Verbunden mit der inneren Wahrheit

Mandalas* sind Darstellungen der ungebrochenen Ausstrahlungskraft des Zentrums von Lebewesen, ihrer Essenz, die wir auch als Kraft des Herzens oder des Seelengrundes verstehen können.
In Verbindung mit unserer Mitte, kann sich die innere Wahrheit im Ganzen der Person und in ihrem Lebensfeld in Schönheit und Klarheit manifestieren. Der innen-orientierte Mensch ist ein Lauschender.

Vor einigen Jahren setzte sich eine junge Frau im Tram mir gegenüber. An der Seite ihres Sitzes hatte sie ihren Kinderwagen hingestellt. Darin ihr ca. zweijähriges Kind, welches mit Holzfigürchen, die an einer Schnur am Kinderwagen hingen, spielte. Sie selbst lass Zeitung.
Zuerst irritierte es mich, dass die Frau vollkommen mit ihrer Zeitung beschäftigt war, ohne ihr Kind zwischendurch mal anzusehen oder mit ihm zu reden. Sie liess es, und es spielte.
Dann stellte ich fest, dass das Kind völlig zufrieden war. Sein Spielen war ihm genug. Kein Appell an die Mutter. Tram-Station für Station: Ich spürte wie innig Mutter und Kind miteinander verbunden waren. Ich fühlte eine warme, geborgene Energie zwischen den Beiden. Ich erkannte auch, dass die Mutter in sich ruhte und damit ihrem Kinde Halt, Präsenz und Zuneigung gab, in der es sich ganz wohl und getragen fühlte.

Anders Eltern mit sogenannten «Schrei-Kindern»: Sie sind oft verhaftet in ihrer hohen Intellektualität, ohne tiefer in sich zu ruhen. Nicht-zentrierte Mütter und Väter haben oft sehr unruhige, zapplige Kinder (ADS).

Wenig zentrierte Leute verflüchtigen sich, lösen sich in Einzelteile auf, in denen sie sich verlieren. «Alles wächst ihnen über den Kopf». – «Was wollte ich eigentlich sagen; ich weiss es doch auch nicht mehr».

Jedes Lebewesen hat ein Zentrum. Oft wird es als «das Herz» bezeichnet. Wenn wir ICH sagen, dann berühren wir unsere Brust, bzw. unser Herz und nicht etwas den Kopf oder den Bauch. Dies zeigt, wo wir uns zu Hause fühlen.
Im Zustand eines schweren Schocks oder Traumas, zersplittert die Persönlichkeit. Sie fühlt sich desorientiert, aus der Mitte geworfen. Wo ein geordnetes Ganzes war, sind nur noch Teile, wirr, wie etwas, das ganz war, nun zerschlagen herumliegt, sinnlos erscheinend, verworren, was vorher noch schön und geordnet war.

Wer in sich ruht, strahlt.

Das Zentrum, der aus Wahrheit,  Weisheit und aus einer hohen Intelligenz das Ganze des Lebewesens organisierende Kern, bringt die Einzelteile oder die Elemente (die Persönlichkeitsanteile) einer Person in ein harmonisches Gleichgewicht, in einen Zustand der Ruhe und Ausgewogenheit. Selbst die Spannungen unter bestimmten Elementen sind im grossen Ganzen der Person in einer Einheit ruhend, die lebendig, schön und harmonisch ist.

Im Zentrum des Wesens wirkt die innere Wahrheit des Menschen. Die allgemeine, über-individuelle, universelle Wahrheit, findet im Wesenszentrum ihre subjektive, individuelle Wahrheit, im So-Sein des Einzelnen. Die grosse, die Vielfalt übersteigende Wahrheit ist nun bezogen -also in Beziehung und Entsprechung- auf die Einmaligkeit des betreffenden Wesens mit seinem eignen Werdegang. Die trans-personale und die personale Wahrheit sind in Beziehung.

Der bewusste Mensch ist ein Lauschender. Er ist mit dem inneren Raum der Wahrheit verbunden. Von dort fliessen ihm die jetzt stimmigen Impulse zu, die sich nun in seinem Um-Feld gleichsam von selbst gestalten. Die hohe Intelligenz, die aus seinem Wahrheitsraum quellend sein Energiefeld durchströmt, ordnet nun sein Leben und sein Beziehungsnetz, ohne sein kognitives Dazutun. Von selbst. Vom hohen Selbst gestaltet und gefügt. Wir sagen, dass der so Erkennende intuitiv lebt.

Diese Weise zu leben, setzt Vertrauen in die Weisheit, Liebe und Wahrheit voraus, die in uns auferweckt wird, durch das Lauschen auf unsere Mitte, unser Zentrum, dass eine ordnende Macht hat und welches uns das zukommen lässt, was wir brauchen.

Sollten wir vollständig mit unserem göttlichen Zentrum verbunden sein, bereit uns von seiner Wahrheit, Weisheit und Liebe leiten zu lassen, dann können wir uns darauf verlassen, dass wir stets zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind und, dass das uns Zuträglich im Hier und Jetzt erscheint. Ebenso in unserem Lebensfeld: Das für alle Anwesenden Zuträgliche im Lebensumfeld eines in sich ruhenden Menschen ist somit begünstigt ins Leben zu treten, sich zu ereignen.

Auch wenn wir dieses Ziel, der durchgängigen Zentriertheit auf unsere Wahrheits-Mitte noch lange nicht erlangt haben, so ist doch jeder Schritt auf dieses Ziel hin hilfreich dafür, wahrhaftiger und gleichzeitig losgelöster zu leben und unseren Erden-Mitbewohnern ein leichteres Leben zu ermöglichen.

Wer ruht, strahlt.

 *Ausschnitt eines Mandala-Bildes von Johannes Frischknecht.

 

 

Destabilisierung und Disziplinierung

Mir scheint, dass sich das Weltenganze destabilisiert. Das, was die Welt zusammenhält entzieht sich uns Menschen. Vielleicht haben wir eine Theorie darüber, fühlen aber die Kraft, die alles zusammenhält hält. nicht mehr.

Als Kind, so schien es mir, war die Welt geordnet, gleichbleibend, brav, auch langweilig. Sicher aber: stabil. Jeden Morgen kam der Pöstler mit seinem gelben Velo, verteilte die Post, brachte die AHV (die Rente) den Alten, liess sie unterschreiben. Ein kleiner Schwatz mit der einen oder anderen Frau, die das Kochen hatte unterbrechen müssen. Immer der gleiche Pöstler, über Jahre hinweg.

Ich lebte an der Hauptstrasse der grossen Gemeinde. Etwa einmal pro Woche führte ein Beerdigungszug vorbei. Vorne der Wagen mit dem schwarzen Sarg, mit weissen Nelken geschmückt, gezogen von zwei schwarzen Rossen, die mit schwarzen Tüchern bedeckt waren. Dahinter der Beerdigungszug: zuerst die nächsten Angehörigen, die Freunde, dahinter die Dorfbewohner, die ev. eine lose Beziehung zur verstorbenen Person hatten.

Weiter: der Fastnachtsumzug, der Umzug des Sommerfestes, die Umzüge jener Burschen, die den Eintritt ins Militär, die Rekrutenschule, geschafft hatten, angeführt von mindestens einem Trommler. Alle waren sichtbar stolz auf ihre Wehrtüchtigkeit – Zweifler? Die gab es nicht.

Ich und oft auch meine Mutter standen auf dem Balkon sahen zu, freuten uns über jeden und jede, welche wir kannten.

Nein, die Welt, war trotzdem nicht in Ordnung: Ich lebte in einer engen Welt voller Vorurteile, Bigotterie und Spiessigkeit. Aber stabil war die Welt schon. Und die Kirchen waren voll.

Nun lade ich die Leserin und den Leser ein, mit mir durch die Jahre von 1965 bis 2000 zu rasen, stets im Zeitraffer, also festhalten:

Die Beatles. Die jungen Männer lassen sich die Haare wachsen, die Frauen tragen indische Kleider, Latzhosen. 1968: Paris und Berlin rauchen, sogar Zürich, Fackeln, Wut auf die Autoritäten. Marcuse hat recht. Pink Floyd. Der Deckel springt vom Fass, überläuft, Hippies, Gruppensex, neuer Feminismus, ganzheitliches Denken, Experimente, dann Nostalgie, die indischen Kleider verschwinden in den Kellern, Grossmutter-Look, kein Sex vor der Hochzeit. Die Yuppies sind da, zwischen Büro und Bar, zwischen Espresso und «Cüpli». Der Vietnamkrieg, der Kambodschakrieg. Europa. Ungebremster Konsum. Terror, Geiselnamen. Das Waldsterben. Die Ressourcen sind endlich, dennoch ungebremster Konsum, Marcuse hatte recht. Globalismus: globale Konkurrenz. Die grossen fressen die Kleinen, Infotainment. Erfolg ist geil. Multikulti. Dis Postmoderne. New Age, die Esoterik-Welle, schöner Wohnen, Feuerlaufen. Die PC, die Handys, grosse Konferenzen, Entwürfe für eine neue Welt, die Schere zwischen Arm und Reich wird grösser.

Und weiter ab 2000 in demselben Tempo:

Der Nationalismus dehnt sich aus, Autokraten auf dem Podest. Die Welt wird kühler, einheitliche Bildung überall, die Anonymisierung der Welt. Den Kassierinnen wird gekündigt. Die Menschen verschwinden mehr und mehr hinter ihren Bildschirmen. Robotik, KI, der gläserne Mensch. Folklore und Gemütlichkeit, der Wochenend-Flug nach New York. Jährlich: das Oktoberfest am Hauptbahnhof Zürich. Hinter Oberflächen: Nachdenklichkeit. Alles ist okay: die Post-Moderne. Personalisierte Werbung. Die Schere zwischen Arm und Reich wird riesig. Urwald-Rodungen. Die Klima-Erwärmung. Alles ist erlaubt, alles ist kontrolliert. Das Insektensterben. Aufrüstung, niemand merkts. Nicht noch mehr Beschleunigung! Die Aushöhlung der Demokratien, noch mehr Konsum, noch mehr Depressionen. Hält das Finanz-System noch lange? Wir leben in einer nach-christlichen Ära. Gender, Transhumanismus, gesundes Leben. Apokalypse. Corona und Still-Stand, digitale Meetings. Luft!! Wer berührt wird krank. Kein Sterben mehr.

Damit sind wir in der Gegenwart angekommen. Natürlich ist dieser Durchlauf sehr subjektiv, auch wenig schonungsvoll, schwindelerregend wie auf einer Achterbahn, unheimlich wie in einer Geisterbahn.

Viele alte Strukturen sind weg, neue wechseln schnell, schlanke Firmen, schlanke, optimierte und gestylte Leute. Rasch werden die Berufe und Stellen gewechselt. Restaurant werden ständig ausgehöhlt und neu möbliert: Wo Holz war, ist nun Stahl und Glas. Kaum etwas, das zur Ruhe kommen kann, das Patina ansetzt.

*

Für Stabilität braucht es mehr als Strukturen. Diese müssen Substanz enthalten, sie müssen von Menschen beatmet sein, von liebenden Händen gepflegt sein. Geist und Form in Einheit bilden starke Formen, bieten Lebensraum, Schöpfungsraum (siehe Beitragsbild). Das meine ich hier mit Stabilität: Gegründete, erdverbundene Menschen, deren Seele weich sind und deren Herzen und Hände offen sind, bilden die Grundlagen für jede Entwicklung, geben Halt, Stabilität. Sie, welche die Mitte verkörpern, bilden Kohäsion, Sonnenkraft.
Der heutige Machbarkeits-Wahn und die Flucht vor der zusammenhaltenden Mitte (der Seelenkern, die Mitte der Welt) schaffen eine zentrumsflüchtige Dynamik, Zerfall, ja Chaos – im Übermass.

Wo Substanz war, ist nun Vakuum. Dieses wird nun gefüllt von den grauen Herren und ihren Ansprüchen nach Macht und Kontrolle. Sie glauben zu wissen, was die Welt, die Menschheit braucht. Was auseinanderzufallen droht, wird nun durch Disziplin zusammengeschnürt. Es sind Bündel von Einzelteilen, nichts, was gewachsen wäre.
Die Menschen, durch Hetze und Lähmung niedergeschlagen und verunsichert, beugen sich den Diktaten und die Herrschenden verstehen es gut aus Angst Kapital zu machen. Womöglich ist der Kapitalismus Auswuchs riesiger Ängste. – Kapitalisierte Ängste.

Wo es fehlt an gewachsener, reifer Autorität, folgt Disziplin, wo Vertrauen fehlt, wird mit Disziplinierung eine Pseudo-Stabilität errichtet, die vergleichbar mit einer bröckligen Säule ist.

Seien wir auf der Hut vor smarten Rezept-Gebern!

Vielleicht naht die Zeit, wo sich aus den Tiefen der Seelen herausschälen wird, was wir bedürfen, was wir wirklich wollen und uns ersehnen. Nach tiefem, erschöpftem Schlaf, wird vielleicht ein Stern über uns, hoch am Firmament, aufgehen. Und wir werden uns die Augen ausreiben und uns fragen, wo wir denn die ganze Zeit waren.

*

Das Kind öffnet seine Augen, lächelt.

Beitragsbild: A. Goldsworthy, Skulptur

Der Mensch – ein gebärendes Wesen

«Denn die Zeit wird aus Melodie geboren und Melodie aus Gnade.»   Martin Buber

«Es ist gut, wenn uns die verrinnende Zeit nicht als etwas erscheint, was uns verbraucht, sondern als etwas, das vollendet.»
Antoine de Saint-Exupéry

 Mit einer gewissen Scheu möchte ich mich einem mir sehr bedeutungsvollem Thema tastend annähern: dem Menschen als ein gebärendes Wesen. Ich möchte mich dieser menschlichen Wirklichkeit, die in uns angelegt ist, nähern, in dem ich sie ahnend umkreise.

Die Einbettung des inneren Kindes
In der ersten Lebenshälfte ist es äusserst hilfreich, wenn wir Menschen das innere Kind – ich meine das Kind, das wir einmal waren und das stets wirksam Teil unseres Lebens ist – aktiv und bewusst annehmend integrieren. Wir integrieren es, indem wir es lieben, mit ihm reden und ihm Lebens-Raum geben. Das innere Kind kann dann als integriert angesehen werden, wenn es in seinen Stärken und Schwächen, in seiner Bedürftigkeit und in seinen Begabungen, also als Ganzes, akzeptiert worden ist.

Manchmal vervollständigt sich der Prozess der Integration des inneren Kindes erst in der zweiten Lebenshälfte. Auch das ist gut. «Die Zeit als etwas betrachten, das uns vollendet» (Siehe Zitat oben.) Während wir uns mit dem inneren Kinde befassen, entwickelt wir unsere Mütterlichkeit und Väterlichkeit, unsere Fürsorglichkeit zu uns selbst, die schliesslich auch nach aussen abstrahlt und uns zu mitfühlenden Menschen macht.

Nun ist der Boden bestellt für die zweite Geburt: unsere göttliche Natur.

Die Erweckung des hohen Selbst
Folgende Worte sind – so glaube ich – zu uns gesprochen, oder sie werden einmal so oder anders, aber im Sinne ähnlich, zu uns gesprochen werden:

«Deine Liebe führt dich zu dir selber.
Wenn du mich erblickst, fühlst, so führt dich dies zu dir selbst, in dein Inneres, in dein wahres Selbst, das dich erblickte, erschaute und gebar.
Das wahre Selbst hat dich geboren.
Du bist im Prozess der Geburt und des Werdens, Ausdruck dessen, was ICH in dir bin.
Du bist die Ursache, der Grund meiner Liebe
und die Licht-Projektion deiner selbst.
Du bildest dich im Liebes-Licht, das ich in dir bin.

Was wandelt bin ICH. ICH BIN die Liebe. Ich verkörpere (inkarniere) mich in dir und durch dich.»

Nun ereignet sich das Bewusstsein für unsere Gottes-Kindschaft. Unsere geistdurchwirkte Seele wird sich nun selber bewusst. Wir können sie Bewusstseins-Seele nennen. Die Geburt ist Ereignis. Die Geburt ist Gnade.
Dieser Prozess beginnt meistens damit, dass wir spüren, dass wir weit mehr sind, als unsere biografischen Prägungen und mehr sind als die Einflüsse der jetzt wirkenden Kultur, in der wir leben. Der Moment des Erwachens ist dann gegeben, wenn wir uns zutiefst berührt oder ergriffen fühlen vom Leben schlechthin. Es ist ein grosser Glücksmoment, der kaum beschreibbar ist, weil er mehr ist als alle uns bekannten Formen und Strukturen.

Der Geburtsraum – der Raum des Herzens
Aus Liebe quillt Geburtsraum. Der Kosmos des Herzens ist auch ein Raum der Geburt, ein Raum höchster Lebendigkeit. Der mächtige Selbst-Impuls hat im Herzens-Kosmos seinen Raum des Wachstums und der Entfaltung gefunden. Das Männliche (der Impuls) und der Geburts- und Wachstumsraum, das Weibliche: sie sind nun in fruchtbarer Vereinigung.
Lebendige Potentialität; Geist und Materie in liebender Umarmung, im Liebesspiel: Dies ist der Raum der Geburt im Herzen. Hier ist unendliche Zuneigung, das allen und allem gilt: All-Geliebt-Sein. Hier ist tanzendes Strömen, berührtes Bewegt-Sein, gehalten in der Ruhe, im Ursprung des Quell-Grundes.

Wenn wir Menschen es uns erlauben in die Stille des Seins abzutauchen, wird uns ein Bewusstseinsbereich erreichen, den ich als fötale Stille bezeichnen möchte. Dieser Bereich tritt vielleicht als eine Art von Dämmerlicht in Er-Scheinung.
Wir fühlen uns vielleicht umgeben von Licht-Wasser oder geistigem Fruchtwasser, obwohl diese Begriffe nur Hilfen der Annäherung zu diesem geheimnisvollen Prozess sind, in dem unser höheres, göttliches Selbst ins Bewusstsein tritt. Allmählich.
Die Geburtssphäre kann aber auch so fein sein, dass sie sich wie ein Nichts anfühlt. Viele verlassen dann die Meditation, weil sie denken, dass da nichts mehr weiter geschehe. Aber genau dieser Punkt des «Verschwindens» ist derselbe Punkt der Neuwerdung .

Der Prozess des Erwachens und des Erwachsenwerdens, also des Reifens, dessen was schon immer da war, erfüllt sich bis zu einem uns möglichen Grad – bis hin zu unserem Sterben. In diesem langen Reife-Prozess werden wir zu Liebenden und zu bewussten Menschen, die sich als Ausdruck des All-Einen erkennen. Wahrscheinlich benötigen wir viele Inkarnationen auf dem Weg der Menschwerdung bis sich unsere Lichtgestalt (unser Christus-Selbst), die wir in Wirklichkeit sind, ganz in die Entfaltung kommt. Wichtig scheint mir der Weg, das Unterwegssein und die Beharrlichkeit des Weitergehens.

Das schöpferische Selbst.
Wenn der Mensch seinen Lichtkörper zu verwirklichen beginnt, entwickelt sich auch sein schöpferisches Selbst. Dies ist daran erkennbar, dass die Ausatmung des Menschen vermehrt Leben zu erzeugen beginnt. Sie wird hauchartig, gleichzeitig substantiell. Heilender Liebes-Atem oder: Geburts-Atem. Alles in tiefer Stille. Es ist denkbar, dass in grosser Herzens-Intimität nicht nur Leben, sondern auch Lebe-Wesen geboren werden.

Eine neue Menschheit – eine neue Erde
Der Ort der Geburt unseres wahren, göttlichen Selbst ist unser Herz.
Der Ort der Geburt unseres wahren Menschheits-Körpers ist der Kosmos des Herzens.
Ebenso findet die Regeneration des Erden-Körpers im Kosmos des Herzens statt.

Ich glaube nicht, dass in der heutigen Übergansphase mit Reformen (so gut und nötig sie auch sind) allein die Menschheitskrise überwunden werden kann. Auch nicht durch Revolutionen.

Ich glaube, dass wir Menschen guttun, um das grosse Ereignis einer Neu-Geburt zu bitten.

Was wir tun können ist, uns dafür vorzubereiten, indem wir uns reinigen, uns für unsere Wesenhaftigkeit interessieren, bereit sie wahrzunehmen – in Dankbarkeit.
Was wir tun können ist, unser Herz zu öffnen dem Unbekannten, nicht Definierbaren, dem, was uns übersteigt. Vertrauen wir dem, was uns ins Leben ruft, in unsere eigene Geburt führt, also in ein Geschehen oder Ereignis, das wir weder kontrollieren, noch herstellen können,
… uns also öffnen mit und trotz allen Ängsten und Unzulänglichkeiten, um uns dem zu übergeben, was uns zu uns selbst hin wandelt – vertrauensvoll, hingebungsvoll,

vielleicht wird dann die Melodie der Gnade erklingen.

Die Schöpferkraft des Menschen

Dies ist ein utopischer Text. Die Utopie ist ein Ort, den es noch nicht gibt, durch die Kraft der Vision aber ins Leben gerufen werden kann.

«Die Frucht des integralen Bewusstseins ist das schöpferische Selbst.
Im Prozess der Liebe und der Heilung, der uns zu wahren, mitfühlenden, verwirklichten Menschen heranbildet, wird uns die Gabe des bewussten Gebärens verliehen.
Dadurch werden wir zu Mit-Schöpferinnen und Mit-Schöpfern des Lebens – Gebende und Hingebende.»*

Das heutige Menschheits-Bewusstsein kann als rational oder als mental bezeichnet werden.
Der analytische Verstand ist eines seiner zentralen Merkmale. Ein anderes die patriarchale langlebige und dominante Kultur.
Im mentalen, rationalen Bewusstsein behandeln wir folgende Bereich als zweit- oder dritt-rangig:

  • Unsere weibliche Seite, die Emotionen, die emotionale Intelligenz
  • Unsere kindliche Seite. Das Spiel, das Spielen
  • Die Muse, die Leichtigkeit des Seins.
  • Der künstlerische Ausdruck: Tanz, Musik, bildende Künste, Kunsthandwerk
  • Die Kultur der Zärtlichkeit und der liebevollen Zusammenarbeit.
  • Unser psychologisches und spirituelles Wachstum
  • Die Natur und die Natürlichkeit
  • Geerdete Sexualität
  • Die Verbundenheit mit allem und das Erleben der grossen Zusammengehörigkeit

Diese Liste ist unvollständig. Sie beschränkt sich auf ein paar wesentliche Aspekte. Insbesondere auf den letzteren (Verbundenheit).
Wenn der Mensch sich allmählich wieder versöhnt mit seinen wenig beachteten oder abgelehnten Aspekten seiner selbst, sie also reintegriert, wird er zu einem Instrument der göttlichen Schöpfungskraft: Die Frucht des integralen Bewusstseins ist das schöpferische Selbst.

Abgespaltene Aspekte unserer Wesenheit können aber nicht mit dem mentalen Bewusstsein integriert werden, welches das Trennungsgeschehen verursacht hat. Das Überschreiten der rationalen Bewusstseinsebene ist nötig, damit wir heilen und uns vervollständigen.

Im mentalen, rationalen Bewusstsein ist die Schöpferkraft begrenzt, reduziert, bruchstückhaft, durch die Zerteilung geschwächt, nicht mehr in vollem Sinne Leben erzeugend und Leben bewahrend. Projekte sind da zergliedert, fragmentiert in viele Aspekte. Ethik kommt oft am Schluss, die ganzheitliche, lebensdienliche Sichtweise geht teilweise oder ganz verloren.

Innerhalb der mentalen Macht ist der Mensch unbeugsam, will mit Hilfe seiner und der künstlichen Intelligenz seine Endlichkeit überwinden, will seinen Turm endlich bis in den Himmel bauen. Dies ist die kleine, isolierte Schöpferkraft, im Gefängnis des Ego-Turmes.

Unsere Schöpfer*innen Kraft ist verwundet. Durch unser hektisches Tun schwächen wir uns, schaffen mehr Probleme als wir lösen. Wir haben uns sowohl von unseren Erden-Wurzeln wie von unseren Lichtwurzeln abgetrennt, sind nach unten und nach oben abgeschnitten, getrennt, also nicht mehr verbunden mit den Kräften der Erde und der geistigen Welt, der Welten im Licht.

Die Möglichkeit Neues zu gebären geht aus der Hingabe an die Kraft des Ursprungs hervor. – Aus dem vom Ganzen abgespaltenen Eigen-Wille verliert sich das grosse Schauen, zerfällt die Wärme des Schöpfungsstromes aus Weisheit und Liebe, fängt an sich zu fragmentieren in Gedanken- und Gefühlssplitter.

Es ist immer dieselbe Wahrheit, die spirituelle Wahrheitssucher erfahren: Auf dem Weg durch das Tor der Machtlosigkeit, überschreiten wir die Grenzen unserer kleinen Identitäten, erfahren die eigene Nichtigkeit und Leere, bis wir zur Quelle geführt werden –jenes Weg-Stück, das wir nicht mehr aus eigener Kraft gehen können– aus der das schöpferische Licht quillt, in dem sich die Wunden schliessen.

Auf dem Weg zur Schöpferkraft haben wir das Tor der Machtlosigkeit zu durchschreiten, wodurch wir Demut und Würde wieder erlangen und in Verbindung kommen mit unserer wahren Kraft, die niemals auf Kompensation beruht, sondern im Bewusstsein der universellen Zusammengehörigkeit und der unendlichen LIEBE wurzelt. Nun kann das, wovon wir uns abgeschieden haben, zurückfliessen.

Damit werden wir zu co-kreativen Menschen, zu Gebärer-innen von Leben und ich denke nun nicht an das Zeugen und Austragen physischer Kinder (das wird bleiben), sondern an schöpferische Tätigkeiten im feinstofflichen Bereich, aber auch an eine Ausweitung unserer Fähigkeiten im geistigen Heilen. Wir werden vielleicht die Chance und Gabe empfangen, die Wunden, die wir uns und der Erde zugefügt haben, zu heilen.

Utopia, der Ort der Gewandelten, wird von Zärtlichkeit durchweht und durchlichtet sein. Unsere Herzen werden sich warm anfühlen und unsere Schritte werden fest und leicht sein.

 

*Zitat aus meinem Buch: Die Kraft der Wandlung und der Menschwerdung.
unter ISBN 978-3-033-02297-3  im Buchhandel oder bei mir, Werner Binder,
werner.b@sebil.ch Fr. 20.–

Was mich freut

Die weltweiten Demonstrationen von Kindern und Jugendlichen für die Wiederherstellung eines erträglichen Klimas freut mich ungemein, ebenso, dass sachte eine Bewegung aufzukommen scheint, welche die weibliche Kraft und Sexualität aufwerten will – ich denke da auch an den Film «Female Pleasure»- Das sind gute Gründe Hoffnung aufkommen zu lassen.

Klima: Der Aufschrei junger Menschen zum Handeln jetzt
Greta Thunberg, die alles in Bewegung gebracht hat, sah sich vor einem Jahr einen Film-Beitrag über den Plastikmüll in den Meeren an, der sie aufrüttelte. Danach weinte sie oft, hörte auf zu essen, weigerte sich später in die Schule zu gehen. Stattdessen sass sie vor dem schwedischen Parlament mit einem Protest-Plakat. Sie sagt, dass sie nicht Hoffnung geben wolle, sondern Panik erzeugen wolle, so wie sie selbst in Panik sei.

Ihr Mut wirkte ansteckend. Nun demonstrieren weltweit Tausende gegen die verbreitete Ignoranz, Lethargie und Halbherzigkeit bezüglich der Umsetzung der Klimaziele, wo es doch jetzt um entschiedenes Handeln geht.
Die Ernsthaftigkeit der Lage wird in der Klima-Diskussion gerne weg-geredet: Von Rationalisierung wird in der Psychologie die nachträgliche, verstandesmässige Rechtfertigung eines aus irrationalen oder triebhaften Motiven erwachsenen Verhaltens gesprochen. Dieser Abwehr-Mechanismus ist in unserer patriarchalischen Kultur sehr weit verbreitet. Der Mechanismus «dient» der Unterdrückung und Verleugnung jener Gefühle, die der jeweilen Situation angemessen wären. «Der Verlust der Gefühle ist recht eigentlich die Neurosenform der heutigen Zeit, wo durch Kopflastigkeit, Rationalität und Objektivität sich allmählich ein Bewusstseinspatriarchat um den Preis weiblicher Werte (nicht geschlechtsspezifisch verstanden) herausgebildet hat.»*

Da brauchte es eine Greta mit dem Asperger-Syndrom, die in der Lage war, unmittelbar, auf eine gesunde Art, rücksichtslos emotional zu agieren.

Lange war ich der Meinung, dass die Jugend völlig a-politisch sei und damit hatte ich wahrscheinlich so recht, wie Unzählige, die das auch so beurteilten. Das hat sich aber jetzt fast schlagartig geändert und darüber freue ich mich riesig.
Ein wenig beschämend für uns Erwachsene ist es ja schon, dass uns eine 15-Jährige helfen musste, uns aus unserer Sprachlosigkeit zu befreien.

Weibliche Kraft – weibliche Sexualität
In meinem Artikel «Das Unglück der Spaltung und die Freude der Wiedervereinigung» äusserte ich die Ansicht, dass es dringend an der Zeit wäre, das Weibliche, Mutter Erde und die Weltseele in unser Selbst-Befinden und Bewusstsein einzubeziehen. Dazu gehört auch die weibliche Erotik und Sexualität, die weltweit gewaltsam unterdrückt wurde und wird, was der erwähnte Film «Female Pleasure» sehr eindrücklich zeigt.
Die Kirche, wie auch alle (ja, alle!) Gross-Religionen über Jahrhundert, glaubte, dass es ihr zustünde, den Menschen ihre Mündigkeit, was ihr Liebes- und Beziehungsleben, aber auch was ihre Sexualität betraf, abzusprechen – dies ganz besonders den Frauen.
Diese Meinungshoheit und Deutungsmacht der Religionen haben heute weitgehend die kapitalistischen Mächte übernommen, insbesondere alle jene Unternehmen, die den sexuellen Milliarden-Markt bedienen.

Sie sprechen sich für die alten Sexual-Konventionen aus, deren problematische Beibehaltung es ihnen erlaubt, grosse Geschäfte mit Ersatzbedürfnissen zu machen wie Schönheits-OPs, Pornografie, Web-Begegnungs-Plattformen, Kosmetik, Mode, Klatsch-Presse, etc.
Wie ich immer wieder betone, glaub ich, dass unsere Gesellschaften auf Kompensation (Ersatz) aufgebaut sind. Das Loch, das die verleugnete Seele und der drangsalierte menschlichen Körper hinterlässt, versucht man durch künstlich geschaffene Schein-Bedürfnisse und entsprechenden energie-verschleissenden Konsum zuzuschütten, wodurch wir unsere Welt verunstalten.

Es scheint die Zeit gekommen zu sein, dass Menschen, vor allem Frauen, sich nun auch in sexueller Hinsicht mündig, selbstverantwortlich und autonom fühlen, und dementsprechend leben und handeln wollen.
Das ist eine sehr gute Nachricht mit globalen Auswirkungen. Der Mensch, insbesondere die Frau, erklärt sich als mündig!

Gerechtigkeit und wahre, auf Respekt beruhende Partnerschaft zwischen Frau und Mann bilden die Grundlage für eine friedvolle und kreative Welt – die Basis für den Welt-Frieden.

Männer des Friedens werden alles dafür tun, sich für die Gleichberechtigung und Würde der Frau einzusetzen. Sie wissen, dass davon auch ihr Glück abhängt – und ihre eigene Würde.

Wie es zusammenhängt
Beim Schreiben über die beiden behandelten Themen wurde es mir immer klarer, zuerst intuitiv-emotional, dann gedanklich, wie diese miteinander in Beziehung stehen:
Ich behaupte, dass der Klimawandel und die mögliche Klimakatastrophe die Folge der unharmonischen und teilweise gestörten Beziehung zwischen Frau und Mann, zwischen männlichen und weiblichen Energien und Qualitäten sind. Der Mensch wurde als Frau und Mann geschaffen. Sie stehen sich polar und in Ergänzung gegenüber. Beide, sowohl Mann wie Frau tragen das Gegen-Geschlecht auch in sich. Individuation nach Jung meint unter anderem, dass der Mann seine weiblichen Qualitäten (Anima) und die Frau ihre männlichen Eigenschaften (Animus) entwickeln. Somit treten beide Geschlechter mit dem anderen Geschlecht in zweifacher Hinsicht, im Aussen und im Innen, in Beziehung. Dies ist ein laufender Prozess; eine Art von leichtem, elegantem Tanz. Dieser schöpferische Tanz wird in weiten Teilen der Welt unterbunden durch strikte Normen, Konventionen, welche das Verhältnis zwischen den Geschlechtern in starre, alle persönlichen und kulturelle Unterschiede übergreifende, zwanghafte Formen presst. Sehr oft auf Kosten der Frau, die sich dem Manne unterstellen soll – sozial und sexuell. Die katholische Kirche steht dafür als ein schreckliches Beispiel.

Während der liebevolle, partnerschaftliche Tanz zwischen Frau und Mann Freude, Friede und Kreativität erzeugt – davon bin ich überzeugt- bewirkt verordnete Unmündigkeit Einengung und Angst. Dadurch wird das menschliche Fundament geschwächt, denn nur die wahre, gleichberechtigte Partnerschaft, welche die mündige Sexualität einbezieht, schafft Friede und Harmonie auf der Welt und die nötige Kraft, Verletztes zu heilen.
Das Loch, das die verleugnete Seele und der Mangel an freier, mündiger Liebe und Sexualität verursacht, wird im Konsumrausch zugepflastert. Das Erzeugen und die Befriedigung von künstlich erzeugten Bedürfnissen, führt zur Ausbeutung der Erde. Natürliche Systeme kollabieren (jetzt z.B. das Insektensterben), die Erde-Atmosphäre erhitzt sich.

Die Klima-Katastrophe ist das Resultat des mangelnden Verständnisses über die ursächlichen, zentralen menschlichen Bedürfnisse.

Dies ist wohl eine wichtige, wenn auch nicht die einzige Ursache der planetaren Krise.
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*Kathrin Asper: Verlassenheit und Selbstentfremdung, S. 43, Patmos Verlag

 

Das Unglück der Spaltung und die Freude der Wiedervereinigung

Mit dem Begriff «Weltenkörper», ein Begriff von mir, den ich hier einführe, meine ich erstens die Menschheit, auch in ihrer Geschichte, zweitens unsere Erde als physischen Körper und als Ätherleib und drittens die symbiotische Verbindung, die Union Mensch, Menschheit und Erde.
Körper und Leib werden dem Weiblichen zugeordnet. Die Frau ist die Mutter – Mutter Erde. Wenn der Papst, alle Frau, die je abgetrieben haben, als Auftragsmörderinnen bezeichnet*, lässt sich das interpretieren als letztes Aufbäumen des Patriarchats gegen seinen Zerfall. Denn die Zerstörung, Verurteilung und Abspaltung von Frau, Erde und Natur wendet sich schliesslich gegen seine Urheber.
Ich glaube, dass viele Menschen wieder auf der Suche sind, nach dem Menschen-Erde-Ganzen. Das weckt Hoffnung.

Weltenkörper und Weltseele
Der Mensch hat seinen Weltenkörper und seine damit verbundene Weltseele (anima mundi) weit von sich abgespalten.
Die Spaltung zwischen seiner Individualität, seinem Dasein als Einzel-Mensch auf der einen Seite und seinem Bewusstsein als Erdenbürger, bildet einen tiefen Riss in ihm, ja eine Wunde.

Diese Spaltung ist meines Erachtens eine der Haupt-Ursachen für die anhaltende Zerstörung unserer Mitwelt, die wir als Aussenwelt betrachten.

Die Klima-Katastrophe etwa ist eine der Folgen davon. Die «kapitalistische Philosophie», wenn es diese denn gibt, ist nicht bereit, sich mit dem Schmerz an sich zu befassen, sie kompensiert ihn mittels einer ausufernden und umweltbelastenden Kompensations-Industrie, die alles mit Konsum zudeckt und erstickt, was nach Verstehen und nach wirklichen Lösungen ruft. Ist dies die tragische Konsequenz des patriarchalen Weltverständnisses, welches sich womöglich in den letzten Zügen seines Bestehens befindet?
Die Spaltung erzeugt weltweit, so spüre ich es, eine Unruhe und eine Nervosität. Es ist, als ob wir Menschen schweben würden, wurzellos, entfremdet. Dahinter ist unschwer Trauer zu spüren. Trauer über den Selbst-Verlust. Wir versuchen durch Surrogate dieses «Loch» in der Seele zu stopfen. Zum Beispiel durch Wellness-Kuren, ohne wirkliche und dauerhafte Ruhe zu finden. Auf diese Weise heilt die Ur-Wunde, hervorgerufen durch die Spaltung, nicht.
Was bleibt ist Durst. Durst nach dem, was wir abgewiesen und abgespalten haben.
Vermutlich gab es in früheren Epochen und Kulturen Völker oder Gruppen von Menschen, die ganz mit und in dem Weltenkörper lebten. Ich denke dabei an bestimmte Indianerstämme. Zum Beispiel die Pueblos oder an andere matriarchale Zivilisationen.
Es muss Zeiten gegeben haben, in denen sich der Mensch von seinem Weltenkörper abgespalten hat. Die Gründe kenne ich nicht. Sicher aber ist, dass sich der Entfremdungsvorgang in den letzten Jahrzehnten der hyper-technischen und forcierten, alles an sich reissende wirtschaftliche Entwicklung verstärkt hat. Der abgespaltene Weltenkörper hat sich nun scheinbar gegen ihn gerichtet (Klima-Katastrophe), weil er ihn «verraten» hat. Alles, was wir abspalten, drängt zurück, weil es sich wieder verbinden möchte, es in die Ganzheit zurückstrebt. Wir Menschen fühlen uns von dem, was wir auch sind, angegriffen, doch es ist in Wirklichkeit eine Projektion unserer eigenen Destruktivität und Angst.
Angst vor unserer eigenen, abgespaltenen Natur!
Der Mensch, der sich von seinem Weltenkörper abgetrennt hat, erlebt diesen als etwas Wildes und Fremdes, das er glaubt, bändigen, beherrschen und kontrollieren zu müssen.

Eine Re-Integration unseres Weltenkörpers ist dringend. Die Wunde ist offen, blutet. Heilung tut Not. Wir können nicht ohne jene Wirklichkeit existieren, die wir auch wesenhaft sind.

Viele Menschen denken, der Erde sei der Mensch egal, oder: sie würde ihn als Störenfried erleben, ohne den sie sich besser entwickeln könnte.
Diese These bezweifle ich.

Ich bin überzeugt, dass die Erde den Menschen braucht, so wie er sie.

Ich stimme der Ansicht von Rudolf Steiner zu, der behauptete, dass der geistige Mensch, sehr lange vor seiner körperlichen Inkarnation, Anlass und Quelle der Bildung der Erde und des Sonnensystems war. Sein göttlicher Geist erschuf seine eigene Lebens-Grund-Lage, unseren Heimat-Planeten.

Mensch-Erde bilden eine Zwei-Einheit – eine Dual-Union. Die Spaltung dieser Einheit ist die Ursache für unsere Menschheits-Krise, die eine Überlebenskrise ist. Es gilt deshalb, sie zu überwinden, beziehungsweise sie zu heilen.

Um diese tiefe Entfremdung und Entwurzelung zu heilen, ist es notwendig, dass wir Menschen unser Mitgefühl entwickeln. Insbesondere unser Mitgefühl zu unserer natürlichen Mit-Welt. Dieser Akt setzt einen Prozess der Selbst-Versöhnung voraus, was bedeutet, dass wir Menschen uns wieder vermehrt unserer Binnen-Natur zuwenden. Wenn wir uns liebevoll der eigenen Natur zuwenden, so werden wir dadurch auch die äussere Natur als uns verwandt erkennen können. Dadurch kann der Heilungsvorgang eingeleitet werden.

Die Binnen-Natur des Menschen
Dazu zähle ich folgende Bereiche:

  • Das Gefühl für die psycho-somatische Einheit und Integrität der eigenen Leiblichkeit.
  • Das Empfinden des Organismus und die Intuition für seine zuträgliche Ernährung.
  • Mündiges, intuitives und selbstverantwortliches sexuelles Fühlen und Handeln.
  • Das Erspüren der Balance zwischen Selbst-Anforderung und Behutsamkeit.
  • Die nötige Intuition für ein ganzheitliches, vielfältiges Alltagsleben mit sich, den Mitmenschen und der Natur.
  • Die Einsicht, dass wir körperliche, seelische und geistige Wesen sind.

Es ist insbesonders der weibliche und mütterliche Bereich unseres Menschseins, der wieder in unsere Ganzheit integriert werden müsste, die wir sind. Durch die Zurücknahme dessen, was wir ausgegrenzt und abgespalten haben, werden wir wieder in sich ruhende und verwurzelte Menschen sein können.

Dies ist meine/unsere Hoffnung: Durch meditative Atemarbeit und durch eine visionäre und praktische Rückkehr zu unserer eigenen Natur, wie zur Natur «da draussen» werden wir uns mit dem unbewusst so vermissten Weltenkörper wiedervereinigen und werden dadurch zur Ruhe des fliessenden Lebens finden. Die Wunde wird sich schliessen durch das neue Erleben einer innigen Zusammengehörigkeit zwischen innen und aussen, zwischen unserer eigenen Seele und der Weltseele, zwischen Frau und Mann. Diese Heilungsarbeit setzt voraus, dass wir unsere Zerrissenheit erkennen und wir verstehen, dass es Sinn macht, uns am Heilungsvorgang zu beteiligen.
Bei unserer Wiedervereinigung wird unser Atem gross** und unsere Ganzheit als ungeteilte Menschen umfassen – all-umarmend. Menschheit und Erde leben nun in unserem Atem-Raum. Es wird sich Frieden einstellen und Freude wird aufkommen.

*So etwas darf nicht hingenommen werden!

**vergleiche den Beitrag zu ATEM 1 + 2

Zum Titelbild: «Der blaue Planet» Bild von Werner Binder

Gebrochene Sexualität – erfüllte Sexualität

Die Kraft der Sexualität
Sexualität, die im Orgasmus gipfelt, ist ein sehr kraftvoller Ausdruck der Lebenskraft und der Lebensfreude, welche im Kosmos ebenso existiert wie in den einzelnen Lebewesen.
Vor dieser intensiven Kraft, die kaum zu bändigen und zu kontrollieren ist, hatten und haben wir Menschen offenbar Angst, gerade weil wir ihre Wildheit und ihre zärtliche und schmelzenden Kraft der Vereinigung nicht zu ertragen scheinen.

Geschwächte und gebrochene Sexualität
Deshalb schwächen und brechen wir ihre unmittelbare Kraft, die auch eine transformatorische ist, mit folgenden Mitteln:

  • Wir verteufeln sie, bezeichnen sie als Sünde;
  • Wir entwurzeln sie, entkörperlichen sie und nehmen ihr die Seele, reduzieren sie auf visuelle Anreize.
  • Wir halten sie an der Oberfläche fest, kommerzialisieren sie.

Nicht-befreite und zurückgehaltene Sexualität führt zu Auswüchsen, wie alles Verdrängte. Das Verdrängte will wiederkehren. Ein aktuelles Beispiel sind die zahlreichen pädophilen Übergriffe in der katholischen Kirche.
Da wir Menschen unsere Sexualität zu lange von uns abgespalten haben, kehrt sie verkümmert und entstellt wieder in unser Bewusstsein, eingezwängt in Scham- und Schuldgefühle. Sie zeigt sich als Suchtverhalten oder in Impulsen, die uns ängstigen, weil wir sie nicht als ich-synton (zu unserem Ich gehörend) erleben können. Lange unterdrückte sexuelle Impulse verwandeln sich oft in Gewalt.
Viele Menschen leiden unter einer unerfüllten Sexualität. Sie legen sie resigniert beiseite und glauben nicht mehr an friedvollen sexuellen Austausch. Sie kompensieren ihre Abwesenheit mit Essen und Trinken, durch Unterhaltungen aller Art, durch unruhiges Reisen oder durch arbeitssüchtiges und stressiges Arbeiten.

Teilen und Mehren der Lebenskraft – Wilhelm Reich
Ohne ein tiefes vertrauensvolles Miteinander von Frau und Mann und ohne freudvollen sexuellen Austausch der Geschlechter entgeht der Menschheit jene Energie, die sie unbedingt braucht, um sich selbst und die Erde vor dem Verfall zu retten.

Nebst der Fortpflanzung des Lebens brauchen wir ein reiches befriedigendes sexuelles Leben, um den Fluss der Lebensenergie aufrechtzuerhalten, zu teilen und zu mehren.

An eine Liste aller Arten von Missbrauch der Lebenskraft durch unterdrückten und gewalttätigen Sex mag ich gar nicht denken, geschweige denn eine solche zu erstellen. Sie würde kaum enden.

Wilhelm Reich, der Psychoanalytiker und Forscher, der ein Leben lang an die Wichtigkeit einer fliessenden und bejahten Lebenskraft und Sexualität erinnerte, wurde, wo immer er war in seinem Leben, abgelehnt und verspottet. Er schrieb in seinem Buch «Christusmord» folgendes:

„Das lebendige Leben wird von Christus repräsentiert. Er ist einfach ungeniert gesund – und allein. Weil er so ist, wie er ist, erinnert er alle anderen Menschen an ihre emotionelle Verkrüppelung. Er ist faszinierend, die Menschen saugen sich mit seinem brillanten Charisma voll, doch sie können nicht so sein wie er, obwohl jeder Mensch diesen Christus, das ungepanzerte, nur lebendige Leben in sich trägt. Die Erkenntnis, dass sie so sein könnten wie Christus und dass sie dieses lebendige Erleben niemals erfahren werden, dass es nicht zu „haben“ ist, diese Erkenntnis ist ein unerträglicher Schmerz. Die einzige Methode, sich Christus zu bemächtigen, ist seine Vernichtung. Und deshalb müssen sie ihn ermorden. Sie ermorden den Christus seither in allen Kindern, sie ermorden ihn in der natürlichen Umgebung und in sich selbst.“

Sexualität und Alter – Spiritualisierung der Sexualität
Viele Mensch unterdrücken ihre Sexualität oder mindern sie, wenn sie älter werden. Sie drosseln ihre Flamme und damit ihre Lebensenergie, wodurch sie krankheitsanfälliger werden. Und: ihre Lebensfreude vermindert sich.

Wir benötigen die Flamme der sexuellen Kraft solange wir leben, ob wir nun unsere Sexualität aktiv (physisch) ausleben oder nicht: sie sollte brennen. Dafür müssen wir ev. den Schmerz darüber aushalten lernen, sie mangels Gelegenheit oder Krankheit nicht immer ausleben zu können oder zu wollen.

Ich glaube, dass der Mensch eine gewisse Reife erlangen muss, um die kosmische Dimension (die ich besonders als Kraft und Schönheit erfahre) in die Sexualität integrieren zu können. Gerade der gereifte, ältere Mensch hat die Möglichkeit, sich dafür zu öffnen.

Die Sexualität will «spiritualisiert» werden, damit sie sich erlösen kann – damit die unsägliche Spaltung von Geist und Materie, von Spiritualität und Sexualität überwunden werden kann. Wäre dies nicht eine wunderbare Alters-Vision?

Zum Schluss Friedrich Nietsche:

Denn alle Lust will Ewigkeit -,
tiefe, tiefe Ewigkeit.