Das Wesen

«Wenn alte Worte auf der Zunge
sterben, dann brechen neue Melodien im Herzen aus;
und wo alte Spuren verlorengehen, offenbart sich
ein neues Land mit seinen Wundern.»
Rabindranath Tagore: Gotanjali

In den Jahren 2018 und 2019 habe ich in meinen Meditationen nach meinem Wesen gefragt. Beinahe täglich. Ich wollte meine Wesenheit, die ich bin, näher kennenlernen. Wie ist mein Wesen, wie fühlt es sich an und was will es mir sagen? Ich merkte bald, dass dies eine unendliche Arbeit ist, so wie das Wesen unendlich ist und geheimnisvoll und niemals vollständig entschlüsselt werden kann. Das Gefühl, die innere Realität, die Wirklichkeit meiner Wesenhaftigkeit kam mir aber näher. Sie fühlte sich nach einiger Zeit substantiell an, konsistent und ganz wahr: Ich bin es.

Den Begriff des Wesens, so wie ich es verstehe, möchte ich kurz erläutern:

Das Wesen ist die Gestalt, die ich essentiell bin. Sie ist in Verbindung mit der primären Wirklichkeit, wie es Ken Wilber ausdrücken würde. Andere verwandte Begriffe sind: Das höhere oder hohe Selbst, das grosse ICH, der innere Licht-Mensch, das Christus-Selbst.
Dem gegenüber steht das kleine, ego-zentrische Ich, welches aus biografischen, kulturellen und gesellschaftlichen Einflüssen besteht und aus diesen Denk- und Verhaltens-Muster gebildet hat und, wenn diese sehr verhärtet sind, zu einem Charakter-Panzer (Willhelm Reich) geworden sind. Das kleine Ich ist relativ, Spiegel der relativen Welt. Es ist mindestens teilweise illusionär, weil es zu einem grossen Anteil aus Oberflächlichem und Vergänglichem besteht.

Unser wahres Wesen, ist vorerst meistens als Licht-Same anwesend. Dieser will geweckt werden. Durch eine sehr tief gehende, zärtliche Berührung wird dieser Same (oder Funke) zu einem Licht erweckt, dass sich allmählich ausweitet, bis es uns ganz umfasst und umhüllt. Wir nennen diesen Vorgang ERWACHEN und in einem spirituellen Sinn auch Erwachsen werden.
Es handelt sich also um die Geburt unseres wahren Wesens, um sein Werden und um seine Entfaltung.
Der Wesenskern, als die Mitte unseres Wesens, ist von rein göttlicher Natur. Er enthält den Ur-Anfang allen Seins.

Als ich mit meinen Aufzeichnungen 2018 begonnen hatte, versuchte ich dem Ur-Anfang meditativ näher zu kommen und fand dafür folgende Worte:

«Die Menschwerdung geschieht ohne Anstrengung. Es braucht nur die wache Offenheit, die sanften Wellen der Liebe anzunehmen, sich ihnen hinzugeben.

Mit den Liebesstrahlen kommt der Mensch in Berührung, wenn er sich absenken lässt, sich in die Ruhe begibt, in die Versenkung, in den Anfang, der in ihm ist.

Der Anfang ist in uns.

Es gibt nichts zu erlangen: alles ist da.

Ein süss-sanftes Ausatmen führt den Menschen in sich selbst, auf den Grund seines Daseins, wo die Stille ist.

Der Mensch ist das strahlende Geschöpf, das Strahlen der Schöpfung. Wir ruhen im Anfang.»

Das Wesen, das ich bin, umfasst einerseits die göttliche Nuance des Einen, das ich auf dieser Erde repräsentiere, also meinen göttlichen Namen und andererseits, das über-persönliche, transpersonale, universelle Sein, den reinen Geist oder das All-Bewusstsein. Ich vereine also als Mensch, sowohl das Persönliche (Personale) in seiner intimsten Weise, wo ich mir bewusst bin, vollständig in meinem So-Sein wahrgenommen, erkannt und geliebt zu sein wie alle anderen Geschöpfe auch und zugleich bin ich auch die Wirklichkeit, die meine Individualität übersteigt. Es ist mein kosmisches und mein universelle Selbst und auch den Bereich, den man formlose Leere nennen kann.

Das Wesen ist multi-dimensional, all-umfassend.

Das Lebensziel sehe ich darin, dass der Mensch sein Wesen in den Vordergrund bringt, während er sein kleines Ich in den Hintergrund schiebt. Dieses spielt nun nicht mehr eine dominante, sondern eine dienende Rolle.

Wie schon oben gesagt, kann ich das Wesen verstandesmässig niemals ganz erfassen und begreifen, weil es das Höchste und Tiefste ist, das ich (wir) sind, und es ist im Kern geheimnisvoll. Doch mein Wesen kann mich ganz erfüllen, ohne dass ich es ganz definieren kann.

Niemals habe ich es bereut über viele Monate nach meinem Wesen und seiner Wesenhaftigkeit nachzufragen. Das Nachspüren hat mich erweitert, irgendwie kompakter, dichter und wahrer gemacht und mir gezeigt, worauf es in meinem Leben ankommt, ohne dies präzise ausdrücken zu können, da das Wesen, insbesondere der Wesenskern, in einem über-rationalen, supra-mentalem Bewusstsein (Aurobindo) ruht.
Der «Wesens-Duft» ist äusserst zart und fein und es braucht eine verfeinerte Wahrnehmung, um die Wesenheit zu spüren, zu erfahren und zu erleben.
Der neue Mensch, der sich nun individuell und kollektiv entfalten möchte -so spüre ich es- siedelt sich in dieser zarten Wahrnehmung an, in jenem inneren Klang, der in uns Gehör bekommen möchte.
Das Ego, das kleine Ich, hat sich zu mindern und zu bescheiden, damit der Raum für das Wesen grösser und weiter werden kann. Diese Minderung fühlt sich oft wie Sterben an. Dadurch ist es möglich, dass die Menschen die Schwelle überschreiten können, die sie vom höheren Bewusstsein, vom eigenen Wesen, welches im göttlichen Wesen lebt, (noch) trennt.

Es geht nicht ganz von selbst, die Schwelle zu überwinden, da es saugende und niederreissende Kräfte auf Erden gibt. Hier ein Ausschnitt aus meinen Aufzeichnungen:

«Es ist eine Fruchtbarkeit in allem. Diese ist blockiert.

Es ist eine negative Kraft aktiv, welche den Wachstums-Impuls behindert und unterdrückt.

Das ist eine Tragödie.

Die Menschheit ist in eine Schieflage geraten. Zwei Attraktoren hält sie im Atem:

Der eine Anziehungspunkt ist der Wahn der Gewinn-Maximierung. Sie steht für den ökonomischen Menschen, den Kapitalisten, der sein Gewinnstreben -und Denken in alle Bereiche des Lebens treibt und dort bestimmend und dominant agiert.
Der andere Attraktor ist die Technisierung («Roboterisierung»/Digitalisierung) aller Gesellschafts-Bereiche. Er steht für den Maschinen-Menschen und den Eroberer.

Sicher: es gibt noch viele andere Trends. Die beiden genannten aber sind die Mega-Trends: alle anderen dominierend. Sie sind omnipotent.

Damit Fruchtbarkeit und Wachstum sein können, braucht es ein tiefes Gefühl und Mitempfinden für das Organische und Prozesshafte des Lebens. Dann kann Wachstum geschehen.

Der einseitig ökonomische und mechanische Maschinen-Mensch, der mit der Technik zunehmend verschmilzt (Trans-Humanismus), verliert die feine Vibration, die in allem Organischen zu finden ist und die nötig ist, Wachstums-Impulse zu spüren, aufzunehmen und ins Leben zu bringen.

Der Mensch droht zu brechen, abzubrechen wie ein Ast vom Lebensbaum.

Das Gefühl für das Lebendige und das Seelische scheint zu verkümmern. So empfinde ich es.

Dieses Gefühl für das Lebendige, das Eingestimmt-sein auf das Empfangende, ist die Voraussetzung dafür, dass Fruchtbarkeits- und Wachstums-Impulse greifen können.

Wenn diese Lebens-Impulse unterdrückt sind, veröden sie nach einiger Zeit, da ihnen die Erde und die Luft fehlt, die sie für ihr Wachstum brauchen.»

Lesen wir Teilhard de Chardin:

«Da die personalen Elemente an eine gewisse Grenze der Konzentration gelangt sind, stehen sie einer Schwelle gegenüber, die zu überschreiten ist, um in die Wirksphäre eines Zentrums höherer Ordnung einzutreten. Sie müssen sich in diesem Augenblick nicht nur aus der Trägheit reissen, die sie immobilisieren will. Vielmehr ist für sie der Augenblick gekommen, sich einer Transformation zu überlassen, die ihnen all das zu nehmen scheint, was sie bereits erworben hatten. Sie können nicht mehr wachsen, ohne sich zu wandeln

Im Schwellen-Bereich beginnt die Wandlung und sie vollzieht sich, wenn wir in unserm Wesen angekommen sind. In der Zartheit unserer Wesens-Sphäre richtet sich der Lichtmensch, der auf unseren Ruf gewartet hat, allmählich auf.

Durch das Lauschen auf unsere Mitte erwecken wir den inneren Menschen, das WESEN, das wir sind. Unsere Aufmerksamkeit und Hingabe gibt ihm Wachstumskraft.

Die Corona-Krise, die meines Erachtens eine Krise des menschlichen Bewusstseins ist, in der u.a. auch geprüft wird, wie weit unser Mitgefühl reicht, stösst uns in Richtung unseres Wesensmitte. Darin finden wir die Essenz, die wir benötigen, um die Blockierungen zu lösen und uns mit unseren Herzenskräften zu verbinden.

Wir können nicht mehr wachsen, ohne uns zu wandeln.

Beitrags-Bild: Das Innere einer Pfingstrosen-Blüte

 

Alles ist da

Alles ist da. Nichts fehlt. Anwesenheit in Fülle. Alles ist einbezogen, nichts ausgeschlossen. Alles ist angenommen, vollständig geliebt.
Du bist unfassbar Geliebtes, verkörpertes Geliebt-sein. Immer, stets, uneingeschränkt.

So etwa könnte man eine der Kernerfahrungen des mystisch erlebenden Menschen formulieren. Das wahre Leben basiert also auf der Fülle – und niemals auf Manko und Fehlendem.

Das moderne, eindimensionale und rein materielle Verständnis des menschlichen Wesens beruht auf dem Defizit: Der Mensch, das Mangelwesen, muss verbessert, optimiert werden, angereichert werden durch künstliche Intelligenz, durch Medikamente, Drogen und eingepflanzte Nano-Partikel, zum Beispiel mittels Impfungen, und durch implantierte Messgeräte und damit verbundenen winzigen Depots, welche die Fähigkeiten haben, zur rechten Zeit, benötigte Stoffe abzugeben, wie etwa Vitaminen. Messgeräte lassen sich auch am Handgelenk tragen. Sie geben dir Auskunft darüber, wie viele Schritte du heute noch tun solltest und wann du ins Bett gehen solltest.

Menschen, so denken «Gescheite», sind wie kleine Kinder, denen man solche Sachen mit modernsten Mittel sagen sollte oder noch besser, man sollte sie einfach automatisch optimieren, ohne auf ihr träges Bewusstsein zu warten. Dazu bleibt einfach nicht die Zeit. Zu Vieles liegt auf dieser Welt im Argen. Demokratische Lern-Prozesse sind zäh und langwierig. Der Mensch muss geführt werden, so wird gedacht, und es gibt einige intelligente, umsichtige Leute (Philanthropen), die wissen, wie die Masse geführt werden muss. Diese wissen auch, welche Hilfsmittel dazu benötigt werden, wie Algorithmen, PR-Büros, chemische Prozesse zur Verbesserung des Welt-Klimas, zum Beispiel durch die Herstellung von Wolken und Regenzonen, die Verbesserung der Böden, der Haltbarmachung von Produkten,  gesundheitsfördernder, billiger Lebensmittel, Verteilnetze, usw.
Die Menschheit ist steuerungsbedürftig, ihrer Tendenz zur Infantilisierung muss entgegenkommen werden mit Brot und Spielen, Unterhaltung, Pornografie, Fernsehen, das beruhigt, Hintergrund-Musik, welche stimuliert und ausgleicht – je nach Tages- und Jahreszeit, Gesichtserkennung, um Kriminelle und Andersdenkenden rasch auszumachen und dingfest zu machen. Überwachung also, soweit nötig. Die digitalen Mittel stehen zur Verfügung.

Was zählt ist Gesundheit, bzw. die Verschleierung und Unterdrückung von Krankheit und Unwohlsein. Der Charakter soll formbar sein und bleiben. Kontrolle ist nötig. Sie soll optimiert werden.

Also: Perfektionieren bis zum Tode. Dieser Satz ist nicht einfach nur so hingeschrieben. Ab einem gewissen Masse ist Perfektion tödlich (ich denke an Euthanasie), da sie spontanes, von der Seele geschaffenes Leben, Schwächen, Scheitern und Bedürftigkeit ausschliesst, ja vernichtet.

Viel spüren intuitiv, dass
nun ein natürliches Vorgehen ein künstliches, automatisiertes werden soll.-
Der Einfühlsame spürt, dass Hilfsmittel, insbesondere technische, mit Bedacht, massvoll, einfühlsam und bewusst zu gebrauchen sind. Dies soll für jede Art von Eingriffen und Interventionen gelten.
Die Menschheit hat die natürlichen Grenzen, die auf Einfühlsamkeit und auf Dialog mit dem Lebendigen beruhen, überschritten.» – «Zuerst sei der Hügel zu befragen, wie er bebaut werden möchte», sagte der Religionsphilosoph Alan Watts einmal. Die Einfühlung gehe also der Tat, dem Eingriff, voraus.

Die Mitmacher reiben sich die Hände. Wir sollten sie dabei stören, ohne gewaltsam zu werden. Und wir sollten sie, insbesondere durch unser Vorbild, darauf hinweisen, dass alles in der Tiefe schon da ist.

Ich meine: es gibt ein Recht auf Fehlerhaftigkeit und Unvollkommenheit, auf ein Lernen durch Versuch und Irrtum; es gibt ein Recht auf menschliche Schwächen und Nicht-Wissen, auf Abhängigkeit und Unsicherheit. Alles ist eingebettet und aufgehoben in bedingungsloser, vollkommener LIEBE, in der Präsenz des Einen, welcher keine Mängel und Fehler ausschliesst, im Gegenteil, sie liebend aufhebt und uns tröstet in unserer Unsicherheit und Sehnsucht.

  • Scheitern ist Teil des Ganzen, Misserfolg ist Teil, wie Erfolg ein anderes Teil ist.
  • Krankheit gehört zum Ganzen, wie Gesundheit auch. Beides, Gesundheit und Krankheit bilden das Ganze.
  • Schwäche und Stärke gehören zusammen, bilden ein Ganzes.
  • Das Unvollkommene ist integraler Teil der Vollkommenheit.
  • Die Liebe zwischen dem Tröster und dem Getrösteten bildet eine lebendige, pulsierende Zusammengehörigkeit.

Die Beziehung zwischen dem Einen und dem Andern, verbindet, eint, macht ganz, was getrennt war. Durch die Liebes-Beziehung lernt der Erden-Mensch, vermenschlicht er sich, heilt er und nicht durch seine narzisstische eigene Optimierung und Perfektion, die ihn in die Einsamkeit und Gewalttätigkeit führt. Die Kehrseite der Perfektion ist Ohnmacht, Hilflosigkeit und Verletztheit. Der Perfektionist oder der Super-Idealist schliesst diese Gefühle aus und ist deshalb in Wirklichkeit eben alles andere als perfekt.

Der Liebende weiss:
Alles ist da. Nichts fehlt. Anwesenheit in Fülle. Alles ist einbezogen, nichts ausgeschlossen. Alles ist angenommen, vollständig geliebt.

Du bist unfassbar Geliebtes, verkörpertes Geliebt-sein, mit all deinen Mängeln. Immer, stets, uneingeschränkt.
Fülle.

Den Menschensohn erretten

Gedanken zur Apokalypse. Dies ist ein gebetsähnlicher Text, der mir in die Hand geflossen ist, ohne mein kognitives Dazutun. Er ist kurz, und eher nicht an den Verstand gewandt. Ich habe ihn genau so belassen, wie er mir eingegeben worden ist, ohne Erläuterungen und Korrekturen. Hier soll er geteilt werden.

Und du wirst werden ein Mensch. Er wird über dir ausgegossen. Amen.

Der Menschensohn: Das Wesens-Selbst, die innere Bewegung des Lichtkraft-Selbst, das Werdende in mir, das, was geboren werden soll. Meine Selbst-Geburt= der Sohn/die Tochter, mein Christus-Selbst.

Den Menschensohn erretten. Diesen gilt es zu erretten. Er versinkt – er droht zu versinken – in der Verfinsterung unseres austrocknenden Selbst.
Es ist eine Austrocknung im Gange, eine Erosion – von uns selbst. Darin das innerste Leben, dem Feuchtigkeit mangelt, das Wasser des Lebens.

Exoterisch: Die Klima-Katastrophe; esoterisch: Die Austrocknung unserer Lebendigkeit, unseres Seelenlebens.

Was lebt, droht unterzugehen.

Die Apokalypse ist eine Schrift, die sich in Visionen, Träumen, Abschiedsreden, Weissagungen mit dem kommenden Weltende befasst. Sie spricht auch vom kommenden Sein und vom Werden des Menschen, dem Menschensohn.

Der Mensch errette den Menschensohn vor der Austrocknung, das heisst vor dem Absterben seiner Seele.

Genauso erlebe ich unsere Zeit.

Der Menschensohn wird einst – Gott sei uns gnädig – über uns ausgegossen.

Der Mensch ist in seiner Verfügungsgewalt gefangen. Er verfügt über sich und die Schöpfung, was tödlich ist oder tödlichen Ausgang nehmen kann.

Der Mensch ist drauf und dran, seine Neugeborenen zu maskieren! Gott möge uns davor behüten.

Gott schütze uns vor uns selbst- unserem austrocknenden Selbst.

Rufen wir den Retter in uns.

Möge der Menschensohn über uns ausgegossen werden.

Apokalypse heisst wörtlich Entschleierung. Oder Enthüllung.  Oder Offenbarung.

Möge sich Gott in uns offenbaren.


Beitragsbild: Wasseroberfläche eines Brunnens: das Muster (Form und Farbe) ist vom Wasserstrahl (Wellen) und von der Sonne (Licht, Energie) hervorgerufen. Foto WB

Leiden

Verschiedene Formen der Ablehnung und Ausgrenzung führen zu Leiden.
Die Verleugnung des leidenden Menschen, der leidende Kreatur, ist die Ursache noch grösseren Leidens.
Der vergessene, nicht beachtete, ausgegrenzte Mensch, samt allen mit ihm unterdrückten Bereichen des Lebens, die er verkörpert und damit all seiner Lebensäusserungen, führen zu innerer und äusserer Verletzung, zu Gewalt, bis hin zu Krieg.

Das verleugnete Leiden führt zu grotesken Formen der Abwehr und der Kompensation: zu Grössenrausch, Kraftprotzerei, zu Sucht und Aufblähung. Die Verleugnung des Leidens ist der Anfang fast aller Übel.

Das Leiden und mit ihm all dies, was nicht ins Leben finden darf, das Verstummte, Verlorene, Verschwiegene, drängt zurück ins Leben, ins Angenommensein, in die LIEBE.

Der Mensch mit einem offenen Herzen, der solidarisch ist mit dem unterdrückten Leben, solidarisch mit der leidenden Kreatur, also der Mitfühlende, der Mit-Leidende ist jener Mensch, der in Wahrheit eine integrale, wieder einbeziehende, liebende Seele hat. Er ist ein Versöhnender, ein Liebender und ein Diener Gottes. Er ist berührbar und verletzlich.

Nicht wahr: ich spreche hier nicht von Masochismus, von Menschen, die sich in ihrer Opfer-Rolle gefallen oder sogar daraus Vorteile beziehen wollen. Ich spreche hier nicht von Menschen, die sich quälen, weil sie sich verachten. Nein. Ich spreche von mitfühlenden Liebenden, welche mit der Schöpfung verbunden sind und mit sich selbst, auch mit ihrem inneren Kind, für das sie sorgen.

Es sind freie Menschen, die an sich arbeiten, nicht Projektive, sondern sich selbst erkennende, bewusst mit-leidende und sich mit-freuende, am Leben Partizipierende.

Der mit offenem Herzen Hörende erhört die Leidenden, gibt ihnen wieder seelischen Wohn- und Lebensraum. In ihm können sich die Selbst-Verlorenen, die Verlassenen wieder finden, sich erholen. Das betrifft, Menschen, Tiere, Pflanzen, Geistwesen.

«Ich bin da für dich. – Ich bin der Da-Seiende. Ich bin das Tor zum Leben. Ich bin die LIEBE.»
Dies ist der Weg der Heilung.

Es gibt mitfühlende und mit-leidende Menschen, die Wohnstatt geben für das zurückkehrende, wieder ans Licht drängende Leben. Was im Dunkeln und Abgeschiedenen war, findet in ihnen Wärme und das Licht des Herzens. Diese Menschen haben sich für diese dem Leben dienende Aufgabe bewusst entschieden. Sie sind Licht-Tore der Ganzheit.
Grosser Dank sei ihnen.

Eine zentrale Botschaft von Jesu war: «Kommt alle zu mir, die ihr verlassen, verarmt, verfolgt, unterdrückt, missachtet, krank und ausgegrenzt seid.
In besonderem Masse gilt meine Liebe den Nicht-Beachteten, Vergessenen und den Armen.

Insbesondere im Faschismus wird aber gerade der machtlose und der eigen-willige Mensch verachtet und stigmatisiert – oder gar ausgerottet, wie die Uiguren heute, und früher, während der Nazi-Herrschaft, die Juden, Zigeuner und Schwulen und die politisch kritischen Bürger.

Heut gibt es klar Tendenzen zu erblicken, welche die Kranken und Sterbenden nicht so sein lassen mögen, also in ihrer Schwäche, Angewiesenheit und Bedürftigkeit. – Befohlene Gesundheit!

Das Bedürftige wird oft gehasst und verachtet. Wer sich nicht optimiert und perfektioniert: dem ist nicht zu helfen. Das Leiden ist, auch dank der Gen- und Nano-Technologie und Schmerzmittel, zu überwinden, zu beseitigen. Die Menschheits-Entwicklung ist zu managen, schmerzfrei, oder doch so, dass der Schmerz betäubt werden kann. Vom Leiden auf der Welt wird abgelenkt durch belanglose Themen. Leiden wird ignoriert oder mit Unterhaltung zugedeckt. Statt Mitgefühl wird Sentimentalität zelebriert. Statt gesunde Empörung bläst die Unterhaltungs-Kapelle. Das Mitgefühl hört spätestens bei den Landesgrenzen auf.

Die Menschheit hat eine Entscheidung zu treffen – wenn ich das recht sehe:

Entweder bleibt sie weiterhin auf der grossen Strasse, dem main-stream und versucht weiterhin dem Wahn der Machbarkeit zu gehorchen, wo es primär um technisch-digitale Verbesserungen geht und um rationale Planung und organisatorische „Verbesserungen“ auf der Struktur-Ebene,

oder:
die Menschheit (und das gilt auch für den einzelnen Menschen) entscheidet sich für Erlösungs- und Heilungsarbeit, wo sie das im Laufe der Geschichte der Menschheit Ausgeschlossene, Entwertete und Vergrabene und damit das Leiden der Welt, wieder in Liebe und Mitgefühl empfängt, integriert und in die Ganzheit allen Seins hebt – wo sie die verlorenen Söhne und Töchter zu Tische bittet.

Das Geheimnis des Lebens

 

Nicht über meine Krankheit und meinen Prozess der Gesundung möchte ich hier berichten, sondern über meine Einsichten und Gefühle, die in mir aufkommen, wenn ich meinem Leben, ja dem Leben schlechthin, nachspüre. Ist es nicht das Er-Leben selbst, das uns zu lebendigen Menschen macht, zu Menschen auf dem Wege der Verwirklichung?

Das Geheimnis des Lebens liegt auf dem Grund des Lebens, das ich bin. Ich bin das Leben und seine Ursache.
Mein Leben birgt das Geheimnis des Lebens.
Regt sich das Geheimnis des Lebens in mir, so bin ich in Berührung mit ihm und in einer hohen Vibration, die mich auf den Seelen- und Lebensgrund führt: zu den Wurzeln.
Dafür lebe ich. Dafür leben wir.
ICH BIN  die Ursache meines Lebens und seine Vollendung. Dieser Zwei-Klang hält mich lebendig; er bildet mein Leben, meinen Lebensklang.
Regt sich das Geheimnis meines Lebens, dann kann es sich erfüllen.
Das tiefste Wissen , warum und weshalb ich bin, fliesst aus Herzens-Intelligenz; sie trägt universelle Herzenswärme in sich.
Fragen wir nach dem Geheimnis, das unseren Lebensgrund bildet, dann befinden wir uns auf dem Weg unseres Lebens. Es ist ein Beben des Herzens, das der Offenbarung voraus geht.
Dann mag der Moment gekommen sein, wo wir in grossem Frieden sterben werden können.
Der Einblick, der uns gewährt wird, wenn sich das grosse Fenster zu öffnen beginnt, ist ergreifend – überwältigend.
Verlieren wir den Faden zu unserem Leben und dem Leben überhaupt…und die Menschheit scheint in grossen Teilen diesen Faden zu verlieren, tauchen wir in Flachland ab und faulendes Gewässer. Die engagierte Frage nach unserem Leben ist es, die unser Leben in Wallung, in Bewegung und in ein feines Zittern bringt. Insbesondre das Zittern -hoch energievollstes Leben aus dem Ursprung – ist es, das uns wieder in unmittelbaren Kontakt mit uns selbst und mit dem Leben überhaupt bringt.

Manchmal manifestiert sich uns Leben als unhörbares Rauschen.

Für jeden schöpferischen Prozess braucht es mindestens ein Quäntchen schöpferische unkontrollierbare Energie, nennen wir sie Zittern, damit Neues aus der Quelle in die Herzen und die Hände fliessen kann.
Von kühlen Gedanken Abgeschmirgeltes verliert den Duft des Betörenden, welches der Frische der Schöpfung eigen ist.
Weg-perfektioniertes Leben erinnert an den Tod. Nur noch Geformtes ist schon in Auflösung, kurz vor dem Tode.

Jedes schöpferische Moment trägt heiliges Nicht-
Wissen in sich: ein anderer Ausdruck für Demut.

Die Kraft des Neuen kommt aus der Balance von Form und Leere, aus dem Gleichgewicht von Form und Geheimnis.
Kein Rezept, keine Demagogie und kein schnelles Rettungsangebot bringen der Menschheit Hilfe.
Das hingebende Hineinstrecken in das oft zittrig-vibrierende Leben hingegen führen uns sanft an seine Quelle.
Kalte Konzepte wie der Great Reset oder der Transhumanismus tragen unvorstellbares Leiden in sich, weil sie der Weisheit entgegenwirken. Das reine Konzept, das sich vollständig der Formgebung und Kontrolle überlassen hat, hört auf zu atmen, verliert die Beziehung zum Geist. Vorzeitiger Tod.
Bewusstes Atmen hält uns im Geistesstrom.

Sie – die kalten Konzepte – wollen das Leiden vermeiden, tragen es aber in sich -und Vermiedenes zeigt sich später: dramatischer und schrecklicher, als wenn es als Teil der Wahrheit zugelassen wäre. Dann nämlich könnte es, sich umwandelnd zu Lichte werden.
Das Vermeiden-wollen (von Unsicherheiten, von Nicht-Wissen, von Zwischen-Räumen, etc.) ist schon selbst Leiden, unerkanntes Leiden.

Wie manche Lieder so enden, wie sie anfangen, möchte ich diesen Artikel so beschliessen, wie ich ihn eröffnet habe:

Das Geheimnis des Lebens liegt auf dem Grund des Lebens, das ich bin. Ich bin das Leben und seine Ursache.

ICH BIN DAS LEBEN UND SEINE URSACHE

 

Wahrheit und Illusion

Viele meiner gleichaltrigen Zeitgenossen und Zeitgenossinnen, also die «Nachkriegskinder», scheinen noch im Zeitgeist des ausgehenden letzten Jahrhunderts verblieben zu sein: in der Postauto-Schweiz, der Schweiz mit dem bestgehüteten Bankgeheimnis der Welt, den pünktlichsten und modernsten Bahnen der Welt, der Gemütlichkeit und des Fleisses. Und vor allem: im Lande der einzig wahren und fast perfekten Demokratie.- Natürlich waren wir auch kritisch, moderat, wohlwollend kritisch. Moderat eben.
Er, der grosses National-Dichter Dürrenmatt durfte ausnahmsweise so etwas sagen wie: Die Welt ist ein Irrenhaus («Die Physiker») und Jahre später in der Rede für Vaclav Havel: Die Schweiz ist ein Gefängnis. „Jeder Gefangene beweist seine Freiheit, indem er gleichzeitig Wärter ist.“

Solche Sätze schluckten wir Schweizer-innen, weil wir Dürrenmatt tolerierten.
Viele meiner Bekannten anerkannten auch die Tatsache der Natur-Zerstörung und Klimaerwärmung und die Notwendigkeit eines teilweisen Konsumverzichtes.

Die massive, tiefgreifend Umstrukturierung der Welt-Gesellschaft in Richtung Aushöhlung der Demokratie (siehe das ausgezeichnete Buch «Die Aushöhlung der Demokratie» von Gil Ducommun), der sturmartigen Auslagerungen und Privatisierungen einst öffentlicher, staatlicher Unternehmungen, die Tendenzen starker nationalistischer und diktatorisch-technokratischer Bestrebungen im globalen Stil, wurden, so meine Ansicht, massiv unterschätzt. Ebenso unterschätzten meine etwas gleichaltrigen Brüder und Schwestern die extrem (!!) schnelle Umverteilung der Mittel von unten nach oben und von Süd nach Nord und deren Auswirkungen auf die globalen Machtstrukturen (z.B. die Konzentration der Medien in den Händen Weniger).
Die Ablenkung von diesen Problemkreisen auf Scheinprobleme und Unterhaltung (siehe Beitrags-Bild) gelang ausgezeichnet.

Heut würde ich die Metapher für die Welt in Abwandlung von Dürrenmatts Irrenhaus als Die Welt als Firma – als Holding bezeichnen.

Das ökonomische Denken hat sich durchgesetzt, bis in fast alle Winkel hinein. Die Welt ist zur Produktionsanlage von Produkten geworden. Die Firma wird von einem Konglomerat aus technokratischen, transhumanistisch denkenden Oligarchen und Unternehmern, vor allem aus den Bereichen digitale Technik, Gesundheit und Pharmazeutik (Impfung), mächtigen Politikern, Geheimnisdiensten, Finanzinstituten wie Black Rock und dem Militär geleitet und bestimmt, mit dem Ziel durch Überwachung und Propaganda, die Menschheits-Entwicklung besser und effizienter steuern und kontrollieren zu können.
Seele und Geist spielen da keine Rolle. Hingegen können wir von bio-politischer Einflussnahme sprechen. Sie hat das Ziel den Zugriff in den menschlichen Körper invasiv voranzutreiben. Die Körperfunktionen sollen zunehmend überwacht und optimiert werden, insbesondere im Bereich von Schwangerschaft (Designier Babys), Geburt und Sterben. Gen-Manipulationen sollen normal werden.

Diese glücklicherweise nicht abgeschlossene Entwicklung ist in vollem Gange und viele Menschen, insbesondere auch aus meiner Generation, scheinen diese machtvolle Tendenz massiv zu unterschätzen – trotz Corona.
Auch bei mir ging es sehr lange bis ich Abschied nehmen konnte, sowohl von meiner globalen Perspektive einer halbwegs heilen Welt, wie auch von meiner Sicht auf die «Postauto-Schweiz». Dabei geholfen hat mir die Lektüre von Rainer Mausfeld: «Warum schweigen die Lämmer?», wo der Autor fast etwas kühl und präzise beschreibt, was mir das Grausen gebracht hat. In seinem Buch beschreibt er das Wirken der unsichtbaren Mächtigen, den hinter den demokratischen Fassaden agierenden Einflussnehmenden.

Das Bagatellisieren oder gar «Übersehen» dieser auf das Menschheits-Selbst aggressiv einwirkenden Manipulationen halte ich für gefährlich.

Ich sehe mich nicht als Schwarzmaler, aber als Warner. Allfällig Übertreibung sind als Ausdruck meiner Erschütterung, meines Schmerzes und meiner Trauer zu verstehen.

Es ist mir bewusst, dass ich hier nicht von der REALITÄT sprechen, sondern von einer schrecklichen Illusion, nämlich der Verkennung der Würde des Lebendigen auf Erden, mit vielleicht Todes-Folgen.

Die Illusion einer seelenlosen, zu kontrollierenden Welt, behindert den Einstrom der Wirklichkeit, die ich vor allem als Gnade erlebe. Sie verletzt.

Die Erde ist in Wahrheit ein wunderbarer, zärtlicher und wohlwollender Wohnort, aus Liebe und Weisheit gebaut; ein gesegneter Licht-Ort. Mensch und Erde sind beseelt. Sie tragen in sich alles Wissen, das zu ihrer Entfaltung benötigt wird. Und das lässt sich in jedem Moment erfahren.

Aus diesem wunderbaren Lichthaus, das die Erde ist, gibt es Mächte, die es in ein Gespensterhaus verbiegen wollen. Vor 100 Jahren hat Rudolf Steiner die Zunahme  ahrimanischer* Einflüsse, ab dem Jahre 2000 vorausgesehen.

Was seelenlos gesehen und behandelt wird, verkümmert, wie auch die verkümmern, welche das Geschaffene so behandeln, .

ALLES WAS IST, IST GE-LIEBTES.

Dieser obige Satz ist nicht leicht aufzunehmen und zu integrieren. Er entspricht vollständig meiner inneren Wahrnehmung. Die Kälte der Macher tut mir weh. Und Spuren von diesen trage ich auch in mir.

*Ahriman ist jene Gestalt des Bösen, die es darauf abgesehen hat, das Leben in  ein Maschinenähnliches, zu Kontrollierendes abzuwerten.

Beziehungen der Liebe

Im Leben der Menschen gehören Beziehungen zum wichtigsten Lebensgut, insbesondere, wenn sie liebevoll sind. Gibt es etwas Wichtigeres? Reichtum? Gesundheit? Erfolg? Für mich sind es die Beziehungen. Sie sind die Priorität in meinem Leben.
Doch das Beziehungsleben leidet. Schon lange. Seit Corona nun noch verstärkt.

Die einseitige Ausrichtung auf den materialistisch-rationalen Aspekt des Lebens reduziert auch das Beziehungsleben auf das Nützliche, Funktionale. Der Mensch wird zur Arbeitskraft, zum Verbraucher, zum Nutzbringer – zum Rollenträger.
Er neigt sogar dazu, sich der Maschine zu unterstellen.
Beziehungen, nach und nach auf das Funktionieren zu reduzieren, hat etwas Teuflisches an sich. Und dies geschieht verbreitet.

Seit Jahrhundert – oder gar seit Jahrtausenden hat sich der Mensch nach aussen und hierarchisch gesehen, nach oben orientiert, nicht aber nach innen und in die Tiefe (der Erde, der Seele).

Wir Menschen glauben DIE KRANKHEIT (aktuell Corona) mittels Hygiene, Abstand und Impfung zum Verschwinden bringen zu können, die Klimaerwärmung durch CO2-Abgaben, Frieden durch Sanktionen, etc.
Auch wenn die einzelnen Massnahmen nicht einfach falsch sein mögen, so sind sie doch extrem einseitig materialistisch gedacht – wenn man da überhaupt von Denken sprechen kann. Gibt es das Denken denn überhaupt noch, wenn man ihm die Häute von Intuition, Empfinden und Gefühl vom Leibe zieht?

Beziehungen sind gar nicht anders als ganzheitlich zu leben. Das gilt primär für zentrale Beziehungen wie Partnerschaften, Eltern-Kind und Freundschafts-Beziehungen. Da erfahren wir einfach, dass es uns als ganze Menschen braucht.

Der Beziehungs-Zwischenraum, da, wo der direkte, unmittelbare Austausch zwischen Menschen passiert, wird zunehmend okkupiert durch meist technische, digitale oder bio-technische Geräte. Algorithmen und Roboter, programmiert von einigen grauen Herren und Damen regulieren den zwischenmenschlichen Verkehr. Es gibt aber auch Worthülsen, ideologische Sprache, die sich, transportiert von Presse und Fernsehen, Denkfabriken und Geheimdiensten, sich in unseren Köpfen festgenistet haben. Ich nenne sie Gespenster.

Diese Gespenster und Geräte, aufgeladen mit künstlicher Intelligenz und Propaganda, bezwecken, in uns hinein zu wachsen und den Beziehungsraum, der eigentlich klar, hell, rein und leer sein müsste, zu vereinnahmen. Daran hat sich die menschliche Gesellschaft schon gewöhnt. Die Unterhaltungs-Industrie wird sich bedanken.

Wahre Beziehungen sind nicht manipulierbar. Sonst sind es keine.

Von der Dual-Union zur Trinität
Wenn zwei Menschen sich lieben, so bildet sich zwischen ihnen ein Beziehungsraum aus, der von Liebe erfüllt ist. Damit sich ein Liebesraum bilden kann, ist es nötig, dass vorerst dieser Zwischenraum frei von Erwartungen und Projektionen bleibt – und wenn solche doch auftauchen, sie reflektiert und verstanden werden von den Beteiligten, damit sie sich wieder auflösen (erlösen) können. Die Liebenden spüren im besten Falle, dass das Beziehungszentrum, das Herz, umfassendes Sein bedeutet, aus dem alles, auch die Verschiedenheit der sich Liebenden, hervorgeht. Der innerste Beziehungsraum ist demnach heilig. Daraus hervorgehend, erhält die Beziehung ihren Glanz. Es ist der unsterbliche Glanz der «Perle», über den nicht verfügt werden kann. Er ist unbegreiflich und geheimnisvoll.
Es gibt nun also drei «Personen»: der/die Liebende, der/die Geliebte und dazwischen die LIEBE. Wer genau hinsieht, stellt fest, dass schon im Anfangsstadium, der Phase der Verliebtheit, dieses Geheimnis abgezeichnet ist.
Die Liebe ist immer auch ein Prozess und eine Beziehung. Daher dynamisch. Die Liebe tanzt.

Der Liebes-Prozess ist ein schöpferischer. Aus ihm geht das Kind, das Neue, hervor. Das Neue wird aus Liebe geboren. Auch eine neue, tief erneuerte Gesellschaft wird aus Liebe geboren.

Dieses funktionale, auf Reduktion bedachte Denken – welches wahrscheinlich gar nicht als Denken bezeichnet werden darf, ist zweifellos nicht nur nicht geeignet, grosse verbreitete Probleme, wie eine Pandemie zu lösen, es ist schon gar nicht geeignet, die Menschheit zu vermenschlichen.
Diese erwächst aus dem Seelengrund der Erwachten, der Liebenden, der fei Atmenden und in Zuneigung zusammen Arbeitenden.

Wir brauchen nicht mehr Regeln, sondern eine erweiterte, ganzheitliche, integrale Sicht.
Die christlich-mystische Sichtweise, wie sie sich vor allem zwischen dem 11. Und 14. Jahrhundert in Europa ausbreitete, kann uns helfen, die Weite unseres Menschseins wieder zu öffnen. Transformation heisst für mich eine umfassende, in die Tiefe der Seele reichende Umwandlung und Erneuerung des menschlichen Bewusstseins.
Wir brauchen nicht mehr Rezepte, sondern innere Heilung.

Denn die alte, starre und enge Sicht hat uns die Katastrophen beschert, die uns nun bestimmen und betäuben.
Der Glaube an die Machbarkeit und Quantität bringt uns das freudlose Leben und lässt unsere Beziehungen verarmen.

Was wir benötigen ist, dass wir uns gegenseitig heilen und entsprechende Räume der Heilung und Wärme bauen: Heilungsbiotope, Heilkreise, Oasen der Liebe.

Die Heilung der Erde
Die Heilung der Erde beginnt damit, dass die Menschen (wieder) lernen, mit ihr in Beziehung zu kommen. Sie sprechen wieder mit ihr, einfühlsam, und sie tanzen zärtlich und behutsam auf ihr. Mitgefühl ist der Schlüssel zu wahrer, gefühlter Beziehung. Wie mit dem  Planeten als Ganzes, lernen wir auch mit seinen Geschöpfen in Beziehung zu kommen: den Tieren, den Pflanzen, den Elementen. Wenn wir eingreifen, und manchmal ist es nötig, dann behutsam und empathisch. Dadurch wird die Erde in eine höhere Schwingung kommen können und uns den Boden geben, uns zu entwickeln und zu vermenschlichen. Diese wird uns auf eine heilsame Weise, entschleunigen.

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Der Stoff aus dem und mit dem wir arbeiten, fliesst aus den Liebesbeziehungen und den Perlen, die wir polieren bis sie glänzen.

Und die Perle, wir haben es gehört, ist das Dritte, die heilige Mitte, die immer auf das EINE verweist. Da, gleichsam über dem Dritten, der Flamme, der Perle, des Lichtherzes, wie immer es wir nennen wollen, öffnet sich der metaphysisch Beziehungsraum, der des kontemplativen Gebetes und der Meditation.

Die Liebe erscheint – 3. Teil

Der Einsturz der gesellschaftlichen Macht-Strukturen ist reine Zwangsläufigkeit tätiger Liebe.
Zu dieser Zeit sehen wir aber auch die extreme Kumulierung von Macht und Geld in den Händen Weniger. Dies ist ein Indiz dafür, dass diese Ungerechtigkeit und damit das alte materialistische System früher oder später zu einem Ende kommen muss.

Der gespaltene Mensch, fremdbestimmt durch einseitige, materielle Ideologien (wie der Transhumanismus), bewirkt eine weitere, beschleunigte, ins Chaos führende Trennung seines Lebens vom hohen Selbst,
während die mystischen Bestrebungen, die wirklichen Innen-Erfahrungen, die aus der Quelle allen Seins emanieren, ihn wieder verbinden mit der alles  durch scheinenden Wirklichkeit, in der er wieder hergestellt wird, als ganzheitlich und integral verstandenes Wesen, welches seine Erklärbarkeit im Lichte der Liebe gesprengt hat, damit er in Freiheit aufatme.

Dies zu sagen, in immer wieder verschiedener und in der Substanz doch gleicher Weise, ist mir ein Herzensanliegen.


Liebe schafft kollektive Erneuerung – Heilung

Wenn das Universum uns seine Essenz enthüllt, ist das ein Zeichen dafür, dass die Kompensationswelten ihre Macht über uns (mindestens teilweise) verloren haben.

Der Zusammenbruch der Scheinwelten ist der Ausdruck der magnetischen Kraft der Liebe.

Die Ersatzwelten (wie suchtartiger Konsum) sind Barrikaden, welche den Ein-Fluss des Lichtes behindern. Ihr Einsturz ist reine Zwangsläufigkeit tätiger Liebe.
Mit dem Zusammenbruch der Systeme tritt die ursächliche Gewalt ins mensch­liche Bewusstsein, welche die Illusions- und Kompensations-Welten hervor­brachte. Wir haben uns mit unserer unerlösten Gewalttätigkeit zu konfrontie­ren und wir sind aufgefordert uns und die Erde zu heilen.
Liebe bewirkt Transformation und Heilung. Damit die Heilung in Kraft treten kann, ist es nötig, dass wir Menschen uns unsere Bedürftigkeit eingestehen, anerkennen, dass wir angewiesen sind auf die Hilfe aus der göttlichen Geist-Welt, auf Seine Barmherzigkeit, dass wir also zugeben, dass unsere Bewusstheit und Liebesfähigkeit begrenzt sind und unsere Ohnmacht gross ist. Der Mensch im Dilemma öffnet sich, wenn er innehält, für den Trost und für die Barmherzigkeit.

Viele ahnen, dass die weltweiten Probleme, die wir Menschen geschaffen haben, unserer Kontrolle entglitten sind. Der Glaube an die Machbarkeit des Erstrebenswerten ist erschüttert. Nur die Anerkennung unserer Ohnmacht kann helfen. Genau an diesem Punkt stellt sich Trost ein. Dies gilt auch für individuelle und zwischenmenschliche Schicksale. Durch die Anerkennung der Grenzen der Machbarkeit, durch die Annahme der Machtlosigkeit, die zum Beispiel auftritt, wenn wir in einem Dilemma stehen, bildet sich eine Lücke, ein leerer Raum, in dem Gott wirken kann. Dies erfahren wir als Hilfe.

Jedes Dilemma, jede Krise ist eine Gelegenheit zur Transzendenz.

Durch die Anerkennung der Machtlosigkeit, der Hilfsbedürftigkeit und der Dilemmas, entsteht Leer-Raum, entstehen Lücken, offene Fenster durch welche Hilfe und Heilung einströmen kann.


Lebensfreude

Der kontrollierte, gesteuerte und gezähmte Mensch, der gelernt hat, sich rasch und unauffällig zu unterordnen, aus Angst vor Ausschluss und Stigmatisierung, erwartet, dass er von aussen gehalten wird: von Autoritäten in Politik, Wissenschaft und Medizin, wartet darauf, dass die Politiker, die Behörden sich bessern, wartet, wartet. – Wartet! Erwartet!

Nimmt der Mensch seine Projektionen, Delegationen und Erwartungen zurück (siehe letzter, also 2. Teil der Trilogie), ist der Mensch soweit, sich selbst zu ermächtigen, sich würdevoll unter die Wahrheit zu stellen, als selbstverantwortlicher, freier, souveräner Mensch, der sich mit anderen freien Individuen in einer Gemeinschaft zusammenzufinden weiss.

Hier zeigt sich ein interessantes Paradoxon: Ich glaube, dass nur der bescheidene Mensch, der um seine Begrenztheit und Bedürftigkeit weiss, zu seiner Würde, Souveränität und Kraft findet. Er ist frei und bereit für die Zusammenarbeit mit anderen Menschen und geistigen, höheren Mächten. Weil er um seine Ergänzungs-Bedürftigkeit weiss, wird er anderen guten Wesenheiten Raum bereitstellen, Wirkungsraum, Liebes-Raum.

Darin sehe ich eine bedeutende Grundlage für den Aufbau einer menschlichen Welt. Auf dieser Grundlage reifen die Früchte der Lebensfreude. Freude fliesst dann, wenn wir uns in Liebe verbinden, im Wissen um unsere Bedürftigkeit und unsere wahre Grösse, die ihre Quelle im Nicht-Wissen und der ursächlichen Stille hat.

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Meine Leserinnen und Leser werden spüren, wie oft ich mich mit dem Fundament einer erwachenden menschlichen Gesellschaft beschäftige: Sie wird meiner Ansicht nach im Kosmos des Herzens geboren werden. Ich träume mit offenen Augen von einer einfachen Welt und von Menschen, die sich umarmen in Verbindung mit der Natur, mit Mutter Erde, aufgehoben in der grossen LIEBE des Gütigen, der Liebenden. – Bis dahin (über die zeitliche Dauer wage ich keine Prognosen zu machen) haben wir uns in der Tiefe unsere Seele zu stärken, Schmerz und Leid als Teil des Lebens anzuerkennen – immer in Verbindung zum Schöpfungslicht in uns.

Die Liebe erscheint – 2. Teil

Die erste Fassung dieses Textes schrieb ich schon vor einigen Jahren. Nun in der Zeit der Corona-Krise hat er sich meiner Ansicht nach aktualisiert. Vermutlich befindet sich die Menschheit jetzt in der Phase des Schmerzes und der selbst-erzeugten Ohnmacht und Kontrolle.

Wer liebt er-scheint
Ich glaube, wir stehen an der Schwelle zum Kosmos des Herzens, wo die allgegenwärtige Liebe als Fundament des Lebens von immer mehr Menschen gefühlt und erkannt wird.

Der Sprung auf die Ebene des Herzens ist oft von Schmerzen begleitet. Es sind die Trennungsschmerzen, die wir erlitten, als wir in die Tiefe der Nacht der Seele stürzten, beim Fall aus der Verbundenheit in die Gespaltenheit. Beim Aufstieg in den Kosmos des Herzens wird dieser Schmerz reaktiviert. Schmerz auf der Rückkehr in die Einheit ist ein wesentlicher Teil des Heilungsvorganges. Schmerz ist Teil der Heilung, Leiden geht der Freude und der Licht-Erfahrung voraus.

Wer zu lieben begonnen hat, fängt an zu scheinen, zu strahlen, zu leuchten. Aus dem Liebenden breitet sich ein Lächeln aus. Ein Duft. Unendlich.
Das selbst gewählte menschliche Drama zwischen Überheblichkeit und Selbst-Vereinsamung (ich brauche niemanden!) kann zu Ende gehen, wenn sich der Mensch in das heilende Licht des Herzens fallen lassen lässt (fallow in love (engl.), tomber amoureux (franz.), in die Erfahrung des unendlichen Aufgehoben-seins, der Liebe und der Freiheit. Ob wir uns nun in einen Menschen oder ins Leben verlieben, es fühlt sich an wie ein sanftes Fallen – ausgelöst durch Vertrauen, Hingabe und Entspannung.

Wer liebt, erscheint. Wer liebt, scheint.

Aufgewühlt – Aufgerüttelt
Zuerst sucht die Liebe durch eine zarte Bewegung und Vereinigung uns zu verlebendigen. Wenn ihre sehr feinen Töne, ihre zarten und betörenden Gesten und Bewegungen mehrfach zurückgewiesen oder ignoriert werden, verwendet die Liebe vehementere Ausdrucksformen.

Wenn die Abwehr eines Menschen gegen die Kraft, die ihn rettet, sehr stark ist, stark wie ein Damm gegen näherkommende Wassermassen, muss der Damm (oder die Mauern) verstärkt werden. Der Druck, der ihn rettenden Kraft verstärkt sich ebenso. Bis zum Durchbruch. Die Liebe hat den Drang in sich, durchzubrechen, zu erreichen, gehört zu werden.

Wenn die Impulse aus dem Herzen von Menschen nicht gehört werden, so intensiviert sich die Dringlichkeit der inneren Stimme. Das ihnen Zufliessende, die Liebe, flösst ihnen Angst ein; es wird als etwas Gefährliches oder Feindseliges missdeutet. Die Kraft der Liebe wird sehr oft verkannt, weil die Liebes-Impulse uns erschüttern und vielleicht auch verwirren.
Manchmal will die Seele, dass ein Reifeschritt sehr schnell erfolgt, aus inneren Gründen, die wir vielleicht erahnen, aber nicht wissen.

Du kannst den Zug verpassen, deine Schlüssel verlieren, eine Panne haben, stürzen. Eingriffe, die etwas in deinem Leben ermöglichen sollen. Du weist diese Ereignisse als Schikane zurück, als Störung, Gemeinheit, weil Du nicht darauf vertraust, dass diese, vielleicht widrige Umstände, eine Gelegenheit in deinem Leben darstellen, etwas zu erfahren, das für dich wichtig ist, zum Beispiel dein Leben in Richtung vertiefter Liebe zu verändern.

Der Mensch baut seine Abwehr noch mehr auf, wenn er sich vor den Inhalten der Herzens-Stimme fürchtet. Der Druck, vielleicht in Form von Blut-Hochdruck, steigt an.

Wenn dem Druck nicht mehr widerstanden werden kann, kommt es zu einem System-Zusammenbruch. Das ganze System, oder ein Teil-System bricht ein. Dies gilt sowohl auf individueller, wie auch auf kollektiver Ebene.

Beim individuellen Menschen kann es sich konkret zum Beispiel um einen Herz -oder Hirnschlag handeln, in der Natur um eine Überflutung, in einer Zweier-Beziehung kann es zu einer Scheidung und/oder zu Gewalttaten führen. Dies ist eine Weise, wie sich Liebe manifestiert: Sie bewerkstelligt einen Zusammenbruch. Sie zerstört eine Abwehr-Struktur oder eine seelische Stagnation. Aus Not, weil die zarten und feinen Signale nachhaltig und über eine lange Zeitstrecke abgewiesen wurden.

Kollektiv: Stress; unruhige gespaltene Gesellschaften. Konflikte eskalieren, finden keine Lösung. Das Immunsystem der Menschen ist zunehmend überfordert, neue Krankheiten brechen auf. Wetter-Extreme wie Orkane mehren sich. Die gesellschaftlichen Strukturen zerbrechen, die natürlichen Öko-Systeme kollabieren.

Was getrennt war, muss einmal wieder zusammenfinden. Das im Wesen angelegte Ziel, will erreicht werden, wie der Strom erst im Meer zur Ruhe kommt. Die Mutter kann sich erst beruhigen, wenn sie das verlorene Kind wiederfindet, so wie der Hirte nicht ruht, solange er das verlorene Lamm nicht gefunden hat. Die natürliche Ordnung „leidet“, wenn das, was fundamental zusammengehört, sich nicht trifft. Die Liebe verbindet, um sich zu erfüllen.

Es ist von grosser Tragik, wenn Menschen, das, was sie im Innersten sind, nämlich Licht und Liebe, weg-projizieren und abspalten, weil sie diese Tatsache ablehnen, nicht aushalten, weil die Selbst-Verachtung zu gross ist. Dies aber geschieht häufig. Es ist bekannt, dass Menschen Schattenanteile veräussern, weniger, dass sie das von sich abspalten, was ihre Essenz ist.
Für die Erneuerung des Menschen ist die Zurücknahme der Projektionen von ausserordentlicher Bedeutung.

Wenn also die natürliche Ordnung schwer gestört ist, zerstört die Liebe das, was stört und Störungen erzeugt. Die Liebe wirft ihre Fesseln ab.
Die Liebe möchte wieder Wohnsitz nehmen, da, wo sie hingehört.

Die Liebe will, dass wir dem begegnen, was uns hilft liebende Menschen zu werden. Durch wahrhaftige Begegnungen, erwacht die Liebe ins uns.

Es sind immer innerliche und äusserliche Begegnungen, die wir brauchen, um glückliche Menschen zu werden.

Innerlich: Wir verbinden unsere äussere Personalität mit unserem Wesenskern, unsere Individualität mit unserer Universalität.
Äusserlich: Wir treffen die Menschen, mit denen wir seelenverwandt sind oder solchen, die uns durch Zuneigung oder Forderungen entwickeln lassen.

Das Leben will uns helfen. Wir können dazu beitragen, indem wir die Liebesbeziehungen in unserem Leben mehren und stärken. Dadurch kräftigen wir die immer existierende Kraft der Liebe, die stets helfend und kräftigend wirkt. Die Seele hilft uns bei der Verwirklichung unseres Lebens. Sie stellt uns alle Informationen zu Verfügung, die wir für unsere Evolution benötigen. Sie kreiert aber auch alle Situationen in unserem Leben, die uns helfen, uns wahrzunehmen, uns zu entwickeln und zu vervollkommnen. Sie weist uns aber auch auf die Beziehungen hin, die zu unserem Wohle sind. Es sind geistige Wesen am Werk, die diese Beziehungen und Zusammenkünfte vorbereiten und begleiten.

Es gibt im Leben jedes Menschen eine Kraft, die unser Bestes will. Wir erkennen sie oft dann nicht, wenn um uns eine anscheinend gefährliche oder ungewohnte Dynamik aufkommt. Die Liebe ist nicht immer süss. Wie die Rose, die manchmal ihren Duft verströmt und manchmal sticht.

Doch immer meint es die Liebe, die vor allem in unserer Seele wohnt, gut mit uns.

 

 

 

 

 

 

 

 

Sprachlos

Wenn mich etwas berührt, das mich überrascht oder gar erschreckt, etwa Neues, das ich noch nicht kenne, so bin ich erst einmal sprachlos, weil ich es noch nicht formulieren kann, also nicht in Form bringen kann.
Es ist formlos gegenwärtig, als einen Eindruck, eine Stimmung, ein Vor-Gefühl, eine Ahnung, noch kein klares Gefühl, deshalb nicht zu kategorisieren, weder dies noch das und doch klar anwesend. Dieses Etwas: es sucht nach seiner Form, zögert aber, sich festzulegen, einen Namen anzugeben. Es ist also namenlos, noch namenlos, aber allmählich nach einer Form und einem Namen ringend. Doch es (ja, es ist ein es) lässt sich Zeit. Es ist die Zeit des Reifens und der Klärung, der Identitätsfindung.

Sprachlos machen mich Ereignisse, die ich so niemals erwartet oder gedacht hätte: Wie kann es nur sein, dass…

Sprachlos machen mich Gefühle und Empfindungen, die mir auf diese Weise noch nicht begegnet sind und für die ich keine Worte finde, die mir zutreffend erscheinen.

Wenn ich genau hinsehe, kann ich nach einiger gewissen Weile unterscheiden, ob der sich regende Impuls etwas ist, dass mich erschreckt, angreift, verletzt, oder ob ich mit einer guten Macht in Berührung komme, die mir etwas aufzeigen will, das mich etwas erkennen lassen will, das ich benötige.

In Meditation versinke ich manchmal in eine ursächliche Stille, jenseits der schöpferischen Vielfalt, wo nichts ist, aber alles angelegt ist, was einmal wird. Reine Stille, Schweigen in Ehrfurcht, Heiligkeit.

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Ich weiss, dass es nicht gut ist, mich dem Neuen, das sich ankündigt, gleich zu bemächtigen, es zu ergreifen und festzuhalten, bevor ich ihm, dem Neuen, die Zeit zugestanden habe, sich zu zeigen und in die Erscheinung zu gelangen.

Gehe ich mit etwas schwanger, dann drückt sich damit mein Einverständnis aus, geduldig dem Werde-Vorgang, beziehungsweise der Vision, Raum und Zeit zu gewähren, damit es sich ausformen und ausformulieren kann. Erste Laute, Regungen, die ich ganz innen wahrnehmen, bedürften noch des Schutzes, der schweigenden Umhüllung, solange, bis der Moment gekommen ist, das Neue zu offenbaren. Vor der Offenlegung bin ich im intimen Raum des Werdens und des Wachsens, des Lauschens und der Anteilnahme mit dem, was erscheinen möchte.

*

Die jetzigen Corona-Zeit macht mich immer wieder sprachlos. Ich verstehe die Krise nur stückwerkhaft, dazwischen klaffen Lücken des Nicht-Verstehens und der Sprachlosigkeit.
Ich ahne unterschwellige Wellen einer sprachlosen Kommunikation, von Erkenntnissen, die jetzt (noch) nicht geäussert werden können.

Wer hütet diese stimm- und wortlosen Stimmen?
Wer lauscht in den langen Nächten dem geheimen Vermächtnis.
Wer hütet die Flammen der nächtlichen, lodernden Feuer?
Wer stellt behutsam die lautlosen Fragen, die noch keine Worte gefunden haben?
Wer öffnet sein Ohr dem Kommenden, das sich annähert, sich aber noch nicht artikuliert?

Die Schwangere, in der sich Erbarmen regt. Sie trägt das werdende Kind: behutsam, achtsam.

Ich glaube daran, oder vielmehr ich ahne, dass heilsame Prozesse und Gestaltungskräfte jetzt oder in naher Zeit «geboren» werden sollen. Diese Impulse suchen nun von Barmherzigkeit erfüllte Menschen, die sich bereit fühlen Hebammen-Dienste zu leisten.

Aus meinem Blog-Beitrag Barmherzigkeit vom 19. Sept. 2020 zitiere ich hier zwei Stellen, die zeigen, wie wichtig die Kraft der Barmherzigkeit ist, wenn wir uns dafür einsetzen, dass das Menschenbild der Liebe (vergleiche letzter Blog) hier auf Erden an Kraft und Ausdehnung gewinnt:

– „Rachme (aramäisch für Barmherzigkeit) bildet die Grundlage, die «fliessenden Räume», welche die gegenwärtigen Prozesse ermöglichen, die jetzt nötig sind.
Sie ermöglichen, die jetzt stimmigen Prozesse, die der inneren Notwendigkeit des Momentes entsprechen.
Barmherzigkeit ist die Hebamme der zeit-räumlichen Welt und verbindet diese mit der Welt in Gott, mit Seinem Heiligen Geiste.“

-„Im Althochdeutsch bedeutet Barm: der Geborene. Barmen ist auch austragen, gebären, eng verbunden mit Mutterschoss.“

Barmherzigkeit können wir verstehen als eine mitfühlende, gebärende, schöpferische Kraft, die auf Erden, wie auch im Kosmos stets wirksam ist. Sie begleitet und unterstützt werdendes Leben.

Die mütterliche Kraft der Barmherzigkeit, zusammen mit Geduld, hilft uns, dem Wachstumsprozess jene Aufmerksamkeit zu schenken, damit das in Stille Keimende allmählich die richtige Form und die nötige Kraft finden kann.
Das Keimende manifestiert sich zuerst als sanfte Energiewellen, die noch auf der Suche sind nach ihrer Form, nach ihrem Wort, ihrer Sprache.

Wer hütet diese stimm- und wortlosen Stimmen?