Wiesen

Von meinem Essensplatz aus (aufmerksame Leserinnen haben ihn in früheren Blogs schon kennengelernt) sehe ich auf die vor mir liegende Spielwiese, die eigentlich ein Rasen ist, der auch ein Fussballplatz ist, dahinter die vielbefahrene Strasse und die Eisenbahnlinie Olten – Luzern.

Diese Wiese wird jetzt erst vereinzelt betreten, bald aber, wenn es warm und sonnig sein wird, wird sie regen Zulauf bekommen.

Beim Essen beobachte ich die Menschen die für einige Minuten oder Stunden die Wiese (den Rasen) betreten, und es ist mir erst nach langer Zeit bewusst geworden, nachdem ich es schon lange gesehen (aber nicht erkannt habe), wie erstaunlich ihre Verwandlung ist, von dem Moment an, wo sie Erden-Boden unter ihren Füssen spüren. Kaum auf der Wiese, beginnen sie zu rennen, zu hüpfen, jagen umher, setzen sich, legen sich hin, bilden kleine ad-hoc-Kreise, stehen wieder auf um Untergruppen zu bilden, kurz: sie sind voller Bewegung, wirken fröhlich, leicht und erleichtert. Dies ist bei den kleinen Kindern am deutlichsten zu erkennen, aber auch bei Jugendlichen und jungen Mütter, welche ihre kleinen Kinder begleiten. Ihre Verwandlung ist für mich eine kleine Sensation. Sie sagt mir, dass viele Menschen, vorab jüngere, die Verbundenheit zur Erde spüren, trotz aller Mangelerscheinungen.

Kaum entfernen sich die Spielwiese-Besucherinnen verwandeln sie sich ebenso schnell wieder – aber jetzt auf eine eher erschreckende Weise: Kaum haben sie wieder versiegelten Boden unter ihren Füssen, bewegen sie sich gleichförmig, irgendwie ermattet, ihre Beweglichkeit scheint erloschen zu sein. Eine unheimliche Normalisierung passiert in kürzester Zeit.Erst nach einiger Zeit erkannte ich die grosse Bedeutung und Wichtigkeit dieser Beobachtung.

Mein Fazit:
– Der Mensch braucht natürlichen Erden-Boden unter sich, damit er sich  lebendig fühlt.
– Wir benötigen vor allem in städtischen Gebieten und dicht bebauten Agglomerationen sowohl Wiesen wie auch verwilderte, dschungelartige Lebensräume. Dies schulden wir vor allem unseren Nachkommen.

Unversiegelten, natürlichen Erden-Boden
Der Stoff, aus dem unsere Körper gemacht sind, ist Erden-Materie. Könnte man Erd-Platten zusammenschieben, würde man erkennen können, dass dieses Gebilde der Schädeldecke und den Platten, aus denen der menschliche Schädel besteht, auf verblüffende Art gleicht. Der Mensch enthält etwa gleich viel Wasser, wie die Oberfläche der Erde: über dreiviertel. Die Verwandtschaft von Erde und Menschenleib ist nicht zu übersehen. Die Menschen- und die Erdenseele entwickeln sich am besten miteinander. Wir benötigen diesen Austausch für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit in hohem Masse. Bewusst auf der Erde sitzend oder stehend, kann die geistige Kraft von Mutter Erde in uns einströmen. Dadurch finden wir zum Ja zu unserer physischen Existenz und wir empfangen, wenn wir achtsam sind, wieder das Wissen, dass die Erde heilig ist.

Wiesen und Stadt-Dschungel-Landschaften
Wir brauchen dringend Wiesen in unseren Städten und Agglomerationen – Grünzonen ohne Schilder, Wiesen (oder Rasen) und Wildnis-Oasen voller Sträucher, Blumen, Gras, Teichen, Refugien für wildernde Katzen, für Mäuse, Stadtfüchse und natürlich für Vögel und Insekten. Böden, die einzig da sind für die Natur selbst und Menschen, die sich daran erfreuen wollen.
Wir benötigen nicht-kommerzielle grüne Zonen, geschützt vor jeglicher Spekulation, Bereiche also, wo wir frei atmen und uns bewegen können, wo wir die Lust an freier Erde geniessen können.

An alle Stadt- und Lebensraum-Entwickler*innen: Lasst uns solche Natur- und Heilräume erträumen und erkämpfen! Wir brauchen sie, insbesondere für unsere Kinder, denn sie werden die Erden-Hüter*innen der Zukunft sein. Wer ergreift Initiativen?


«Und betet auf diese Weise auch zu eurer Erdenmutter:

Unsere Mutter, die du bist auf Erden, geheiligt sei dein Name. Dein Reich komme und dein Wille geschehe in uns, wie in dir. Da du jeden Tag deine Engel sendest, so sende sie auch zu uns. Vergib uns unsere Sünden, wie wir alle Sünden gegen dich sühnen. Und führe uns nicht in die Krankheit, sondern erlöse uns von allem Übel, denn dein ist die Erde, der Körper und die Gesundheit. Amen.»
aus dem Friedensevangelium der Essener, Band 1, Verlag Bruno Martin

Beitragsbild: Die erwähnte Wiese mit dem Schatten des Fotografen.

 

2 Gedanken zu „Wiesen“

  1. Lieber Werner

    eine sehr interesssante Beobachtung, liebevoll kommentiert. Herzlichen Dank auch für diesen Beitrag.
    Schade finde ich, dass du deine eigenen wunderschönen Worte noch mit dem Zitat aus einem sehr umstrittenen Buch, das als Fälschung angeschaut wird, ergänzt.
    Liebe Grüsse. Jakob

  2. Lieber Werner

    Es war und ist immer noch ein wichtiges Bestreben des Städtebaus seit dem Ende des 19. Jahrhunderts dafür zu sorgen, dass Städte durchgrünt sind (Baumalleen usw.) und entsprechende Erholungs- und Grünräume haben. Dies kann man, bei allen baulichen Scheusslichkeiten, die es leider auch gibt, deutlich sehen. Und das werte ich als grosses Plus. Basel, Berlin Rom sind durchgrünte Städte und teilw. von Grünräumen, Wäldern umgeben. Paris ist dichter gebaut, aber es gibt dort immerhin die Tullerien und v.m., in New York der Central-Park usw., Hamburg mit dem Volkspark…
    Nur leider sehe ich trotz all der Angebote, dass es vor allem Familien und Kinder fremder Länder sind, die Grünräume nutzen, die diesen Bezug noch zu haben scheinen. Das heisst wiederum nicht, dass es nur Menschen dieser Völker sind, aber es ist doch deutlich, dass vor allem die Mitteleuropäer/Angelsachsen und auch Asiaten den digitalen Konsum der Naturerfahrung vorziehen…Scheinbar übt die digitale (Schein-)Welt einen grösseren Reiz auf diese Menschen aus als der Wald, die Wiesen und deren Düfte, sinnliche Reize und Tiefe(?).

    Zum Seelen-Thema, du schreibst:
    „Die Menschen- und die Erdenseele entwickeln sich am besten miteinander. Wir benötigen diesen Austausch für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit in hohem Masse. Bewusst auf der Erde sitzend oder stehend, kann die geistige Kraft von Mutter Erde in uns einströmen.“

    Der Zusammenhang des Menschen mit der Erde und dem Kosmos ist in der Anthroposophie ein Riesenthema. Das Menschenwesen ist grundsätzlich aus dem Kosmos (geistig-seelisch) herausgeboren.
    Der Erde verdanken wir unser Selbst-Ich-Bewusstsein, und dieses
    benötigt den festen aufrechten Erdenkörper, der durch das Skelett mit seiner Aufrichtekraft (das auch Grundlage einer neuen Architektur ist), getragen wird. Ich-Skelett-Erde hängen zusammen. Deshalb ist die Erde, die selbst auch einen kosmischen Ursprung hat, für uns so wichtig. Das Ich lebt in der Seele wie auch das Denken (als Eigenwesen). Gedanken sind und schaffen eigentlich Elementarwesen! Die Seele mit ihren drei Gliedern (Empfindungsseele-mit dem Physisch-sinnlichen Körper besonders verbunden, Verstandes-Gemütsseele-in der Mitte als trennendes Begriffs-Bewusstsein und Bewusstseinsseele zur freien Wieder-Anbindung an den Kosmos) ist kosmischer Natur, sie hängt mit den Sternenkräften zusammen.
    Zur Zeit sind die Erdenkräfte Todeskräfte, was ja immer durch den Knochenmann ausgedrückt wurde. Diese wandeln wir zu Lebenskräften durch das neue Denken, das in der Bewusstseinsseele zu leben beginnt (wenn wir sie ergreifen), wenn wir die Erdenschwere in die lichte Leichte überführen. Dadurch werden die unteren Wesensglieder in höhere gewandelt- ein langer Prozess, in dem wir längst drinnenstehen.

    Es ist ein grosses Geheimnis und Mysteium, wie die Erden -und Kosmoskräfte zusammenhängen und -spielen, wie es da um den freien Willen geht, den Kosmos wieder neu zu ergreifen und dadurch auch die Erde zu wandeln! In dieses Thema ist das Mysterium der Freiheit eingewoben.

    Herzlich
    Joachim

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