Leib Christi – so im visionären Bild des Paulus, welches in mich eingeflossen ist und nun auch ein Ausdruck meiner Hoffnung und meines Schmerzes ist.
Lest diesen Satz bitte einige Male, um den Schrecken, der in ihm liegt, zu fühlen.
Es gibt noch ein weiteres mystisches Bild für die Beziehung zwischen Kirche und Jesus Christus: Dir Kirche als die Braut, die sich nach ihrem Geliebten, Jesus Christus, dem Bräutigam, sehnt. Vollendet werde die Begegnung in der mystischen Hochzeit sein.
Das Brautkleid ist blutig, zerrissen, schmutzig. Offensichtlich! Wie konnte das nur geschehen?
Wurde Jesus ein weiteres Mal gekreuzigt – diesmal von seinen Nachfolgern, der Kirche selbst?
Diese Frage tut weh; sie muss gestellt werden. Wenn die Kirche in der Tiefe erneuert werden will, muss sie durch diese Frage hindurch.
Ich habe einige gute Freunde in der katholischen Kirche, die sich voller Liebe, Authentizität und Wahrhaftigkeit in der Kirche engagieren. Sie und viele andere bilden leuchtende Zellen in diesem ansonsten doch eher kranken Organismus. Die schrecklichen Taten, von denen ich hier berichte sind unerträglich. Wir können sie und die Verantwortung dafür auch nicht an eine Person, zum Beispiel den Papst, delegieren. Ein solches System, wie die katholische Kirche konnte sich nur erhalten, weil es auch von der Gesellschaft rundum irgendwie getragen und geduldet oder resigniert hingenommen wurde und wird.
Deshalb sage ich nun: Ich bin katholisch; ich fühle mich solidarisch mit den geschundenen Organen des Leibes.
HERR ERBARME DICH – CHRISTUS ERBARME DICH.
Falls Du Dir jetzt noch drei Minuten Zeit nehmen magst, so höre Dir von Arvo Pärt: Kyrie an, auf YouTube leicht zu finden.
Beitrags-Bild: Pieta
Lieber Werner
Ein grosses Dankeschön an Dich und Deine Worte zur katholischen Kirche.
Für mich zeigt sich, dass die Kirche die Aufgabe hatte, durch die Idee des Stellvertretertums, die Menschen ganz von ihrem eigenen Zugang zu Gott abzuschneiden. Sie musste es so weit treiben, dass die Menschen sich schliesslich als „auf die Erde geworfen“ empfanden, ohne höheren Sinn, einfach so eine Laune der Naturkräfte. Das ist grösstmögliche Gottesferne. Die wurde nur ermöglicht durch die trennende Kraft der Kirche.
Gut oder schlecht? Das ist ihre bisherige Rolle in der Evolution der Menschen. Nicht von ungefähr, dass sich darum irdische Macht, Geldgier, Unterdrückung und Missbrauch in diesem Klima festsetzen konnte. Da gibt es eine Menge astraler Wesen, die nicht sehr weit entwickelt sind.
Nun hat sich diese Rolle der Kirche erübrigt. Entweder findet sie erneut zur Liebe Christi zurück oder sie wird verschwinden. Dafür müssen alle dunklen Kapitel verarbeitet und ans Licht gebracht werden. Was für eine Riesenaufgabe!
Danke an alle Kirchenleute, die immer das Licht und die Liebe hochgehalten haben und im Glauben an das Gute handelten.
Danke auch jenen, die sich mit dem Dunkeln verbunden haben und so zu Treibern der Evolution wurden. Jetzt dürfen sie erlöst werden und sind eingeladen, sich dem Licht zuzuwenden.
Die trennende Kraft der Kirche hat ermöglicht, dass wir heute so sehr zum Individuum geworden sind, zur selbstbestimmten Persönlichkeit. Könnten wir sonst heute ICH BIN sagen und damit die Nachfolge Christi meinen?
Danke auch jenen, die sich als Opfer und Leidende zur Verfügung gestellt haben, auch sie können sich jetzt erlösen, um aus den Rollen vom Opfer- und Tätersein in die universelle Liebe hineinzuwachsen.
Herzliche Grüsse
Wolfgang
Lieber Werner
Ja, dieses Thema ist in der Tat eine besondere Herausforderung. Diese Zustände wurden (und werden immer noch) von der Gesellschaft „irgendwie getragen und geduldet oder resigniert hingenommen“, weil es mit Missbrauch und Vergewaltigung in der zivilen Gesellschaft leider auch nicht besser steht, zum Bsp.: 15% aller Mädchen im Alter von 3-6 Jahres werden in Deutschland und in der Schweiz schwerst sexuell missbraucht, bei den Knaben sind es 8%. Davon liest man merkwürdigerweise kaum etwas in den Medien!? Aber die Medien heizen in unanständiger Weise die Begierden an und tun zugleich alles, um Menschen mit ihren Begierden wiederum auszugrenzen und abzuurteilen, sich zu ergötzen am Leid pädophiler, weil es die Auflagen und Einschaltquoten steigert. Es wie wenn man einen Hund anbindet und mit einem Knochen lockt und jedes mal, wenn er eine Schwelle überschreitet, man ihm Schmerz zufügt. Diese Lüge und Falschheit aus Geldgier machen mir besonders zu schaffen…
Es ist der unbeholfene Umgang mit der Sexualität, mit der Begierden- und Luststruktur, die dem Menschen nun einmal innewohnt, was unser Bewusstsein fordert. An der Sexualität kann man reifen, wenn der Umgang mit ihr gelernt wird. Wenn es dann auch noch Menschen gibt, die diese Begierden zusätzlich stauen (Zölibat), muss man sich nicht wundern dass es zu solchen schlimmen Dingen kam und immer wieder kommt, denn aufhören wird das ja nicht! Ein Fluss, den man staut, tritt zerstörend über seine Ufer, auch in Zukunft.
Diese Kirche ist gar keine mehr, zumindest keine im Sinne von 1. Kor 12: Es ist ein zum Tode geweihtes Staatsgebilde (wie auch Nationalstaatsgebilde mit ihren Gewaltstrukturen) , das der Evolution im Wege steht. Staat steht generell auf dem Prüfstand. Das beste wäre es, wenn diese Gebilde sterben dürften, damit zum Bsp. eine freiere Spiritualität entstehen kann. Manches muss eben sterben können, Pseudo-Kirchgebilde – nicht nur die katholische- gehören dazu. Die Lebensrealitäten zeigen es uns deutlich, dass es keine Daseinsberechtigung mehr haben kann (auch aus anderen Gründen nicht).
Wirkliche Kirche wäre der freiwillige Zusammenschluss von Menschen im Namen des Menschheitsrepräsentanten, des Christus, der für die gesamte Erde steht, aber ohne Machthierarchien. Christus ist dabei auf unserer Augenhöhe, unser Bruder unsere Schwester; indem wir uns mit ihm verbinden, verbinden sich die Menschen zu einer freien Liebe-Gemeinschaft, die sich zum Menschentum formt, in einem grossen globalen geistigen – sozialen – ökonomischen Prozess der der Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit!
Herzlich
Joachim