Warmes Warten – Geduld

Nun, das ist kein spektakulärer Titel. Wer wartet schon gerne – und was will das sagen: warmes Warten?

Ich empfinde mich sowohl als einen geduldigen Menschen, wie auch als einen ungeduldigen. Wenn ich zum Beispiel in einem Restaurant bin und nicht gleich bedient werde, so fühle ich mich übergangen und vergessen. Das hat natürlich mit entsprechenden Kindheits-Erlebnissen zu tun. Früher, als ich noch rauchte, habe ich auch kleine Wartezeiten, zum Beispiel an einer Bus-Haltestelle, mit schnellem, nervösem Rauchen überbrückt.

Warten war für mich höchst unangenehm. Es hatte den Beigeschmack von Ungewissheit: Werde ich wohl gesehen, beachtet? Wird das Erwartete eintreffen?

Erwartungen haben etwas Zwingendes an sich. Sie erinnern mich an Erziehung und Wohlverhalten und an Unfreiheit.

Ich bin aber geduldig, wenn es darum geht einem Menschen die Zeit einzuräumen, die er für einen Entwicklungsschritt braucht.

Es ist noch nicht lange her, als ich herausfand – ich weiss nicht mehr bei welcher Gelegenheit-, dass es möglich ist mit einem guten, warmen Gefühl zu warten, mit einem Gefühl, dasjenige, worauf ich warte, zu wärmen, bereit, wenn es dann kommt, freundlich zu empfangen.
So stelle ich mir eine gute und schöne Schwangerschaft und Geburt vor. Die Mutter wartet auf den Tag ihrer Geburt. Sie freut sich darauf, sie wärmt das Werdende. Sie nährt das wachsende Kind, das sie austrägt.

Dies ist ein Modell für schöpferisches Warten. Wärmendes Warten ist ein schöpferischer Wachstum-Prozess, indem sich Leben entfaltet; Leben, welches vielleicht noch nicht sichtbar ist, aber in stiller Entfaltung auf seine Vollendung wartet.

Ich warte auf meine Geliebte – und wenn ich auf sie warte geschieht eine Art von festlicher Vorbereitung auf die kommende Begegnung. Oder: Sie wartet auf den Geliebten und während sie wartet, macht sie sich schön. Was für eine festliche Vorbereitung Warten doch sein kann. Sie ist Leben. Eine Knospe vor dem Aufgehen.

Was für kostbare, lebendige Momente es doch vor dem Erblühen gibt.

Es könnte ja sein, dass ich vor dem Wiedersehen sterbe, dass das Tram, auf das ich warte, entgleist, bevor es bei mir ist, dass die Dinge nicht auf diese Weise erscheinen, wie ich es erhoffe. Jedoch: Ich habe das Leben erwärmt, egal auf welche Weise es auch immer eintrifft. Und diese Wärme, die ich ausstrahle, findet einmal in der für mich richtigen Form zu mir zurück.

Warmes, wärmendes Warten nährt die Zukunft, das Kommende, das Wachsende. Es ist Warten ohne Erwartung, die verpflichtet.

Das, was unterwegs ist, wird geachtet oder gar geliebt, wenn ich das Werdende wärme.

In dieser Zeit, wo so viele Menschen leiden und sich ein erfüllteres, sozialeres und kulturelleres Leben erhoffen und sich eine offenere und zärtlichere Gesellschaft wünschen (und zu denen zähle ich mich auch), ist es so wichtig, dass wir in wärmender Weise da sind für unsere Träume und Visionen. Wir halten die Zeitspanne, die sie benötigen, um sich zu verwirklichen voller Wärme im Herzen.
Vertrauendes Warten ist wahre Geduld.
In diesem Sinne ist der Weg schon das Ziel. Wenn das Brot im Ofen ist, geschieht ja nicht nichts, sondern sehr viel: Das Brot geht auf, wird knusprig und entfaltet seinen Duft. Das Werden und Reifen findet oft im Unsichtbaren, im Bereich des Seelischen statt. Wenn wir den Lebewesen zu-atmen in Liebe, erschaffen wir ihnen den nötigen Wachstums-Raum.

Wir sprechen manchmal auch vom Werden des Menschen. Ich glaube tatsächlich, dass der Mensch im Werden ist, noch lange nicht angekommen in seiner Reife, in seinem Potential. Er hat sich im allgemeine noch lange nicht erkannt als göttliches, lichtes Wesen in einem irdenen Körper. Deshalb scheint es mir so wichtig, dass wir im Prozess des Reifens bewusst und gross und frei atmen und das Geschehen im Herzen erkennen und für es da sind.

Wir können dem vertrauensvollen Warten auch Advent sagen: Es ist die Zeit der Vorbereitung auf die Ankunft des Herrn. Kein Ereignis hat die Welt so tiefgreifend verändert wie die Geburt des Jesus Christus, dessen Ankunft wir nun erneut feiern.
Warmes Warten bedeutet die innere Vorbereitung auf ein bedeutendes, vielleicht ein umwälzendes Ereignis.  Ohne Vorbereitung würde es uns überfordern. Den Einbruch des Christus-Impulses hat die Menschheit bis heute noch nicht in der ganzen Tiefe und Breite vollzogen. Das Erkennen dieses Ereignis wartet noch auf unser volles Verstehen und auf seine Verwirklichung. Warmes Warten setzt die Voraussetzung dafür, dass wir in die Lage kommen, den wunderbaren Impuls des Lebens zu empfangen und ihn auszutragen wie das werdende Kind, oder die Vision, die in uns Gestalt annehmen möchte.
Durch warmes, wärmendes Warten werden wir womöglich zu Geburtshelfern des Erlösers in uns.

Steht uns jetzt oder in den nächsten paar Jahren eine Metamorphose bevor?

3 Gedanken zu „Warmes Warten – Geduld“

  1. Lieber Werner

    Danke für deine wärmenden Worte! Sie tun so gut und erinnern mich an mein Seelensein. Warten bedeutet auch einfach in Liebe Da-Sein.

    Herzensgruss
    Wolfgang

  2. Lieber Werner,

    ein sehr schöner Impuls. Danke dafür!
    Man könnte es auch als liebendes Warten oder göttliches Warten, also im göttlichen Vertrauen und in der Hingabe darin, bezeichnen.

    Von Herzen, Mona

  3. Lieber Werner, deine Worte lassen mich wärmend eintauchen in den inneren Advent. Auch ich sehe das so: der Mensch ist noch lange nicht angekommen in seiner Reife, seinem Potential… er macht diesbezüglich eher Rückschritte. Tut meiner Seele gut- du schreibst: kein Ereignis hat die Welt so tiefgreifend verändert wie die Geburt des Jesus Christus. Das wünsche ich mir sehnlich wie du, die Metamorphose, in der der Mensch durchlichtet erkennt.. So lasst uns , bis es soweit ist, in die Welt wärmendem Advent verweilen- ausharren. Herzlich Maja.

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