Die neoliberale Ideologie und der Christus-Impuls

1.
Im kapitalistischen System geht es um die Akkumulation von Macht und Finanzen, nicht nur um Gewinn, sondern um die kontinuierliche Maximierung des Gewinns und um die Ausdehnung der Macht und des Einflussbereiches einer Elite. Eine neue Klasse ist entstanden, die der Multi-Milliardäre, des Geld-Adels. «Tatsächlich zielt der Neoliberalismus gar nicht auf «freie Märkte». Er zielt vielmehr auf eine radikale Umverteilung, und zwar von unten nach oben, von der öffentlichen in die private Hand und von Süd nach Nord». *

Wer sagt, dass der Kapitalismus überwunden werden müsse, macht sich bei Vielen unbeliebt und erntet Zweifel an seiner Gesinnung. Jene also -und es sind sehr viele Leute- die sich mit dem Kapitalismus identifizieren, finden also die Akkumulation von Macht und Vermögen bei Wenigen, den Superreichen, in Ordnung oder sogar erstrebenswert, selbst wenn sie in den Augen der Reichen zu den Verlierern gehören, den Kleinst-Konsumenten.

Wer sich als Verbraucher und Konsument sieht in einem Ausbeutungs- System, welches auch kriminelle Machenschaften nicht scheut und sich der ständigen Rendite und der Plünderung der dritten Welt und der Natur schuldig macht, wertet sich in einem unvorstellbaren Masse ab und diese Selbst-Entwertung und Selbst-Entwürdigung findet in den Dunkelkammern der Verdrängung statt. Er präsentiert sich als Mitmacher.

Verletzen wir nicht unsere Seele, wenn wir einem System zustimmen, welches Ungerechtigkeit in hohem Masse erzeugt und uns zu Verbrauchern macht?

Wer sich als einen neoliberalen Kapitalisten sieht und keinen Einspruch erhebt, wenn er als ein solcher bezeichnet wird, unterstützt die Vorherrschaft des Geldes und des materiellen Strebens auf dieser Welt und gleichzeitig wertet er sich ab, mindert sich ab zu einem der Tänzer, die ums goldene Kalb kreisen. Millionen oder gar Milliarden von Menschen entwürdigen sich auf diese Weise, indem sie ihr Menschenbild weitestgehend auf der Ebene der materiellen Gier belassen.

Ich sehe dies als kollektive Selbst-Entwertung. Die neoliberale Ideologie bestätigt, dass es okay sei, sich mit der Identität des braven Konsumenten zu begnügen, welcher die Umverteilung des weltweiten Vermögens von unten nach oben widerspruchslos hinnimmt.

Die neoliberale Weltordnung ist hinter seinen glitzernden Fassaden, ein sich selbst-entwertendes System, denn es greift die menschliche Würde an und die Integrität des Lebens schlechthin.

Im post-christlichen Zeitalter hat sich der abendländische Mensch von seinen christlich spirituellen Wurzeln weitgehend abgeschnitten und lässt sich vom Markt und seinen Ideologien treiben. Unverbunden, also bodenlos, ist er leicht manipulierbar. Er hat seine wahre, wunderbare Identität ausgetauscht gegen eine kleine, armselige, selbst-entwürdigende Identität, die seine wahre Menschlichkeit und innere Grösse unterdrückt.

Die Selbst-Entwürdigung ist eine Verletzung der Seele!

Diese Tatsache ist wohl auch die Ursache der Depressionen und Süchte, die sich so rasch ausbreiten.
Es ist eine ausgeprägte Diskrepanz festzustellen, zwischen dem äusseren smarten, selbst-inszeniertem Auftreten der Leute und ihrer inneren Einsamkeit, Verzweiflung und Depression.

2.
Nun zur christlichen Verheissung eines Lebens in Liebe, die zentrale Wurzel unserer einst christlichen Kultur, die zunehmend dem Vergessen anheimfällt:

Ich unternehme den Versuch, in Kürze die Essenz der Christus-Botschaft des Jesu so zusammen zu fassen, wie sie sich mir erschliesst, wenn ich mich nach innen wende und auf mein Christus-Selbst höre. Natürlich ist dieses Resumé subjektiv gefärbt, es trägt aber auch, wie ich vermute, allgemein-menschliche und über-persönliche Züge in sich.
Ich höre:

«Ich bin gekommen, um euch die neue, frohe Botschaft, die aus der Ewigkeit kommt, die auch in euch ist, zu verkündigen. Mein Reich der göttlichen Einheit ist nicht von dieser materiellen, flachen Welt der Trennung. Es kommt euch entgegen und wird euch erfüllen, wenn ihr bereit seid, es zu empfangen.

Ihr lebt, um zu lieben, zu verzeihen und zu heilen. Ihr lebt im Strömen der Barmherzigkeit und des Mitgefühls.
Ihr lebt, um zu teilen, sowohl euren äusseren, wie auch euren inneren Reichtum.

Ihr lebt, um zu erkennen, dass ICH bei euch und in euch bin alle Tage.

ICH BIN meint das lebendige Sein, das euch erfüllt. ICH BIN ist die Liebes-Quelle, aus der ihr seid.

Seid glücklich, feiert.

Alles vergeht. Das Vergehen enthüllt die Essenz, bringt euch in die Stille meiner unendlichen Anwesenheit, in die Gegenwart, die das ewige Leben ist.

Lebt euer Leben in Anmut, Armut und Bescheidenheit. Werdet Mitfühlende. Lebt wahrhaftig.

Alles ist da, nichts fehlt, wenn ihr euch in euren Seelengrund herablässt – im Vertrauen und in Hingabe.

Liebet euren Nächsten hingebungsvoll, wie auch euch selbst. Ihr seid das Licht und das Salz der Welt.

Wenn ihr erkennt und erlebt, dass ihr bedingungslos geliebt seid, werdet ihr eure Rüstungen (Widerstände) ablegen, nackt, verletzbar und der Machtlosigkeit ausgesetzt sein, aber mit leuchtendem Inneren friedvoll euren Lebensweg gehen und ihr werdet Spuren der Heilung und des Heilens hinterlassen.

Ihr werdet euch eurer Todlosigkeit bewusst und anfangen das Lied eurer Heilung, Wesenhaftigkeit und Auferstehung zu singen. Ihr werdet zu Wasser des Lebens.

Gebt euren äusseren Reichtum, euer Prestige und eure Ansprüche hin mit einem erlösenden Lächeln, das euch befreit und hellstes Licht in eure Seele und in die Welt zeichnet.»

3.
Neoliberalismus und echte Demokratie sind nicht kompatibel.
Unvereinbar sind der Christus-Impuls und die neoliberale Ideologie.

Ich glaube, der schmerzhafte Widerspruch zwischen der inneren Wahrheit, die wir erfahren, wenn wir stille sind und der äusseren Doktrin, die materiellen Erfolg empfiehlt, müsste ausgedrückt, müsste gesagt werden. Insbesondere von den Kirchen und religiösen Gemeinschaften. Aber auch von allen Menschen und Institution, die von einer körperlich-seelischen-geistigen Ganzheit des Menschen ausgehen. Die Zeit des Lavierens ist vorbei.

 

*Aus: Rainer Mausfeld: Warum schweigen die Lämmer. Westende-Verlag.

 

4 Gedanken zu „Die neoliberale Ideologie und der Christus-Impuls“

  1. Lieber Werner, vielen dank für die knappe, prägnante Gegenüberstellung. Sie spricht mir aus dem Herzen. Und was Du im 3. Punkt kurz andeutest: Über verschiedene Konsequenzen und Konkretisierungsmöglichkeiten habe ich vor 15 Jahren mal Folgendes geschrieben: http://www.con-spiration.de/texte/glob.html
    Herzliche Grüsse, Christoph

  2. Lieber Werner

    Du bringst mit diesen Worten auch deutlich die Spaltung zum Ausdruck, die sich auf sozial-politischem Gebiet seit längerem vollzieht. So, wie es einen äusseren Neoliberalismus -sprich Marktradikalismus- gibt, der durch machtbesessene und gierige, unverantwortlich handelnde Elitenmenschen gekennzeichnet ist, gibt es auch einen inneren Neoliberalismus als Seelenhaltung dieser Eliten. Aber: Wieviele „einfache“ Menschen möchten gerne auch immer mehr haben, auch Macht über andere ausüben (du beschreibst das ja)? Wären sie Milliardäre, würde sie sich vermutlich nicht anders verhalten wie es uns diese Eliten vorleben. Perfiditäten finden sich auch in der „einfachen“ Bevölkerung, wenn ich mir da nur die Diffamierungen vor Augen halte, mit denen sich Menschen zur Zeit gegenseitig abkanzeln.

    Die mit diesen Mentalitäten zusammenhängende Seelen-Leere entstand, weil im selben Masse, wie das Christliche nicht im Menschen-Inneren Einzug halten konnte und somit nur äussere Religion blieb, in diesen sinnentleerten Seelenraum, dessen Hülle aus Egoismus gewoben ist, die Kälte des inneren NL einziehen konnte. Dies ist zunächst den unglaublichen Konsummöglichkeiten geschuldet, die mit einer Entindividualisierung einhergehen; ein starkes Individuum würde nach innerer Freiheit streben und nicht würdeloser Sinnensucht folgen. Die Abhängigkeit von Konsum, Sex, Medien bedeutet Unfreiheit (Pseudofreiheit).

    Materialismus ist auch Unfreiheit, weil er uns zwingt, alles, auch Vorgänge, von denen wir tief innen wissen, dass sie okkulter Natur sind, aus rein materiellen Ursachen zu erklären. Schlussendlich verengt er sich immer zu monokausalem Denken.

    NL ist Entindividualisierung/Entrechtung/ Abwertung -Menschen als Schafherde-, ist die Abwesenheit des weitenden liebenden Christus-Logos in unserem Herzen. NL ist somit keine parallele Strömung zum christlichen Weg sondern entsteht durch dessen Abwesenheit.

    Im Umkehrschluss müsste der NL sterben, wenn der Logos in die Herzen vieler Menschen einzieht (auch in jede der Eliten).

    Diese Entwicklung kann aber nicht dadurch angeschoben werden, dass es uns irgendjemand sagt. Ich habe eher die Hoffnung, dass die aufziehenden, immer mehr durch Asozialität gekennzeichneten, mit einer Re-Feudalisierung der sozialen Sphäre einhergehenden Verhaltensweisen schlussendlich wach machen: Vielen Menschen wird durch Schmerz und Leid das Herz geöffnet werden, will heissen, dass Mitgefühl entsteht, und zwar zuerst für die Natur, dann für Menschen. Auf diesem Weg befinden sich sehr viele Menschen. Die Gierhülle der Seele wird zu einer Schmerzhülle. Diese kann Liebe aufnehmen.

    Mir wird auch immer klarer, dass es nicht unbedingt um die hl. Schrift und den (wirklich) grossen Worten -etwa die Bergpredigt- darin geht, sondern um eine persönliche Innen-Beziehung zum Christus. Diese kann jeder Mensch aufbauen, ohne lesen und schreiben zu können oder Philosophie/Theologie zu studieren. Finden wir den Logos in uns, werden wir von ihm genährt und inspiriert.

    Gruss
    Joachim

  3. Lieber Werner, ja, wahrlich, da spricht der Gott in Christus, der wunderbar lebendig und leuchten in dir wohnt, aus dir! So sehe ich‘s: Du hast die Essenz in bescheidenen, tiefgründigen Worten rüber gebracht. Auch dafür sei in seinem Liebeslicht gesegnet, lieber Werner. Die christlichen Kirchen bemühen sich vielerorts um diesen Geist und praktizieren denselben. Das ist meine Erfahrung. Herzlich Maja

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