DIE SEELE Teil 1

Ich glaube, dass die verbreitete Abspaltung von der Seele, die wir zunehmend beobachten können, die Haupt-Ursache für die globale Krise, u.a. die ökologische Problematik, darstellt. Ihre Re-Integration erscheint mir als dringlich. Wenn wir uns gegenseitig helfen, unsere Herzen zu öffnen ist dies vielleicht das Sinnvollste, was wir heute tun können, um die verhärteten inneren und äusseren Strukturen aufzuweichen, damit unsere Seelen, wie auch die Seele der Welt wieder frei atmen und kreativ wirken können.

  • Die Krankheit der Welt: Seelenlosigkeit
    Nichts sind wir mehr als unsere Seele: Wir leben in ihr, aus ihr sind wir körperlich geboren, in ihr geht unsere Reise dem Ursprung entgegen, aus dem wir kommen. Die Seele wird über weite Strecken verleugnet und verneint. Sie existiert nicht, so denken vor allem Natur-Wissenschaftler.

    Warum, so frage ich mich oft, interessieren sich nicht mehr Menschen für die wahre, die unsterbliche Seele? Denn: Alle Menschen haben ja schon gespürt, dass es hinter den Dingen, eine unsichtbare Welt gibt, die sich zum Beispiel in Kunstwerken niederschlägt, sich in Träumen zeigt oder in Stimmungen, die uns über das Bekannte hinaustragen. Also noch einmal: Warum interessieren sich so Wenige für den manchmal doch sehr spürbaren Hintergrund unseres Daseins, den wir Seele nennen? Das Interesse an unserer Seele ist gering. Sie hat allenfalls Geltung als Bereich, in dem unsere Gefühle zu finden sind.
    Das Weltbild, welches die Seele (und meistens auch den Geist) ausschliesst, der pure Materialismus, ist arm, weil eindimensional. So hoch-komplex unsere Welt auch erscheinen mag, so ist sie doch elend, verarmt, auf Weniges, meist Materielles, reduziert. Dieses Wenige, das uns bleibt, verschlingen wir mit Heisshunger, nämlich unsere physische Existenz-Grundlage.
    Die Seele halten viele Menschen für ein Konstrukt, eine Einbildung, eine neurotische Vorstellung.“Die Krankheit der Welt besteht darin, dass der Einzelne seine wahre Seele nicht finden kann, und die Ursache an der Wurzel dieser Krankheit ist wieder, dass er, wenn er die äusseren Dinge ganz umfassen will, mit der wirklichen Seele der Welt, in der er lebt, nicht in Verbindung kommen kann.“  Sri Aurobindo*

Unsere Reise
Lange vor unserer physischen Existenz entstanden wir – so die mystische Sicht- aus einem Liebesgedanken Gottes, der zu unserer Seele wurde. Dieser Liebesgedanke drückt einen Aspekt Seiner umfassenden Wirklichkeit aus. Dieser Aspekt, beziehungsweise dieser Liebesgedanke ist der heilige Kern unserer inneren Wesenheit, unsere subliminale Seele.

Durch alle Bewusstseinsebenen und alle Leben hindurch speichert die Seele alle wesentlichen Erfahrungen und Erkenntnisse, die sie auf ihrem Weg der Reifung und Vervollkommnung braucht, damit sie einmal reiche Früchte trägt, als Segen für die Schöpfung und alle Lebewesen.

Die Seele bildet die Substanz höheren Wissens und Weisheit. Sie ist aber auch Empfängerin von Glückseligkeit.
Die Seele zieht es in grosser Sehnsucht zurück zu ihrem Ursprung, in den göttlichen Bereich, in dem sie geboren wurde. Also zu Gott, dem All-Einen, All-Umfassenden. Der Weg in die materielle Welt und zurück zur geistigen Welt dient der Bewusstwerdung, der Intensivierung des Lichts und der Vervollkommnung an Schönheit und Liebeskraft.
Die Seele ist unsere Reise-Begleiterin, die innere Weisheits-Lehrerin, der innere Seher.
Alle Stationen der Emanation aus der Quelle des Lichtes bis in die physische und individuelle Verkörperung des göttlichen Licht-Gedankens in den materiellen Welten, leben in unserer Seele als lebendiges Wissen, das aber vorerst weitgehend verborgen ist, bis es geweckt wird.

Die Erweckung
Durch eine Tiefen-Berührung wird unsere Seele erweckt. In Momenten, wo wir weich, offen und durchlässig sind und im Bewusstsein unserer tiefsten Sehnsucht, kann es geschehen, dass wir in der Tiefe bewegt und ergriffen werden von einem hohen lebendigen Impuls (Christus-Impuls) aus dem göttlichen Bereich.
Wir fühlen uns bewegt, berührt, weinen vielleicht oder lachen und es fühlt sich so an, als ob wir aus einem langen Schlaf erwachen würden, der uns nun eine neue, grosse lichtvolle Wirklichkeit voller LIEBE in unser Leben bringt.

Durch das kontinuierliche Interesse an unserem Innenleben, also an unserer Seele, unserer innersten Wesenhaftigkeit, entwickelt sie sich. Sie wird stärker und kann uns ihr Potential vor die inneren Augen und Ohren führen. Gleiches gilt ja für unsere Kinder, die dann seelisch wachsen, wenn wir uns auch für ihr Innenleben, ihre Wesenhaftigkeit interessieren.

Indem wir auf unsere Seele hören, entwickelt sich unsere Selbst-Wahrnehmung. Unser ganzes Wesen verfeinert sich. Es kommt der Moment, wo das innere Wesen, die Führung übernimmt, wo sich die kleine Persönlichkeit, das Ego, vollständig ins zweite Glied zurückzieht, nun nicht mehr herrscht, sondern dient.

Spätestens dann ist es uns zur Gewissheit geworden, dass diese so feine, zarte, fast hauchartige Seele die wahre Trägerin unseres Lebens ist, ausgestattet mit grosser Wirklichkeit und Wirksamkeit. Nun sind wir nicht mehr dem Hin und Her des polaren Lebens unterworfen, sondern können jeden Moment als gegeben, als ein Geschenk schätzen.

So wie wir nun unseren Körper als beseelt wahrnehmen und erkennen, dass er nicht nur durchdrungen, sondern auch von Seele umhüllt ist, so fangen wir an, auch die Erde und das Universum als von Seele durchdrungen zu erfahren.

Jeder Moment, weiss die Seele, ist uns gegeben.

*Sri Aurobindo, Das göttliche Leben, 1. Band, S. 253.

Der zweite Teil dieses Essay folgt demnächst.

 

 

 

 

3 Gedanken zu „DIE SEELE Teil 1“

  1. Das ist Dein wichtigster, dringlichster und gleichzeitig erhabenster Blog, den Du je geschrieben hast. Es ist die Aufgabe des psychophysischen Menschen, das Leben in Übereinstimmung mit seiner Seele, die er wesenhaft ist, zu gestalten. Nur unter dieser Voraussetzung findet die Menschheit ihre Würde und ihren Sinn.

  2. Danke für diesen schönen Blog!
    Du hast ihn so geschrieben, dass in keinem Gedanken-Abschnitt weder etwas zuviel, noch etwas zu wenig steht. Treffend und harmonisch, fein und zart. Ich habe gleich beim ersten Durchlesen grosse und stille Freude empfunden. Die Worte sind direkt in meine Seele gefallen.
    Ich kann den Gedanken von Zemp Gary nur zustimmen. Er hat die richtigen Worte gefunden!

    Ich möchte nur noch auf eine besonders schöne Stelle in Deinem Text hinweisen: Durch das kontinuierliche Interesse an unserem Innenleben, also an unserer Seele, unserer innersten Wesenhaftigkeit, entwickelt sie sich. Gleiches gilt ja für unsere Kinder, die dann seelisch wachsen, wenn wir uns auch für ihr Innenleben, ihre Wesenhaftigkeit interessieren. Mich berührt es tief, wenn mir solches begegnet.
    Dann die weiteren Abschnitte bis zum Schluss: Wunder-schön! Ich freue mich schon auf den zweiten Teil dieses Essay`s.

    Liebe Grüsse
    Doris

  3. Lieber Werner

    Wahrscheinlich bräuchte es diesen Blogg nicht, wenn alle Menschen so entwickelt wären, dass sie ihr Seelen-Sein erkennen! Wir bräuchten kein HOLON, keine ip, keine integralen Kongresse. Wir wären ja noch im Himmel. Alles wäre gut.

    Die um sich greifende „Seelenlosigkeit“ löst bei Menschen, die tiefer zu spüren vermögen Widerstand aus, und daraus entstehen Bewegungen, die wiederum in die Tiefe zu gehen vermögen. Und aus diesen Bewegungen entstehen ganz neue Einsichten. Es ist, wie wenn die Menschheit aus himmlischen Höhen herabgestiegen wäre in die Hölle, um im Schmerz die Abwesenheit des Himmels zu spüren und daraus eine neue, ganz andere Sehnsucht nach dem Himmel entsteht, die sie frei wieder, aber anders, nach dem Himmel greifen lässt. (Ich benutze die Metapher „Himmel“ vereinfacht für denjenigen Bereich, der das Materielle durchsetzen muss, damit es lebendig, atmend-fühlend denkend und wirkklich spirituell frei werden kann).

    Du schreibst:
    „Das Weltbild, welches die Seele (und meistens auch den Geist) ausschliesst, der pure Materialismus, ist arm, weil eindimensional“.

    Genau genommen unterliegt meines Erachtens der Anschauung der Nicht-Seelenhaftigkeit und Geistlosigkeit der Welt kein Materialismus sondern ein dogmatischer Irrationalismus, im 19. Jh. nannte man ihn philosophisch „naiver Realismus“, der die Wahrnehmung der Welt und des Wahrnehmenden selbst auf die äusseren Sinne reduziert hat (nur das was ich sehe, rieche usw. ist real), und, das ist nun entscheidend, gar nichts anderes mehr wissen will; er entscheidet sich einseitig. Das ist sogar unwissenschaftlich!
    Mit „pur“ meinst Du wohl auch einen „Materialismus“ jenseits des Materialismus. Ich bin vor einiger Zeit bei Armin Risi auf folgendes Zitat eines bedeutenden Evolutionsbiologen und Genetikers, Richard Lewontin, gestossen, ich weiss aber nicht ob ich dieses Zitat schon mal gebracht habe?):

    „ Unsere Bereitschaft, wissenschaftlichen Behauptungen, die dem gesunden Menschenverstand widersprechen, zu akzeptieren, ist der Schlüssel zum Verständnis des wirklichen Kampfes zwischen der Wissenschaft und dem Übernatürlichen. Wir stellen uns auf die
    Seite der Wissenschaft trotz der offenkundigen Absurdität in einigen ihrer Konstrukte, weil wir bereits von vornherein eine Entscheidung getroffen haben, eine Grundsatzentscheidung für den Materialismus. Es ist nicht so, dass die Methode und die
    Vorgabe der Wissenschaft an sich uns zwingen würden, eine materialistische Erklärung der Erscheinungswelt anzunehmen. Vielmehr ist das Umgekehrte der Fall: Durch unsere
    a priori getroffene Grundsatzentscheidung für materielle Ursachen sind wir gezwungen, Forschungsansätze und Erklärungskonzepte zu entwickeln, die zu materialistischen Erklärungen führen, egal wie sehr sie der Intuition widersprechen, egal wie rätselhaft sie
    den Nichteingeweihten erscheinen. Darüber hinaus ist dieser Materialismus absolut, denn wir können keinen göttlichen Fuss in der Tür zulassen“.

    Was auch immer „gesunder Menschenverstand“ in diesem Zusammenhang sein soll: Mit wissenschaftlichem Geist hat solches Gebahren wenig zu tun!?

    In jedem Satz ist eine Angst spürbar, etwas zu verlieren, an das man glauben will! Das ist Wissenschaft von heute: Eine Religion, ein Glaubenssystem, bestehend aus Dogmen, das Häretiker ausschliesst! Ein gewisse Ausnahme machen aber die Quantenphysiker und teilweise auch die Hirnforscher…

    Ein konsequent verfolgter Materialismus als Wisschenschaft, muss eigentlich an eine (vorläufige) Erkenntnis-Grenze stossen statt irrational und einseitig ( angeblich „apriorisch“) zu behaupten es gäbe eine Welt, die nur grenzenlos materiell sei.

    Materialismus fragt zunächst immer nach Ursachen einer Erscheinung im Sinnlichen, in der Materie, in der Äusserlichkeit (angeblich) rein mechanisch erzeugter Zusammenhänge. Diese Annahme kann ja vorläufig getroffen werden und sie ist auch nicht falsch! Wenn aber diese Wissenschaften das wären, was sie sein sollten: Betätigungsfelder, die Wissen schaffen -aus Neugierde und Unbefangenheit-, mit strenger Methodik, müssten sie erkennen (wollen), dass ihr Fragen und Forschen immer an eine Greneze stossen muss, an der man eine Erscheinung nicht mehr materiell erklären kann. Das besonders dann, wenn man nach dem Entstehen von Wissen selbst fragt und danach, wie (tieferes) Wissen durch (gefühltes) Denken entsteht. Jeder Forschungsvorgang muss durch das Denken und Fühlen hindurchgehen. Das muss nun jeder Materialist zugeben.

    Beim Denken verhält es sich so, dass es sich schlussendlich selbst bedenken kann, das ist doch eine Tatsache. Schon aus diesem Grund ist das Gerede vom objektiven Forschen falsch. Forschung braucht Subjekt. Unterschiebt man dem Denken zunächst (was der Materialist ja tun muss), dass es doch nur materiell und daher im (materiellen Subjekt) eingeschlossen, also durch reine Stoffestätigkeit, die aus sich selbst irgendetwas bewirkt, ist, so muss ein wacher Forscher doch bemerken, dass eben diese Feststellung auch wieder gedacht ist. Das Denken über das Denken setzt voraus, dass es einen Standpunkt ausserhalb von sich einnehmen muss, um sich das bewerkstelligen zu können. Materie kann sich selbst nicht anschauen. Materie muss durch ein Nichtmaterielles angeschaut werden. Der Denkvorgang ist ein Tor zum Übersinnlichen und Nichtmateriellen der Welt, in der Seele lebt, denn Denken lebt in der Seele. Dazu kann Materialismus als Goetheanismus kommen. Dadurch kann dem Denkvorgang kein Materielles mehr unterschoben werden. Materialismus kommt, konsequent verfolgt, an eine Grenze, an der er über sich selbst hinauskommt. deshalb muss am Beginn des Forschens Materialismus stehen, der fragt und sich öffnet.

    Daher: Ich wünsche mir, dass die Wissenschaften nun in diesem Sinne endlich wirklich neugierig unbefangen materialistisch werden, und Fragen zulassen. Dann kommen sie schlussendlich zum Wesen der Welt- und Individualseele.

    Herzlich
    Joachim

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