Garten Eden

Auf einem meiner Spazierwege befindet sich der ehemalige «Garten», der zu einem toten Schotter-Garten geworden ist. Tonnenweise grauer Schotter liegt da; eine zerzauste Palme kämpft ums Überleben. Buddhas und Störche aus Gibbs oder Stein stehen herum, Plastik-Maskottchen, Gartenzwerge. Dazwischen hängen Schweizerfahnen. Nicht zu übersehen ist die verbreiterte Garageneinfahrt, wo der grosse Gelände-Wagen steht. Es ist ein Kuriosum von moderner Verelendung mit kaum zu übertreffendem Kitsch.

Europaweit sind solche Schottergärten entstanden, pflegeleicht, tot. Versiegelte und zubetonierte Böden, wo nichts mehr lebt. Abstellplätze für Autos und Geräte, Abfall und für allerlei «Dekorationen». Sicher kein Lebensraum mehr für Insekten, Igel und Vögel.

Der Garten Eden ist paradiesisch, fruchtbar von grossen Flüssen durchströmt. Eine blühende Landschaft, von Liebenden bewohnt. – Tatsächlich leben wir (lebten wir) auf einem unglaublich von Leben übersätem Planeten, auf dem Millionen von Lebensarten Leben und Ausdruck fanden. Ein blühendes Land.

«Zerstörung der wertvollen Insektenlebensräume
Geeignete Lebensräume für Insekten sind selten geworden und werden weiterhin beeinträchtigt oder zerstört. Besonders stark ausgeprägt ist dies in Gebieten intensiver Landwirtschaft. Seit 1900 sind 95% der artenreichen Trockenwiesen und -weiden verschwunden…
Die Gewässer wurden über Jahrzehnte aus Gründen der Landgewinnung und des Hochwasserschutzes hart verbaut oder gar eingedolt. In Höhenlagen bis 600 m ü M. sind rund 80% der Gewässer im Siedlungsgebiet sowie rund 50% im Landwirtschaftsgebiet in einem ungenügenden morphologischen Zustand…
In Siedlungen und Agglomerationen, entlang von Strassenrändern und in Privatgärten werden viele Grünflächen reinlich gepflegt, die Böden mit Schad- und Nährstoffen belastet, verdichtet oder versiegelt (Steingärten, Parkplätze), sodass kaum mehr Lebensraum für Insekten bleibt.»*

Ich liebe Blumen und Gärten, Alleen, Hecken und natürlich Wälder. Sie gehören für mich zum Glücklichsein. Tanzende Schmetterlinge und singende Vögel öffnen mein Herz. Sie sagen mir: das Leben ist schön.

Schon lange weiss ich um das Artenstarben: 100 pro Tag – so die Schätzung. Seit den 1970er Jahren hat sich die Anzahl der Arten halbiert.
«Der Mensch verursacht gerade das grösste globale Artensterben seit dem Verschwinden der Dinosaurier.» (WWF, Deutschland). Zwischen einer halben und einer Million Arten sind vom Aussterben bedroht.

Seit ca. zwei Jahren weiss ich um das weltweite Insektensterben. Dort, wo ich jeweils Ferien mache, in den Süd-Alpen, stelle ich mit Bedauern fest, dass es Jahr für Jahr weniger Schmetterlingsarten zu sehen gibt.
Erst jetzt beginne ich aber, die Trauer über das Sterben der vielen Arten zuzulassen. Abschied vom Garten Eden.

Die lichte, sehr tiefe (nicht depressive) und erweichende Trauer ist eine der stärksten Kräfte der Transformation: Sie steht unter dem Segen der göttlichen Mutter. Alleine sie kann Wandel bewirken und zum nötigen Handeln führen. Warum? Diese weiche Trauer öffnet uns für das vernachlässigte, vergessene und verkümmerte Leben.

Insekten bestäuben, befruchten; viele Vögel ernähren sich von ihnen. Wir brauchen eine intakte Insektenwelt. Die Handlungs-Aufforderungen sind klar:

Wir brauchen Magerwiesen, Bäche ohne Pestizid-Rückstände, renaturierte Uferzonen, eine Landwirtschaft, die auch das Land pflegt und Naturschutz-Zonen zur Verfügung stellt und bereit ist auf Pestizide möglichst vollständig zu verzichten.
Die Grünflächen sind auszuweiten: Zum Beispiel Magerwiesen und Sträucher auf Flachdächern.

Und jetzt kommts:
Wir müssen Strassen und Parkplätze wieder für die Natur freigeben, auf Privatautofahrten vermehrt verzichten, den Öffentlichen Verkehr und das Velofahren bevorzugen. Und: Es ist nötig, dass wir den Schotter aus den Gärten räumen und wieder Wiesen anpflanzen.

Es gibt kein «Drumherum»: Mit technischen Innovationen alleine lässt sich die gesunde Balance zwischen Menschen und Erde nicht herstellen. Wir haben der Natur Raum zurückzugeben. Und: Wir haben unserer Seele den Raum zuzugestehen, welchen sie braucht, um sich zu entfalten. Nur bei lebendiger Seele finden wir den tiefen Kontakt zur Natur und zur Mutter Erde, der nötig ist für eine wirklich Kooperation von Erde – Mensch.

Ich vermute, dass lebensdienlicher Verzicht glücklich macht. Fülle durch Verzicht. Nur so geht’s zurück in den Garten Eden – wenn er denn noch zu retten ist.

*Das Insektensterben stoppen – eine Auslegeordnung zuhanden der UREK-N.

 

 

 

 

 

 

 

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