Verbunden mit der inneren Wahrheit

Mandalas* sind Darstellungen der ungebrochenen Ausstrahlungskraft des Zentrums von Lebewesen, ihrer Essenz, die wir auch als Kraft des Herzens oder des Seelengrundes verstehen können.
In Verbindung mit unserer Mitte, kann sich die innere Wahrheit im Ganzen der Person und in ihrem Lebensfeld in Schönheit und Klarheit manifestieren. Der innen-orientierte Mensch ist ein Lauschender.

Vor einigen Jahren setzte sich eine junge Frau im Tram mir gegenüber. An der Seite ihres Sitzes hatte sie ihren Kinderwagen hingestellt. Darin ihr ca. zweijähriges Kind, welches mit Holzfigürchen, die an einer Schnur am Kinderwagen hingen, spielte. Sie selbst lass Zeitung.
Zuerst irritierte es mich, dass die Frau vollkommen mit ihrer Zeitung beschäftigt war, ohne ihr Kind zwischendurch mal anzusehen oder mit ihm zu reden. Sie liess es, und es spielte.
Dann stellte ich fest, dass das Kind völlig zufrieden war. Sein Spielen war ihm genug. Kein Appell an die Mutter. Tram-Station für Station: Ich spürte wie innig Mutter und Kind miteinander verbunden waren. Ich fühlte eine warme, geborgene Energie zwischen den Beiden. Ich erkannte auch, dass die Mutter in sich ruhte und damit ihrem Kinde Halt, Präsenz und Zuneigung gab, in der es sich ganz wohl und getragen fühlte.

Anders Eltern mit sogenannten «Schrei-Kindern»: Sie sind oft verhaftet in ihrer hohen Intellektualität, ohne tiefer in sich zu ruhen. Nicht-zentrierte Mütter und Väter haben oft sehr unruhige, zapplige Kinder (ADS).

Wenig zentrierte Leute verflüchtigen sich, lösen sich in Einzelteile auf, in denen sie sich verlieren. «Alles wächst ihnen über den Kopf». – «Was wollte ich eigentlich sagen; ich weiss es doch auch nicht mehr».

Jedes Lebewesen hat ein Zentrum. Oft wird es als «das Herz» bezeichnet. Wenn wir ICH sagen, dann berühren wir unsere Brust, bzw. unser Herz und nicht etwas den Kopf oder den Bauch. Dies zeigt, wo wir uns zu Hause fühlen.
Im Zustand eines schweren Schocks oder Traumas, zersplittert die Persönlichkeit. Sie fühlt sich desorientiert, aus der Mitte geworfen. Wo ein geordnetes Ganzes war, sind nur noch Teile, wirr, wie etwas, das ganz war, nun zerschlagen herumliegt, sinnlos erscheinend, verworren, was vorher noch schön und geordnet war.

Wer in sich ruht, strahlt.

Das Zentrum, der aus Wahrheit,  Weisheit und aus einer hohen Intelligenz das Ganze des Lebewesens organisierende Kern, bringt die Einzelteile oder die Elemente (die Persönlichkeitsanteile) einer Person in ein harmonisches Gleichgewicht, in einen Zustand der Ruhe und Ausgewogenheit. Selbst die Spannungen unter bestimmten Elementen sind im grossen Ganzen der Person in einer Einheit ruhend, die lebendig, schön und harmonisch ist.

Im Zentrum des Wesens wirkt die innere Wahrheit des Menschen. Die allgemeine, über-individuelle, universelle Wahrheit, findet im Wesenszentrum ihre subjektive, individuelle Wahrheit, im So-Sein des Einzelnen. Die grosse, die Vielfalt übersteigende Wahrheit ist nun bezogen -also in Beziehung und Entsprechung- auf die Einmaligkeit des betreffenden Wesens mit seinem eignen Werdegang. Die trans-personale und die personale Wahrheit sind in Beziehung.

Der bewusste Mensch ist ein Lauschender. Er ist mit dem inneren Raum der Wahrheit verbunden. Von dort fliessen ihm die jetzt stimmigen Impulse zu, die sich nun in seinem Um-Feld gleichsam von selbst gestalten. Die hohe Intelligenz, die aus seinem Wahrheitsraum quellend sein Energiefeld durchströmt, ordnet nun sein Leben und sein Beziehungsnetz, ohne sein kognitives Dazutun. Von selbst. Vom hohen Selbst gestaltet und gefügt. Wir sagen, dass der so Erkennende intuitiv lebt.

Diese Weise zu leben, setzt Vertrauen in die Weisheit, Liebe und Wahrheit voraus, die in uns auferweckt wird, durch das Lauschen auf unsere Mitte, unser Zentrum, dass eine ordnende Macht hat und welches uns das zukommen lässt, was wir brauchen.

Sollten wir vollständig mit unserem göttlichen Zentrum verbunden sein, bereit uns von seiner Wahrheit, Weisheit und Liebe leiten zu lassen, dann können wir uns darauf verlassen, dass wir stets zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind und, dass das uns Zuträglich im Hier und Jetzt erscheint. Ebenso in unserem Lebensfeld: Das für alle Anwesenden Zuträgliche im Lebensumfeld eines in sich ruhenden Menschen ist somit begünstigt ins Leben zu treten, sich zu ereignen.

Auch wenn wir dieses Ziel, der durchgängigen Zentriertheit auf unsere Wahrheits-Mitte noch lange nicht erlangt haben, so ist doch jeder Schritt auf dieses Ziel hin hilfreich dafür, wahrhaftiger und gleichzeitig losgelöster zu leben und unseren Erden-Mitbewohnern ein leichteres Leben zu ermöglichen.

Wer ruht, strahlt.

 *Ausschnitt eines Mandala-Bildes von Johannes Frischknecht.

 

 

Innere Wahrheit

 

 

«Der grösste Verlust ist das, was in uns stirbt, während wir leben.»    N. Consins

In der heutigen Menschheitsperiode, wo sich Strukturen, Werte und Teil-Systeme auflösen oder diffus werden und es immer schwieriger wird, zwischen Wahrheit und Lüge klar zu unterscheiden und Orientierung zu finden, ist es äusserst wichtig, einen inneren Kompass zu haben: einen inneren Raum der Wahrheit.
Da die Meinungsmacher und Ideologen – oft sind es PR-Agenturen und Thingtanks- erkannt haben, dass leise, verdeckte, sozusagen unsichtbare Propaganda eher zielführend und auch billiger ist, als gewalttätiges Durchgreifen, bleibt uns fast nichts anderes übrig als geduldig selbst zu recherchieren, also den Fakten auf die Spur zu kommen und/oder die Kraft der inneren Wahrheit zu befragen durch regelmässige Innenschau.
Dies ist viel besser, als äussere Orientierung, denn sie ist erstens kaum zu finden und meist ideologisch gefärbt.
Der innere Raum der Wahrheit ist ein Ort, den wir geduldig entwickeln können. Er ist in uns, immer, und wir können jederzeit in ihn eintreten, wenn er in uns einmal mit Hilfe des regelmässigen Hinein-Horchens eine gewisse Stärke bekommen hat.

Wenn ich in mir existentiell wichtige Fragen fühle, wie:

  • Was habe ich nun in der gegenwärtigen Zeit zu beachten?
  • Worin besteht meine Lern-Aufgabe jetzt?
  • Welche seelischen Qualitäten und Kräfte gilt es nun zu entwickeln, um meiner Lebensaufgabe gerecht zu werden?
  • Was ist bei wesentlichen Entscheidungen, die mein Leben betreffen, zu beachten? –

trete ich in den inneren Raum der Stille und Wahrheit ein und lausche, wieder und wieder.

Manchmal gehe ich folgendermassen vor:

  1. Ich atme viermal kraftvoll-physisch ein- und aus, um in einen wachen und vitalen Zustand zu gelangen.
  2. Ich atme dreimal sehr fein geistig (hauchartig) ein- und aus, konzentriert auf meinen Herzensraum.
  3. In der Vorstellung gehe ich sachte in die Mitte des Herzensraumes und lasse mich dort nieder.
  4. Ich spüre Helligkeit, Klarheit, Transparenz und Wahrhaftigkeit.
  5. Wenn ich mich ganz zentriert und still fühle, stelle ich die Frage, die mir jetzt wichtig ist und übergebe sie der geistigen Welt.
  6. Nun bin ich nur noch Lauschen und Empfangen.
  7. Ich achte darauf über welchen Kanal die Antwort zu mir kommen möchte, z.B. auditiv, visuell (hier ist die Farb- und Formensprache zu beachten), kinästhetisch, etc. Vielleicht ist es nur eine Ahnung, die ich empfange.
  8. Wenn mir die Antwort noch zu wenig klar erscheint, wiederhole ich diese Übung in den nächsten Tagen noch einmal oder mehrmals, bis in mir Gewissheit hochkommt.
  9. Ich verspreche mir, meiner Einsicht gemäss zu handeln und bedanke mich für die Inspiration.

Wenn ich mein Wahrheits-Bewusstsein stärken möchte, rezitiere ich den göttlichen Namen
al-Haqq (=der Wahre, einer der hundert Namen Gottes in der islamischen Tradition). Dieser Name ist auch ein Mantra. Ich spreche den Namen über eine bestimmte Phase laut aus, dann leise und schliesslich nur noch still, in Gedanken. Ich kann dieses Prozedere einige Male wiederholen.

Eine weitere Möglichkeit, mich mit der Kraft der Wahrheit und der Gerechtigkeit, der Klarheit und Transparenz zu verbinden, besteht darin, dass ich den Erzengel Michael anrufe, um mich seiner Kraft zu öffnen.

Mit diesen Vorgehensweisen, die ich seit langem praktiziere habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht.

Wenn der Wahrheitsraum gut im Menschen verankert ist, fühlt er sich autonom und er kann sich darauf verlassen, dass er in sich Orientierung findet. Es entfaltet sich, bezogen auf seinen Lebensweg, eine wohltuende Unabhängigkeit . Er kann darauf vertrauen, dass Entscheide und Einsichten, die auf diese Weise, also durch vertieftes Lauschen gewonnen wurden, sich heilsam und hilfreich auf seine Entwicklung auswirken werden.

Nochmals: Diesen inneren Raum der Wahrheit aufzubauen erfordert Geduld und die Überzeugung, dass das Wahrheits-Bewusstsein ein substantieller Teil unserer Seele ist.

 

Liebe – Verwirklichung – Substanz


«Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen rede, aber keine Liebe habe, so bin ich ein tönendes Erz, eine lärmende Zimbel.»
1. Kor. 13,1.   (Es lohnt sich hier weiter zu lesen.)

Hier möchte ich, was ich in Meditation erfahre, teilen. Für mich ist die Erfahrung von LIEBE das, was ich in der Meditation anstrebe. Klar ist, dass innere Wahrheit mit Worten nur angetönt werden kann. Doch innere Bilder helfen, sich dem Gemeinten anzunähern.

Ich möchte zuerst drei Aspekte der LIEBE nennen – wie sie mir in Versenkung begegnen:

  • Liebe ist die Ausweitung der Erfahrung und Ausstrahlung tiefer Zugehörigkeit, von Aufgehoben-sein und dies in einer wunderbaren nährenden und zarten Stille.
  • Liebe verbindet, vereint, hebt ins Bewusstsein der Einheit.
  • Liebe verwirklicht, was erkannt wird und bildet die Substanz des gegenwärtigen Schöpfungs-Geschehen. Sie ist kreativ; sie gebiert.

In diesem Blog-Beitrag möchte ich näher auf den dritten Aspekt eingehen:

Manchmal, wenn ich in Stille versunken bin, steigen Erkenntnisse hoch. Sie sind wie Samen. Ich erkenne und verstehe, das mir jetzt etwas geschenkt worden ist, was ich nun benötige. Ich sehe und fühle vielleicht Licht, Weisheit und das Wirken der Intelligenz des Herzens. Meine üblichen Alltags-Gedanken sind in den Hintergrund getreten und ich spüre, dass ich dabei bin, mich meinem Wesenskern anzunähern.

Und dann kann es passieren, das ich erkenne, dass etwas fehlt.
Dann wird mir plötzlich klar, dass es die Liebe ist, die innerste Beteiligung meiner Seele, die fehlt.
Ich verbinde mich in solchen Momenten mit meinem Atem und fange an liebevolle zu atmen.

Dies habe ich in den letzten Jahren gelernt, Atem, Liebe und Licht miteinander in Einklang zu bringen. Diese Art von Vereinigung erlebe ich als eine Art von Alchemie. Der Liebesatem hebt mich aus den Verstrickungen meines Egos und befreit mich. Er hebt mich in den grossen universellen Umkreis, in das «Runde», welches abrundet und vervollkommnet.

Erkenne ich also, dass es mir an Liebes-Beteiligung fehlt und ich mich dann in der Folge auf mein Herz konzentriere und den göttlichen Liebesatem (oder Odem) den ich damit freisetze, so öffnet sich mein Wesenskern, den ich als golden erlebe, wie auch die Blüte meines Herzens, und alles kommt, was in mir bereit liegt, auf den Weg, in Fluss.
Dem Wesenskern entströmt nun eine Art von Liebes-Duft, der alles sanft durchdringt und mit Lebendigkeit erfüllt und ich weiss, ich bin dieser Duft.
Dieser Duft der Liebe bringt alles, was vorher angelegt war an höherem Wissen und an Gaben in die Verwirklichung, wenn nötig in die Verkörperung (Inkarnation), in die Geburt. Dieser Vorgang ist im wahrsten Sinne des Wortes wunderbar.
Der erwachte Mensch ist ein gebärendes Wesen.
Der Mensch wird zu einem gebärenden Wesen, wenn er sich dem innersten, göttlichen Wesenskern, der seine wahre Identität begründet, hingibt. Von dem Moment an ist er nicht mehr nur reproduzierend, sondern im ursprünglichen, tiefsten Sinne schöpferisch – und dies ist nicht einfach ein Gedanke, sondern eine Tatsache, die sich mir in Innern als Gewissheit darstellt.

Dieser Duft, voll von Frieden und Anmut, der dem inneren Kern entströmt, bildet Substanz. Erschöpfte und entleerte innere Speicher füllen sich mit nährender Kraft. Oft sehen Meditierende Substanz mit dem inneren Auge wie Milch: sowohl in der Farbe, wie auch in der Konsistenz. So wie Muttermilch substantiell für das Kind ist, benötigen wir seelische Substanz für den Aufbau neuen Lebens. Sie beruht auf Liebe, Wahrheit und Weisheit. Sie bildet der Boden für das, was sich dem höheren Willen gemäss, erschaffen will.
Mitarbeitende, Co-Creative, wissen, dass sich der neue Menschheits-Zyklus, der sich anbahnt, aus dem sich öffnenden Lichtherz des Menschen hervorgeht, insbesondere bei Menschen die sich in Gruppen und Gemeinschaften verbinden. Taten, die daraus erwachsen, bilden das werdende Fundament der neuen Menschheits-Epoche, die auf der Würde des Menschen beruht. Dadurch verfeinert und durchlichtet sich Mensch und Erde.

 

 

 

 

 

Innen-Raum-Entwicklung

Wir helfen mit, den Welten-Raum, das heisst die globale Atmosphäre zu erneuern, in dem wir unseren seelischen Innen-Raum entwickeln. Die äussere Welt ist ein Spiegel der menschlichen Bewusstseinsverfassung. Beginnen wir also damit, an unserem inneren Raum so zu arbeiten, dass er auf uns selbst, wie auch auf unsere Umgebung lebensdienlich wirkt.
Dieser Essay stellt den Versuch dar, einen langen Prozess in Kürze zu beschreiben.

Der Innen-Raum öffnet sich dem Menschen, wenn er nach innen schaut und sich in seinen seelischen Innen-Raum lauschend versenkt.

Dieser Raum ist, wenn wir ihn noch mit wenig Bewusstheit betreten haben, vorerst einmal verstellt, angehäuft mit Gedanken und Gefühlen, die, verkeilt ineinander und zu Mustern verformt, sich repetitiv, manchmal mechanisch bewegen und uns einen starken Eindruck von nervöser Betriebsamkeit geben. Ein völlig nach aussen gerichteter Mensch findet bei ersten Meditationsversuchen oft nicht die ersehnte Ruhe, sondern hektisches Gedankentreiben in einer kühlen, manchmal sogar abweisenden Atmosphäre, wo das Gedachte keine wahre Heimat findet, sondern sich in einem abstossenden Raum aufhält, eingezont, gefangen, ungeliebt, wodurch es sich nicht in positivem Sinne entwickeln kann.

Die Grund-Stimmung und die Atmosphäre sind entscheid für die Innen-Raum-Entwicklung.

Die inner-seelische Stimmung und Atmosphäre entwickeln sich aufgrund des Klanges, des Tones, mit dem wir zu uns sprechen. Ist die innere Stimme, mit der wir zu uns sprechen, unduldsam, gereizt, kritisch oder wohlwollend, gütig, nachsichtig? –
Ist sie wohlwollend und mitfühlend, dann entwickelt sich in unserem Seelen-Innen-Raum Milde, die Wachstum und Versöhnung mit uns und anderen Personen, die in uns leben, erlaubt und ermöglicht.
«C’est le ton, qui fait la musique.» – Die Herzens-Präsenz entscheidet über den Gang der Entwicklung.

Viele Menschen genügen sich selbst nicht. Das ist sehr verbreitet. Aufgrund dieser Einstellung, ist die Stimme, mit der sie zu sich reden, streng, fordernd, Druck ausübend, depressiv oder aggressiv machend. Dadurch wird das Binnen-Klima frostig und die verinnerlichten Gedanken- und Gefühlsmuster werden dementsprechend härter und kälter. Das Ego schafft eine Atmosphäre, welche kühl und feindselig ist.

Die menschliche Befindlichkeit ist vollständig davon abhängig, in welchem Ton wir mit uns sprechen. Der Klang unserer inneren Stimme bestimmt darüber, ob es uns in unserer Haut wohl ist oder ob wir lieber aus ihr fahren möchten.

Klar, auch der Inhalt unserer Weisungen und Kommentare zu uns, sind mitbestimmend über die Qualität in unserem Innen-Raum, entscheidender aber ist der Ton, mit der wir unsere inneren Inhalte qualifizieren.

Das Mitgefühl und die Einfühlung, die sich im Klang unserer inneren Stimme ausdrückt, transformieren uns. Zum Beispiel: Schmerz und Verlust wandelt sich durch Selbst-Einfühlung und Verständnis in Nachsicht und in Heilkraft.

Baut sich Freundschaft zu uns auf (durch den freundschaftlichen Ton, mit dem wir zu uns sprechen), wird es sehr viel leichter, uns dem höheren Selbst (der Innen-Raum im Innen-Raum), dem Seins-Raum (vergl. Im Seins-Raum, 17. Aug. 19) gegenüber zu öffnen.

In einer wachsenden Atmosphäre der LIEBE, erkennen wir unsere Ego-Struktur leichter; wir können ihr zulächeln und uns von ihren Zwängen leichter befreien. Dadurch lebt auch das innere Kind, nun nicht mehr eingeschüchtert, auf.

Wir erkennen nun die Relativität unserer inneren Programmierung und bekämpfen sie nicht mehr – wodurch wir ihr viel Energie gegeben haben – sondern wir lösen uns sanft von ihr ab.

Durch die Empathie zu uns selbst, entwickelt sich unser Verständnis für andere.
Es entsteht nun ein Raum der Heilung und des Wachstums in uns: der Seins-Raum.

In der alten gereizten und unduldsamen Stimmung binden wir uns an innere, alte Prägungen und Strukturen,
durch die wohlwollende, einfühlsame und nachsichtige Stimme, welche aus unserer Seele kommt, lösen wir uns von den alten Gedanken- und Gefühlsmuster, die uns bisher geformt haben, ab.

Das innere Gefängnis wandelt sich somit in einen Raum der Heilung und der Freude für andere, wie für uns selbst.

Wenn wir auf der Suche nach der inneren Wahrheit sind, eingestimmt auf unser Herzens, so können wir leicht am Ton erkennen, ob wir die die Stimme des Herzen hören oder eher die Stimme(n) der verinnerlichten Stimmen unserer Eltern, Lehrer, Erzieher oder der herrschenden Kultur.
Ist der Klang der Stimme, die wir vernehmen eher kritisch, schroff und unduldsam, so handelt es sich wahrscheinlich um die verinnerlichte Stimme (Über-Ich), die eher im Kopf angesiedelt und ihren Ursprung in der Aussenwelt hat und nicht der inneren Wahrheit entsprechen,
hört sich die innere Stimme klar, mild und liebevoll an, so handelt es sich sehr wahrscheinlich um die Stimme des Herzens, um die Stimme der eigenen, tiefliegenden Wahrheit, die der Seele entströmt. Sie ermöglicht es uns, unsere innere Wahrheit zu erkennen, jenseits aller Moral und Verurteilung.

Beitragsbild: Aquarell von WB „Raum“

 

Die Schöpferkraft des Menschen

Dies ist ein utopischer Text. Die Utopie ist ein Ort, den es noch nicht gibt, durch die Kraft der Vision aber ins Leben gerufen werden kann.

«Die Frucht des integralen Bewusstseins ist das schöpferische Selbst.
Im Prozess der Liebe und der Heilung, der uns zu wahren, mitfühlenden, verwirklichten Menschen heranbildet, wird uns die Gabe des bewussten Gebärens verliehen.
Dadurch werden wir zu Mit-Schöpferinnen und Mit-Schöpfern des Lebens – Gebende und Hingebende.»*

Das heutige Menschheits-Bewusstsein kann als rational oder als mental bezeichnet werden.
Der analytische Verstand ist eines seiner zentralen Merkmale. Ein anderes die patriarchale langlebige und dominante Kultur.
Im mentalen, rationalen Bewusstsein behandeln wir folgende Bereich als zweit- oder dritt-rangig:

  • Unsere weibliche Seite, die Emotionen, die emotionale Intelligenz
  • Unsere kindliche Seite. Das Spiel, das Spielen
  • Die Muse, die Leichtigkeit des Seins.
  • Der künstlerische Ausdruck: Tanz, Musik, bildende Künste, Kunsthandwerk
  • Die Kultur der Zärtlichkeit und der liebevollen Zusammenarbeit.
  • Unser psychologisches und spirituelles Wachstum
  • Die Natur und die Natürlichkeit
  • Geerdete Sexualität
  • Die Verbundenheit mit allem und das Erleben der grossen Zusammengehörigkeit

Diese Liste ist unvollständig. Sie beschränkt sich auf ein paar wesentliche Aspekte. Insbesondere auf den letzteren (Verbundenheit).
Wenn der Mensch sich allmählich wieder versöhnt mit seinen wenig beachteten oder abgelehnten Aspekten seiner selbst, sie also reintegriert, wird er zu einem Instrument der göttlichen Schöpfungskraft: Die Frucht des integralen Bewusstseins ist das schöpferische Selbst.

Abgespaltene Aspekte unserer Wesenheit können aber nicht mit dem mentalen Bewusstsein integriert werden, welches das Trennungsgeschehen verursacht hat. Das Überschreiten der rationalen Bewusstseinsebene ist nötig, damit wir heilen und uns vervollständigen.

Im mentalen, rationalen Bewusstsein ist die Schöpferkraft begrenzt, reduziert, bruchstückhaft, durch die Zerteilung geschwächt, nicht mehr in vollem Sinne Leben erzeugend und Leben bewahrend. Projekte sind da zergliedert, fragmentiert in viele Aspekte. Ethik kommt oft am Schluss, die ganzheitliche, lebensdienliche Sichtweise geht teilweise oder ganz verloren.

Innerhalb der mentalen Macht ist der Mensch unbeugsam, will mit Hilfe seiner und der künstlichen Intelligenz seine Endlichkeit überwinden, will seinen Turm endlich bis in den Himmel bauen. Dies ist die kleine, isolierte Schöpferkraft, im Gefängnis des Ego-Turmes.

Unsere Schöpfer*innen Kraft ist verwundet. Durch unser hektisches Tun schwächen wir uns, schaffen mehr Probleme als wir lösen. Wir haben uns sowohl von unseren Erden-Wurzeln wie von unseren Lichtwurzeln abgetrennt, sind nach unten und nach oben abgeschnitten, getrennt, also nicht mehr verbunden mit den Kräften der Erde und der geistigen Welt, der Welten im Licht.

Die Möglichkeit Neues zu gebären geht aus der Hingabe an die Kraft des Ursprungs hervor. – Aus dem vom Ganzen abgespaltenen Eigen-Wille verliert sich das grosse Schauen, zerfällt die Wärme des Schöpfungsstromes aus Weisheit und Liebe, fängt an sich zu fragmentieren in Gedanken- und Gefühlssplitter.

Es ist immer dieselbe Wahrheit, die spirituelle Wahrheitssucher erfahren: Auf dem Weg durch das Tor der Machtlosigkeit, überschreiten wir die Grenzen unserer kleinen Identitäten, erfahren die eigene Nichtigkeit und Leere, bis wir zur Quelle geführt werden –jenes Weg-Stück, das wir nicht mehr aus eigener Kraft gehen können– aus der das schöpferische Licht quillt, in dem sich die Wunden schliessen.

Auf dem Weg zur Schöpferkraft haben wir das Tor der Machtlosigkeit zu durchschreiten, wodurch wir Demut und Würde wieder erlangen und in Verbindung kommen mit unserer wahren Kraft, die niemals auf Kompensation beruht, sondern im Bewusstsein der universellen Zusammengehörigkeit und der unendlichen LIEBE wurzelt. Nun kann das, wovon wir uns abgeschieden haben, zurückfliessen.

Damit werden wir zu co-kreativen Menschen, zu Gebärer-innen von Leben und ich denke nun nicht an das Zeugen und Austragen physischer Kinder (das wird bleiben), sondern an schöpferische Tätigkeiten im feinstofflichen Bereich, aber auch an eine Ausweitung unserer Fähigkeiten im geistigen Heilen. Wir werden vielleicht die Chance und Gabe empfangen, die Wunden, die wir uns und der Erde zugefügt haben, zu heilen.

Utopia, der Ort der Gewandelten, wird von Zärtlichkeit durchweht und durchlichtet sein. Unsere Herzen werden sich warm anfühlen und unsere Schritte werden fest und leicht sein.

 

*Zitat aus meinem Buch: Die Kraft der Wandlung und der Menschwerdung.
unter ISBN 978-3-033-02297-3  im Buchhandel oder bei mir, Werner Binder,
werner.b@sebil.ch Fr. 20.–

Das Eingeständnis

Ich bin wieder einmal, wie so oft, meiner mir so bekannten Schwäche begegnet, die ich seit meiner Kindheit kenne, die mit Zahlen, Statistik und Formularen zusammenhängt, die in mir sowohl alte Autoritätsprobleme auslöst, die letztlich auf meinen strengen Vater zurückzuführen sind, wie auch innere Verwirrung und eine Art von erlernter Dummheit in Gange setzt. Das passiert meistens dann, wenn mein PC und/oder mein Smartphone ernstere Störungen aufweisen, wie gerade neulich, als ich keine Mails mehr weder empfangen, noch senden konnte. Auch keine Fachleute in den verschiedenen digitalen Shops konnten mir helfen, bis ich dann – wieder einmal meinen kleinen hilfsbereiten Inder in jenem Laden am Bahnhof der I-phon-Klinik traf, der mir lächelnd in einer Minute alles wieder herstellen konnte, was ich verloren glaubte.

Natürlich stelle ich in solchen Momenten zweierlei fest: Erstens, dass diese alte Angst, diese Verwirrung, mich immer noch mit unverminderter Heftigkeit packen kann, verbunden mit dem Gefühl von dumm, ohnmächtig und hilflos zu sein, und zweitens, dass diese Schwäche (wie andere Schwächen auch) es schafft, mich herauszureissen aus dem inneren Gefühl, getragen zu sein, wie ich es in meinem Blog «Im Seins-Raum» (17. August 19) beschrieben habe. Das Gefühl von Scham hilft nicht weiter, hingegen das Eingeständnis, dass diese Schwäche in mir ist und immer noch eine solche Macht über mich hat.

Oft mache ich dieselbe Erfahrung, nämlich die, dass mich das Eingeständnis und das Zugeben einer Schwäche, einer Schuld oder eines Mangels tröstet. Auch in der geschilderten Situation war dies der Fall. –Wenn ich mich dem höchsten Wesen wieder annähere, fallen alle Ängste von mir ab. Schon alleine diese Erfahrung ist Trost genug.

Geholfen hat mir der Hinweis meiner Tochter, ich solle doch, jetzt an diesem wundervollen Tag (an welchem ich mit ihr telefonierte) die Sonne und die Wärme geniessen, es sei dann immer noch Zeit genug, nach dem Genuss des gegenwärtigen Tages, mich weiter mit dem Problem zu beschäftigen.

Es gibt noch ein Zweites, das mir in solchen Fällen hilft: Ich bitte die Kraft des Geistes, mich wieder zu öffnen für die göttliche Gegenwart. Diese Bitte wird meistens oder immer erhört und ich entspanne mich im Seins-Raum, der wieder aufgeht, in dem alles liebevoll gesehen, gehört und erhört wird – ohne Schuldzuweisung und ohne Strafandrohung.
Im beschuldigenden und strafenden «Gott» begegnen wir in Wirklichkeit unserer eigenen Projektion. Ich glaube das Gott in seiner Manifestation als Wahrheit unsere Authentizität, unsere Ehrlichkeit sucht – und damit unsere Bereitschaft, unsere Schwächen und Mängel einzugestehen. Das genügt – wohl in den meisten Fällen.
Dies ist eine Übung in Geduld: also immer wieder mit mir Geduld zu üben, wie auch mit anderen, was auch auf die Dauer meinen Willen stärkt.

Und: Ich gestehe mir ein, dass es Bereiche gibt, in denen mein Lernen ein langsames, mühevolles Gehen ist: Schrittchen für Schrittchen.

 

Im Spital

Noch bin ich leicht benommen von der Schicksalswelle in meine Wohnung zurückgeschwemmt worden, wo ich meinen eigenen Atem wieder finde, also im Vertrauten wieder angekommen bin. Ich habe das Spital in seinem kühlen, harten Weiss zurückgelassen, in dem ich vier Tage in einem lauten, unruhigen Dreier-Zimmer lag, gefesselt von Infusions-Leitungen und einem Katheter.
Die Spitalwelt ist mir fremd: seine strikte Hierarchie, die entseelte, nur noch höfliche aber kaum mehr herzliche Pflege, die vielen technischen Abläufe… doch einmal, eines Morgens, trat eine junge Pflegerin wie ein Lichtstrahl in unser grosses Dreibett-Zimmer und sagte, dass sie hier die Nachttischen abstauben und reinigen werde. Sie tat dies mit so viel Achtsamkeit und liebevoller Präsenz, ja, ich möchte schon von Hingebe reden, dass es spürbar heller im Zimmer wurde. Sie war in Ausbildung im ersten Lehrjahr, aber schon eine ausgereifte Pflegerin mit heilender Ausstrahlung.
Meinem jungen Bett-Nachbarn verweigerten die Angestellten eine wirkungsvolle Schmerz-Therapie über zwei Tage hinweg. Oder sie getrauten sich nicht, das unwirksame gegen ein wirksames Schmerzmittel zu ersetzen. Es war kaum anzusehen, wie der Mann litt. Mit Hilfe seiner Verwandten, die grossem Druck machten, traf dann der Chefarzt ein, verschrieb Morphium und mein Nachbar war in wenigen Minuten schmerzfrei und konnte wieder schlafen. So viel zu den Auswirkungen einer straffen steilen Hierarchie.

Nun bin ich also wieder zu Hause, benommen und dabei, mich wieder in meiner eigenen Haut zurecht zu finden und meiner Müdigkeit, die mit Verspätung nun Einzug hält, nachzugeben.

Im Folgenden schildere ich meine erste Nacht im Spital, kurz nach meiner fünf-stündigen Blasenstein-Entfernung:

Um 20.30 Uhr kam ich im Wach-Saal wieder zu mir und fühlte mich gleich ganz wach und klar, was die Anwesenden erstaunte. Mich auch. 15.2.45 – natürlich wusste ich mein Geburts-Datum, ohne zu studieren. Kurz vor dem Ende des 2. Weltkrieges. Trage ich noch Spuren des Krieges in mir? Vermutlich schon.

Unmittelbar vor der Operation sagte mir die mich operierende Ärztin, dass es gut sei, einen eigenen Traum in die Narkose und die nachfolgende Operation mitzunehmen. Ich hatte meinen Traum, nahm ihn mit. Wie schön, wie wahr und klug, doch ihr Hinweis war.

Eine andere Ärztin hatte mir die Infusion zu stecken. Kurz vor dem Einstich fordert sie mich auf einzuatmen, was ich tat. Während ich einatmete, stach sie. Noch nie erlebte ich den Einstich einer Infusion beinahe schmerzlos.
Ich sage mir: Wenn etwas eintreten soll, atme ich ein, gebe Zugang, wenn etwas austreten soll, atme ich aus, akzeptiere und fordere damit den Auslass. So einfach ist das und so hilfreich.

Nach den beiden Erfahrungen/Einsichten der beiden klugen Frauen, wurde ich in die Operationsaal gefahren und auf den OP-Tisch gebracht. Im Raum herrschte eine aufgeräumte, ja heitere Stimmung. Ganz kurz fand ich das Lachen befremdlich, danach schätzt ich es, denn es schmälerte den freundlichen Einsatz der Mitarbeitenden in keiner Weise – im Gegenteil.

In der beschriebenen Klarheit – die Auswirkung meines Traumes – wurde ich in mein Krankenzimmer gekarrt. Nach einer kleinen Mahlzeit, inzwischen war es dunkel geworden, kam eine sanfte, tiefe Müdigkeit zu mir und legte sich über mich wie eine leichte, warme Decke und ich schlief ein – und blieb dabei völlig wach und präsent. Ein Klar-Traum.
Ich hörte das Plätschern des Regens draussen, das Schnarchen meines Nachbars und gleichzeitig erlebte ich und wusste, dass ich schlief und träumte. Ich folgte allen meinen Träumen und beobachtete sie und realisierte gleichzeitig alles, was in meinem Zimmer und in meinem Körper vor sich ging. Das ging vielleicht eine bis zwei Stunden so. Ich erlebte den Zustand als sehr friedvoll. Einer der Träume hatte die Qualität einer Vision: Ein weiser kraftvoller Mann erschien und sagte mir, was ich in meiner kommenden Lebensphase zu beachten habe. – Es war eine starke, kurze und eindringliche Begegnung.

Danach folgte ein Wechsel von Schlummern und Nachdenken. Diese hatte die Qualität von Klar-Werden.

Auch Krankheit – Gesundheit ist in den letzten drei Jahren für mich zu einem zerbrechlichen Gut geworden – trägt sowohl den Aspekt von Klar-Werden, wie auch von Mensch-Werdung in sich. Krankheit ist für mich zu einem Vehikel der Bewusstwerdung geworden.

Als es dämmerte, freute ich mich auf das Frühstück. Ich war dankbar, dass ich friedlich und völlig schmerzfrei war -, ja und auch darüber, dass liebe Menschen fühlbar mit mir in Verbindung waren. Und auch jetzt sind.

 

Durchlitten, erlöst – Das Mysterium von Golgatha

Gedanken zu Karfreitag und Ostern
Ich zitiere in diesem Text ein paar Mal Rudolf Steiner, da er meiner Ansicht nach in einer umfassenden Weise die Bedeutung von Karfreitag und Ostern (das Mysterium von Golgatha) erfasst hat.
Das Wirken von Christus ist als gegenwärtig aufzufassen. Hinter dem Versuch, das Christus-Geschehen als etwas Vergangenes zu betrachten, verbirgt sich die bewusste oder unbewusste Absicht, die Christus-Kraft abzuschwächen und/oder zu verdrängen.

«Christus kann man sich nicht hoch genug vorstellen», sagte mir ein Pfarrer. Und ich glaube, er hatte recht.

«Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor aller Schöpfung. Denn in ihm wurde alles geschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, ob Throne oder Herrschaften, ob Mächte oder Gewalten; alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen. Und er ist vor allem, und alles hat in ihm seinen Bestand.»   Kol. 1, 15-17.

Dieser Absatz unterstreicht die Aussage jenes Priesters.

Vor ca. 2000 Jahren wurde der Christus als Jesus inkarniert – nach langen Zeiten der Vorbereitung in himmlischen Sphären wie auch auf Erden – durch die Propheten.

In Jesus kam konzentriertes, völlig reines, geistiges Licht auf die Erde, welches sie umwälzte.

Mit jedem Atemzug kommen wir mit der Christus-Wirklichkeit in Berührung, denn Christus, der Christus-Geist, sein Licht, ging bei seinem Tod auf Golgatha in die Erde und in den Menschheitsleib ein. Die Sonne verschmolz mit der Erde, der Logos drang in sie ein, die verzeihende Christus-Liebe durchtränkte und durchstrahlte die Aura der Erde und ihren Ätherleib.
Mit anderen Worten: Erde-Mensch wurden vergöttlicht.

Ist das zu viel? – sind diese Aussagen noch auszuhalten? Als Tatsachen hinzunehmen?

„Das Mysterium von Golgatha, das sich mit dem Kreuzestod, der Grablegung, der Höllenfahrt und der Auferstehung des Christus vollzog, ist das zentrale Ereignis der ganzen Erd- und Menschheitsentwicklung. Mit ihm fand die eigentliche Geburt des menschlichen Ichs statt.“
So Rudolf Steiner.

Seither können wir Christus als den Begleiter und Impulsgeber der menschlichen Evolution – der Menschwerdung- erkennen, sowohl in individueller wie auch in kollektiver Hinsicht.

CHRISTUS IST DER MENSCH schlechthin. Der Erstgeborene, die unmittelbare Erscheinung aus Gott. DER UNMITTELBAR GESCHAFFENE, direkt aus Gott Geborene.

„Aber damit eine übersinnliche Wesenheit wie der Christus durch den Tod gehen konnte, musste er erst auf die Erde herabsteigen. Und das ist es, was von so unermesslicher Wichtigkeit in dem Mysterium von Golgatha ist, dass eine Wesenheit, die in ihrem eigenen Reiche in der Sphäre ihres Willens niemals den Tod hätte erfahren können, hat hinuntersteigen müssen auf die Erde, um eine Erfahrung durchzumachen, die dem Menschen eigen ist, nämlich um den Tod zu erfahren. Es vereinigte sich ein Wesen, einzig in seiner Art, welches bis dahin nur kosmisch war, durch das Mysterium von Golgatha, durch den Tod des Christus, mit der Erdenevolution. Seitdem lebt es auf eine solche Weise auf Erden, ist so an die Erde gebunden, dass es in den Seelen der Menschen auf Erden lebt und mit ihnen das Leben auf Erden erfährt. Daher war die ganze Zeit vor dem Mysterium von Golgatha nur eine Zeit der Vorbereitung in der Evolution der Erde. Das Mysterium von Golgatha gab der Erde ihren Sinn. Als das Mysterium von Golgatha stattfand, wurde der irdische Körper des Jesus von Nazareth den Elementen der Erde übergeben, und von der Zeit an war der Christus verbunden mit der geistigen Sphäre der Erde und lebt darin.“ (Rudolf Steiner)

Christus ist in uns und wartet darauf erweckt, geboren zu werden. Er ist unsere innere Realität. Er ist unser Bewusstsein, unser wahres Sein, das, was wir in Wirklichkeit sind. Steiner sagte: es ist das ICH (heute würde man sagen: das höhere Selbst). Dieses manifestierte sich auf der Erde, als Jesus auf Golgatha starb und gleichzeitig den Tod überwand.

Seit Golgatha hat sich das Christusbewusstsein also mit dem Erdenleib und dem Menschenleib verschmolzen. Der Ätherleib und der physische Erdenleib sind seither von der Christus-Wirklichkeit durchströmt, vom Licht der Liebe erweckt und belebt. Die Lichtsamen sind in allem, die Lichtfunken sind gesetzt. Das eine Licht ist in der Vielfalt der Lichter gegenwärtig. Diese Lichtsamen wollen vom bewussten Menschen geweckt werden. Wir Menschen sind als Bewusstseinsträger gedacht. Es liegt an uns, ob wir bereit sind, diese Bewusstsein-Lichter, Ausdruck der göttlichen Wahrheit und Liebe, zu erkennen und in uns anzuzünden, damit die Welt, in der wir leben, ins Leuchten findet.

Bewusstes Leiden
Dieses darf niemals verwechselt werden mit selbstquälerischem Leiden oder arrogantem Mitleid, wo der Mitleidende sich über den Leidenden stellt.
Jeder Mensch, der etwas tief durchlitten hat, versteht andere Menschen, die dasselbe oder ähnliches durchlitten haben, besser als zuvor. Ähnlich ist es, wenn jemand sich durch tiefes, solidarisches Mitgefühl mit leidenden Menschen verbunden hat: er versteht sie danach, wie auch sich selbst, weit besser als zuvor.
Wer sich derart verstanden fühlt, durch echt Mitleidende, atmet auf, entspannt sich. Das tiefe Gefühl verstanden und gehört worden zu sein, bildet die Grundlage seiner Heilung.
Tiefes, vorbehaltloses Leiden und Mit-Leiden führt zum Verstehen und Verstehen, das auf Einfühlung beruht, führt zur Heilung.
Aus diesem Grund erkannte Jesus, dass es seine Aufgabe war, durch alle Schichten und Bereiche des menschlichen Daseins hindurch zu wandern: mitfühlend, mitleidend, solidarisch und stets verankert im Licht der göttlichen, hingebenden Liebe. Er hatte sich vom Leiden berühren lassen, nahm es in sich auf, wandelte es im Herzen in erlösendes Licht um und säte es segnend als Lichtsamen in die durchwanderten Bereiche des menschlichen Daseins aus. Es war ihm aufgetragen durch das innerste Wahrheitsbewusstsein alle Bereiche, auch die der Finsternis, der abgrundtiefen Grausamkeit, der Krankheit und Gier, der Unbewusstheit, liebend und mitleidend zu durchwandern, um die dort gebundenen Wesenheiten aus der Gefangenschaft zu erlösen und zu befreien.
Man kann sich fragen, warum ein Mensch in der Lage sein sollte, durch sein Mitgefühl, das Fundament für die Erlösung der gesamten Menschheit zu legen. Wohl deshalb, weil Jesus Christus eins war mit Gott, den er Vater nannte, wie er auch eins war mit der ganzen Schöpfung – ganz anders als ein Mensch der sich von allem getrennt und unterschieden fühlt.
Gott hat sich in seiner Schöpfung (dem Universum) veräussert, manifestiert; das Veräusserte ist der Sohn, die Tochter: Christus.

Dieser Weg des Vertrauens und der Erlösung ist auch der Weg der Befreiung und der Heilung, wie er in jeder ganzheitlichen Therapie gelebt sein will.

Im Falle von Jesus Christus, war es der Menschheitskörper und das Menschheitsbewusstsein, welches der Therapie bedurfte und bedarf.

Nun liegt es am Menschen, die Samen zum Keimen zu bringen, das gegebene Licht im Seelenraum und in der Welt zum Leuchten zu bringen.

Die mystische Kirche
Mit jedem Atemzug kommen wir mit der Christus-Wirklichkeit in Berührung, denn diese hat sich erdenweit verkörpert, inkarniert.
Diese Berührung (wo der göttliche Geist unsere Seele berührt) bringt uns in den gegenwärtigen Moment, in die Anwesenheit. Wir werden unserem egozentrischen Ich enthoben und tauchen in unser wahres Wesen ein.
Ostern verweist auch auf Weihnachten: An Weihnachten feiern wird die Geburt des göttlichen Lichts auf Erden; an Ostern die Geburt und Auferstehung des inneren Christus.

Das Ereignis, das Erscheinen von Jesus in der Welt, will sich nun verinnerlichen. Es ist Zeit, dass das Heils-Geschehen in der Welt zum inneren wird. Dadurch werden wir vom Betrachter zum Betroffenen, von der Beobachterin zur Anteilhabenden, zur Erfahrenden, Erlebenden. Jenes Licht am Horizont wird zur lodernden inneren Flamme der Freude und der Begeisterung.
Im sich entwickelnden Christus-Bewusstsein entsteht ein Wachstums- und Reiferaum im Seeleninnern: Hier reifen die Früchte des Lebens.

Das ist der Weg der Mystik. Das ist der Weg. ICH BIN DER WEG.

In diese Richtung wird sich wohl der neue, beginnende Zyklus des christlichen Glaubens hinbewegen.

Beitrags-Bild: Zeichnung von Werner Binder: Das Erstrahlen der Erde