Das Unglück der Spaltung und die Freude der Wiedervereinigung

Mit dem Begriff «Weltenkörper», ein Begriff von mir, den ich hier einführe, meine ich erstens die Menschheit, auch in ihrer Geschichte, zweitens unsere Erde als physischen Körper und als Ätherleib und drittens die symbiotische Verbindung, die Union Mensch, Menschheit und Erde.
Körper und Leib werden dem Weiblichen zugeordnet. Die Frau ist die Mutter – Mutter Erde. Wenn der Papst, alle Frau, die je abgetrieben haben, als Auftragsmörderinnen bezeichnet*, lässt sich das interpretieren als letztes Aufbäumen des Patriarchats gegen seinen Zerfall. Denn die Zerstörung, Verurteilung und Abspaltung von Frau, Erde und Natur wendet sich schliesslich gegen seine Urheber.
Ich glaube, dass viele Menschen wieder auf der Suche sind, nach dem Menschen-Erde-Ganzen. Das weckt Hoffnung.

Weltenkörper und Weltseele
Der Mensch hat seinen Weltenkörper und seine damit verbundene Weltseele (anima mundi) weit von sich abgespalten.
Die Spaltung zwischen seiner Individualität, seinem Dasein als Einzel-Mensch auf der einen Seite und seinem Bewusstsein als Erdenbürger, bildet einen tiefen Riss in ihm, ja eine Wunde.

Diese Spaltung ist meines Erachtens eine der Haupt-Ursachen für die anhaltende Zerstörung unserer Mitwelt, die wir als Aussenwelt betrachten.

Die Klima-Katastrophe etwa ist eine der Folgen davon. Die «kapitalistische Philosophie», wenn es diese denn gibt, ist nicht bereit, sich mit dem Schmerz an sich zu befassen, sie kompensiert ihn mittels einer ausufernden und umweltbelastenden Kompensations-Industrie, die alles mit Konsum zudeckt und erstickt, was nach Verstehen und nach wirklichen Lösungen ruft. Ist dies die tragische Konsequenz des patriarchalen Weltverständnisses, welches sich womöglich in den letzten Zügen seines Bestehens befindet?
Die Spaltung erzeugt weltweit, so spüre ich es, eine Unruhe und eine Nervosität. Es ist, als ob wir Menschen schweben würden, wurzellos, entfremdet. Dahinter ist unschwer Trauer zu spüren. Trauer über den Selbst-Verlust. Wir versuchen durch Surrogate dieses «Loch» in der Seele zu stopfen. Zum Beispiel durch Wellness-Kuren, ohne wirkliche und dauerhafte Ruhe zu finden. Auf diese Weise heilt die Ur-Wunde, hervorgerufen durch die Spaltung, nicht.
Was bleibt ist Durst. Durst nach dem, was wir abgewiesen und abgespalten haben.
Vermutlich gab es in früheren Epochen und Kulturen Völker oder Gruppen von Menschen, die ganz mit und in dem Weltenkörper lebten. Ich denke dabei an bestimmte Indianerstämme. Zum Beispiel die Pueblos oder an andere matriarchale Zivilisationen.
Es muss Zeiten gegeben haben, in denen sich der Mensch von seinem Weltenkörper abgespalten hat. Die Gründe kenne ich nicht. Sicher aber ist, dass sich der Entfremdungsvorgang in den letzten Jahrzehnten der hyper-technischen und forcierten, alles an sich reissende wirtschaftliche Entwicklung verstärkt hat. Der abgespaltene Weltenkörper hat sich nun scheinbar gegen ihn gerichtet (Klima-Katastrophe), weil er ihn «verraten» hat. Alles, was wir abspalten, drängt zurück, weil es sich wieder verbinden möchte, es in die Ganzheit zurückstrebt. Wir Menschen fühlen uns von dem, was wir auch sind, angegriffen, doch es ist in Wirklichkeit eine Projektion unserer eigenen Destruktivität und Angst.
Angst vor unserer eigenen, abgespaltenen Natur!
Der Mensch, der sich von seinem Weltenkörper abgetrennt hat, erlebt diesen als etwas Wildes und Fremdes, das er glaubt, bändigen, beherrschen und kontrollieren zu müssen.

Eine Re-Integration unseres Weltenkörpers ist dringend. Die Wunde ist offen, blutet. Heilung tut Not. Wir können nicht ohne jene Wirklichkeit existieren, die wir auch wesenhaft sind.

Viele Menschen denken, der Erde sei der Mensch egal, oder: sie würde ihn als Störenfried erleben, ohne den sie sich besser entwickeln könnte.
Diese These bezweifle ich.

Ich bin überzeugt, dass die Erde den Menschen braucht, so wie er sie.

Ich stimme der Ansicht von Rudolf Steiner zu, der behauptete, dass der geistige Mensch, sehr lange vor seiner körperlichen Inkarnation, Anlass und Quelle der Bildung der Erde und des Sonnensystems war. Sein göttlicher Geist erschuf seine eigene Lebens-Grund-Lage, unseren Heimat-Planeten.

Mensch-Erde bilden eine Zwei-Einheit – eine Dual-Union. Die Spaltung dieser Einheit ist die Ursache für unsere Menschheits-Krise, die eine Überlebenskrise ist. Es gilt deshalb, sie zu überwinden, beziehungsweise sie zu heilen.

Um diese tiefe Entfremdung und Entwurzelung zu heilen, ist es notwendig, dass wir Menschen unser Mitgefühl entwickeln. Insbesondere unser Mitgefühl zu unserer natürlichen Mit-Welt. Dieser Akt setzt einen Prozess der Selbst-Versöhnung voraus, was bedeutet, dass wir Menschen uns wieder vermehrt unserer Binnen-Natur zuwenden. Wenn wir uns liebevoll der eigenen Natur zuwenden, so werden wir dadurch auch die äussere Natur als uns verwandt erkennen können. Dadurch kann der Heilungsvorgang eingeleitet werden.

Die Binnen-Natur des Menschen
Dazu zähle ich folgende Bereiche:

  • Das Gefühl für die psycho-somatische Einheit und Integrität der eigenen Leiblichkeit.
  • Das Empfinden des Organismus und die Intuition für seine zuträgliche Ernährung.
  • Mündiges, intuitives und selbstverantwortliches sexuelles Fühlen und Handeln.
  • Das Erspüren der Balance zwischen Selbst-Anforderung und Behutsamkeit.
  • Die nötige Intuition für ein ganzheitliches, vielfältiges Alltagsleben mit sich, den Mitmenschen und der Natur.
  • Die Einsicht, dass wir körperliche, seelische und geistige Wesen sind.

Es ist insbesonders der weibliche und mütterliche Bereich unseres Menschseins, der wieder in unsere Ganzheit integriert werden müsste, die wir sind. Durch die Zurücknahme dessen, was wir ausgegrenzt und abgespalten haben, werden wir wieder in sich ruhende und verwurzelte Menschen sein können.

Dies ist meine/unsere Hoffnung: Durch meditative Atemarbeit und durch eine visionäre und praktische Rückkehr zu unserer eigenen Natur, wie zur Natur «da draussen» werden wir uns mit dem unbewusst so vermissten Weltenkörper wiedervereinigen und werden dadurch zur Ruhe des fliessenden Lebens finden. Die Wunde wird sich schliessen durch das neue Erleben einer innigen Zusammengehörigkeit zwischen innen und aussen, zwischen unserer eigenen Seele und der Weltseele, zwischen Frau und Mann. Diese Heilungsarbeit setzt voraus, dass wir unsere Zerrissenheit erkennen und wir verstehen, dass es Sinn macht, uns am Heilungsvorgang zu beteiligen.
Bei unserer Wiedervereinigung wird unser Atem gross** und unsere Ganzheit als ungeteilte Menschen umfassen – all-umarmend. Menschheit und Erde leben nun in unserem Atem-Raum. Es wird sich Frieden einstellen und Freude wird aufkommen.

*So etwas darf nicht hingenommen werden!

**vergleiche den Beitrag zu ATEM 1 + 2

Zum Titelbild: «Der blaue Planet» Bild von Werner Binder