Die Liebe erwacht – 1. Teil

Schon immer hat mich die Schöpfungsgeschichte der Bibel berührt. Ich erzähle sie hier mit meinen Worten. Sie zeigen, wie ich die Welt verstehe.
Der Mensch ist heute ganz besonders und mit Dringlichkeit gefragt, wie er wirklich leben möchte und was für ihn die Basis seines Lebens ist. Nicht die Mächtigen sollen es uns sagen, sondern wir selbst mögen es in uns er-hören.


Begegnung erweckt

Atem – Bewegung, aus Liebe
Als der Eine, Gott, das Andere, das Gegenüber erschuf, hauchte er seinem Geschöpf seine ganze Liebe und Barmherzigkeit, als sein Erbe, seinen Segen und sein Vermächtnis ein, und liess es frei seinen Weg wählen. Dieser Hauch übermittelte dem Geschöpf die schönste Liebeserklärung, die es je gab. Wenn wir Menschen bewusst einatmen und auf die subtile Dimension des Atems achten, spüren wir diese uns bewegende Liebeserklärung.
Der Hauch, der subtile Atem, wie wir auch sagen können, übermittelt uns die unbedingte Liebe und Solidarität Gottes auf unserem Weg. Dieses liebende Einströmen bewegt uns.
Die Liebeserklärung liegt auf dem Grund unserer Seele. Sie erinnert an eine Melodie.

Die Geburt der Seele – Die Bewegung wird zur Wanderschaft
In diesem liebenden Odem wurde unsere Seele geboren. Ursprünglich ist sie sich in dieser ersten Regung / Berührung als wanderndes und gesegnetes, beseeltes Leben bewusst. Die Liebeserklärung Gottes an sein geliebtes Menschengeschöpf wohnt also der Seele inne. Die erste Bewegung (Regung), ist die Antwort auf den göttlichen Odem. Diese erste Regung wird zum Fluss des Lebens, der uns aus dem Ursprung durchströmt. Er ist Leben gewordene Liebe. Aus dem Ein-Hauch floss und fliesst der Strom der bedingungslosen Liebe, als Urkraft und Ur-Bewegung auf unserer Wanderschaft durch die Welt. Dieser Ein-Hauch ist die Innenseite unseres Atems.

Die Ur-Bewegung als Anfang der menschlichen Geschichte.

Diese erste ursächliche Bewegung (die erste Regung des lebendigen Wesens Mensch) ist die Grundlage aller Bewegungen und Prozesse, aller geschichtlicher Ereignisse, aller Lebensrhythmen und Wandlungsgeschehen.

«da bildete der Herr, Gott, den Menschen aus Staub vom Erdenboden und blies Lebensatem in seine Nase. So wurde der Mensch ein lebendiges Wesen.» (Genesis 2,7)

Der Odem brachte uns in die Bewegung des Lebens.

Der ursprüngliche Segens-Gestus brachte die Seele auf den Weg durch Raum und Zeit, in die geschichtliche Welt.

Die erste ursprüngliche Regung (Ur-Bewegung) als lebendiger Ausdruck der göttlichen Liebe und Barmherzigkeit ist das Erbe, das wir in uns tragen. Die ursächliche Bewegung (Primum mobile) ist Trägerin der Lebensenergie Die erste Regung/Bewegung ist eine geistig-seelische. Der heilige Atem, der Odem belebt uns. Auf der daraus folgenden Stufe der Lebensentwicklung, wo sich überall Lebensenergie (Prana) gebildet hat, entstehen die ersten archetypischen seelisch-körperlich Bewegungen, also die ersten Grundformen der Bewegung als Ausdruck der Lebensenergie:

Lebensenergie ist das, was uns bewegt. Die archetypischen Grundformen der Lebensenergie (Prana, Ki) sind rund, meist wellenförmig, wirblig (Kreiswellen) und spiralförmig. Diese Bewegungsformen sind Trägerinnen des Lebenslichts, fähig Licht zu bilden und zu transportieren. Diese Formen finden sich auf allen Ebenen der Schöpfung, insbesondere im Wasser, welches ja auch für Leben und Emotion (e-motion= Energie in Bewegung) steht. Das Wasser schlängelt sich, mäandert, bildet Wellen Wirbel und Spiralen. Werden Flussläufe begradigt, so häufen sich Überschwemmungen und die Wasserqualität sinkt ab. Dieselben Urformen findet man im All; die Galaxien bilden Spiralen. Man findet aber die lebenserzeugenden Ur-Formen aber auch bei Tänzen und in Liebesspielen wieder (man vergleiche: Willhelm Reich: Die kosmische Überlagerung).

Werden natürliche seelische Bewegungsabläufe im Menschen blockiert, wodurch die Lebenskraft abfällt, so bilden sich, Spannungen, Verkrampfungen und Krankheiten, in der Natur Stauungen und katastrophale Durchbrüche und Explosionen, zum Beispiel Erdbeben.

Unsere Kultur und Zivilisation wiederspiegelt unsere inner-seelische Verfassung:
So wie wir im Äusseren Natur begradigen (Flüsse) und uns in eine rechteckige Architektur zwängen (anstelle einer organischen), so mindern wir auch unsere Lebendigkeit durch ein dominantes lineares und funktionelles Denken, in welchem die Intuition nur eine untergeordnete Rolle spielen darf. Der Mangel an «runden Denkformen» und Emotionen, an innerer und äusserer Beweglichkeit (wie Tanz) schwächt uns Menschen, entwurzelt, entpersönlicht und entfremdet uns in einem Ausmass, das als gesundheits-schädigend bezeichnet werden muss.


Wieder-Erinnerung – Wieder-Erkennen

Zurück zum Odem, dem heiligen Atem:
Im Gebet und in der Meditation und speziell im achtsamen Atem können wir uns an diese Ursprungs-Bewegung, welche Trägerin der Liebe und der Barmherzigkeit und damit auch des Lebens ist, wieder erinnern und damit an unsere Liebesgeschichte mit Gott, der uns sowohl begleitet, wie auch frei lässt. Die Wieder-Erinnerung öffnet sich auch, wenn wir berührt, angerührt werden und damit in Bewegung kommen, insbesondere durch ein Ereignis liebevoller zwischenmenschlicher Begegnung. Wir nennen diesen Vorgang auch Erwachen.
Tiefe Begegnungen bewegen und beleben uns emotional und körperlich. Sie wiederspiegeln uns die ursprüngliche Mensch-Werdung und sie lassen uns auf dem Weg der Menschwerdung weiterkommen.

Erweckung – Einigung

Die Liebe sucht zu erlösen, zu befreien, zu vervollkommnen und zu einen. Immer. Ich glaube, dass es eine wahrhaftige und sehr tiefe Begegnung braucht, damit die Liebe erwacht. Die Begegnung kann sich sowohl in einer sehr zarten Berührung ereignen, in einem intensiven, vehementen Zusammenkommen, einem Akt der Liebe, oder durch einen Zusammenprall und Zusammenbruch. Oder: es fühlt sich als einen Licht-Schimmer an oder einen Ruf in der dunklen Nacht der Seele an. Lesen wir die Schilderung im Prolog des Buches des Sufi-Meisters, Pir Vilayat Inayat Khan «Der Ruf des Derwisch»:

«Wenn wir vorbereitet sind, einen Schritt zu tun weg vom normalen Zustand der Entfremdung, und den Mut haben, durch die dunkle Nacht zu gehen, wenn alle unsere Bemühungen erfolglos scheinen und wir dem Abgrund in uns selbst gegenüberstehen, wenn Verzweiflung uns packt angesichts unserer Unfähigkeit, ihn zu überwinden – selbst wenn wir bis zum Äussersten der Verlassenheit geprüft werden-, in dem Moment, wo alles sinnlos und verloren scheint ,kommt manchmal ein winziger Hinweis – Ayat, wie die Sufis sagen -, ein Zeichen oder vielleicht ein Symbol, so als würden wir das Signal eines Wesens draussen im Weltraum empfangen, das uns zuwinkt, um uns von seiner Anwesenheit zu überzeugen – eine schweigende Stimme, in die wir plötzlich eintauchen…»

Entwicklung, Menschwerdung geschieht im Herzen des Menschen.

Beitrags-Bild: Foto Niklaus Bayer

Ein Gedanke zu „Die Liebe erwacht – 1. Teil“

  1. Lieber Werner, ganz lieben Dank für deine wundervollen Worte zum Licht-Segen. So erlebe ich es auch. Dann erschließt sich einem mit der Zeit ein höherer (der eigentliche) Sinn des Lebens.

    Und immer wieder stellt sich mir die Frage: Kann man in dieser Weise wirken? Anderen Menschen den Weg zeigen? Vermutlich ergibt sich alles von alleine – gottgefügt. So wie ich hierher gefunden habe. Der göttlich erlöste Mensch strahlt auf vielen Ebenen.

    Lichtvolle Herzensgrüße, Mona

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