Alles ist da

Alles ist da. Nichts fehlt. Anwesenheit in Fülle. Alles ist einbezogen, nichts ausgeschlossen. Alles ist angenommen, vollständig geliebt.
Du bist unfassbar Geliebtes, verkörpertes Geliebt-sein. Immer, stets, uneingeschränkt.

So etwa könnte man eine der Kernerfahrungen des mystisch erlebenden Menschen formulieren. Das wahre Leben basiert also auf der Fülle – und niemals auf Manko und Fehlendem.

Das moderne, eindimensionale und rein materielle Verständnis des menschlichen Wesens beruht auf dem Defizit: Der Mensch, das Mangelwesen, muss verbessert, optimiert werden, angereichert werden durch künstliche Intelligenz, durch Medikamente, Drogen und eingepflanzte Nano-Partikel, zum Beispiel mittels Impfungen, und durch implantierte Messgeräte und damit verbundenen winzigen Depots, welche die Fähigkeiten haben, zur rechten Zeit, benötigte Stoffe abzugeben, wie etwa Vitaminen. Messgeräte lassen sich auch am Handgelenk tragen. Sie geben dir Auskunft darüber, wie viele Schritte du heute noch tun solltest und wann du ins Bett gehen solltest.

Menschen, so denken «Gescheite», sind wie kleine Kinder, denen man solche Sachen mit modernsten Mittel sagen sollte oder noch besser, man sollte sie einfach automatisch optimieren, ohne auf ihr träges Bewusstsein zu warten. Dazu bleibt einfach nicht die Zeit. Zu Vieles liegt auf dieser Welt im Argen. Demokratische Lern-Prozesse sind zäh und langwierig. Der Mensch muss geführt werden, so wird gedacht, und es gibt einige intelligente, umsichtige Leute (Philanthropen), die wissen, wie die Masse geführt werden muss. Diese wissen auch, welche Hilfsmittel dazu benötigt werden, wie Algorithmen, PR-Büros, chemische Prozesse zur Verbesserung des Welt-Klimas, zum Beispiel durch die Herstellung von Wolken und Regenzonen, die Verbesserung der Böden, der Haltbarmachung von Produkten,  gesundheitsfördernder, billiger Lebensmittel, Verteilnetze, usw.
Die Menschheit ist steuerungsbedürftig, ihrer Tendenz zur Infantilisierung muss entgegenkommen werden mit Brot und Spielen, Unterhaltung, Pornografie, Fernsehen, das beruhigt, Hintergrund-Musik, welche stimuliert und ausgleicht – je nach Tages- und Jahreszeit, Gesichtserkennung, um Kriminelle und Andersdenkenden rasch auszumachen und dingfest zu machen. Überwachung also, soweit nötig. Die digitalen Mittel stehen zur Verfügung.

Was zählt ist Gesundheit, bzw. die Verschleierung und Unterdrückung von Krankheit und Unwohlsein. Der Charakter soll formbar sein und bleiben. Kontrolle ist nötig. Sie soll optimiert werden.

Also: Perfektionieren bis zum Tode. Dieser Satz ist nicht einfach nur so hingeschrieben. Ab einem gewissen Masse ist Perfektion tödlich (ich denke an Euthanasie), da sie spontanes, von der Seele geschaffenes Leben, Schwächen, Scheitern und Bedürftigkeit ausschliesst, ja vernichtet.

Viel spüren intuitiv, dass
nun ein natürliches Vorgehen ein künstliches, automatisiertes werden soll.-
Der Einfühlsame spürt, dass Hilfsmittel, insbesondere technische, mit Bedacht, massvoll, einfühlsam und bewusst zu gebrauchen sind. Dies soll für jede Art von Eingriffen und Interventionen gelten.
Die Menschheit hat die natürlichen Grenzen, die auf Einfühlsamkeit und auf Dialog mit dem Lebendigen beruhen, überschritten.» – «Zuerst sei der Hügel zu befragen, wie er bebaut werden möchte», sagte der Religionsphilosoph Alan Watts einmal. Die Einfühlung gehe also der Tat, dem Eingriff, voraus.

Die Mitmacher reiben sich die Hände. Wir sollten sie dabei stören, ohne gewaltsam zu werden. Und wir sollten sie, insbesondere durch unser Vorbild, darauf hinweisen, dass alles in der Tiefe schon da ist.

Ich meine: es gibt ein Recht auf Fehlerhaftigkeit und Unvollkommenheit, auf ein Lernen durch Versuch und Irrtum; es gibt ein Recht auf menschliche Schwächen und Nicht-Wissen, auf Abhängigkeit und Unsicherheit. Alles ist eingebettet und aufgehoben in bedingungsloser, vollkommener LIEBE, in der Präsenz des Einen, welcher keine Mängel und Fehler ausschliesst, im Gegenteil, sie liebend aufhebt und uns tröstet in unserer Unsicherheit und Sehnsucht.

  • Scheitern ist Teil des Ganzen, Misserfolg ist Teil, wie Erfolg ein anderes Teil ist.
  • Krankheit gehört zum Ganzen, wie Gesundheit auch. Beides, Gesundheit und Krankheit bilden das Ganze.
  • Schwäche und Stärke gehören zusammen, bilden ein Ganzes.
  • Das Unvollkommene ist integraler Teil der Vollkommenheit.
  • Die Liebe zwischen dem Tröster und dem Getrösteten bildet eine lebendige, pulsierende Zusammengehörigkeit.

Die Beziehung zwischen dem Einen und dem Andern, verbindet, eint, macht ganz, was getrennt war. Durch die Liebes-Beziehung lernt der Erden-Mensch, vermenschlicht er sich, heilt er und nicht durch seine narzisstische eigene Optimierung und Perfektion, die ihn in die Einsamkeit und Gewalttätigkeit führt. Die Kehrseite der Perfektion ist Ohnmacht, Hilflosigkeit und Verletztheit. Der Perfektionist oder der Super-Idealist schliesst diese Gefühle aus und ist deshalb in Wirklichkeit eben alles andere als perfekt.

Der Liebende weiss:
Alles ist da. Nichts fehlt. Anwesenheit in Fülle. Alles ist einbezogen, nichts ausgeschlossen. Alles ist angenommen, vollständig geliebt.

Du bist unfassbar Geliebtes, verkörpertes Geliebt-sein, mit all deinen Mängeln. Immer, stets, uneingeschränkt.
Fülle.

Das Gefühl für das richtige Mass

Ein Bild für den Zustand des Menschen: Wir starren auf unsere Geräte (und Nöte), vor denen wir sitzen, absorbiert von unseren Alltagsverrichtungen, der Blick nach unten gerichtet, der Nacken ist starr. Es wäre gut, das Gesicht ab und zu nach oben zu richten, also aufzublicken, der Sonne zu, hin zu dem, was uns zusammenhält. Es wäre hilfreich, den Kopf mehr zu bewegen, ihn kreisen zu lassen, auf dass wir nicht gefesselt sind, nicht in einer Richtung erstarren, sondern beweglich bleiben. *

Wenn der Mensch im Gleichgewicht ist, so findet er sein richtiges Mass dafür, seinen Möglichkeiten angemessen zu leben und zu handeln. Er hat ein ausgeprägtes Gefühl dafür, wenn ihm etwas zu viel ist, wie auch, wenn ihm etwas zu wenig ist. Ist sein Gefühl für das stimmige Mass gut entwickelt, so können wir von einem ausgeglichenen und ausgleichendem Menschen sprechen; ein Mensch in Harmonie, der gut spürt, wann die Zeit gekommen ist zu handeln und wann es Zeit ist zu warten und einen Prozess reifen zu lassen. Er verzögert nicht, überstürzt nicht, weder verfällt er in Aktivismus, noch verschläft er den richtigen Moment sich auszudrücken und einzugreifen.

Gewiss: es ist nicht der Zweck des Lebens, immer ausgewogen zu sein; Übertreibungen aus Lebenslust und Lebensfreude stellen auch wunderbare Ausbrüche aus der Normalität des Lebens dar, sollten nicht vermieden, sondern zelebriert werden.

Über das Ganze gesehen, ist es aber sicher eine anstrebenswerte Tugend intuitiv das richtige Mass zu spüren.- Dadurch schleifen sich nicht Einseitigkeiten und Extreme in das Leben ein, die Vorherrschaft beanspruchen. Der Nacken bleibt entspannt.

Der Mensch, wenn er ganz eingemittet ist, also verbunden mit dem Wesenskern seiner Seele, wird stets zur rechten Zeit am rechten Ort sein und er wird spüren, wann etwas beginnen soll und wann etwas enden soll. Er weiss es, weil seine Seele ihn führt, weil er mit seinem Wesen, das er ist, in einer einvernehmlichen Beziehung ist.

Die heutige Menschheit leidet in der Regel unter einem Zuviel. Unsere Gesellschaft ist so programmiert, dass sie uns unter einer Flut von Reizen betäubt. Wir sind deshalb überreizt, nervös, weil wir von starken, grellen Eindrücken überflutet sind. Dauernd. Sei es durch Reklame, Verkehrsschilder, Internet und Smartphones. Stundenlang täglich sitzen wir vor Bildschirmen und lassen uns vor allem visuell überfordern.

Es ist ein Zuviel an digitaler Technologie, an Esswaren, an Konsum, Reisen, Unterhaltung, Arbeit. Wir wissen es und wir wissen auch, dass wir im Allgemeinen mehr oder weniger süchtig sind. Jedes Zuviel hat ein Zuwenig an seiner Seite: zu wenig Stille, Musse, Nichtstun, Kreativität, Lachen, Zärtlichkeit, Sexualität, Schlaf.

Diese dauerhafte Berieselung und Überflutung reisst unsere gesunden Immunitätsschranken nieder. Es bildet sich eine gefährliche Grenzenlosigkeit heraus. Wir spüren nicht mehr, wann wir müde sind, überfahren die Rufe unseres Herzens, werden blind für die Gefahrenzeichen, die sich uns meistens mittels Körperempfindungen mitteilen.

Wir überfahren uns und andere, spüren kaum mehr, wann wir zu laut und wann wir zu leise sind. Die gesunde psycho-somatische Immunität ist dadurch sehr geschwächt, das Nervensystem überreizt und entzündlich und die Dosierung der Medikamente, die wir infolge dessen zu uns nehmen nicht unseren Möglichkeiten angepasst – meist überdosiert. Und so auch psychisch: Wir fühlen es kaum mehr, wann es an der Zeit ist, nein zu sagen oder später. Das innere, gesunde Gegengewicht ist geschwächt, die Stimme aus der Seele ist bei Vielen betäubt und wir haben es verlernt, sie feinfühlig zu beachten.

Wenn uns die relative Welt massiv dominiert und die Stimme aus dem Absoluten verblasst, die wir im Herzen empfangen, geraten wir schnell aus dem inneren und äusseren Gleichgewicht und wir verlieren uns.

Verlorene Töchter und Söhne sind wir geworden, die wir abgespalten sind von den natürlichen Rhythmen und Zyklen und erst recht vom Kern, der alles zusammenhält.

Wie so oft, empfehle ich auch hier, die Weisheit des Atmens einzubeziehen. Insbesondere das achtsames und bewusstes Einatmen hilft, die Verbindung zum Herzinneren, dem Lichtherz, wieder zu verstärken, die Stimme des Herzens wieder zu erwecken, die uns hilft, rhythmisch, getimt und sensibel durch unser Leben zu wandern und zu tanzen: als Hörende und aus unserem Herzen Handelnde.

Zum gegenwärtigen Atemzug der Menschheit: In den letzten Jahren vor der Corona-Krise hat die Menschheit irgendwie gewalttätig, schroff und gestresst eingeatmet und ist nun beim folgenden Ausatmen kollabiert, in eine Lähmung gefallen. Dieser Zusammenbruch des überreizten und gestressten Systems ist wohl auch Folge des Zuviel. Die wirtschaftlichen «Fortschritte» der vergangenen Jahre, sind schlagartig zusammengebrochen.
Ein Extrem folgte dem andern, eine Masslosigkeit der anderen. Man könnte sagen, dass der Menschheits-Atem bi-polar, manisch-depressiv ist.

Es bleibt, um die Demut zu bitten, uns einzugestehen, dass wir Menschen nicht im Besitz der ganzen Wahrheit und Weisheit sind und dass es nötig ist, dass wir uns lauschend dem seelischen Wesenskern hingeben, der uns hilft, in den natürlichen Rhythmus des Lebens zu finden. Wir können davon ausgehen, dass wir ihn dann gefunden haben, sowohl individuelle wie auch kollektiv, wenn unser Atem sanft und weit geworden ist.

Es ist also höchste Zeit, dass wir uns ausrichten, auf das, was uns zusammenhält.
Wesen und Seelen, welche spüren und erkennen, was uns zusammenhält, werden um dieses Gemeinsame herum einen Kreis der Liebe bilden. Ich nennen diese werdende Gemeinschaft Agapolis (Agape= göttliche Liebe, Polis= Stadt/Gemeinschaft): Die Gemeinschaft der Liebenden. Teilweise ist sie unisichtbar, teilweise sichtbar.

Es ist also höchste Zeit, dass wir uns ausrichten, auf das, was uns zusammenhält.


*Bei der Konzentration auf Nacken und Kopf ist es auch sinnvoll auf folgende Energiepunkt, (hintereinander oder gleichzeitig) die Aufmerksamkeit zu legen: Auf das 3. Auge (Stirn-Chakra), auf das Kron-Chakra (Scheitel) und auf jenes weiche Grübchen am Hinterkopf (das auch Himmelstor genannt wird). Dabei kann der Kopf still oder kreisend sein, oder abwechselnd.

Beitragsbild: Die Mässigkeit, Tarot-Karte.

 

Innerer Friede

Innerer Friede stellt sich ein, wenn ich zu mir gefunden habe, wenn ich akzeptiere, was und wer ich bin. Friede baut sich auf, wenn ich mit mir versöhnt bin, wenn ich alle Facetten, die mich ausmachen, angenommen, als Teil von mir integriert habe.
Alles, was ich bin, will angenommen, mehr noch, geliebt sein.

Es steht geschrieben: «Den Frieden gebe ich euch». Friede ist ein Geschenk, nicht machbar, herstellbar. Doch können wir unsere Empfänglichkeit für ihn erhöhen.
Die Erfahrung, geliebt zu sein ist wohl die Voraussetzung dafür, dass wir Menschen in die Lage kommen, uns selbst zu lieben. Diese Erfahrung -sie übersteigt alles, was wir uns vorstellen können- ist die Basis des Lebens, auf deren Grund sich Friede in uns einsenken kann.

Es gibt Ideale in uns, die uns aufgepfropft worden sind, also wesensfremd sind; Ideale, die sich in uns eingegraben haben und teilweise oder ganz unbewusst wirken, uns vorwärtstreiben, stossen, auf Idealzustände hin, die uns nur teilweise bewusst sind und sich als Ehrgeiz, Aktivismus, Stress und Unruhe bemerkbar machen.

Diese Fremd-Ideale, um sie mal so zu benennen, wurden meist von unseren Eltern auf uns übertragen, irgendwie übergossen in der Hoffnung, dass wir, ihre Kinder, einst das verwirklichen würden, was ihnen nicht vergönnt war. Es sind Aufträge, die zu verwirklichen uns überstülpt worden sind. Bewusst oder eher unbewusst, haben wir diese Forderungen akzeptiert und oft noch modifiziert und ausgebaut. – Etwas anderes sind jene Ideale, die aus unserem wahren Wesen heraus wirken und helfen, es zu verwirklichen.

Die Fremd- Idealbilder wirken ständig in uns. Beispiele: Wir streben nach Ansehen, wollen Grosses leisten, die Welt verbessern, gerechter machen, wollen gütig sein, hilfreich sein im grossen Stil, der Welt Erfindungen schenken, die nützlich sind, beglückende Kunstwerke schaffen, von denen man noch lange reden wird, uneigennützig für Viele da sein, usw.

Diese Ideale sind nicht einfach schlecht, im Gegenteil, sie können uns helfen, innere, wertvolle und hilfreiche Qualitäten zu entwickeln, Lebenssinn zu finden.

Die Schatten dieser Ideale bestehen darin, dass sie die Tendenz haben, uns zu überfordern, uns über unsere natürlichen Grenzen hinweg zu stossen in der ständigen dunklen, unbewussten Angst, nicht zu genügen, den Lebenssinn zu verfehlen, das uns Beauftragte zu verfehlen, die Ziele nicht zu erreichen. Der spirituelle Lehrer J. Krishnamurti, der von der Leitung der Theosophischen Gesellschaft genötigt wurde Weltlehrer zu werden (was er verweigerte), sagte: «Es ist etwas Brutales, Ideale zu haben.»

Wie schon gesagt, verlaufen diese Prozesse oft in Dunkeln, Unbewussten. Sie wirken sich auf der Befindlichkeitsebene aus: Ich fühle mich nicht recht wohl in meiner Haut, es fehlt noch etwas; ich bin betrübt, meine Stimmungslage ist gedämpft, vermeintliche Misserfolge beschäftigen mich auch während den Nächten, ich fühle Unrast in mir, mache immer etwas mehr als mir gut tut, denke zu viel, bewege mich in Ideenfluten, die mir aufzeigen, was ich alles sonst noch tun könnte.
Hinter den hohen Idealen verstecken sich oft seelische Verletzungen. Zum Beispiel: ich wurde als Kind nicht voll wahrgenommen. Nun muss ich beweisen, dass ich Dinge vollbringe, die nicht zu übersehen sind.

Die daraus hervorgehenden Spannungen richten mich auf ferne Ideale aus, binden mich an die Zukunft. Sie schweben immer über meinen Möglichkeiten und sie halten mich davon ab, ganz im Hier und Jetzt zu sein.
Nur als Versöhnte, als Versöhnter bin ich gegenwärtig.

Da unsere kranke, im Streben nach Machbarkeit gefangene Gesellschaft von dieser Problematik durchzogen ist, wirkt sie in den Meisten von uns so oder so ähnlich, mehr oder weniger stark. Wir sind daher wie gespannte, ja, überspannte Bogen, mit in die Zukunft gerichteten Pfeilen. Wir vertagen Ruhe und Entspannung auf die illusionären Zeiten danach.

Unsere Lebens-Bilanz, die wir üblicherweise ziehen, wenn wir älter geworden sind, befriedigt uns kaum, oder nur in Stücken und wir wollen sie unbedingt noch optimieren.

Es stellt sich die Frage, ob wir bereit sind, uns mit unseren Grenzen (vergleiche den letzten Blog-Beitrag) zu versöhnen, sie als Teil unseres Lebens anzuerkennen.
Die Frage: Bin ich bereit, mich mit allen Schwächen und Unzulänglichkeiten zu akzeptieren, mehr noch: mich zu lieben. Zu lieben, mit allen Grenzen, mit allem., was ich nicht erreicht habe und wohl auch nicht mehr erreichen werde – ohne jegliche Resignation und Selbstvorwürfe. Unerleuchtet, wie ich bin?

Wenn ich mich also so liebe, so umfassend und bedingungslos, wie ich geliebt werde, stellt sich der innere Friede und Dankbarkeit ein – und vielleicht werde ich mich früher oder später im jetzigen Moment niederlassen und erkennen: alles ist da, alles ist gut. Und nun tue ich das mir Mögliche in Ruhe und Freude, werde vielleicht Friedenstifter.

Nur als Versöhnte, als Versöhnter bin ich gegenwärtig.

Beitragsbild: Sonnenlicht-Reflex auf weisser Wand. Foto

 

 

 

Grenzerfahrungen

Manchmal komme ich an einen Punkt, wo ich nicht mehr weiter weiss – so, als ob eine Barriere vor mir niederginge.
Oder: ich falle in ein Verhalten zurück, von dem ich dachte, es schon längst überwunden zu haben. Ich werde von Gefühlen übermannt und/oder blockiere mich.
Scheitern. Peinlich. Wie ohnmächtig ich mich fühle.

Das Einzige, was mir dann hilft, ist, dass ich mir diesen Zustand eingestehe. Zu Beispiel: ich kann Gedanken, die mir schaden, nicht stoppen; sie drehen weiter und ich habe keinen Einfluss auf sie. Dann versuche ich mir einfach einzugestehen, dass dem so ist. Ich gebe zu, dass ich mich jetzt ohnmächtig fühle. Dann löst sich manchmal der Klumpen und ich atme wieder durch. Nicht selten aber finde ich mich getröstet wieder, wenn ich mir die Niederlage, das Scheitern, eingestehe.

Die Not zugeben lindert, tröstet.

Es ist immer auch eine Kränkung für das Grössen-Selbst, wenn ich an eine innere oder äussere Mauer stosse, auch eine Ent-Täuschung. «Aha, ich bin noch nicht soweit, nicht so gross, so souverän, wie ich gerne möchte.»

Manchmal kann ich mir darüber ein Grinsen erlauben, selten auch ein nachsichtiges Lächeln.

Der Raum, jenseits meiner Grenzen und Beschränkungen erscheint mir riesig, endlos. Dort möchte ich sein in dieser Weite.

Ich stehe innerhalb der mir zur Verfügung stehenden, begrenzten Möglichkeiten und ausserhalb des mir zur Verfügung stehenden Potentials.

Habe ich den Zugang zum ausserhalb Stehenden?

Ja, ich fühle, weiss es sogar, dass ich auch das, was mir (noch) nicht zur Verfügung steht, bin. Ich erahne mein Potential und dass es meiner Seele möglich ist, sich weit, über meine Unzulänglichkeiten hinaus auszudehnen.

Dort, jenseits meiner Grenzen erkenne ich ab und zu meinen Doppelgänger in strahlendem Licht.

Jenseits meiner Schranken ist die Ahnung des Möglichen.

Ich bin auch das, was jenseits meiner jetzigen Möglichkeiten ist.

Ich lebe und liebe über alle meine Grenzen hinaus. Dort wo «ich» nicht mehr hinreiche, strahle ich über meine Grenzen hinaus, getragen von der grenzenlosen Liebe.

Manchmal fühle ich in meinem Herzen so etwas wie ein Schwungrad. Dort schwingt Hoffnung und Zuversicht. Lebenswasser. Manchmal wird es herausgeworfen. Es bildet sich ein riesiger Bogen über alle Zäune hinweg in jene Weite der geistigen Welt.

Jetzt bin ich Hier und Dort.

Bei Jürg Reinhard lese ich: «Staut sich das Licht an einem Punkt, so entsteht eine Knospe.» *
Er bezog diesen Satz auf den biologischen Kontext. Ich möchte diese Satz auf den entwicklungspsychologischen Kontext beziehen: Wenn zum Beispiel der Expansionsdrang eines Kindes durch seine Eltern massiv gestoppt wird, so entsteht in ihm auch eine Stauung, ev. eine seelische Wunde, die im Lichte der Barmherzigkeit und des Mitgefühls zur Knospe werden kann und diese wiederum zur duften Blüte.

So kann sich auch das Scheitern in eine solche Blüte verwandeln, wenn wir es annehmen und dort, wo wir eingebrochen sind, symbolisch (oder auch real) eine Kerze entzünden, Strafe also vermeiden und uns in das Licht stellen.

Ich glaube, dass die heilende Tätigkeit des Menschen darin besteht, dass er diese Zweiheit als eine wichtige Aufgabe verstehen kann, nämlich eine Brücke zu bilden über diese beiden Pole: jenen des Scheiterns, des Abgrundes mit jenem der Gnade und der ewigen Liebe. Wer sowohl die Erfahrung der Beschränkung und der Ohnmacht, die auch mit Leiden verbunden ist, aber auch die grenzenlose Freiheit der bedingungslosen Liebe und Ausweitung in sich erlebt hat und diese beiden Gegensätze in sich vereint hat, wie es im Weg vieler spiritueller Meister versinnbildlicht und erfahrbar gemacht wurde, vermenschlicht sich.

Dieser Brückenbau geschieht in Milde.

Ich lebe und liebe über alle meine Grenzen hinaus. Dort wo «ich» nicht mehr hinreiche, strahle ich über meine Grenzen hinaus, getragen von der grenzenlosen Liebe.

*Jürg Reinhard: Das Ende der Physik – Seite 75

 

 

 

Von der Selbst-Ausbeutung zur Selbst-Heilung

In einem seiner letzten Songs sang Leonard Cohen: «You want it darker; we kill the flame. – Ich glaube sie brennt, doch die Gefahr besteht, dass wir sie aus unserem Bewusstsein löschen. Daraus folgt ein Darben, folgt Durst und Hunger.

I.
Wir Menschen beuten unseren Planten immer rücksichtsloser aus, rasanter, schneller. Das geplante 5G-Netz steht für die Beschleunigung. Nicht alle werden das aushalten. Die letzten Kostbarkeiten wie die Seltenen Erden werden nun aus dem Boden geschürft, die wir für Geräte (Smartphones) verwenden, die wir bald wieder wegwerfen. Produkte werden immer schneller zu Abfall, der oft in den Meeren landen. Diese vermüllen. Fische ersticken am Plastik. – All das wissen wir.
Das Patriarchat, liiert mit dem Turbo-Kapitalismus, meist in den Händen superreicher, weisser Männer, ist auf Rendite, Gewinn-Maximierung und Kapital-Akkumulation hin angelegt.
Auch das wissen wir.
Die Mächte der Finsternis, die manche als das Böse bezeichnen, andere als Unreife, haben in unserer Zeit die Form extremer und kaschierter Ausbeutung angenommen, eine kaschierteAusbeutung, die uns Produkte in die Hände spielt, so als wären sie Geschenke des Himmels oder immerhin der Segen der Technik und der «freien» Marktwirtschaft.
Wir bezeichnen uns als zweitklassige Maschinen, die durch künstliche Intelligenz optimiert werden müssen. Oder wir sehen uns als Warenmenschen, als Verbraucher, die in immer kürzerer Zeit immer mehr Produkte herstellen, um diese rasch zu entwerten, zu verbrauchen – zum Zweck der Rendite-Steigerung.

II.
Diese Art des Benützens, Vermarktens und Verbrauchens haben wir Menschen zunehmend verinnerlicht. So, wie wir mit dem Leben auf Erden umgehen, so behandeln wir uns selbst: ausbeuterisch. Die natürlichen Grenzen – die Immunität – werden zunehmend eingerissen durch eine überfordernde Reiz-Überflutung. Wir spüren längt nicht mehr, wann es genug ist.
Aber im Kopf steht das Gebot, dass es nie genug ist, dass wir nie genügen und nie genügen werden, dass der Mangel nicht zu beheben ist.
Wir lernen – und die neuen Technologien «helfen» uns dabei – die Invasion von Stoffen und Informationen in unsere Körper zuzulassen. Es sind Bilder -und Informationsfluten, in denen wir «ertrinken», es sind Medikamente, Drogen und Luft-Schadstoffe, die in uns eindringen und Chips, die zunehmend die Steuerung unserer Körper übernehmen und nicht zu vergessen: der Elektro-Smog. Die natürlichen Schwellen der Immunität brechen ein.

III.
Die kapitalistische Art zu denken und zu handeln frisst sich jetzt in die letzten Frei-Räume ein: Sie bemächtigt sich nun unserer Emotionen und der spirituellen Bilder und Symbole, die uns bisher ins unserer Sinnfindung unterstützt haben. Wann immer eine Emotion oder ein Seelenbild nützlich ist, um den Konsum zu steigern, wird sie zu diesem Zweck  eingesetzt. Wer die Werbung genau anschaut, wird diese These rasch bestätigt finden. Keine Sphäre der menschlichen Gesellschaft ist intim genug, keine Not, keine Krise zu gross, um nicht vom System zwecks Rendite ausgebeutet zu werden.
Jedes Wissens- und Erfahrungsgebiet ist heute vom Wirtschaftsdenken infiziert, «durch-ökonomisiert». Die Wirtschaftssprache hat sich durchgesetzt.
Die Denkweise des wirtschaftlichen Nutzens haben wir Menschen uns einverleibt. Der Tanz ums goldene Kalb scheint einem neuen Höhepunkt zuzusteuern. Oder handelt es sich um einen Totentanz?
Viele stimmen der Ansicht zu, dass das Bewusstsein des Menschen mit den messbaren Hirnfunktionen endet. Die Schädeldecke bezeichnet das Ende des Menschen. Die Seele gilt mehr und mehr als eine altertümliche Illusion.

IV.
Es gibt nichts schön zu reden, zu bagatellisieren. Der beschriebene Mega-Trend, den gibt es, so wie es viele leuchtende Ausnahmen gibt.
Die Macht des herrschenden Systems hat sich tief in uns eingenistet. Genau hier muss die Heilung ansetzen.

V.
Die Welt widerspiegelt unsere innere Bewusstseins-Verfassung. Deshalb gilt es, sie als erstes zu heilen. Es bedarf der täglichen Arbeit an sich selbst, und sei diese noch so kurz. Fünf Minuten von 24 Stunden, ist schon ein Anfang – aber (verzeiht meine Strenge) bitte täglich.
Hier ein paar Merkpunkte, die hilfreich sein könnten:

  • Wir betrachten uns mit einem milden, nachsichtigen, weiträumigen Blick, in dem wir sein können. Es ist ein Blick zu unserem inneren Selbst, dem wir Raum geben, Seins-Raum. Und dabei geben wir uns die Zeit, die wir brauchen, um uns ganz selbst zu sein.
  • Wir üben die wunderbare Tugend Nachsicht: Es ist das verzeihende Verständnis für unsere eigene Unvollkommenheit, für unsere eigenen Schwächen, wie auch für jene der anderen.
    Immer, wenn wir einen heilenden Blick auf uns selbst werfen, im Wissen, dass wir Teil des Menschheits-Leibes sind, können wir davon ausgehen, dass wir nicht in einer Ego-Perspektive gefesselt sind und dass unsere Güte über uns hinaus wirkt.
    Nachsicht ist das Gegenteil der so verbreiteten Strenge, niemals zu genügen. Nachsicht schafft Lebensraum, hilft, uns in der Tiefe zu akzeptierten wie wir sind.
  • Wir neigen uns dem Verletzten, Bedürftigen, dem inneren Kind und der leidenden Welt, liebevoll zu, nehmen es/sie an unsere Brust und fühlen, wie unser Herz dabei weich und offen wird. Wir lassen alle Gefühle zu, bejahen ihren Ausdruck. Wir verzichten darauf, unsere Gefühle zu bewerten.
  • Wir betreten den inneren Raum der Heilung und Wandlung. (Vergleiche meinen Artikel Wandlung, Teil 3). Es gibt diesen Raum, es gibt den heilenden Geist. Wir können uns mit ihm verbinden. Ich zitiere aus dem erwähnten Artikel:
    „Die bedeutenden Menschheitslehrer wie Christus und Buddha, aber auch viele andere erleuchtete Lehrer, haben uns einen Raum der Heilung, des Wandels und der Auferstehung hinterlassen. Eine geistige Erbschaft, ein wunderbares Geschenk. Dieser gesegnete Raum ist gleichzeitig auch ein subtiler Körper. Er ist universell, immer und von überall her «zu betreten». Alle unsere Kirchen, Tempel und Moschen sind Abbild dieses universellen «Körper-Geist-Raumes», der in uns auch mikrokosmisch besteht: der innere Tempel. Im Tempel-Inneren wirkt die Kraft der Heilung, der Wandlung und der Auferstehung.“
  • Es braucht den Mut zur inneren Selbst-Erforschung. Nicht alles, was wir da entdecken ist schmeichelhaft. Gelingt es uns, diesen Mut mit Spielfreude und Leichtigkeit zu verbinden, so wird die Freude an den Entdeckungen und Erkenntnissen überwiegen.

VI.
Ein solcher Heilungsprozess dauert in der Regel Jahre. Doch jeder Lernschritt, der sich erdet, geht sofort in das Menschheits-Bewusstsein ein. So lasst uns also jeden Schritt würdigen, den wir getan haben.

VII.
Zum Schluss: Ich glaube, dass wir in der nächsten Periode unserer Menschheits-Entwicklung primär die weiblichen Qualitäten zu fördern und zu stärken haben und zwar solange, bis die Yin-Yang-Balance hergestellt ist, bis sich die Rechte und die Linke vor der Brust (dem Herzen) gefunden haben. Das ist der Moment der Verneigung.

VIII.
Indem Mass, wie die Heilung in uns voranschreitet, entwickeln wir die Kraft und Entschiedenheit, tatkräftig, liebevoll und heilend in die gesellschaftlichen Prozesse einzuwirken.