Das Wort nimmt Gestalt an

Weihnachten ist ein Mysterium, das immer wieder neu gesagt und gehört werden will, und es hat viel zu tun mit Wandlung, mit einem Überschreiten des mentalen zu einem supra-mentalen Bewusstsein, um mit Begriffen von Aurobindo zu sprechen, von einem Wandel vom Verstand hin zu einer Herzens-Kommunikation, die auf der Grundlage bedingungsloser Liebe geschieht.
In diesem bedrückenden Zeit-Abschnitt scheint mir ein tieferes Verstehen von Weihnachten, als eine Herzens-Neugeburt, eine notwendige Herausforderung zu sein, denn wahre Heilung beruht auf Hingabe, Umkehr und Wandlung.
Heilung und Gesundheit alleine aus Massnahmen «machen» zu wollen, erscheint mir eine Illusion zu sein. Das lehrt uns Corona.

Wer es wagt, an die Krippe heran zu gehen, begibt sich in eine grosse Wandlungs-Energie, deren Auswirkungen nicht zu berechnen sind – doch was auf Vertrauen beruht, so meine Erfahrung, bringt Segen.

 

Und das Wort
nimmt Gestalt an. Eine flackernde, vor Lebendigkeit vibrierende Gestalt: glühend, aus dem Feuer der Liebe, sich ausweitend und verströmend.
Feuerlicht, entfacht in finsterer Nacht.
Entfacht aus Nichts und Liebe.

Stille Nacht
heilige Nacht.

Und das Wort nimmt Gestalt an, wird lebendig, wird Mensch,
liegt an der Brust der Mutter,
wird gross, stark.

Die stille Gestalt
geht über die Felder dieser Erde,
segnet,
wird weisses Licht,
beginnt zu singen und dieser
lichte Gesang
dringt in alles was ist.

Wer das versteht, bzw. sich dem Verstehen hingibt,
wandelt sich,
versenkt sich in seine zweite, oder ursprüngliche Geburt,
wird Christus-Mensch.
Geboren aus dem Geist, geboren aus DEM SCHOSS,
DER BARMHERZIGKEIT.*

Tief eingeatmet, versunken in Hingabe,
kann es sein,
in stiller Nacht,
dass die weisse Gestalt an uns
segnend vorübergeht.

*Das Wort Barmherzigkeit hat sowohl im Hebräischen, wie auch im Arabischen (Rachman) einen eindeutigen Bezug zu Schoss, Gebärmutter und Geburt.

Beitrags-Bild: Bild von Maja Winkler: Christusenergie.

 

 

Warmes Warten – Geduld

Nun, das ist kein spektakulärer Titel. Wer wartet schon gerne – und was will das sagen: warmes Warten?

Ich empfinde mich sowohl als einen geduldigen Menschen, wie auch als einen ungeduldigen. Wenn ich zum Beispiel in einem Restaurant bin und nicht gleich bedient werde, so fühle ich mich übergangen und vergessen. Das hat natürlich mit entsprechenden Kindheits-Erlebnissen zu tun. Früher, als ich noch rauchte, habe ich auch kleine Wartezeiten, zum Beispiel an einer Bus-Haltestelle, mit schnellem, nervösem Rauchen überbrückt.

Warten war für mich höchst unangenehm. Es hatte den Beigeschmack von Ungewissheit: Werde ich wohl gesehen, beachtet? Wird das Erwartete eintreffen?

Erwartungen haben etwas Zwingendes an sich. Sie erinnern mich an Erziehung und Wohlverhalten und an Unfreiheit.

Ich bin aber geduldig, wenn es darum geht einem Menschen die Zeit einzuräumen, die er für einen Entwicklungsschritt braucht.

Es ist noch nicht lange her, als ich herausfand – ich weiss nicht mehr bei welcher Gelegenheit-, dass es möglich ist mit einem guten, warmen Gefühl zu warten, mit einem Gefühl, dasjenige, worauf ich warte, zu wärmen, bereit, wenn es dann kommt, freundlich zu empfangen.
So stelle ich mir eine gute und schöne Schwangerschaft und Geburt vor. Die Mutter wartet auf den Tag ihrer Geburt. Sie freut sich darauf, sie wärmt das Werdende. Sie nährt das wachsende Kind, das sie austrägt.

Dies ist ein Modell für schöpferisches Warten. Wärmendes Warten ist ein schöpferischer Wachstum-Prozess, indem sich Leben entfaltet; Leben, welches vielleicht noch nicht sichtbar ist, aber in stiller Entfaltung auf seine Vollendung wartet.

Ich warte auf meine Geliebte – und wenn ich auf sie warte geschieht eine Art von festlicher Vorbereitung auf die kommende Begegnung. Oder: Sie wartet auf den Geliebten und während sie wartet, macht sie sich schön. Was für eine festliche Vorbereitung Warten doch sein kann. Sie ist Leben. Eine Knospe vor dem Aufgehen.

Was für kostbare, lebendige Momente es doch vor dem Erblühen gibt.

Es könnte ja sein, dass ich vor dem Wiedersehen sterbe, dass das Tram, auf das ich warte, entgleist, bevor es bei mir ist, dass die Dinge nicht auf diese Weise erscheinen, wie ich es erhoffe. Jedoch: Ich habe das Leben erwärmt, egal auf welche Weise es auch immer eintrifft. Und diese Wärme, die ich ausstrahle, findet einmal in der für mich richtigen Form zu mir zurück.

Warmes, wärmendes Warten nährt die Zukunft, das Kommende, das Wachsende. Es ist Warten ohne Erwartung, die verpflichtet.

Das, was unterwegs ist, wird geachtet oder gar geliebt, wenn ich das Werdende wärme.

In dieser Zeit, wo so viele Menschen leiden und sich ein erfüllteres, sozialeres und kulturelleres Leben erhoffen und sich eine offenere und zärtlichere Gesellschaft wünschen (und zu denen zähle ich mich auch), ist es so wichtig, dass wir in wärmender Weise da sind für unsere Träume und Visionen. Wir halten die Zeitspanne, die sie benötigen, um sich zu verwirklichen voller Wärme im Herzen.
Vertrauendes Warten ist wahre Geduld.
In diesem Sinne ist der Weg schon das Ziel. Wenn das Brot im Ofen ist, geschieht ja nicht nichts, sondern sehr viel: Das Brot geht auf, wird knusprig und entfaltet seinen Duft. Das Werden und Reifen findet oft im Unsichtbaren, im Bereich des Seelischen statt. Wenn wir den Lebewesen zu-atmen in Liebe, erschaffen wir ihnen den nötigen Wachstums-Raum.

Wir sprechen manchmal auch vom Werden des Menschen. Ich glaube tatsächlich, dass der Mensch im Werden ist, noch lange nicht angekommen in seiner Reife, in seinem Potential. Er hat sich im allgemeine noch lange nicht erkannt als göttliches, lichtes Wesen in einem irdenen Körper. Deshalb scheint es mir so wichtig, dass wir im Prozess des Reifens bewusst und gross und frei atmen und das Geschehen im Herzen erkennen und für es da sind.

Wir können dem vertrauensvollen Warten auch Advent sagen: Es ist die Zeit der Vorbereitung auf die Ankunft des Herrn. Kein Ereignis hat die Welt so tiefgreifend verändert wie die Geburt des Jesus Christus, dessen Ankunft wir nun erneut feiern.
Warmes Warten bedeutet die innere Vorbereitung auf ein bedeutendes, vielleicht ein umwälzendes Ereignis.  Ohne Vorbereitung würde es uns überfordern. Den Einbruch des Christus-Impulses hat die Menschheit bis heute noch nicht in der ganzen Tiefe und Breite vollzogen. Das Erkennen dieses Ereignis wartet noch auf unser volles Verstehen und auf seine Verwirklichung. Warmes Warten setzt die Voraussetzung dafür, dass wir in die Lage kommen, den wunderbaren Impuls des Lebens zu empfangen und ihn auszutragen wie das werdende Kind, oder die Vision, die in uns Gestalt annehmen möchte.
Durch warmes, wärmendes Warten werden wir womöglich zu Geburtshelfern des Erlösers in uns.

Steht uns jetzt oder in den nächsten paar Jahren eine Metamorphose bevor?

Das Wesen

«Wenn alte Worte auf der Zunge
sterben, dann brechen neue Melodien im Herzen aus;
und wo alte Spuren verlorengehen, offenbart sich
ein neues Land mit seinen Wundern.»
Rabindranath Tagore: Gotanjali

In den Jahren 2018 und 2019 habe ich in meinen Meditationen nach meinem Wesen gefragt. Beinahe täglich. Ich wollte meine Wesenheit, die ich bin, näher kennenlernen. Wie ist mein Wesen, wie fühlt es sich an und was will es mir sagen? Ich merkte bald, dass dies eine unendliche Arbeit ist, so wie das Wesen unendlich ist und geheimnisvoll und niemals vollständig entschlüsselt werden kann. Das Gefühl, die innere Realität, die Wirklichkeit meiner Wesenhaftigkeit kam mir aber näher. Sie fühlte sich nach einiger Zeit substantiell an, konsistent und ganz wahr: Ich bin es.

Den Begriff des Wesens, so wie ich es verstehe, möchte ich kurz erläutern:

Das Wesen ist die Gestalt, die ich essentiell bin. Sie ist in Verbindung mit der primären Wirklichkeit, wie es Ken Wilber ausdrücken würde. Andere verwandte Begriffe sind: Das höhere oder hohe Selbst, das grosse ICH, der innere Licht-Mensch, das Christus-Selbst.
Dem gegenüber steht das kleine, ego-zentrische Ich, welches aus biografischen, kulturellen und gesellschaftlichen Einflüssen besteht und aus diesen Denk- und Verhaltens-Muster gebildet hat und, wenn diese sehr verhärtet sind, zu einem Charakter-Panzer (Willhelm Reich) geworden sind. Das kleine Ich ist relativ, Spiegel der relativen Welt. Es ist mindestens teilweise illusionär, weil es zu einem grossen Anteil aus Oberflächlichem und Vergänglichem besteht.

Unser wahres Wesen, ist vorerst meistens als Licht-Same anwesend. Dieser will geweckt werden. Durch eine sehr tief gehende, zärtliche Berührung wird dieser Same (oder Funke) zu einem Licht erweckt, dass sich allmählich ausweitet, bis es uns ganz umfasst und umhüllt. Wir nennen diesen Vorgang ERWACHEN und in einem spirituellen Sinn auch Erwachsen werden.
Es handelt sich also um die Geburt unseres wahren Wesens, um sein Werden und um seine Entfaltung.
Der Wesenskern, als die Mitte unseres Wesens, ist von rein göttlicher Natur. Er enthält den Ur-Anfang allen Seins.

Als ich mit meinen Aufzeichnungen 2018 begonnen hatte, versuchte ich dem Ur-Anfang meditativ näher zu kommen und fand dafür folgende Worte:

«Die Menschwerdung geschieht ohne Anstrengung. Es braucht nur die wache Offenheit, die sanften Wellen der Liebe anzunehmen, sich ihnen hinzugeben.

Mit den Liebesstrahlen kommt der Mensch in Berührung, wenn er sich absenken lässt, sich in die Ruhe begibt, in die Versenkung, in den Anfang, der in ihm ist.

Der Anfang ist in uns.

Es gibt nichts zu erlangen: alles ist da.

Ein süss-sanftes Ausatmen führt den Menschen in sich selbst, auf den Grund seines Daseins, wo die Stille ist.

Der Mensch ist das strahlende Geschöpf, das Strahlen der Schöpfung. Wir ruhen im Anfang.»

Das Wesen, das ich bin, umfasst einerseits die göttliche Nuance des Einen, das ich auf dieser Erde repräsentiere, also meinen göttlichen Namen und andererseits, das über-persönliche, transpersonale, universelle Sein, den reinen Geist oder das All-Bewusstsein. Ich vereine also als Mensch, sowohl das Persönliche (Personale) in seiner intimsten Weise, wo ich mir bewusst bin, vollständig in meinem So-Sein wahrgenommen, erkannt und geliebt zu sein wie alle anderen Geschöpfe auch und zugleich bin ich auch die Wirklichkeit, die meine Individualität übersteigt. Es ist mein kosmisches und mein universelle Selbst und auch den Bereich, den man formlose Leere nennen kann.

Das Wesen ist multi-dimensional, all-umfassend.

Das Lebensziel sehe ich darin, dass der Mensch sein Wesen in den Vordergrund bringt, während er sein kleines Ich in den Hintergrund schiebt. Dieses spielt nun nicht mehr eine dominante, sondern eine dienende Rolle.

Wie schon oben gesagt, kann ich das Wesen verstandesmässig niemals ganz erfassen und begreifen, weil es das Höchste und Tiefste ist, das ich (wir) sind, und es ist im Kern geheimnisvoll. Doch mein Wesen kann mich ganz erfüllen, ohne dass ich es ganz definieren kann.

Niemals habe ich es bereut über viele Monate nach meinem Wesen und seiner Wesenhaftigkeit nachzufragen. Das Nachspüren hat mich erweitert, irgendwie kompakter, dichter und wahrer gemacht und mir gezeigt, worauf es in meinem Leben ankommt, ohne dies präzise ausdrücken zu können, da das Wesen, insbesondere der Wesenskern, in einem über-rationalen, supra-mentalem Bewusstsein (Aurobindo) ruht.
Der «Wesens-Duft» ist äusserst zart und fein und es braucht eine verfeinerte Wahrnehmung, um die Wesenheit zu spüren, zu erfahren und zu erleben.
Der neue Mensch, der sich nun individuell und kollektiv entfalten möchte -so spüre ich es- siedelt sich in dieser zarten Wahrnehmung an, in jenem inneren Klang, der in uns Gehör bekommen möchte.
Das Ego, das kleine Ich, hat sich zu mindern und zu bescheiden, damit der Raum für das Wesen grösser und weiter werden kann. Diese Minderung fühlt sich oft wie Sterben an. Dadurch ist es möglich, dass die Menschen die Schwelle überschreiten können, die sie vom höheren Bewusstsein, vom eigenen Wesen, welches im göttlichen Wesen lebt, (noch) trennt.

Es geht nicht ganz von selbst, die Schwelle zu überwinden, da es saugende und niederreissende Kräfte auf Erden gibt. Hier ein Ausschnitt aus meinen Aufzeichnungen:

«Es ist eine Fruchtbarkeit in allem. Diese ist blockiert.

Es ist eine negative Kraft aktiv, welche den Wachstums-Impuls behindert und unterdrückt.

Das ist eine Tragödie.

Die Menschheit ist in eine Schieflage geraten. Zwei Attraktoren hält sie im Atem:

Der eine Anziehungspunkt ist der Wahn der Gewinn-Maximierung. Sie steht für den ökonomischen Menschen, den Kapitalisten, der sein Gewinnstreben -und Denken in alle Bereiche des Lebens treibt und dort bestimmend und dominant agiert.
Der andere Attraktor ist die Technisierung («Roboterisierung»/Digitalisierung) aller Gesellschafts-Bereiche. Er steht für den Maschinen-Menschen und den Eroberer.

Sicher: es gibt noch viele andere Trends. Die beiden genannten aber sind die Mega-Trends: alle anderen dominierend. Sie sind omnipotent.

Damit Fruchtbarkeit und Wachstum sein können, braucht es ein tiefes Gefühl und Mitempfinden für das Organische und Prozesshafte des Lebens. Dann kann Wachstum geschehen.

Der einseitig ökonomische und mechanische Maschinen-Mensch, der mit der Technik zunehmend verschmilzt (Trans-Humanismus), verliert die feine Vibration, die in allem Organischen zu finden ist und die nötig ist, Wachstums-Impulse zu spüren, aufzunehmen und ins Leben zu bringen.

Der Mensch droht zu brechen, abzubrechen wie ein Ast vom Lebensbaum.

Das Gefühl für das Lebendige und das Seelische scheint zu verkümmern. So empfinde ich es.

Dieses Gefühl für das Lebendige, das Eingestimmt-sein auf das Empfangende, ist die Voraussetzung dafür, dass Fruchtbarkeits- und Wachstums-Impulse greifen können.

Wenn diese Lebens-Impulse unterdrückt sind, veröden sie nach einiger Zeit, da ihnen die Erde und die Luft fehlt, die sie für ihr Wachstum brauchen.»

Lesen wir Teilhard de Chardin:

«Da die personalen Elemente an eine gewisse Grenze der Konzentration gelangt sind, stehen sie einer Schwelle gegenüber, die zu überschreiten ist, um in die Wirksphäre eines Zentrums höherer Ordnung einzutreten. Sie müssen sich in diesem Augenblick nicht nur aus der Trägheit reissen, die sie immobilisieren will. Vielmehr ist für sie der Augenblick gekommen, sich einer Transformation zu überlassen, die ihnen all das zu nehmen scheint, was sie bereits erworben hatten. Sie können nicht mehr wachsen, ohne sich zu wandeln

Im Schwellen-Bereich beginnt die Wandlung und sie vollzieht sich, wenn wir in unserm Wesen angekommen sind. In der Zartheit unserer Wesens-Sphäre richtet sich der Lichtmensch, der auf unseren Ruf gewartet hat, allmählich auf.

Durch das Lauschen auf unsere Mitte erwecken wir den inneren Menschen, das WESEN, das wir sind. Unsere Aufmerksamkeit und Hingabe gibt ihm Wachstumskraft.

Die Corona-Krise, die meines Erachtens eine Krise des menschlichen Bewusstseins ist, in der u.a. auch geprüft wird, wie weit unser Mitgefühl reicht, stösst uns in Richtung unseres Wesensmitte. Darin finden wir die Essenz, die wir benötigen, um die Blockierungen zu lösen und uns mit unseren Herzenskräften zu verbinden.

Wir können nicht mehr wachsen, ohne uns zu wandeln.

Beitrags-Bild: Das Innere einer Pfingstrosen-Blüte

 

Den Menschensohn erretten

Gedanken zur Apokalypse. Dies ist ein gebetsähnlicher Text, der mir in die Hand geflossen ist, ohne mein kognitives Dazutun. Er ist kurz, und eher nicht an den Verstand gewandt. Ich habe ihn genau so belassen, wie er mir eingegeben worden ist, ohne Erläuterungen und Korrekturen. Hier soll er geteilt werden.

Und du wirst werden ein Mensch. Er wird über dir ausgegossen. Amen.

Der Menschensohn: Das Wesens-Selbst, die innere Bewegung des Lichtkraft-Selbst, das Werdende in mir, das, was geboren werden soll. Meine Selbst-Geburt= der Sohn/die Tochter, mein Christus-Selbst.

Den Menschensohn erretten. Diesen gilt es zu erretten. Er versinkt – er droht zu versinken – in der Verfinsterung unseres austrocknenden Selbst.
Es ist eine Austrocknung im Gange, eine Erosion – von uns selbst. Darin das innerste Leben, dem Feuchtigkeit mangelt, das Wasser des Lebens.

Exoterisch: Die Klima-Katastrophe; esoterisch: Die Austrocknung unserer Lebendigkeit, unseres Seelenlebens.

Was lebt, droht unterzugehen.

Die Apokalypse ist eine Schrift, die sich in Visionen, Träumen, Abschiedsreden, Weissagungen mit dem kommenden Weltende befasst. Sie spricht auch vom kommenden Sein und vom Werden des Menschen, dem Menschensohn.

Der Mensch errette den Menschensohn vor der Austrocknung, das heisst vor dem Absterben seiner Seele.

Genauso erlebe ich unsere Zeit.

Der Menschensohn wird einst – Gott sei uns gnädig – über uns ausgegossen.

Der Mensch ist in seiner Verfügungsgewalt gefangen. Er verfügt über sich und die Schöpfung, was tödlich ist oder tödlichen Ausgang nehmen kann.

Der Mensch ist drauf und dran, seine Neugeborenen zu maskieren! Gott möge uns davor behüten.

Gott schütze uns vor uns selbst- unserem austrocknenden Selbst.

Rufen wir den Retter in uns.

Möge der Menschensohn über uns ausgegossen werden.

Apokalypse heisst wörtlich Entschleierung. Oder Enthüllung.  Oder Offenbarung.

Möge sich Gott in uns offenbaren.


Beitragsbild: Wasseroberfläche eines Brunnens: das Muster (Form und Farbe) ist vom Wasserstrahl (Wellen) und von der Sonne (Licht, Energie) hervorgerufen. Foto WB

Der Entscheid

„Da redete Jesus abermals zu ihnen und sprach: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ – Johannes 8,12 

„Ich bin in die Welt gekommen als ein Licht, damit, wer an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibe.“
Johannes 12,46

Ausatmen bedeutet gestaltend in die zeiträumliche Welt hinein gehen.
Ich trete aus mir heraus, wirke in die mich umgebende Alltagswelt. Ich versuche mich in der Welt, in der ich lebe, zu verwirklichen, mit ihr in Kontakt zu treten. Atme ich mehr aus, als ein, verliere ich mich in der Aussenwelt, verliere ich die Beziehung zu mir, vernachlässige mein eigenes Quell-Gebiet. Ich komme ins Torkeln, ins Taumeln, falle vielleicht zu Boden, verletze mich, weisss nicht mehr, wo ich bin. Draussen in der Welt, – welch ein Sog! – wirble ich von unzähligen Erscheinungen angezogen, suchtartig, wahnartig, von einem zum anderen hangelnd, bis es mir übel wird und ich anfange zu torkeln, zu taumeln, bis ich falle – verwundet.

Der Tänzer des Lebens hat seine Mitte gefunden.

Wir leben in einer sich mehrheitlich ausatmenden Welt, bis zur Erschöpfung. Der aussen-gerichtete und aussen-gesteuerte Mensch verliert den Kontakt zu seinem Mittelpunkt, zu seinem wahren Selbst, zur Quelle, seiner Substanz; er destabilisiert sich (vergl. letzter Blog-Artikel).

Der taumelnde Rausch ist Selbst-Vergessenheit, der auch wahnhafte Züge aufweist, pervertierte Hingabe: Ich lasse mich in die Arme Fremder fallen, die mich vielleicht missbrauchen. Das Lebensgefühl: Ich mag nicht mehr.

Der die Welt und sich selbst ausbeutende Mensch, lässt sich schliesslich fallen, vielleicht in den Abgrund, dem er, vielleicht angstgetrieben, zusteuert.

Deshalb ist es ja lebensnotwenig, dass wir feinfühlig und bewusst einatmen – immer wieder – um Kontakt zu unserer Quelle zu finden. Immer wieder. Bis uns das Gefühl für die Licht- Quelle für immer präsent ist und bleibt. Bewusstes Einatmen ist Einkehr, ist Heimkommen.

Auf dem Weg zur inneren Wahrheit ist kein klares Ergreifen, kein Zugriff möglich, wie wir es in manchen Krimis sehen können. Auf dem Weg zum Herzen, gilt es die Grenzen des Verstandes zu überschreiten; wir gelangen in schimmernde, unscharfe Zonen, auch in Räume, wo wir das geheimnisvolle Sein spüren. In diesen schimmern Bereichen, jenseits unseres trennenden Verstandes, öffnen sich neuartige, zarte Räume, die unser Herz direkt ansprechen. Dieses schimmernde Licht unterläuft vorerst einmal unseren Verstand, arbeitet zärtlich an uns, ohne dass wir dies klar fassen und erfassen können. Dieses schimmernde Licht wandelt und heilt. – Es ist etwas ganz anderes als jeder Versuch, uns mit rationalen und technischen Mitteln zu optimieren.
Lassen wir uns von den Mächtigen der Welt erziehen oder von unseren Herzenskräften?

Der Mensch ist Licht.
„Ihr seid Lichtwesen“
– Armin Risi legt das in seinem gleichnamigen Buch sehr eindrücklich dar. Im Laufe der Zeit, ist es uns möglich, dies zu erfahren und zu erleben. Damit sind wir in Beziehung zu unserer wahren Natur. Tauchen wir stets bei jedem Atemzug, in unsere wahre Lichtnatur ein, so wirken wir nun als ein strahlendes Licht in der Welt.

Mit Licht meine ich nicht ein metaphorisches Bild oder Symbol, welches auf etwas Höheres hinweist, auch keine blosse Vorstellung von etwas, sondern die innerste Realität, was wir in unserem Kern sind.

Vielleicht kommt der Moment, wo wir Christus in uns sprechen hören: „Ich bin das Licht der Welt.“

In diesem Moment, hat sich unser Atem, von einem ego-zentrischen in einen grossen, kosmischen verwandelt, der von Barmherzigkeit und LIEBE erfüllt ist.

Der ego-zentrische Atem ist angsterfüllt, in ihm kreisen wir um unser kleines, begieriges Ich. Im Licht-Atem der Barmherzigkeit, sind wir von universeller LIEBE erfüllt. Damit sind wir Mensch geworden. WAHRER MENSCH – VERE HOMO. Damit richtet sich der Heiler/die Heilerin in uns auf.

Oder eben: Wir bleiben auf der Kriech-Spur: Kraxeln von Erfolg zu Erfolg oder versuchen durch Anpassungsbereitschaft und Unterwürfigkeit Rosinen zu erhaschen oder wir lassen uns Mini-Roboter einpflanzen, um ein paar Jahre länger zu leben. Oder wir verjüngen uns kosmetisch – wie auch immer die materialistischen Konsum-Angebote sein mögen, die wir wählen oder auch – bei kleinen Einbussen, z.B. Minderung des Ansehen – ablehnen können.

Der Entscheid, die Freiheit, bleibt bei uns, ob wir uns auf unsere äusseren Möglichkeiten verlassen wollen, oder auf die Quell-Kraft in uns, die wir aber erst dann als reale und wirksame Kraft erfahren dürfen, wenn wir uns ihr hingebend zugewandt haben. Durch Hingabe und Zuwendung und durch das Wagnis durch die Zonen der Ungewissheiten hindurch zu gehen, finden wir uns.
Der Entscheid beginnt schon bei der Frage, ob es uns wert ist, bewusst zu atmen.

Woran wollen wir uns halten?

Die beiden Tore: Abschied und Neu-Beginn

Die Zweiheit ist eine göttliche Anordnung, die dem Menschen gegeben wurde, um zu lernen. Zum Beispiel Beziehungsfähigkeit, die auf Unterschiedlichkeit, oder auf Gegensätzlichkeit beruht, zu lieben also, wenn es anscheinend nicht passt, versöhnlich zu sein, selbst wenn es schmerzt. In diesem Artikel will ich die übermächtigen Tendenzen des Weltgeschehens betrachten, die uns, ob es uns bewusst ist oder nicht, in Atem halten: Das Abschiednehmen und die Resonanz mit dem Neuen, das sich abzeichnet.

Das Tor des Abschieds
Viele spüren, dass die einseitige materielle Ausrichtung auf Rendite, äusseren Erfolg, Ansehen und Macht ein Ende haben muss, da wir nicht mehr verbrauchen und vernichten dürfen, als es das Wachstum erlaubt. Der Kapitalismus, der sich zum seinem wohl letzten, wankenden Höhepunkt herauf schraubt, dem Überwachungs-Kapitalismus, kommt seinem Ende nahe, da er sich selbst verschlingt.
Ebenso kommt das Prinzip des Herrschens und Beherrschens, der eisernen Kontrolle zum notwendigen Zerfall, weil Mensch und Erde sich auf die Dauer nicht der Machbarkeit unterwerfen können, weil sie lebendige Organismen sind und nicht einseitig rational steuerbar sind.
Ich glaube, dass es nicht nötig ist, die Zerfalls-Symptome aufzuzählen. Sie sind all-gegenwärtig und überall wahrzunehmen. Die Zeit ist nahe, wo auch Abgebrühte, nicht mehr in der Lage sein werden, den Zerfall zu bagatellisieren.
Manche sprechen von Ökozid.

Nun sind die anteilnehmenden Betrachter, die sehen, wie sich die Türe zum Tor des Abschieds öffnet, ihrer Trauer und ihrem Schmerz ausgesetzt. Ihr Leiden ist bewusst und es ist gepaart mit Mitgefühl. Sie geben der sterbenden Kreatur eine ursprüngliche Stimme. Sie sind erschüttert. Sie stellen sich dem Prozess des Abschieds; sie fühlen mit. Sie seien gesegnet, getröstet.

Ohne sie, kann das Neue nicht erscheinen! Ohne sie verliert die menschliche Kultur ihre Wurzeln, das Gefühl für den Ursprung, für die Basis, für die Herkunft. Ohne sie, verliert die Menschheit ihr Herz.


Das Tor des Neu-Beginns
Der Neu-Beginn der kommenden Entwicklungsphase des Menschen beinhaltet, so vermute ich, ein sich ausdehnendes, umfassendes Gefühl für das Ganze, das integrale Bewusstsein. Mein inneres Auge sieht liebende Menschen, deren Seelen vibrieren.
Die Lichtpartikel/Zellen in uns sehnen sich danach, sich auszudehnen, ihr Volumen zu vergrössern. Es gibt den Drang in den Lebewesen, sich wieder aufzurichten und den Atem frei fliessen zu lassen.
Liebeslicht wird den erneuerten, den neu-geborenen Menschen erfüllen.

Das sich langsam öffnende, Wohlwollen, Güte und Empathie verströmende Licht-Tor, wird die Herzen der Betrachter beglücken. Sie werden aber ihre Aufnahmekapazitäten erhöhen müssen, um die einströmende Lichtkraft zu fassen und zu integrieren. Sie haben ihre alte Konditionierung, also den Zwang, ihre Wesenheit zu schmälern, sie zu reduzieren und zu unterdrücken, abzulegen und zu überwinden.

Die Betrachter des goldenen Tores spüren, dass ihre Spezies vor der grossartigen Herausforderung steht, leben zu lernen.
Beim Schreiben des eben gesetzten Satzes ist mir bewusst geworden, was ich geschrieben habe und ich möchte es nochmals, ähnlich gesagt, wiederholen:

Wir Menschen stehen vor der grossartigen, schönen und anspruchsvollen Aufgabe Leben zu lernen. Dazu gehört vordringlich, dass wir es wagen, unsere Herzen zu öffnen. Es ist gut, wenn wir uns dabei helfen.

Nun denken wir Menschen ernsthaft daran, uns das Sonnensystem «untertan» zu machen und müssen feststellen, dass wir gar nicht gelernt haben, zu leben, weil wir uns zunehmend von unserer Seele abgetrennt haben. Wenn es so ist, müssen wir also Leer-Raum, Empfangs-Raum in uns schaffen, indem wir uns befreien von Gedankenmüll, der sich in uns festgesetzt hat. Das Leben liegt gleichsam unter einer Glocke aus bleischweren Gedanken, Zahlen und Messwerten. Im gereinigten Raum, kann das ursprüngliche, reine Leben uns lehren, was Leben bedeutet.

Es ist nicht eben leicht für unser Grössenselbst zuzugeben, dass wir so vieles können, nur nicht wahrhaftig leben.
Die, welche sich dem reinen Leben zuwenden seien gesegnet.

Solche Perspektiven mögen auftauchen, wenn wir den Raum hinter dem goldenen Tor, stückweise erkennen.

Dazwischen
Wenn es dem Betrachter gelungen ist, durch die sich öffnenden Tore Einblick zu nehmen, dabei berührt zu sein und gleichzeitig unerschrocken das Gesehene anzunehmen, dann wird sich zwischen den Polen des Abschiedes und des Neu-Beginns ein dynamischer hoch-intensiver Zwischen- oder Begegnungs-Raum bilden.
Dieser Zwischenraum, wird er in Liebe gehalten, wird fruchtbar werden. Im Kreis des Umarmten bildet sich neues Leben, neue Form. In diesem Fall ist es vielleicht eine Brücke, die den Übergang ermöglicht.

Ohne diese haltende Mitte, würde sich vielleicht ein Abgrund auftun.

Ich stelle mir vor, dass auf der Mitte der Brücke ein Licht-Feuer brennt. Oder: eine Person steht in der Brückenmitte und breitet seine Arme aus.

Der Prototyp des all-umarmenden, alles versöhnenden Wesens ist für mich Christus, der auch in uns lebt.

Wir Menschen sind -zumindest viele von uns- Übergangswesen, weil wir in dieser Epoche des Übergangs geboren wurden.

„Die Übergangswesen* sind Begleiter*innen, von denen gefordert ist, Spannungen auszuhalten und zu halten in Hoffnung. Sie stehen zwischen dem Alten, das sich verabschiedet und dem Neuen, das in Geburtswehen liegt. Sie empfinden und bejahen den nötigen «Spannungs-Schmerz», der sich im Prozess des Übergangs ausdrückt.
Viele Menschen – sicher auch Leser*innen dieses Blogs – spüren diese Zeit des Übergangs als eine Erschütterung und als eine Aufforderung handelnd und betend Verantwortung zu übernehmen und mehr noch: sich selbst dem Wandlungsgeschehen zur Verfügung zu stellen, denn wer wandeln will, wird gewandelt, wer das Neue ersehnt, wird erneuert. Die Übergangswesen, sind Begleiter*innen, von denen gefordert ist, Spannungen auszuhalten.“
aus meinem Blog Übergangswesen (siehe unten)

Für Übende:
Eine meditative Imagination: Du siehst die beiden, halb geöffneten Tore vor Dir. Du lässt ihren Gehalt auf Dich einwirken. Du bist ganz geöffnet, Anteil nehmend. Sobald Du die Ausstrahlung beider Tore gleichzeitig spürst, wendest Du Dich dem Beziehungsfeld der Mitte, dem Beziehungsraum, zu. Die Konzentration liegt auf Deinem Herzen. Lass die Dynamik der Mitte zu, halte die mögliche Spannung aus und höre, was die „Dritte Kraft“, die der kreativen Mitte, dir sagen möchte.- Wenn es Dir sinnvoll erscheint, wiederhole diese Meditation während Tagen einige Male.

*Vergleiche Übergangswesen, Blog vom 18. Januar 2020. Siehe unter «ältere Beiträge» unterhalb der Schlagwörter.

Beitragsbild: Aquarell WB

 

Shekinah – eine Betrachtung zu Advent und Weihnachten

Dieses mit dem Verstand unfassbare Liebes-Ereignis, welches in diesem Artikel angetönt werden soll, ist weit jenseits unserer rationalen Alltags-Realität. Das Leben, entwickelt aus diesem geheimnisvollen göttlichen Liebes-Kern, welcher sich über Jahr-Millionen organisch und sehr liebevoll und zart entfaltet hat und noch stets in Entwicklung begriffen ist, ist nur mit dem Herzen zu erahnen, in Stille und Berührbarkeit. Mit offenem Herzen ist es uns möglich in Resonanz mit diesem Liebes-Ereignis zu kommen, aus dem wir hervorgegangen sind.

Dem empfangenden Menschen, der sich kelch-ähnlich öffnet, wird Durchlässigkeit und Transparenz geschenkt. Seine Zellen werden mehr und mehr zu Lichtspeichern, die Licht aufnehmen, halten und weiterstrahlen. Seine Seele kräftigt und erfüllt sich.

In ihm kann der göttliche Geist einwohnen, Wohnsitz nehmen: Shekinah (manchmal auch Schechinah geschrieben.)
Nun kann sich der Mensch Gott sehr nahe fühlen, da er in ihm lebt. Diese Nähe zu Gott nennen wir Shekinah.

Dadurch verändert sich das Körpergefühl und das Körperbewusstsein des Menschen. Freude und Dankbarkeit drücken ihr ausgeweitetes Lebensgefühl wohl am besten aus. Ich möchte von leuchtender Freude sprechen.

Advent meint Annäherung an dieses kosmische Ereignis. Das göttliche Reich ist im Kommen begriffen. Es bahnt sich den Weg zu uns, die wir bereit sind, zu empfangen. «Dein Reich komme».

Vor einigen Jahren befragte ich die Stimme meines Herzens nach der Bedeutung der Anrufung: DEIN REICH KOMME und erhielt folgende Antwort:

« Dein Name eröffnet und feiert mein kommendes Reich auf dem Grund der See­le.

Das HEILIGE erschüttert euch und bringt euch zum Überfliessen, wenn ihr mein ankommendes Reich erkennt und erfahrt. Das Heilige ist der Thron im Zentrum des kommenden Reiches, welches alles überstrahlt und gleichzeitig alles in sich hält.

Das Heilige ist konzentriertes Licht, intensivste Präsenz, ist alles, was euch im Innersten zusammenhält. Hier ist alles gelöscht, nicht existent, was bloss Ge­räusch des Verstandes ist. Hier trübt kein Geräusch meinen Klang: Hier ist Hei­ligstes, ist Stille und Kraft, Licht in Vollendung, der Atem der Geburt.

Dieses Licht des Anfangs und der Vollendung strahlt in meinem Reich, meiner Gegenwart, in der Grund-Schwingung, in der ich die Welt erschaffe.

Das Reich meines Seins überstrahlt eure Träume unendlich. Diese Träume sind Ahnung bloss; mein Reich ist die Wahrheit in einer Schönheit, die alle Vorstel­lungen übersteigt und hinter sich zurücklässt.

Dieses Kommen ist die Antwort auf eure Freigabe (freie Gabe). Wenn ihr euch frei gebt, frei macht, kann sich mein Sein in eurem Herzen ausdehnen. Dies er­lebt ihr als Kommen und als Entgegenkommen meines Reiches des göttlichen Eins-Seins.

Dieses Kommen weckt Freude.»

Advent: Der Raum der Intimität baut sich auf in freudiger, feierlicher Erwartung, in Zärtlichkeit und in hingebender Empfangs-Bereitschaft. Ich kann mir keine intensivere Intimsphäre denken, als eben diese zwischen dem Menschen und Gott. Die Intimität zwischen Menschen-Paaren erinnert zumindest an diese.
Die Intimsphäre, aufgebaut im kontemplativen Gebet, ist Ausdruck der grösstmöglichen Nähe, ist unsere Zuflucht und Geborgenheit, die von äusseren, eindringenden Kräften stets geschützt und behütet bleibt.

Shekinah bezeichnet aber auch die weibliche Matrix (man kann sich eine kosmische, feinstoffliche «Gebärmutter» vorstellen), welche den seelisch-materiellen Leib der Erde und der Menschheit durchwebt und durchatmet. Das göttliche Wort prägt sich in die Shekinah ein, welche dadurch den mystischen, schöpferischen Liebes-Leib bildet.
Aus diesem Leib konnte der Christus hervorgehen, welcher ist der Anfang, das letztendliche Ziel (Alpha und Omega), die Vollendung in EINEM. Mit Ihm kam Gott in die Menschen- und Erden-Seele, durchdrang die Zeitlosigkeit die Zeit, das Unvergängliche das Vergängliche, das Eine die Vielheit.

Advent und Weihnachten ist das grosse, umfassende Kommen und das uns Entgegen-Kommende.

Das Leben, durchdrungen und durchlichtet von göttlicher Gegenwart singt – es ist ein universeller Liebes-Gesang, aus dem sich wiederum neues Leben ausdrückt und gestaltet.

Es ist ein Befruchtungs- und Geburts-Geschehen in allem. Müsste demnach nicht auch die Sexualität geehrt und gefeiert werden?

Weihnachten bedeutet also die Geburt des Neuen, des göttlichen Kindes, das erwachende Bewusstsein  unserer göttlichen Erbschaft.

Das, was ich hier schreibe – wer hat es nicht in der einen oder anderen Form gehört – ist ausserhalb des heutigen Zeitgeistes. Es ist das ganz Andere, das Geheimnis; es ist die grosse Liebesgeschichte, von der wir Teil sind.

Hier ist alles gelöscht, nicht existent, was bloss Ge­räusch des Verstandes ist.
Hier breitet sich das grosse, endlose Schweigen aus
und Stille zieht auf, lange bevor wir ihr gewahr werden,
vor der sich sogar die Gespenster unserer Ängste verbeugen.

Nun ist alles gelöscht, was bloss Geräusch des Verstandes war
und aus dem Nichts erscheint seine leise Gestalt,
wie ein Atemzug.

Ein tiefer Atemzug.

Liebe, was dich angreift

Das Böse – der Schmerz – und der liebende Blick: wie stehen diese drei zueinander?

Das Böse
Nicht alle meine Zeitgenossen glauben an die Existenz des Bösen. Ich selbst zweifle nicht daran, dass es existiert. Ich erlebe es als eine finstere, verschlingende, saugende, das Leben erstickende Macht, welche bestrebt ist, uns zu emotionslosen, bloss funktionierenden, seelenlosen «Maschinenmenschen» abzumindern.
Unser Zivilisation und Kultur verstehe ich als Ausdruck unserer inneren Bewusstseins-Verfassung. So nehmen wir von aussen wahr, was in uns (unserer Kollektiv-Seele) ist.

Der Schmerz
Wenn wir die äussere Finsternis nicht nur mit einem darüber hinweg huschenden Blick wahrnehmen, sondern sie auch mit dem Herzen ansehen, uns also von den Grausamkeiten und Gewalttaten, die um uns wirksam sind, berühren lassen – und das seelische Herz ist ein Organ, das äusserst berührbar ist – so spüren wir Schmerz.
Die tödliche Spirale, in der wir uns kollektiv befinden, erlebe ich als schmerzhaft.
Nun, dieser Begriff «tödliche Spirale» wird wohl Opposition hervorrufen. Natürlich gibt es das Gute, liebende Menschen, die ein einfühlsames Herz haben und für den Frieden einstehen und es sind nicht Wenige und von ihnen wird in diesem Artikel die Rede sein. Im grossen Strom, also im Mainstream, dominieren jedoch die Kräfte der Hybris, der strukturellen Gewalt, der rohen Macht und der Kontrolle und sie sind tödlich, weil sie die Abtrennung des Menschen von seiner Seele voran treiben, was eben letztlich todbringend ist.
Die Ausrottung indigener und wehrloser Völker, sehr vieler Tier- und Pflanzenarten erzeugt Schmerz. Ebenso die Ausgrenzung des Schwachen und der Erfolglosen. Der Schmerz liegt im Äther und sucht sich Menschen, die empfänglich dafür sind, Schmerz anzunehmen und auszudrücken. Gesegnet sind sie.
Das Annehmen der Schmerzen ist Voraussetzung und der Beginn für jeden Heilungsprozess.

Der liebende Blick
Der allumfassende, alles einbeziehende, liebende Blick kann nur aus einem grossen Herzen eines Menschen kommen, der mit beiden Füssen auf dem Boden steht.
Das, was uns entgegenkommt in der Welt, in der wir leben, ist nicht nur das Gute (dieses zu lieben ist nicht so schwer), sondern auch das, was uns angreift, die dunkle Seite der Menschheit, damit auch die eigene Bösartigkeit.
Zu lieben, was uns angreift, also auch das Feindliche, erinnert natürlich an die Feindesliebe.
Sie ist der Gipfel der Liebe. Wie unfassbar schwer sie uns üblicherweise erscheint! Doch nur durch sie, ist es möglich, das Abgespaltene wieder zu integrieren. Die Liebe schafft eine Brücke zum anderen, auch zum völlig entgegengesetzten Dasein, welches wir als fremd und schrecklich erleben.

Also lieben, was uns angreift und uns vielleicht sogar vernichtet?
Wie ich oben erwähnte, ist dem Bösen eine verschlingende Kraft eigen. Es ist schwer, dieser Macht standzuhalten.
Nun stehen vor uns zwei Anforderungen, die uns möglicherweise überfordern: Erstens, das, was uns angreift, liebend anzuschauen und zweitens die Kraft aufzubringen fest auf dem Boden zu stehen, wenn wir in den Schlund gewalttätiger, saugender Mächte blicken. Es gibt ja auch in uns den Sog, uns in das Böse, und damit auch in unsere eigenen Egostrukturen hineinfallen zu lassen, da sie (nebst Angst und Unbehagen) Übersichtlichkeit, das Alt-Bekannte und äusseren Erfolg versprechen.

Wir müssen also lernen, uns abzugrenzen vom Feindlichen, in der eigenen Wahrheit stehen zu bleiben und es gleichzeitig zu lieben.
Ich finde das schwierig, beinahe eine Zumutung. In der spirituellen Schulung haben wir es stets mit dem Paradox zu tun – in zahlreichen Variationen. Das Paradox ist ein Tor zur Wahrheit.

Lieben heisst doch verschmelzen, in intime Verbindung zu gelangen, Grenzen zu überwinden und doch nicht, sich abzugrenzen und stand zu halten. Oder?

Jesus war in der Lage, die finsteren Reiche verzeihend und segnende zu durchwandern und dort sogar Lichtsamen einzupflanzen. Menschen aber, welche das Buddha-Bewusstsein und das Christusselbst nicht völlig verwirklicht haben, sind dazu nicht in der Lage.

Aber ihnen ist es gegeben -und das ist sehr viel- im Bewusstsein der Liebe verwurzelt zu bleiben, dem Sog der gewalttätigen Mächte zu widerstehen und sich gleichzeitig dem göttlichen liebenden Blick, deren Instrument sie sind, hinzugeben. Der liebende Blick wird, wenn sich das Herz ganz öffnet, zu einem Gnade und Leben spendenden Schauen.

Und das ist die gute Nachricht, dass der Mensch, der sich hingibt nicht überfordert ist, da ihm die Liebe gegeben ist, wie auch der Boden des Vertrauens, der ihn hält.
Wer und was in Liebe angeschaut ist -und ich spreche nun von den finsteren Mächten- atmet auf. Wer in Liebe ausreichend betrachtet worden ist, fängt an, sich wieder im heilenden Licht zu bewegen. Die im Dunkeln treten nun wieder in die Sichtbarkeit, fangen wieder an, sich zu spüren.

Unser Beitrag ist es, das, was uns gegeben wird, anzunehmen. Das, was vorbehaltlos angenommen wird, verwirklicht sich sogleich!
Wenn Menschen also ohne Vorbehalt, ohne Widerstand und ohne Verzerrung durch das Ego, die Güte, die Hilfe und Kraft, die ihnen geschenkt wird -und dem Menschen wird dauernd gegeben, wenn er empfänglich ist- annehmen, kann sich das Empfangene unverzüglich verwirklichen, entfalten und das göttliche Licht kann uneingeschränkt heilend einwirken.

Unser Beitrag kann ausserdem darin bestehen, bereit zu sein, Lichtträger/Lichtträgerin zu sein in einem grossen Kreis von Menschen und Wesen, die sich ebenfalls in Freude für diesen Dienst bereitstellen.

Gesegnet sind die, welche bereit sind, Schmerzen vertrauensvoll anzunehmen.

PS.  Natürlich gibt es viele Menschen, die lieber sozial-politisch aktiv werden wollen. Diese Art des Engagement ist zu achten und zu schätzen. Sie stellt ein Ergänzung dar zur spirituellen Arbeit.

 

 

Der Mensch – ein gebärendes Wesen

«Denn die Zeit wird aus Melodie geboren und Melodie aus Gnade.»   Martin Buber

«Es ist gut, wenn uns die verrinnende Zeit nicht als etwas erscheint, was uns verbraucht, sondern als etwas, das vollendet.»
Antoine de Saint-Exupéry

 Mit einer gewissen Scheu möchte ich mich einem mir sehr bedeutungsvollem Thema tastend annähern: dem Menschen als ein gebärendes Wesen. Ich möchte mich dieser menschlichen Wirklichkeit, die in uns angelegt ist, nähern, in dem ich sie ahnend umkreise.

Die Einbettung des inneren Kindes
In der ersten Lebenshälfte ist es äusserst hilfreich, wenn wir Menschen das innere Kind – ich meine das Kind, das wir einmal waren und das stets wirksam Teil unseres Lebens ist – aktiv und bewusst annehmend integrieren. Wir integrieren es, indem wir es lieben, mit ihm reden und ihm Lebens-Raum geben. Das innere Kind kann dann als integriert angesehen werden, wenn es in seinen Stärken und Schwächen, in seiner Bedürftigkeit und in seinen Begabungen, also als Ganzes, akzeptiert worden ist.

Manchmal vervollständigt sich der Prozess der Integration des inneren Kindes erst in der zweiten Lebenshälfte. Auch das ist gut. «Die Zeit als etwas betrachten, das uns vollendet» (Siehe Zitat oben.) Während wir uns mit dem inneren Kinde befassen, entwickelt wir unsere Mütterlichkeit und Väterlichkeit, unsere Fürsorglichkeit zu uns selbst, die schliesslich auch nach aussen abstrahlt und uns zu mitfühlenden Menschen macht.

Nun ist der Boden bestellt für die zweite Geburt: unsere göttliche Natur.

Die Erweckung des hohen Selbst
Folgende Worte sind – so glaube ich – zu uns gesprochen, oder sie werden einmal so oder anders, aber im Sinne ähnlich, zu uns gesprochen werden:

«Deine Liebe führt dich zu dir selber.
Wenn du mich erblickst, fühlst, so führt dich dies zu dir selbst, in dein Inneres, in dein wahres Selbst, das dich erblickte, erschaute und gebar.
Das wahre Selbst hat dich geboren.
Du bist im Prozess der Geburt und des Werdens, Ausdruck dessen, was ICH in dir bin.
Du bist die Ursache, der Grund meiner Liebe
und die Licht-Projektion deiner selbst.
Du bildest dich im Liebes-Licht, das ich in dir bin.

Was wandelt bin ICH. ICH BIN die Liebe. Ich verkörpere (inkarniere) mich in dir und durch dich.»

Nun ereignet sich das Bewusstsein für unsere Gottes-Kindschaft. Unsere geistdurchwirkte Seele wird sich nun selber bewusst. Wir können sie Bewusstseins-Seele nennen. Die Geburt ist Ereignis. Die Geburt ist Gnade.
Dieser Prozess beginnt meistens damit, dass wir spüren, dass wir weit mehr sind, als unsere biografischen Prägungen und mehr sind als die Einflüsse der jetzt wirkenden Kultur, in der wir leben. Der Moment des Erwachens ist dann gegeben, wenn wir uns zutiefst berührt oder ergriffen fühlen vom Leben schlechthin. Es ist ein grosser Glücksmoment, der kaum beschreibbar ist, weil er mehr ist als alle uns bekannten Formen und Strukturen.

Der Geburtsraum – der Raum des Herzens
Aus Liebe quillt Geburtsraum. Der Kosmos des Herzens ist auch ein Raum der Geburt, ein Raum höchster Lebendigkeit. Der mächtige Selbst-Impuls hat im Herzens-Kosmos seinen Raum des Wachstums und der Entfaltung gefunden. Das Männliche (der Impuls) und der Geburts- und Wachstumsraum, das Weibliche: sie sind nun in fruchtbarer Vereinigung.
Lebendige Potentialität; Geist und Materie in liebender Umarmung, im Liebesspiel: Dies ist der Raum der Geburt im Herzen. Hier ist unendliche Zuneigung, das allen und allem gilt: All-Geliebt-Sein. Hier ist tanzendes Strömen, berührtes Bewegt-Sein, gehalten in der Ruhe, im Ursprung des Quell-Grundes.

Wenn wir Menschen es uns erlauben in die Stille des Seins abzutauchen, wird uns ein Bewusstseinsbereich erreichen, den ich als fötale Stille bezeichnen möchte. Dieser Bereich tritt vielleicht als eine Art von Dämmerlicht in Er-Scheinung.
Wir fühlen uns vielleicht umgeben von Licht-Wasser oder geistigem Fruchtwasser, obwohl diese Begriffe nur Hilfen der Annäherung zu diesem geheimnisvollen Prozess sind, in dem unser höheres, göttliches Selbst ins Bewusstsein tritt. Allmählich.
Die Geburtssphäre kann aber auch so fein sein, dass sie sich wie ein Nichts anfühlt. Viele verlassen dann die Meditation, weil sie denken, dass da nichts mehr weiter geschehe. Aber genau dieser Punkt des «Verschwindens» ist derselbe Punkt der Neuwerdung .

Der Prozess des Erwachens und des Erwachsenwerdens, also des Reifens, dessen was schon immer da war, erfüllt sich bis zu einem uns möglichen Grad – bis hin zu unserem Sterben. In diesem langen Reife-Prozess werden wir zu Liebenden und zu bewussten Menschen, die sich als Ausdruck des All-Einen erkennen. Wahrscheinlich benötigen wir viele Inkarnationen auf dem Weg der Menschwerdung bis sich unsere Lichtgestalt (unser Christus-Selbst), die wir in Wirklichkeit sind, ganz in die Entfaltung kommt. Wichtig scheint mir der Weg, das Unterwegssein und die Beharrlichkeit des Weitergehens.

Das schöpferische Selbst.
Wenn der Mensch seinen Lichtkörper zu verwirklichen beginnt, entwickelt sich auch sein schöpferisches Selbst. Dies ist daran erkennbar, dass die Ausatmung des Menschen vermehrt Leben zu erzeugen beginnt. Sie wird hauchartig, gleichzeitig substantiell. Heilender Liebes-Atem oder: Geburts-Atem. Alles in tiefer Stille. Es ist denkbar, dass in grosser Herzens-Intimität nicht nur Leben, sondern auch Lebe-Wesen geboren werden.

Eine neue Menschheit – eine neue Erde
Der Ort der Geburt unseres wahren, göttlichen Selbst ist unser Herz.
Der Ort der Geburt unseres wahren Menschheits-Körpers ist der Kosmos des Herzens.
Ebenso findet die Regeneration des Erden-Körpers im Kosmos des Herzens statt.

Ich glaube nicht, dass in der heutigen Übergansphase mit Reformen (so gut und nötig sie auch sind) allein die Menschheitskrise überwunden werden kann. Auch nicht durch Revolutionen.

Ich glaube, dass wir Menschen guttun, um das grosse Ereignis einer Neu-Geburt zu bitten.

Was wir tun können ist, uns dafür vorzubereiten, indem wir uns reinigen, uns für unsere Wesenhaftigkeit interessieren, bereit sie wahrzunehmen – in Dankbarkeit.
Was wir tun können ist, unser Herz zu öffnen dem Unbekannten, nicht Definierbaren, dem, was uns übersteigt. Vertrauen wir dem, was uns ins Leben ruft, in unsere eigene Geburt führt, also in ein Geschehen oder Ereignis, das wir weder kontrollieren, noch herstellen können,
… uns also öffnen mit und trotz allen Ängsten und Unzulänglichkeiten, um uns dem zu übergeben, was uns zu uns selbst hin wandelt – vertrauensvoll, hingebungsvoll,

vielleicht wird dann die Melodie der Gnade erklingen.

Umrunden – Umkreisen

Als ich in Nord-Deutschland an einem Kongress war, hörte ich von einem wunderbaren ur-alten Baum, ganz in der Nähe des Seminar-Hauses, einem Kraftort von besonderer Schönheit. Und so kam es, dass sich eine Gruppe von Leuten bildete, die mit einem Geomanten, auch einem Seminarteilnehmer, zu diesem Baum wanderten. Die äussersten Äste des Riesen-Baumes, der alleine in einem Feld war, berührten den Boden. Die Krone bildete eine Natur-Kathedrale und unsere Gruppe spürte schon beim Näherkommen die Kraft, die von diesem etwa 500 Jahre alten Baum ausging. Der Geomant forderte uns auf, nicht in die «Kathedrale» einzutreten, ohne vorher den Baum dreimal umkreist zu haben. Es sei nicht angezeigt, einen Kraftort direkt, verlangend und zugreifend zu betreten. Zuerst müsste der Ort begrüsst und respektiert werden und zwar dadurch, dass man ihn umrunde, bevor man ihn betrete.

Der heilige Berg Kailash im Grenzgebiet, Tibet, China, Indien darf nicht bestiegen werden. Er wird betend umrundet, förderlich für die innere spirituelle Entwicklung des Pilgers.

Im Vorbeigehen eröffnet sich der Gehalt eines Ortes oder eines Kraft-Objektes eher, als wenn wir direkt auf diesen zugehen.

Als Mose das Volk Israel durch die Wüste führte, verweilte es längere Zeit am Fuss des Berges Sinai, mitten in der Wüste. Gott rief Mose auf den Gipfel, um ihm Weisungen für die Israeliten zu überbringen. Gott sagte zu Mose:

«Zieh aber eine Grenze rings um das Volk und sprich: Hütet euch, auf den Berg hinaufzusteigen oder auch nur seinen Saum zu berühren.»           Exodus 19 , 12

Da es dem Volk verboten war, den Berg zu betreten, zeichnete Mose eine Grenze um den Berg, eine Schranke, eine Art Schwelle. Der heilige Berg war somit geschützt.

Später im Kapitel steht:

«Der Berg Sinai aber war ganz in Rauch gehüllt, weil der Herr im Feuer auf ihn herabgestiegen war. Und sein Rauch stieg auf wie der Rauch des Schmelzofens, und der ganze Berg erzitterte heftig.»

Wer die Schwelle zum Heiligen, zur Mitte, dem Zentrum, übertreten darf, wird, wenn die Zeit für ihn reif ist, eingeladen. Der Wächter, der Hüter der Schwelle, eine Engels-Gestalt, ist anwesend, wenn die Schwelle sich zeigt. Vorher hat sich der Mensch zu gedulden, hat sich vorzubereiten auf den Moment der Einkehr in den heiligen Raum, der eine Mitte bildet, wie die Sonne als Zentrum des Planetensystems. Unvorbereitet würde der Mensch weder die Hitze am Berg, noch das Beben und Zittern des Berges (des Heiligtums) überstehen.

Heilig sind auch der Zellkern und Atomkern, wie alle Bausteine des Lebens. Ganz besonders heilig ist der Wesenskern des Menschen. Auch er soll umrundet werden, aus allen Perspektiven erkannt werden, als das eine göttliche Zentrum.

Mevlana Rumi, der grosse Mystiker und Liebende, begann sich zu drehen, als er fühlte, wie sein Herz sich mit Liebe füllte. Er drehte sich, in Verzückung geraten, mitten auf der Strasse um sein eigenes Herz.

In meinem letzten Blog-Beitrage erwähnte ich, dass der Mensch ein tanzendes Wesen sei, ein um den Kern kreisendes Wesen. Alle sakralen Kreistänze der indigenen Völker zeugen davon.

Am Ende der Tage, und wenn wir gerufen sind, werden wir mit dem Kern verschmelzen. Bis dahin können wir ihn lobend umrunden.

Die zentrale Frage des Menschen heisst: Wer bin ich?
Diese Frage wird uns kaum zur endgültigen und abschliessenden Antwort führen, aber sie bringt uns auf den Weg zum Licht des Erkennens und sie öffnet die Tore zu den mächtigen Erkenntnis-Räumen grossen spirituellen Wissens (Weisheit). Die Frage öffnet uns den Weg zu unserem Herzen und zum Herzen des Universums. Die Frage bringt uns auf den Weg.

Die Frage bringt uns zum Tanzen, öffnet unser Ohr hin zum Herzen.

Da das Herz von Mose offenbar geöffnet war, wurde er von Gott auf den Gipfel des Berges gerufen. Der Gipfel ist da, wo die Seele ins Geistlicht hineinragt. Das Bild des Berges, das von einer weissen Wolk eingehüllt ist, ist dafür Sinnbild.

Abstrakt ausgedrückt: Die Vielheit der geschaffenen Welt, im Erkennen des Ursprungs, des Einen, beginnt zu tanzen und zu singen, wenn «der Duft», der aus dem Zentrum kommt, wahrgenommen worden ist.

Der Respekt und das Gefühl für die Bausteine des Lebens, für die physischen, seelischen und geistigen Zentren der Organismen fehlt heute. Die Aneignung der Kerne und der Eingriffe in sie (z.B. Gen-Manipulationen) gilt heute als üblich. Die dominanten gesellschaftlichen Prozesse und Strukturen, sind oft zerstörerisch, weil die innere Orientierung sehr schwach geworden ist und das Gefühl für das Heilige weitgehend verloren gegangen ist. Die lenkenden Kräfte haben sich vom geistigen Geschehen entfremdet. Das Gefühl für den Kern einer Sache und für den geistigen Mittelpunkt von Lebewesen -dies gilt in besonderem Masse auch für die Erde- hat sich auf gefährlicher Weise verflacht. Ohne dieses Gefühl für den schöpferischen und heiligen Mittelpunkt von Wesen und Zusammenhängen ist der Mensch orientierungslos; er richtet sich dann nur noch auf seine eigenen ego-zentrischen Bedürfnisse aus.

Es sind wohl Lektionen in Stille nötig, um das Gefühl für das, was essentiell ist, wieder aufzubauen.

Nach etwas dreissig Jahren der Reifung seines inneren göttlichen Kerns, trat Jesus in die Öffentlichkeit im Bewusstsein, sowohl seiner Anziehungskraft, wie auch im Bewusstsein seiner Ausstrahlungskraft, wodurch er einen Umkreis schuf: die zwölf Jünger fanden sich sogleich ein. Zwölf das Ganze, wie die 12 Monate ein rundes Jahr bilden, ein Vollkommenes. Christus ist der heilige Kern des mystischen Leibes, der sich um ihn bildete, wie früher, so auch heute.

Das Innerste eines lebendigen Kerns ist unsichtbar, rein geistig, unbegreiflich.

Der Meister spricht mit seinem Schüler:

«Bring dort vom Baum eine Feige.
Hier ist sie, Meister.
Öffne sie.
Meister, es ist geschehen.
Was siehst du darin?
Winzig, kleine Kerne, Meister.
Öffne einen.
Meister, es ist geschehen.
Was siehst du nun?
Meister, ich kann überhaupt nichts sehen.
Dieser allerfeinste Stoff, mein Sohn, den du nicht siehst,
ist das Selbst des ganzen Universums.
Dies ist das Wirkliche
Dies ist das Selbst
Und du bist ES.»