Die Macht der Aufmerksamkeit

Der so verletzliche und irritierbare, aber auch sehr feinfühlige Mensch, verfügt ebenso über eine unglaublich Bewusstseinskraft, wenn er diese nicht vernachlässigt.  Seine ihm gegebene Spannweite ist enorm; sie ist beeindruckend: so leicht ist er gekränkt, so leicht ist er kraftvoll erhaben über Kleinlichkeiten. Beides ist der Mensch. Er steigt oder fällt, je nach dem, wie er sich entscheidet.

Zu seinen Gaben gehört die Macht der Aufmerksamkeit.

Die Energie (Kraft) folgt der Aufmerksamkeit.
Richtet der Mensch seine Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Ziel, zum Beispiel auf ein Ideal, so zieht es Kraft an. Diese Kraft hilft, dass sich das angestrebte Ziel/Ideal erfüllt. Beispiel: Wenn ich mich dem inneren bedürftigen Kind in mir liebevoll zuwende, so erstark es.

Diese Gabe der Aufmerksamkeits-Macht ist segensreich, wenn sie innerhalb einem Welt -und Menschenbild ausgeübt wird, das unter dem «Dach» einer lebensdienlichen Absicht geschieht.

Diese Macht wird zum Macht-Missbrauch, wenn diese Gabe in ego-zentrischer Weise und gerichtet auf eigene Vorteile geschieht.

Hier ein paar Gedanken, wie willentlich missbräuchlich Aufmerksamkeit aufgebaut, vernichtet oder verschoben werden kann im Sinne von Manipulation:

  • Totschweigen oder Minderung einer Bedeutung durch Wegschauen, Bagatellisieren oder an den Rand drängen eines wichtigen Ereignisses oder Prozesses. Auch die Verengung der Sicht auf ein komplexes Ereignis, bis hin zu einer mono-kausalen Betrachtungsweise führt letztlich zur Unwahrheit.

Beispiel l: Die Militärausgaben weltweit werden sprunghaft in die Höhe getrieben: Noch vor einigen Jahren betrugen sie ca. 1 Billion Dollar, jetzt haben sie die Zwei-Billionen-Grenze beinahe erreicht. Im Jahre 2000 gaben die USA für Rüstung 778 Milliarden Dollar aus, gefolgt von China mit 252 Milliarden. Seit der kalte Krieg wieder aufflackerte, zog die Aufrüstung wieder in verheerendem Masse an. Das Militär ist auch verantwortlich für die psychologische Kriegsführung und, zusammen mit Geheimdiensten aller Art, auch verantwortlich für den Ausbau nicht physischer Folter, für die Verbesserung der Propaganda, der Manipulation von Menschengruppen (Völkern); sie ist zudem zuständig für massive Eingriffe in die Wetterereignisse und wahrscheinlich hauptverantwortlich für die Klimaerwärmung und Luftverschmutzung. Mit einem geringen Teil der Militärausgaben könnte man den Hunger auf der Welt definitiv beenden.

Dennoch wird öffentlich kaum geredet über die Tatsache der massiven Aufrüstung. Auch die Medien haben dazu offenbar wenig zu sagen.

Ich frage mich immer, worüber nicht oder kaum berichtet und diskutiert wird und ich frage mich, welche Themen im Schattenbereich des kollektiven dunklen Kellers gelandet sind. Als Psychologe habe ich es mir angewöhnt, unter den Tisch zu schauen, ins Reich des Verdrängten. Ich tue es auch bezogen auf die gesamte Gesellschaft. Worüber wird nicht oder kaum gesprochen und warum nicht?

Themen werden aufgebaut und ins Licht der Aufmerksamkeit gestellt, um von den wahren Problemen abzulenken. Dies ist ein sehr verbreitetes Manöver, um Menschen zu täuschen und sie irre zu führen. Gängig ist wie eh und je das Sündenbock-Denken.

Das können wir den Illusionisten oder Magiern abschauen: Sie zaubern  zum Beispiel ein Ding hervor und lassen es mit Dramatik ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken, während sie unauffällig etwas zum Verschwinden bringen. Auch mit solchen Dingen beschäftigt sich die moderne Kriegsführung.

Zum Beispiel: die Russen sind, so wird im Westen ständig wiederholt, an so vielem Schuld, dass Wirtschafts-Sanktionen nicht ausbleiben können. Im Schatten verschleiert sind die eigenen Aggressionen und Dominanzansprüche des Westens.
Im Falle von Corona wird geflissentlich von Schutz gesprochen, worauf sich die Augen der meisten richten. Das Leid der Ausgegrenzten soll ein Rand-Thema bleiben.

Häufig ist aber auch die Ablenkung vom Wichtigen auf Nebensächlichkeiten, z.B. von grossen politischen Spannungen auf Beziehungs-Skandale.

Ein Beispiel ist die Sexualität. Während Wilhelm Reich sich noch intensiv mit der kosmischen Lebenskraft in Verbindung mit Sexualität auseinandergesetzt hatte und auch über die Verbindung zwischen Sexualität und Politik nachgedacht hatte (Gedanken, welche in den 68er Jahren wieder aufgenommen wurden), beschränken sich die heutigen Diskussionen  auf Missbrauch, Gender-Fragen, Sex. als Selbst-Inszenierung und Verführungsweisen der Werbung zum Kauf von Produkten, auf Pornografie, während Sexualität als eine zentrale menschliche Kraft kaum ein Thema zu sein scheint.

Warum,  muss die Frage sein.

Sobald mit Aufmerksamkeit manipuliert und dirigiert wird, handelt es sich um den Missbrauch der grossartigen Gabe und Gelegenheit, die den Menschen gegeben ist: Nämlich um die Möglichkeit zu lebensdienlichem Handeln, zum Helfen und zum Heilen.

Wie schon anfangs erwähnt, haben wir die wunderbare Möglichkeit das zu kurz gekommene Kind in uns wachsen zu lassen, es zu trösten und zu stärken, indem wir ihm Zuwendung und Aufmerksamkeit zukommen lassen. Dadurch geben wir ihm Energie. Wir erinnern uns, dass Energie der Aufmerksamkeit folgt.

Der Mensch heilt, wenn er aus dem Herzen Aufmerksamkeit schenkt und diese Aufmerksamkeit hält.

Dies gilt es zu lernen und ich verstehe mich damit als Lernender, nämlich den Willen und die Kraft zu entwickeln, Aufmerksamkeit zu halten, also aufrecht zu halten über eine längere Zeit-Periode. Das will geübt sein, wie schnell lassen wir uns ablenken durch eine Störung, einen inneren oder äusseren Einwand oder einen Gedankensprung und schon sind wir aus unsrem Fokus gefallen. Die «Aufmerksamkeit halten» hat viel zu tun mit Geduld und Achtsamkeit, aber auch mit einem liebevollen Warten, bis sich das Feld der Aufmerksamkeit ganz geöffnet hat und sich die Konzentration darauf gefestigt hat.

Die Liebe hält uns in den Armen, am Leben. Sie ist auch als eine Kraft des Da-seins zu verstehen. Sie sagt: «Ich bin da für Dich, auch wenn du unruhig bist, dich sträubst, dich abwendest. Ich akzeptiere alle deine Regungen, ohne dich fallen zu lassen. Ich halte dich auch dann (im Geist), wenn du wegrennst. Ich dränge mich dir nicht auf, aber ich bin da für dich und trete ein, wenn du mir die Türe öffnest.
Aufmerksamkeit für das Leben aufbauen und halten ist ein Akt der Liebe.

Worauf lenke ich also meine Aufmerksamkeit?

Ich lenke meine Aufmerksamkeit auf das Leben, auch auf das werdende Leben und auf das verletzte Leben, das Heilung sucht.

Die Macht der Aufmerksamkeit ströme aus der Liebe. Sie sei eine Gabe an das Leben und werde niemals zu einem Instrument des Eigenwillens und der Manipulation, obwohl uns diese Möglichkeit offensteht. Doch ohne die Freiheit der Wahl, erlange wir nicht das nötige Bewusstsein.
Wählen ist ein Akt der Kontemplation. Wenn wir uns in unsere Wesenstiefe einlassen, wird uns das höhere Wissen (das Gewissen) in die hilfreiche Tat lenken und wir werden spüren, wo unsere Aufmerksamkeit jetzt zur Ruhe kommen möchte.

 

Wesens-Atmung

In diesem Artikel knüpfe ich an den Blog-Beitrag «Das Wesen» an. Wer mag, lese den Text vom 22. September nochmals. Hier soll aufgezeigt werden, wie bewusster Atem die Verbindung zur Wesens-Mitte zu kräftigen vermag.

Wahrscheinlich ist es uns allen bekannt, wie es sich anfühlt, wenn wir aus dem kleinen ego-zentrierten Ich leben, atmen, denken und handeln. Im Vergleich zum Leben aus dem Wesen heraus, fühlt es sich eng, entfremdet und unruhig an.

Ich möchte es Wesens-Atmung nennen, wenn der Mensch sich mit seiner bewussten Atmung, mit seiner Wesensmitte verbindet.
Nun, atmet sein hohes Selbst, sein wahres Wesen, das er ist, welches verbunden und eins geworden ist mit dem Ursprungslicht und der grenzenlosen LIEBE in ihm. Damit ist der Atem gross und kosmisch geworden.
Inmitten seines Wesens ist die Sonne der Barmherzigkeit aufgegangen und sanftes Leuchten hat sich aufgetan und scheint über alle alten, selbst gesetzten Grenzen hinweg.
Im Atem der Barmherzigkeit eröffnen sich Lichträume des Mitgefühls in grenzenloser Anteilnahme, Heilkraft, unendliche Güte, in sanftem, all-gegenwärtigen, leisen Strömen.

Es handelt ich um einen grossen Wandlungsschritt, der geduldig eingeübt werden will. Hierbei führt uns unsere Sehnsucht nach der Quelle allen Lebens und die schon vorhandene Liebeskraft der Ur-Licht-Quelle zu, die in unserem Innersten glüht.

Der Aufgang der inneren Sonne ist eine erfahrbare Realität. Es ist DIE WIRKLICHKEIT.
Daneben ist es leicht zu erkennen, dass wir Menschen in einer selbst-inszenierten, bedrückten Schattenwelt leben. Wir haben aber die uns gegebene, geschenkte Möglichkeit, sie zu verlassen, um zu unserem wahren Selbst zu gelangen, welches unsere Grundlage bildet. Dieses «Alte» zu verlassen erfordert Mut und Vertrauen. Schmerz und Enttäuschungen helfen uns (ja, so können wir das sehen) bei der Ablösung der alten, zähen Muster.

Lassen wir also unser Wesen atmen. Sobald dieses durch Achtsamkeit und Geduld gestärkt ist, wird es seine wunderbare Realität entfalten.

Ist dies geschehen, haben wir die Möglichkeit, die Erde und ihre BewohnerInnen anzustrahlen und es wird von selbst (vom wahren Selbst, vom Wesen her) geschehen.
Innerhalb des Egos ist alles ein Machen, in der Obhut unseres wahren Wesens wird alles zum Geschehen.
Unsere Aufgabe und Möglichkeit ist es, dass wir uns einschwingen, also in Resonanz kommen mit der göttlichen Quelle, in dem wir uns dem, was wir zuinnerst sind, hingeben. Dadurch geben wir der Wesenskraft in uns die Möglichkeit, unser Alltag-Ich direkt und unmittelbar zu erreichen.

In der Obhut unseres Wesens wandelt sich der Atem. Was in einem kleinen Kreis zirkulierte, öffnet sich zu einer endlosen Spirale und gleichzeitig zu einem sich ausdehnenden heilenden Raum. Dadurch heilen wir uns selbst und wir beteiligen uns nun bei der Heilung der Erde, aller Lebewesen und des Erden-Menschen: unsere Schwestern und Brüder.

Was wir in einem reinen Sinne für uns tun, tun wir auch für die Gemeinschaft des Lebens und was wir für die Gemeinschaft des Lebens tun, tun wir auch für uns selbst. Bewusster, liebender Licht-Atem führt uns über uns selbst hinaus, verbindet uns mit den Räumen der Schöpfung und des spriessenden Lebens.

Ist das nicht auch eine erregende Alters-Vision? Wir älteren und alten Menschen können auf diese Weise die Zukunft für unsere Nachkommen nähren. Lasst uns zu Paten des werdenden Menschen-Leibes werden und zu Geburtshelfern einer menschlichen Welt, die auf Teilen, Mitgefühl und Weisheit basiert. Bewusstes Atmen ist eine Weise des Dienens.

Lasst uns Wirklichkeit er-atmen! – Heiliger Atem.

 

 

Das Wesen

«Wenn alte Worte auf der Zunge
sterben, dann brechen neue Melodien im Herzen aus;
und wo alte Spuren verlorengehen, offenbart sich
ein neues Land mit seinen Wundern.»
Rabindranath Tagore: Gotanjali

In den Jahren 2018 und 2019 habe ich in meinen Meditationen nach meinem Wesen gefragt. Beinahe täglich. Ich wollte meine Wesenheit, die ich bin, näher kennenlernen. Wie ist mein Wesen, wie fühlt es sich an und was will es mir sagen? Ich merkte bald, dass dies eine unendliche Arbeit ist, so wie das Wesen unendlich ist und geheimnisvoll und niemals vollständig entschlüsselt werden kann. Das Gefühl, die innere Realität, die Wirklichkeit meiner Wesenhaftigkeit kam mir aber näher. Sie fühlte sich nach einiger Zeit substantiell an, konsistent und ganz wahr: Ich bin es.

Den Begriff des Wesens, so wie ich es verstehe, möchte ich kurz erläutern:

Das Wesen ist die Gestalt, die ich essentiell bin. Sie ist in Verbindung mit der primären Wirklichkeit, wie es Ken Wilber ausdrücken würde. Andere verwandte Begriffe sind: Das höhere oder hohe Selbst, das grosse ICH, der innere Licht-Mensch, das Christus-Selbst.
Dem gegenüber steht das kleine, ego-zentrische Ich, welches aus biografischen, kulturellen und gesellschaftlichen Einflüssen besteht und aus diesen Denk- und Verhaltens-Muster gebildet hat und, wenn diese sehr verhärtet sind, zu einem Charakter-Panzer (Willhelm Reich) geworden sind. Das kleine Ich ist relativ, Spiegel der relativen Welt. Es ist mindestens teilweise illusionär, weil es zu einem grossen Anteil aus Oberflächlichem und Vergänglichem besteht.

Unser wahres Wesen, ist vorerst meistens als Licht-Same anwesend. Dieser will geweckt werden. Durch eine sehr tief gehende, zärtliche Berührung wird dieser Same (oder Funke) zu einem Licht erweckt, dass sich allmählich ausweitet, bis es uns ganz umfasst und umhüllt. Wir nennen diesen Vorgang ERWACHEN und in einem spirituellen Sinn auch Erwachsen werden.
Es handelt sich also um die Geburt unseres wahren Wesens, um sein Werden und um seine Entfaltung.
Der Wesenskern, als die Mitte unseres Wesens, ist von rein göttlicher Natur. Er enthält den Ur-Anfang allen Seins.

Als ich mit meinen Aufzeichnungen 2018 begonnen hatte, versuchte ich dem Ur-Anfang meditativ näher zu kommen und fand dafür folgende Worte:

«Die Menschwerdung geschieht ohne Anstrengung. Es braucht nur die wache Offenheit, die sanften Wellen der Liebe anzunehmen, sich ihnen hinzugeben.

Mit den Liebesstrahlen kommt der Mensch in Berührung, wenn er sich absenken lässt, sich in die Ruhe begibt, in die Versenkung, in den Anfang, der in ihm ist.

Der Anfang ist in uns.

Es gibt nichts zu erlangen: alles ist da.

Ein süss-sanftes Ausatmen führt den Menschen in sich selbst, auf den Grund seines Daseins, wo die Stille ist.

Der Mensch ist das strahlende Geschöpf, das Strahlen der Schöpfung. Wir ruhen im Anfang.»

Das Wesen, das ich bin, umfasst einerseits die göttliche Nuance des Einen, das ich auf dieser Erde repräsentiere, also meinen göttlichen Namen und andererseits, das über-persönliche, transpersonale, universelle Sein, den reinen Geist oder das All-Bewusstsein. Ich vereine also als Mensch, sowohl das Persönliche (Personale) in seiner intimsten Weise, wo ich mir bewusst bin, vollständig in meinem So-Sein wahrgenommen, erkannt und geliebt zu sein wie alle anderen Geschöpfe auch und zugleich bin ich auch die Wirklichkeit, die meine Individualität übersteigt. Es ist mein kosmisches und mein universelle Selbst und auch den Bereich, den man formlose Leere nennen kann.

Das Wesen ist multi-dimensional, all-umfassend.

Das Lebensziel sehe ich darin, dass der Mensch sein Wesen in den Vordergrund bringt, während er sein kleines Ich in den Hintergrund schiebt. Dieses spielt nun nicht mehr eine dominante, sondern eine dienende Rolle.

Wie schon oben gesagt, kann ich das Wesen verstandesmässig niemals ganz erfassen und begreifen, weil es das Höchste und Tiefste ist, das ich (wir) sind, und es ist im Kern geheimnisvoll. Doch mein Wesen kann mich ganz erfüllen, ohne dass ich es ganz definieren kann.

Niemals habe ich es bereut über viele Monate nach meinem Wesen und seiner Wesenhaftigkeit nachzufragen. Das Nachspüren hat mich erweitert, irgendwie kompakter, dichter und wahrer gemacht und mir gezeigt, worauf es in meinem Leben ankommt, ohne dies präzise ausdrücken zu können, da das Wesen, insbesondere der Wesenskern, in einem über-rationalen, supra-mentalem Bewusstsein (Aurobindo) ruht.
Der «Wesens-Duft» ist äusserst zart und fein und es braucht eine verfeinerte Wahrnehmung, um die Wesenheit zu spüren, zu erfahren und zu erleben.
Der neue Mensch, der sich nun individuell und kollektiv entfalten möchte -so spüre ich es- siedelt sich in dieser zarten Wahrnehmung an, in jenem inneren Klang, der in uns Gehör bekommen möchte.
Das Ego, das kleine Ich, hat sich zu mindern und zu bescheiden, damit der Raum für das Wesen grösser und weiter werden kann. Diese Minderung fühlt sich oft wie Sterben an. Dadurch ist es möglich, dass die Menschen die Schwelle überschreiten können, die sie vom höheren Bewusstsein, vom eigenen Wesen, welches im göttlichen Wesen lebt, (noch) trennt.

Es geht nicht ganz von selbst, die Schwelle zu überwinden, da es saugende und niederreissende Kräfte auf Erden gibt. Hier ein Ausschnitt aus meinen Aufzeichnungen:

«Es ist eine Fruchtbarkeit in allem. Diese ist blockiert.

Es ist eine negative Kraft aktiv, welche den Wachstums-Impuls behindert und unterdrückt.

Das ist eine Tragödie.

Die Menschheit ist in eine Schieflage geraten. Zwei Attraktoren hält sie im Atem:

Der eine Anziehungspunkt ist der Wahn der Gewinn-Maximierung. Sie steht für den ökonomischen Menschen, den Kapitalisten, der sein Gewinnstreben -und Denken in alle Bereiche des Lebens treibt und dort bestimmend und dominant agiert.
Der andere Attraktor ist die Technisierung («Roboterisierung»/Digitalisierung) aller Gesellschafts-Bereiche. Er steht für den Maschinen-Menschen und den Eroberer.

Sicher: es gibt noch viele andere Trends. Die beiden genannten aber sind die Mega-Trends: alle anderen dominierend. Sie sind omnipotent.

Damit Fruchtbarkeit und Wachstum sein können, braucht es ein tiefes Gefühl und Mitempfinden für das Organische und Prozesshafte des Lebens. Dann kann Wachstum geschehen.

Der einseitig ökonomische und mechanische Maschinen-Mensch, der mit der Technik zunehmend verschmilzt (Trans-Humanismus), verliert die feine Vibration, die in allem Organischen zu finden ist und die nötig ist, Wachstums-Impulse zu spüren, aufzunehmen und ins Leben zu bringen.

Der Mensch droht zu brechen, abzubrechen wie ein Ast vom Lebensbaum.

Das Gefühl für das Lebendige und das Seelische scheint zu verkümmern. So empfinde ich es.

Dieses Gefühl für das Lebendige, das Eingestimmt-sein auf das Empfangende, ist die Voraussetzung dafür, dass Fruchtbarkeits- und Wachstums-Impulse greifen können.

Wenn diese Lebens-Impulse unterdrückt sind, veröden sie nach einiger Zeit, da ihnen die Erde und die Luft fehlt, die sie für ihr Wachstum brauchen.»

Lesen wir Teilhard de Chardin:

«Da die personalen Elemente an eine gewisse Grenze der Konzentration gelangt sind, stehen sie einer Schwelle gegenüber, die zu überschreiten ist, um in die Wirksphäre eines Zentrums höherer Ordnung einzutreten. Sie müssen sich in diesem Augenblick nicht nur aus der Trägheit reissen, die sie immobilisieren will. Vielmehr ist für sie der Augenblick gekommen, sich einer Transformation zu überlassen, die ihnen all das zu nehmen scheint, was sie bereits erworben hatten. Sie können nicht mehr wachsen, ohne sich zu wandeln

Im Schwellen-Bereich beginnt die Wandlung und sie vollzieht sich, wenn wir in unserm Wesen angekommen sind. In der Zartheit unserer Wesens-Sphäre richtet sich der Lichtmensch, der auf unseren Ruf gewartet hat, allmählich auf.

Durch das Lauschen auf unsere Mitte erwecken wir den inneren Menschen, das WESEN, das wir sind. Unsere Aufmerksamkeit und Hingabe gibt ihm Wachstumskraft.

Die Corona-Krise, die meines Erachtens eine Krise des menschlichen Bewusstseins ist, in der u.a. auch geprüft wird, wie weit unser Mitgefühl reicht, stösst uns in Richtung unseres Wesensmitte. Darin finden wir die Essenz, die wir benötigen, um die Blockierungen zu lösen und uns mit unseren Herzenskräften zu verbinden.

Wir können nicht mehr wachsen, ohne uns zu wandeln.

Beitrags-Bild: Das Innere einer Pfingstrosen-Blüte

 

Durchlässigkeit

Oft weise ich darauf hin, wie zum Beispiel im vorletzten Artikel «Bewegungsruhe», dass die meisten Menschen in sich Abwehr-Mechanismen gegen das einströmende Liebeslicht errichtet haben. Wir sondern uns vom Licht, das uns erschaffen hat, ab. Diesen Vorgang nennen wir auch Sünde, wodurch wir uns von dem abspalten und entfremden, was wir im Kern sind. Diese «Widersacher-Kräfte», so kann man auch die Angst besetzten Abwehrmechanismen nennen, sind meistens sowohl persönlicher, wie auch kollektiver Natur.

In Kontemplation oder Meditation können wir uns selbst über die Schultern schauen und unseren Prozess des Eintretens in unser Inneres beobachten.
Dann erkennen wir -ich denke damit rede ich für Viele-, dass wir uns, bildlich gesprochen, mit Gedankenfetzen bewerfen, manchmal geradezu froh darüber sind, dem beginnenden Liebes- und Lichtstrom, etwas gegenübersetzen zu können. Vielleicht beobachten wir, dass die Rastlosigkeit der Gedankensplitter und Erinnerungen gerade dann überhandnehmen, wenn das Herzenslicht heller und leuchtender zu werden beginnt. Es benötigt auch Mut, uns die gewalttätigen Aspekte in uns zuzugeben.

Wir kennen wohl auch die Erfahrung, dass es uns nicht gelingt, jenes innere Reden zu stoppen. Eventuell regen wir uns dann über uns selbst auf, wenn wir unfähig sind, dieses innere Gerede anzuhalten.

Ja, es ist schon auch traurig, wenn wir sehen, wie gross unsere Scheu vor dem inneren Licht und der inneren Liebe ist. Wir selbst stehen uns vor dem Licht – immer wieder. –
Nun, was hilft?

Mir persönlich hilft es, wenn ich mir meine Schwächen, meine Ängste und die innere Unruhe, die oft die Folge der Ängste sind, eingestehe und mir selbst zugebe, dass ich nicht immer in der Lage bin, sie zu stoppen. Es ist mir gewiss -und wie oft habe ich es auch erfahren- dass die göttliche Liebe es mit mir durchwegs gut meint und mich nie eingeengt oder mich bedrängt und vereinnahmt hat. Nie! Und doch sind offenbar alte persönliche, familiäre und kollektive Ängste mit einer Zähigkeit am Werk, die ich kaum für möglich halte.

Das Eingeständnis, dass es so ist, aber auch die Reue darüber, dass ich nicht immer mit der nötigen Geduld meinen inneren Widerständen und Schwächen begegne, hilft mir, mich zu öffnen. Bewusst stelle ich meine Fehler, Mängel und Widersprüche ins Licht der Liebe und befreie mich so, mindestens ansatzweise von ihrer Hartnäckigkeit. Indem ich sie ins Licht halte, entbinde ich mich von ihrer Herrschaft.

Dieser innere Schritt erlebe ich als sehr hilfreich, ja heilend. Mit ihm beginnt die Öffnung und die Wandlung.

Nun ist Geduld wichtig, die Bereitschaft, der göttlichen Antwort Raum zu geben. Die Antwort kann darin bestehen, dass der sich hingebende Mensch eingekleidet wird in einen Lichtmantel, gewoben aus Milde, Barmherzigkeit und Wärme. Dieses Lichtkleid durchstrahlt unsere Seele, löst auf, was verknotet ist, befreit, lockert. Der Charakterpanzer schmilzt oder zerstäubt. Gleichzeitig wird der im Wesen ruhende Lichtkörper des Menschen wieder aktiviert und verlebendigt.

Also: Die Milde und Barmherzigkeit, die über uns gelegt wird, belebt den Lichtkörper.

Nun kann es geschehen, dass uns die sanfte Kraft zufliesst, die uns in Beziehung kommen lässt mit der strahlenden Liebe, Bewusstseinskraft, Seligkeit und Schönheit, die den Lebensgrund bilden, auf dem unsere Existenz sich vollzieht und die uns zudem erhebt.

Diese Augenblicke, wo wir uns frei fühlen, uns vom Geschenkten durchströmen und durchscheinen zu lassen, sind unvergesslich. Sie lassen uns erfahren, was Aufgehoben-sein meint. Der transparente Mensch, in welchem Freude aufsteigt, reflektiert den Glanz jener mysteriösen Präsenz, die ihn nun durchströmt und durchscheint. Dieser Glanz ist manchmal auch in seinen Augen zu erkennen, wie dies bei Verliebten oft auch der Fall ist.

Im Moment dieser Erkenntnis öffnet sich auch die Wahrnehmung dafür, dass alles, die werdende, wie auch die sterbende Welt, wie auch die noch nicht entfaltende Potentialität von ewiger, bedingungsloser Liebe durchwirkt ist.

Im Grunde, in der ursprünglichen, natürlichen Verfassung, ist alles Leben miteinander verbunden und dementsprechend durchlässig, vom Geist durchatmet. Zunehmendes Vertrauen mündet in Intimität, führt in den Raum der Übergabe, wo es keine Trennung gibt.

Selbst die noch verbliebenen Abwehrmechanismen, wie auch die noch tätigen Ego-Muster werden, wie das innere Herzens-Auge erkennen kann, von Gnade durchflutet, wodurch sie ihre Dominanz und Prägekraft verlieren.

Selbst unsere Schwächen, Fehler und Barrieren werden nun durchlichtet und wir sehen: Es gibt nichts, ausserhalb des göttlichen Lichts. Nichts, das definitiv ausgeschieden, abgespalten wäre. Alles ist vereint, eins in der all-umfassenden Liebe.

Diese Erfahrung legt den Grund zur Heilung der so gefährdeten Welt, in der wir leben.

Manches in diesem Artikel mag auch an Ostern erinnern. Das Eingeständnis und die Reue erinnern an den Karfreitag und an die Bitte um Erbarmen: Kyrie eleison, die alles durchscheinende Präsenz, die Vergebung und die aufgehende Sonne an die Auferstehung.

Der Entscheid

„Da redete Jesus abermals zu ihnen und sprach: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ – Johannes 8,12 

„Ich bin in die Welt gekommen als ein Licht, damit, wer an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibe.“
Johannes 12,46

Ausatmen bedeutet gestaltend in die zeiträumliche Welt hinein gehen.
Ich trete aus mir heraus, wirke in die mich umgebende Alltagswelt. Ich versuche mich in der Welt, in der ich lebe, zu verwirklichen, mit ihr in Kontakt zu treten. Atme ich mehr aus, als ein, verliere ich mich in der Aussenwelt, verliere ich die Beziehung zu mir, vernachlässige mein eigenes Quell-Gebiet. Ich komme ins Torkeln, ins Taumeln, falle vielleicht zu Boden, verletze mich, weisss nicht mehr, wo ich bin. Draussen in der Welt, – welch ein Sog! – wirble ich von unzähligen Erscheinungen angezogen, suchtartig, wahnartig, von einem zum anderen hangelnd, bis es mir übel wird und ich anfange zu torkeln, zu taumeln, bis ich falle – verwundet.

Der Tänzer des Lebens hat seine Mitte gefunden.

Wir leben in einer sich mehrheitlich ausatmenden Welt, bis zur Erschöpfung. Der aussen-gerichtete und aussen-gesteuerte Mensch verliert den Kontakt zu seinem Mittelpunkt, zu seinem wahren Selbst, zur Quelle, seiner Substanz; er destabilisiert sich (vergl. letzter Blog-Artikel).

Der taumelnde Rausch ist Selbst-Vergessenheit, der auch wahnhafte Züge aufweist, pervertierte Hingabe: Ich lasse mich in die Arme Fremder fallen, die mich vielleicht missbrauchen. Das Lebensgefühl: Ich mag nicht mehr.

Der die Welt und sich selbst ausbeutende Mensch, lässt sich schliesslich fallen, vielleicht in den Abgrund, dem er, vielleicht angstgetrieben, zusteuert.

Deshalb ist es ja lebensnotwenig, dass wir feinfühlig und bewusst einatmen – immer wieder – um Kontakt zu unserer Quelle zu finden. Immer wieder. Bis uns das Gefühl für die Licht- Quelle für immer präsent ist und bleibt. Bewusstes Einatmen ist Einkehr, ist Heimkommen.

Auf dem Weg zur inneren Wahrheit ist kein klares Ergreifen, kein Zugriff möglich, wie wir es in manchen Krimis sehen können. Auf dem Weg zum Herzen, gilt es die Grenzen des Verstandes zu überschreiten; wir gelangen in schimmernde, unscharfe Zonen, auch in Räume, wo wir das geheimnisvolle Sein spüren. In diesen schimmern Bereichen, jenseits unseres trennenden Verstandes, öffnen sich neuartige, zarte Räume, die unser Herz direkt ansprechen. Dieses schimmernde Licht unterläuft vorerst einmal unseren Verstand, arbeitet zärtlich an uns, ohne dass wir dies klar fassen und erfassen können. Dieses schimmernde Licht wandelt und heilt. – Es ist etwas ganz anderes als jeder Versuch, uns mit rationalen und technischen Mitteln zu optimieren.
Lassen wir uns von den Mächtigen der Welt erziehen oder von unseren Herzenskräften?

Der Mensch ist Licht.
„Ihr seid Lichtwesen“
– Armin Risi legt das in seinem gleichnamigen Buch sehr eindrücklich dar. Im Laufe der Zeit, ist es uns möglich, dies zu erfahren und zu erleben. Damit sind wir in Beziehung zu unserer wahren Natur. Tauchen wir stets bei jedem Atemzug, in unsere wahre Lichtnatur ein, so wirken wir nun als ein strahlendes Licht in der Welt.

Mit Licht meine ich nicht ein metaphorisches Bild oder Symbol, welches auf etwas Höheres hinweist, auch keine blosse Vorstellung von etwas, sondern die innerste Realität, was wir in unserem Kern sind.

Vielleicht kommt der Moment, wo wir Christus in uns sprechen hören: „Ich bin das Licht der Welt.“

In diesem Moment, hat sich unser Atem, von einem ego-zentrischen in einen grossen, kosmischen verwandelt, der von Barmherzigkeit und LIEBE erfüllt ist.

Der ego-zentrische Atem ist angsterfüllt, in ihm kreisen wir um unser kleines, begieriges Ich. Im Licht-Atem der Barmherzigkeit, sind wir von universeller LIEBE erfüllt. Damit sind wir Mensch geworden. WAHRER MENSCH – VERE HOMO. Damit richtet sich der Heiler/die Heilerin in uns auf.

Oder eben: Wir bleiben auf der Kriech-Spur: Kraxeln von Erfolg zu Erfolg oder versuchen durch Anpassungsbereitschaft und Unterwürfigkeit Rosinen zu erhaschen oder wir lassen uns Mini-Roboter einpflanzen, um ein paar Jahre länger zu leben. Oder wir verjüngen uns kosmetisch – wie auch immer die materialistischen Konsum-Angebote sein mögen, die wir wählen oder auch – bei kleinen Einbussen, z.B. Minderung des Ansehen – ablehnen können.

Der Entscheid, die Freiheit, bleibt bei uns, ob wir uns auf unsere äusseren Möglichkeiten verlassen wollen, oder auf die Quell-Kraft in uns, die wir aber erst dann als reale und wirksame Kraft erfahren dürfen, wenn wir uns ihr hingebend zugewandt haben. Durch Hingabe und Zuwendung und durch das Wagnis durch die Zonen der Ungewissheiten hindurch zu gehen, finden wir uns.
Der Entscheid beginnt schon bei der Frage, ob es uns wert ist, bewusst zu atmen.

Woran wollen wir uns halten?

Das gelobte Land

«Durch unsere kollektive Haltung isolieren wir die äussere Welt von ihrem spirituellen Kern. Unser Fokus auf dem Materialismus, unsere Verneinung des Heiligen in der Schöpfung hat uns von der Quelle des Lebens entfernt. Der Strom des Lebens ist nicht mehr rein; seine Gewässer sind äusserlich und innerlich verschmutzt. Die symbolischen Welten, die das äussere Leben früher mit Sinn erfüllten und von innen heraus mit heiliger Nahrung versorgten, wurden entheiligt. Durch die Trennung vom Heiligen und von der Quelle fehlt dem Leben ein essentielles Element, die Natur des Geistes.

Die Aufgabe des Mystikers in der heutigen Zeit ist es, das Leben wieder mit seiner Quelle zu verbinden.»

Llewellyn Vaughan-Lee: Aus Liebe zum Wirklichen

 

Die Reduktion
Heute lässt es sich sehr leicht feststellen, dass die Mehrheit der Menschen nicht mehr das Heil, also das Ganze, das umfassende Leben anstrebt, sondern einfach die physische Gesundheit, ein Leben addierter, möglichst gesunder Lebensjahre und nicht seine Erfüllung.

Diese Reduktion des Lebens fühlt sich mir als eine Verkümmerung an. Die mono-kausale Deutung in unserer Corona-Zeit wird dem Wesen Mensch niemals gerecht, ebenso wenig wie eine Medizin, welche ausschliesslich die Symptom-Bekämpfung (Krieg gegen das Störende) ins Auge gefasst hat.

Lasst uns in unser wahres Wesen atmen, damit wir die Grösse wiedererlangen, die uns gegeben ist. Wir nennen sie auch unsere Würde.

Moses
Mose ist der kraftvolle Visionär in uns, der uns aus der Gefangenschaft (Ägypten) führt.
Wir sind, so meine Deutung, gefangen in der reduktionistischen Betrachtungsweise von uns selbst, die uns unsere Würde nimmt.
Moses in uns symbolisiert die Brücke, also die Verbindung des Menschen zu Gott. Ihm ist es erlaubt, den Berg der Wahrheit zu erklimmen, auf dem er die Botschaften Gottes empfängt. Er ist damit beauftraget, diese dem Volke Gottes zu übermitteln und dessen Beziehung zum «Vater» wiederherzustellen, bzw. zu heilen.
Er hält das Feuer der Sehnsucht in uns wach. Er interveniert, wenn das Volk sich dem Tanz um das goldene Kalb ergibt.
Moses in uns führt uns auf den Weg in die Freiheit, ins gelobte, ins Heilige Land, wo die Wasser rein sind. Er ist sowohl Visionär, wie auch ein Mann der Tat, der mit der Kraft der Umsetzung in der Lage ist, das Gesehene und Erkannte zu verwirklichen

Mystisch betrachtet: Ägypten ist unsere Gefangenschaft, die innere Unfreiheit, die Ego-Fessel. Der innere Führer führt uns in ein höheres Bewusstsein: Israel, in das heilige, gelobte Land, wo wir die Nähe Gottes (Shekina, bzw. den Heiligen Geist) spüren. Die Reise führt uns durch die innere Wüste, durch innere Hindernisse und Verirrungen in das Land unserer Träume: Hier stehen wir auf heiliger Erde. Auf-Licht-Erde, die niemals einbricht. Hier geht die Geist-Sonne auf, hier sind wir verwurzelt – zeitlos.

Es gibt jene Menschen, die im Lande Ägypten bleiben wollen. Andere drängt es unwiderstehlich aufzubrechen.

Aufbruch ins gelobte Land
Ein Seelentraum, voller Glut und Kraft, tief im Innern, bereitet den Aufbruch vor. Es ist der Traum eines heiligen, eines gelobten Landes, dessen Erde heilig ist. Es ist Licht-Erde, die wir dort betreten werden. Alles in diesem Land leuchtet aus sich heraus, alles fühlt sich jung und rein an und das Herz geht den Bewohnern, die dort leben, auf und Ruhe breitet sich aus.
Dort zieht jeder, der diesen Boden betritt seine Schuhe aus, weil er fühlt, dass er heilig ist. Es ist ein goldenes Land, dessen Wasser rein sind.

Hier ist der Boden unerschütterlich. Er bricht niemals ein. Dieser Boden ist wirklich und diese Wirklichkeit lebt in uns.

 

Die Licht-Erde, leiblich gesehen

Neben der „Licht-Erde“, die sich in Augen-Nähe befindet (im Artikel äussere ich mich dazu), lassen sich zwei weitere Erden-Bereiche, bzw. Fundamente dem Körper zuordnen:  Erstens: der materiell-physische Erden-Boden auf der Höhe des Beckenbodens und zweitens: das Fundament des Vertrauens, welches auch als eine Art von Boden betrachtet werden kann: es befindet sich im Übergangs-Bereich zwischen dem Sonngeflecht und der Region des Herzens, etwas unterhalb des Herz-Chakras.

Im physischen Körper finden wir die Zugänge zum spirituellen Köper.

Die Licht-Erde, der Heilige Boden oder das Gelobte Land, befindet sich auf der Höhe der Augen. Das Band der Licht-Erde, beginnt unterhalb der Augen und zieht hoch bis in die Mitte der Stirne.
Folgende wichtigen Punkte finden wir hier:
Das dritte Auge: Es befindet sich zwischen den Augenbrauen. Es ist das hell-sichtige, subtile, intuitive, tiefer blickende Auge, das mit der Seele verbunden ist.
Die Zirbeldrüse. Sie befindet sich, ca. 2 Zentimeter höher als das Dritte Auge und mitten Im Kopf. Sie weckt Freude und ein inneres Lächeln. Durch Imagination, mit Hilfe des Atems und mit Klängen (das intonieren des Klanges A ist gut) kann die Zirbeldrüse, die auch in Verbindung steht mit der geistigen Welt, aktiviert werden.
Die Schläfen: Die Konzentration auf die Schläfen erzeugt Ruhe und Weite, einen Rundblick, die Wahrnehmung des inneren Ohres wird vertieft, Gleichmut und Gelöstheit wird spürbar und die Beziehung zur Region des Herzens wird gestärkt.

Wenn wir die Aufmerksamkeit mit der geschilderten Stirn/Kopf-Region halten, so kann es gut sein, dass sich das Erleben der Licht-Erde, der Heiligen Erde, aufbaut und wir fühlen Aufgehoben-sein – auch in unsicheren und bedrückten Zeiten.

Eine solche innere Aufbauarbeit erforderte einen geduldigen Aufbau und eine ständige Haltung des Lauschens. Falls wir den Boden der Licht-Erde betreten (mit nackten Füssen) ist es durchaus möglich, dass wir Gestalten (Wesenheiten) begegnen, die uns etwas zu sagen haben.

Ich wünsche mir zutiefst, dass einmal die Zeit kommt, in der die Weisheit uns zufallen wird, die Lichter der Erde, die Licht-Samen, (wieder) zu wecken, wodurch uns auch der Planet zum Heiligen Boden wird, den wir behutsam betreten und bebauen werden.

Beitragsbild: Foto N. Bayer

Umkehr der Perspektive

Die aussen orientierte Lebensweise

Die Energie, die von mir in die Welt einwirkt, z.B. indem ich kommuniziere, mich politisch, künstlerisch oder wie auch immer ausdrücke, ist der Fokus, auf den ich mich ausrichte. Jedenfalls war das bei mir lange so.

Ich bin, was ich tue, leiste, hervorbringe. Es gibt kein Zweifel darüber, dass aktives, engagiertes und kreatives Tun erfüllend ist. Die einseitige Fixierung aber auf das von mir Ausgehende, also auf meine Aktionen, bewirken, dass ich früher oder später in einen Zustand der Erschöpfung falle.
Der arbeitende, leistungsbetonte, nach aussen gerichtete Mensch, der sich mit seinem Tun identifiziert, bis hin zur Selbst-Ausbeutung, ist oft gefangen in der Einseitigkeit dieser doch eher männlichen Sichtweise des In-der-Welt-seins.

Das uns Zufliessende

Sind wir Menschen also damit beschäftigt, uns zu beobachten, wie wir uns in der Welt darstellen, was uns, so denken wir, Bedeutsamkeit verleiht, so verkennen und unterschätzen wir jenen uns zufliessenden Energiestrom*, der uns die Lebenskraft gibt, produktiv, hilfreich und aufbauend in die Welt zu gehen, unseren Lebensweg zu erspüren, der nach vorne ausgerichtet ist.
Durch die einseitige Ausrichtung unserer Aufmerksamkeit nach aussen und vorne, verkümmert das uns Zufliessende, weil wir es kaum beachten und somit bleiben wir seelisch unterernährt.

Alle Lebewesen, Menschen, Tiere, Pflanzen sind in der Lage, uns auf ihre Weise wahrzunehmen. Wir werden gesehen, gehört, gerochen oder sonst in einer uns unbekannten Weise wahrgenommen. Wenn wir spüren und erfahren, dass Interesse, Zuneigung, usw. uns entgegen fliesst, werden wir dadurch genährt, wie auch die Lebewesen, die von uns freundlich wahrgenommen werden. Das gilt auch für die unsichtbaren Wesenheiten.

Wenn ich achtsam sehe und höre gebe ich den Wesen, die mir begegnen möchten, Raum, Lebensraum, wodurch sie mir ihre Seins-Qualitäten mitteilen können und sich darüber womöglich erfreuen. Welch ein Reichtum!

Der Zustand des Empfangens in der Kontemplation

In Kontemplation wirkt im Menschen oft der Archetypus des Pilgers auf dem Weg, der auf den Berggipfel führt oder an einen sehr stillen Ort in der Wüste. Wir gehen, so in unserer Vorstellung, achtsam und bewusst Schritt für Schritt unseren Weg dem Licht zu.
Dies ist ein schönes kraftvolles und hilfreiches Bild.
Haben wir die Perspektive gewechselt – und manchmal ist die Zeit dafür gekommen- so bleiben wir am Ort, an dem wir sind und empfangen die Kräfte, die den Weg zu uns finden möchten.
Das Bild hierfür: Wir sind ein empfangender Kelche oder eine weit geöffnete Schale, ganz offen, hingebend im Vertrauen darauf, dass das Licht und die göttliche Präsenz uns finden, die Strahlen unser Herz erreichen, welches sich mehr und mehr weitet. Dabei ist es wichtig, dass wir dem, was zu uns möchte, bewusst und vertrauensvoll Raum geben.
Dabei erfahren wir möglicherweise, dass wir gesehen, gehört, geliebt und erkannt werden. Wir erfahren auch, falls wir ganz offen und zugänglich sind, dass uns genau das gegeben wird, was wir in diesem Augenblick benötigen: «Unser tägliches Brot gib uns heute“, was auch Einsicht bedeutet – jene Einsicht, die uns jetzt dienlich ist.

Als Kontemplierender bin ich nun bereit mich bis in die Tiefe meiner Seele anschauen zu lassen. Ich übergebe mich dem gebenden, strahlenden, Leben erzeugenden Auge Gottes und ich lasse mich erkennen in meiner Totalität, in meiner Ganzheit und Wesenhaftigkeit.

Dieses Erschauen und Erkannt-werden ermöglicht es mir nun, mich selbst in meiner ganzen Wirklichkeit zu erkennen. Ich erkenne mich nun so, wie ich erkannt worden bin. Ich fange an, mich derart uneingeschränkt lieben zu lernen, wie ich nun weiss, dass ich geliebt bin.

Das Erleben, gesehen und geliebt zu werden wie ich bin, ist wunderbar – und in diesem «wunderbar» sind alle erhabenen und freudvollen Gefühle enthalten, die man sich nur denken kann – wirklich ausdrückbar, mit Worten, ist dieses Erleben nicht.

Also: Zuerst lasse ich das, was mich heilt, in mich einfliessen und in Dankbarkeit empfangen.
Danach integriere ich behutsam das, was mir hinzugeströmt ist und gebe es an mich und an die Mitwelt weiter, wechsle nun in den aktiven Modus.
Warum ist es gut, die Gaben in Dankbarkeit zu empfangen? Durch Dankbarkeit intensiviert sich das Empfangene. Zudem: Dankbarkeit bewirkt, dass der Empfänger ganz im Hier und Jetzt verankert bleibt. Wahre Dankbarkeit ist weder in der Vergangenheit, noch in der Zukunft zu erleben (was übrigens leicht ausprobiert und erfahren werden kann).

In Bezug auf Gott sind wir Menschen (Frauen wie Männer) primär weiblich-empfangende Wesen. Deshalb ist es auch wichtig, den Einen auch als die Eine zu erkennen.

Entwickeln wir den Mut, uns in Fülle geben zu lassen vom Geber, der Geberin allen Lebens.

Viele Menschen, die ich kenne, verspüren den Impuls, die zufliessende Kraft und Gnade zu begrenzen, weil sie sich nicht als würdig erachten, die Flut der Liebe und Güte in ihrer Fülle anzunehmen. Sie stoppen die einfliessende Kraft, weil sie glauben, soviel Liebe nicht verdient zu haben oder weil sie Angst haben, ihre Kontrolle zu verlieren über die machtvolle Wirklichkeit, die sich ihnen naht.
Deshalb wählte ich das Wort Mut. Hingabe an das, was einwirkt, braucht einerseits Mut und andererseits so etwas wie Übung und die Bereitschaft, über den Rahmen, den wir uns gesetzt haben, hinaus zu wachsen und ihn damit (das Ego) zu sprengen, den wir mit unserem Kontroll-Bedürfnis gesetzt haben.

Seit Jahren meditiere ich meistens im Modus des Empfangens und bin bemüht, mich dem Wandlungs- und Liebes-Geschehen der unendlichen Schöpferkraft zu übergeben.
Ich lasse mich also einfach anschauen bis auf den Grund meiner Seele und beachte fein, was mit mir geschieht. Die Meditation/Kontemplation selbst hat mich dahin geführt, mich auf diese Weise mit der Liebe und dem daraus hervorgehenden Leben zu verbinden.

ICH BIN, WAS MIR ENTGEGEN KOMMT.
ICH BIN, WAS MIR AUS DER TIEFE MEINER SEELE ENTGEN KOMMT.

* Der uns zufliessende Lebensstrom kann von innen oder von aussen zu uns gelangen.

Liebe, was dich angreift

Das Böse – der Schmerz – und der liebende Blick: wie stehen diese drei zueinander?

Das Böse
Nicht alle meine Zeitgenossen glauben an die Existenz des Bösen. Ich selbst zweifle nicht daran, dass es existiert. Ich erlebe es als eine finstere, verschlingende, saugende, das Leben erstickende Macht, welche bestrebt ist, uns zu emotionslosen, bloss funktionierenden, seelenlosen «Maschinenmenschen» abzumindern.
Unser Zivilisation und Kultur verstehe ich als Ausdruck unserer inneren Bewusstseins-Verfassung. So nehmen wir von aussen wahr, was in uns (unserer Kollektiv-Seele) ist.

Der Schmerz
Wenn wir die äussere Finsternis nicht nur mit einem darüber hinweg huschenden Blick wahrnehmen, sondern sie auch mit dem Herzen ansehen, uns also von den Grausamkeiten und Gewalttaten, die um uns wirksam sind, berühren lassen – und das seelische Herz ist ein Organ, das äusserst berührbar ist – so spüren wir Schmerz.
Die tödliche Spirale, in der wir uns kollektiv befinden, erlebe ich als schmerzhaft.
Nun, dieser Begriff «tödliche Spirale» wird wohl Opposition hervorrufen. Natürlich gibt es das Gute, liebende Menschen, die ein einfühlsames Herz haben und für den Frieden einstehen und es sind nicht Wenige und von ihnen wird in diesem Artikel die Rede sein. Im grossen Strom, also im Mainstream, dominieren jedoch die Kräfte der Hybris, der strukturellen Gewalt, der rohen Macht und der Kontrolle und sie sind tödlich, weil sie die Abtrennung des Menschen von seiner Seele voran treiben, was eben letztlich todbringend ist.
Die Ausrottung indigener und wehrloser Völker, sehr vieler Tier- und Pflanzenarten erzeugt Schmerz. Ebenso die Ausgrenzung des Schwachen und der Erfolglosen. Der Schmerz liegt im Äther und sucht sich Menschen, die empfänglich dafür sind, Schmerz anzunehmen und auszudrücken. Gesegnet sind sie.
Das Annehmen der Schmerzen ist Voraussetzung und der Beginn für jeden Heilungsprozess.

Der liebende Blick
Der allumfassende, alles einbeziehende, liebende Blick kann nur aus einem grossen Herzen eines Menschen kommen, der mit beiden Füssen auf dem Boden steht.
Das, was uns entgegenkommt in der Welt, in der wir leben, ist nicht nur das Gute (dieses zu lieben ist nicht so schwer), sondern auch das, was uns angreift, die dunkle Seite der Menschheit, damit auch die eigene Bösartigkeit.
Zu lieben, was uns angreift, also auch das Feindliche, erinnert natürlich an die Feindesliebe.
Sie ist der Gipfel der Liebe. Wie unfassbar schwer sie uns üblicherweise erscheint! Doch nur durch sie, ist es möglich, das Abgespaltene wieder zu integrieren. Die Liebe schafft eine Brücke zum anderen, auch zum völlig entgegengesetzten Dasein, welches wir als fremd und schrecklich erleben.

Also lieben, was uns angreift und uns vielleicht sogar vernichtet?
Wie ich oben erwähnte, ist dem Bösen eine verschlingende Kraft eigen. Es ist schwer, dieser Macht standzuhalten.
Nun stehen vor uns zwei Anforderungen, die uns möglicherweise überfordern: Erstens, das, was uns angreift, liebend anzuschauen und zweitens die Kraft aufzubringen fest auf dem Boden zu stehen, wenn wir in den Schlund gewalttätiger, saugender Mächte blicken. Es gibt ja auch in uns den Sog, uns in das Böse, und damit auch in unsere eigenen Egostrukturen hineinfallen zu lassen, da sie (nebst Angst und Unbehagen) Übersichtlichkeit, das Alt-Bekannte und äusseren Erfolg versprechen.

Wir müssen also lernen, uns abzugrenzen vom Feindlichen, in der eigenen Wahrheit stehen zu bleiben und es gleichzeitig zu lieben.
Ich finde das schwierig, beinahe eine Zumutung. In der spirituellen Schulung haben wir es stets mit dem Paradox zu tun – in zahlreichen Variationen. Das Paradox ist ein Tor zur Wahrheit.

Lieben heisst doch verschmelzen, in intime Verbindung zu gelangen, Grenzen zu überwinden und doch nicht, sich abzugrenzen und stand zu halten. Oder?

Jesus war in der Lage, die finsteren Reiche verzeihend und segnende zu durchwandern und dort sogar Lichtsamen einzupflanzen. Menschen aber, welche das Buddha-Bewusstsein und das Christusselbst nicht völlig verwirklicht haben, sind dazu nicht in der Lage.

Aber ihnen ist es gegeben -und das ist sehr viel- im Bewusstsein der Liebe verwurzelt zu bleiben, dem Sog der gewalttätigen Mächte zu widerstehen und sich gleichzeitig dem göttlichen liebenden Blick, deren Instrument sie sind, hinzugeben. Der liebende Blick wird, wenn sich das Herz ganz öffnet, zu einem Gnade und Leben spendenden Schauen.

Und das ist die gute Nachricht, dass der Mensch, der sich hingibt nicht überfordert ist, da ihm die Liebe gegeben ist, wie auch der Boden des Vertrauens, der ihn hält.
Wer und was in Liebe angeschaut ist -und ich spreche nun von den finsteren Mächten- atmet auf. Wer in Liebe ausreichend betrachtet worden ist, fängt an, sich wieder im heilenden Licht zu bewegen. Die im Dunkeln treten nun wieder in die Sichtbarkeit, fangen wieder an, sich zu spüren.

Unser Beitrag ist es, das, was uns gegeben wird, anzunehmen. Das, was vorbehaltlos angenommen wird, verwirklicht sich sogleich!
Wenn Menschen also ohne Vorbehalt, ohne Widerstand und ohne Verzerrung durch das Ego, die Güte, die Hilfe und Kraft, die ihnen geschenkt wird -und dem Menschen wird dauernd gegeben, wenn er empfänglich ist- annehmen, kann sich das Empfangene unverzüglich verwirklichen, entfalten und das göttliche Licht kann uneingeschränkt heilend einwirken.

Unser Beitrag kann ausserdem darin bestehen, bereit zu sein, Lichtträger/Lichtträgerin zu sein in einem grossen Kreis von Menschen und Wesen, die sich ebenfalls in Freude für diesen Dienst bereitstellen.

Gesegnet sind die, welche bereit sind, Schmerzen vertrauensvoll anzunehmen.

PS.  Natürlich gibt es viele Menschen, die lieber sozial-politisch aktiv werden wollen. Diese Art des Engagement ist zu achten und zu schätzen. Sie stellt ein Ergänzung dar zur spirituellen Arbeit.

 

 

Barmherzigkeit

Barmherzigkeit ist eine komplexe, vielschichtige Wirklichkeit. In allen spirituellen Strömungen, die ich kenne, wird mit Nachdruck auf ihre zentrale Kraft hingewiesen. Wie schon der Name sagt (Barm-Herz-igkeit), wird sie dem Herz zugeordnet. Gott und Christus tragen oft den Bei-Namen: der Barmherzige, der All-Erbarmer.

Im Folgenden möchte ich die eminente Bedeutung vom Barmherzigkeit umkreisen, die wunderbare Wirklichkeit, die sie meint, gerade auch für unser heutige Zeit.

1997 machte ich eine drei-monatige Retraite in einem Berghaus in den Alpen. Daraus entstand das Buch «Im Atem der Barmherzigkeit», das innere Thema meines kontemplativen Rückzuges.

Nachdem ich mich mit der Wirklichkeit der Barmherzigkeit angefreundet hatte, schrieb ich in mein Tagebuch:

«Es ist ein Herzensfluss, der aus dem Ursprung kommt. Seine Wesensnatur ist Fliessen, Strömen, filigranartig.
Es ist ein Fliessen, das aus dem Ausatmen kommt: Ein zart-fliessendes, hauch-artiges Ausatmen einer behütenden, einhüllenden, mütterlichen Qualität. Es ist weich-webendes Licht in zarten Farben. Zärtlichkeit. Es schafft Räume der Geborgenheit, Heilung und Erholung. Erbarmen, das aller Heilung zugrunde liegt. Es verströmt, fliesst in alle Richtungen gleichzeitig, empfängt sich aber von oben, von wo es ins Herz fliesst und dort rundum ausfliesst.

Dieses Strömen durchwirkt den Kosmos jederzeit: mitfühlendes, heilendes Erbarmen für die Schöpfung. Wer davon berührt wird, es zulässt, ist nicht mehr einsam, fühlt sich getröstet.
Rachme (aramäisch für Barmherzigkeit) tröstet, fängt auf, bringt die Zellen des Lebens in weiches, warmes, entspanntes Pulsieren. Es ist weiches Licht, welches die Barmherzigkeit charakterisiert. Die Farben sind oft in Pastell: weiss-rosa, gold-durchwoben, manchmal ein helles Blau-Grün.

Rachme bildet die Grundlage, die «fliessenden Räume», welche die gegenwärtigen Prozesse ermöglichen, die jetzt nötig sind.
Sie ermöglichen, die jetzt stimmigen Prozesse, die der inneren Notwendigkeit des Momentes entsprechen.
Barmherzigkeit ist die Hebamme der Zeit-räumlichen Welt und verbindet diese mit der Welt in Gott, mit Seinem Heiligen Geiste.

Barmherzigkeit ist überall und immer. In ihr spricht die göttliche Stimme: ICH BIN DA.
Wer Barmherzigkeit und Erbarmen empfindet, atmet auf: Gott ist da – es ist gut.
Rachme ist die weiche Kraft des Südens, die Vertrauen bildet – Wachstumskraft.

Rachme ist die sich offenbarende Liebeskraft Gottes, Sein ICH-BIN-IMMER-DA. Sie erschüttert, schmilzt, weicht auf.
Durch alle Mauern der Welt: Sein heilendes, tröstendes Licht, welches selbst das Allerdunkelste nicht meidet, den Opfern und Tätern sich anbietet als sich selbst verschenkende Liebe, die rückhaltlos, bedingungslos alles – sich selbst – gibt und nichts zurückbehält, da sie alles ist und sich ständig erfüllt in unbegreiflicher Liebe.

Christus ist Gottes Erbarmen, die ins Dunkle herabsteigende Kraft; das Licht in der Finsternis, das nie vergeht.

Ich habe erfahren, dass das Herzensgebet (siehe Blog vom 5. Jan. 19: Atem, Teil 2 *) , in dem die Formel «Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner (unser)» solange gesprochen oder gedacht wird, bis es sich selbsttätig in unser Herz eingewobene hat und somit gleichsam sich immerzu selbst betet … die Kraft hat, uns über unsere Ego-Grenzen hinauszuführen in die kosmische Präsenz, die sich jenseits der Angst öffnet als segensreiche und heilende Gegenwart.

Das Universum ist durchwirkt und durchströmt von Barmherzigkeit, die sich auch in uns mikrokosmischen Menschenwesen widerspiegelt. Allerdings will die Barmherzigkeit in uns geweckt werden und das Herzensgebet ist eine wunderbar mystische Methode dafür. Dieses hat die Kraft, uns zu transformieren. Es ist die Kraft der göttlichen Mutter, die wir anrufen, wenn wir Barmherzigkeit, rachme oder ir-rahman sagen.

Sowohl rachme (aramäisch), wie auch Rachman (oder Rahman), arabisch, geht auf die Wort-Wurzel zurück, die Mutterschoss oder Gebärmutter bezeichnet. Ich glaube, dass das hebräische Wort für Barmherzigkeit auch auf den Mutterschoss Bezug nimmt.

Eine sehr geschätzte Leserin meines Blogs erwähnte folgenden Satz meines letzten Blog-Beitrag «Der erwachte Mensch ist ein gebärendes Wesen» und schrieb dazu:

«Das ist genau, was mit Barmherzigkeit gemeint ist!
Im Althochdeutsch bedeutet Barm: der Geborene. Barmen ist auch austragen, gebären, eng verbunden mit Mutterschoss.
Barmherzigkeit haben wir mit «mitfühlen» zu einem Gefühl heruntertransformiert – ein Jammer! Gottes Barmherzigkeit ist: Der Mutterschoss der Einheit trägt uns aus im Werden des Seins.»

Natürlich beinhaltet Barmherzigkeit auch den wichtigen Aspekt des Mitgefühls, geht aber weit darüber hinaus.

Es ist erstaunlich, aber doch nicht verwunderlich, dass offenbar in vielen Sprachen das Wort für Barmherzigkeit oder Erbarmen eine Verbindung zu Geburt, Schwangerschaft und Mutter hat, woran wir erkennen können, dass tiefes Wissen in die Sprache eingegangen ist.

Barmherzigkeit ist eine göttliche Kraft und eine sehr hohe Qualität, die das menschliche Fassungsvermögen übersteigt und nicht alleine durch Erziehung erlangt werden kann. Sie ist eine Gabe des Heiligen Geistes, ein Geschenk der göttlichen Mutter, die uns mit dieser Gabe auch den Weg in die Herzens-Geburt weist.
Die Wirklichkeit der Barmherzigkeit ist die Voraussetzung für jegliche heilende Tat. Sie schafft uns den Raum für unserer Ganzwerdung – individuell und kollektiv für unseren Menschheits-Leib.

Ausserdem bringt uns das Ereignis der Barmherzigkeit selbst in die zweite Geburt, die Geburt unseres wahren, lichten, göttlichen Wesens, das in uns hervorgerufen werden möchte – eben mit der Hilfe der Barmherzigkeit. Sie zu empfangen ist wohl die schönste Aufgabe, die uns Menschen gegeben ist. Aber diesen Weg müssen wir nicht alleine machen, da viele Wesenheit uns ihre Hilfe anbieten, wie die Bodhisvattas des Mitgefühls. Ich denke dabei an Avalokiteshvara oder Kanzeon, erleuchtete Wesen, die einzig deswegen auf Erden sind, um Hilfe, Trost und Mitgefühl den Menschen darzureichen, die bereit sind, diese Gaben zu empfangen. In den anderen Religionen haben sie andere Namen, in der christlichen Spiritualität ist es Jesus Christus, der als Inbegriff der Barmherzigkeit gilt. Er wird um Hilfe gebeten mit: Christe eleyson (Christus erbarme dich).

Barmherzigkeit kann man sich gar nicht als hoch und wunderbar genug vorstellen.
Der (gewandelte) Atem der Barmherzigkeit führt uns vielleicht an das Ufer des Meeres der Barmherzigkeit und Gnade, wo es uns gewährt werden kann, dass wir Heiligkeit atmen können, die heilige Macht des Lebens und des Menschseins. Es ist auch die liebende und mütterliche Macht, die uns die Geburt zum wahren Menschsein verleiht.

Beten wir in Hingabe aus dem Herzen und erleben wir (ich schrieb im letzten Blog darüber) wie Atem, Liebe und Licht eins werden, so kann es geschehen, dass wir aus dem «kleinen Atem», der unser egozentrisches Leben umkreist, hinaus gehoben werden in den grossen Atem der Barmherzigkeit, der von kosmischer Dimension ist und uns in Verbindung bringt mit dem göttlichen Ursprung aus dem wir kommen. Da werden wir aus der Barmherzigkeit trinken können, unseren wahren Durst stillen.

*Siehe unter «ältere Beiträg» unterhalb dem Schlagwort-Verzeichnis. Jan. 2019 anklicken und nach unten scrollen.

Beitrags-Bild: Rosenblatt in Gold geädert von W.B. 

Das betrachtende Selbst

Anders als die egozentrische Sicht, welche auf das, was stört, fixiert ist, ist der betrachtende, schauende Blick des hohen Selbst weit, all-umspannend, einbeziehend und weit, in Ausdehnung begriffen und wohlwollend.

Das Ego bindet, fixiert, macht abhängig, nimmt in Besitz. Es fragmentiert, atomisiert, pulverisiert, trennt, während die Sicht aus dem Selbst, organisch und natürlich das was ist, zur Entfaltung und ins volle Leben bringt. Das wahre Selbst ist konsistent und so auch sein Blick, der das Eine im Vielen erkennt, ein Blick voller Güte, der alles akzeptiert, respektiert, alles sanft und sehr liebevoll betrachtet. Wir können auch sagen: mit dem Herzen betrachtetes Leben.

Dieses Schauen entbindet das gefesselte Leben aus der Umklammerung des besitzergreifenden Egos.

Das Ego will das, was es stört, entfernen, abtrennen, aburteilen, verbannen oder vernichten.
Zerstören, was stört heisst die Kürzest-Formel dieses ausschliessenden Systems.

Es gibt Eltern, dies als ein Beispiel, die betrachten ihr Kind (vielleicht deshalb, weil es nicht so angepasst ist) als Störenfried, solange bis es wirklich gestört erscheint und ein falsches Selbst aufgebaut hat, in dem sein angebliches Gestört-sein eingebaut ist und zur Selbst-Verachtung führt. Diese Störung trägt meist einen Namen oder eine stigmatisierende Botschaft, zum Beispiel: «Du bist zu langsam!». Der betreffende «Störenfried» setzt sich in Folge unter Druck schneller zu werden, wird dadurch fehlerhaft und, weil er seine Fehler ausbügeln will, was Zeit braucht, noch langsamer, was wiederum auf Ablehnung stösst. So baut sich ein inneres Drama auf.
Das ist ein zentrales Merkmal des Ego: es erfindet Dramen, bläht diese auf, um vom Wesentlichen abzulenken.
Das Drama -wir können auch von einem Muster sprechen- bindet sehr viel Aufmerksamkeit und damit Energie an sich, wodurch sich die daraus entstehenden Konflikte verschärfen. Die Eltern, um zum Beispiel zurückzublenden, haben den Gewinn, der darin besteht, dass ihr Sohn oder ihre Tochter Träger*in ihrer eigenen, nicht eingestandenen Schwäche geworden ist, Symptom-Träger-in des eigenen Schattenanteiles.

So etwa arbeitet das Ego. Wir alle kennen das – bei uns und bei anderen.

Das Ego fixiert, kapselt ein, bringt in Vereinzelung und damit in Einsamkeit und erzeugt somit eine Art von falscher Identität: Ich bin so, du bist so. Zu Beispiel: Ich bin zuverlässig, du bist chaotisch. Mit dieser Art von Klein-Identitäten zimmern wir unser Lebens-Skript, unser Dreh-Buch des Lebens und daraus ist unser Blick und unser Urteil über andere gespeist. Unserem Drehbuch gemäss urteilen wir und binden andere Menschen an uns.

Wenn wir Andere von unseren Urteilen und Vorstellung entbinden, vergeben wir. Somit lassen wir die anderen Menschen frei, lassen sie ihren eigenen Weg gehen und wir geben ihnen den freien, offenen Raum, um sich ihrem Wesen gemäss zu entfalten. Zur selben Zeit befreien wir uns selbst von den Vorstellungen, die uns behindern, uns selbst zu verwirklichen.

Indem wir verzeihen wechseln wir die Ebene unseres Bewusstseins: Vom fixierenden, urteilenden Sehen wechseln wir zum wohlwollenden Betrachten. Wir lösen uns von unseren Erwartungen, die einengen und ihre Wurzel in der Angst haben. Es ist das betrachtende, göttliche Selbst, welches uns und andere auf den Grund unseres Seins führt.

Die Befreiung geschieht durch die Öffnung des Herzens und die Akzeptation der verschiedenen individuellen Ausdrucksweisen der Menschen, der Wesenheiten, was LIEBE bedeutet.

Durch das wohlwollende Betrachten entbinden wir, befreien Leben zu sich selbst hin. So betrachtet regeneriert sich bedrücktes, gebundenes Leben, findet zu seiner Ursprünglichkeit, zur Frische und Reinheit des Seins.

Dieses Betrachten können wir auch Kontemplation nennen.
Das Betrachten aus der Weite des Herzens befreit und heilt.

Freud und andere Psychologen lehrten, dass neurotisches, zwanghaftes Verhalten, das zu ständigen Wiederholungen neigt, durch Erkenntnis und Einsichten in die Entstehungsgeschichten der Symptomatik zur Gesundung und Lebendigkeit verhilft. Ich bin überzeugt, dass sie recht hatten. Allerdings ist dieser Weg allein mühsam und langwierig, während der Weg des Wechsels der Weise des Sehens vom egozentrischen Blick zum wohlwollenden kontemplativen Betrachten eher geeignet ist, die fixierten Energien frei zu setzen und dem Entfaltungsprozess des Menschen zuzuführen.

Das wohlwollende Betrachten hellt die Grund-Stimmung des Betrachters und des Betrachteten merklich auf.

Durch den Wechsel der Art des Schauens wird nicht nur der Betrachter in einen heilenden Strom geleitet, sondern auch der Betrachtete. Die gebundene Energie, die durch Urteile und Stereotype gefangen wurde, wird durch den geweiteten Blick des kontemplativen Betrachters befreit und steht nun wieder der Entfaltung der menschlichen Seelen-Kräfte und der Verwirklichung des Individuums zur Verfügung.

Der tiefenpsychologische Heilansatz und der von mir geschilderte spirituelle, kontemplative Ansatz lassen sich gut miteinander verbinden.

In Meditation kann es geschehen, dass der Meditierende, das alles akzeptierende und liebende Auge Gottes auf sich ruhen fühlt, wodurch er in tiefe Entspannung versinkt und sich völlig aufgehoben und geborgen fühlt. Es ist derselbe Blick, den er auch nach aussen richten kann, denn was er erfahren hat, will sich, wie alle tiefen Erlebnisse, mit-teilen.