Jetzt, in Zeiten von Corona, gilt es an die Bedeutung von Nähe zu erinnern. Jedenfalls habe ich das Bedürfnis dazu. Vielleicht auch, weil mir Nähe alles ist, oder fast alles.
Vorerst noch eine Bemerkung zum Beitrags-Bild. Ich habe die Statue im Zürcher Seefeld aufgenommen. Sie zeigt eine Frau, die hingebungsvoll ihr Haar bürstet. Sie ist ganz im Hier und Jetzt, ganz eins mit dem, was sie tut: mit dem sinnlichen Vorgang des Bürstens ihrer Haare. Sie ist sich nahe.
Im Lächeln, so scheint mir, findet intime Nähe zwischen zwei Menschen ihren Höhepunkt, lässt sie manchmal in die Knie sinken, weil die Berührung so stark ist und die Achtung vor der Göttlichkeit im andern so durchdringt und erschüttert, dass es zum Verlangen wird, sich vor dem andern zu verneigen und niederzuknien. Das kann auch ohne Pathos und Melodrama gehen: schlicht, einfach, aus Liebe.
Im gemeinschaftlichen Geflecht von tiefen und erfüllenden Beziehungen erhebt sich unsere Seele in eine Sphäre höherer Intelligenz, wo sie intuitiv Zusammenhänge und Verbindungen wahrnimmt, für die die sonst nicht zugänglich ist. Insbesondere ist es die emotionale, soziale und intuitive Intelligenz, die sich im gelebten Gemeinschaftsgeist entwickelt.
Natürlich können wir in Büchern und Hörsälen etwas (zum Beispiel) über Bäume und Vögel lernen, insbesondere Fakten über die materielle Beschaffenheit dieser Lebewesen, aber erst wenn wir mit ihnen, also den Bäumen und Vögel, sprechen, gelangen wir mit Ihnen in Beziehungen, können Nähe aufbauen und sie auch auf eine non-verbale Art verstehen und erleben. Das gilt für alles: für die Erde, die Landschaften, Dörfer und Städte, die Vorfahren, die Engel und Bodhisattva, die Sterne, das All, das Universum.
Wenn wir also Nähe spüren zu verschiedenen Wesenheiten in den verschiedenen Sphären, gelangen wir schliesslich zu jener Ebene des Bewusstseins, wo wir uns im Kosmos zu Hause fühlen und spüren, dass alles mit allem spricht, dass wir nicht alleine sind, sondern all-eins.
Zuerst aber ist es ein Mensch, mit welchem wir eine tragende Beziehung aufbauen. Oft ist es die Mutter, manchmal der Vater oder Geschwister. Später die Geliebte/der Geliebte, das Kind, der Lehrer, die Freundin. Dann kommen manchmal Teams, Wohngemeinschaften, spirituelle Gemeinschaften hinzu.
Und es ist immer auch mit Arbeit verbunden, wir wissen das, tragfähige Beziehungen aufzubauen und zu halten. Beziehungen, die Intimität, Zärtlichkeit und Konfrontation erlauben. Vor allem Zärtlichkeit. Sie ist die Grundlage jeder Beziehung und Nähe.
Insbesondere bildet Zärtlichkeit den festen, tragenden Grund und Boden für Sexualität, für Auseinandersetzungen und beharrliche Zusammenarbeit. Das göttliche Fluidum ist zärtlich.
Es ist die Liebe, die sich in zärtlicher Intimität und Nähe ausdrückt, die bewirkt, dass sich die Erde um die Sonne dreht, ja, dass alles ins Kreisen und ins Tanzen kommt.
Nähe hält uns am Leben, direkte Nähe, die sich besonders schön in der Umarmung ausdrückt. Und beim Küssen. In jedem Alter.
Ohne Nähe können wir nicht wirklich denken. Ohne Nähe wird das Denken steif und starr, dogmatisch, gewaltsam. Fast hätte ich gesagt wissenschaftlich: dann, wenn diese herzlos zu werden droht.
Nähe ist mitverantwortlich dafür, dass wir gesund bleiben oder werden. Mangelnde Nähe schwächt uns Menschen, macht uns angreifbar. Daran müssten wir jetzt in der Corona-Krise unbedingt denken.*
Unzählige Surrogate gaukeln uns Nähe vor. Zum Beispiel Zoom-Konferenzen, SMS, an Stelle von handschriftlichen Briefen, etc.
Längere Zeit habe ich am 1. August im Live-Stream die Gesichter der Demonstrierenden in Berlin betrachtet. Die Leute badeten in der Menge, keine Masken. Ich sah viele, viele fröhliche Gesichter, Menschen, die sich frei bewegten. Und es wurde mir einmal mehr klar, dass wir Menschen jede Art von Nähe brauchen, auch reine körperliche Nähe, mimischen Austausch, Ausdünstung, Schreie, Geflüster. Lächeln. Also Sinnlichkeit, ohne Apparate dazwischen und 2 Meter Distanz.
Was uns allzu sehr schützt, macht uns krank. Zuviel an Kontrolle schwächt den Menschen.
Zärtlichkeit, Intimität und Nähe heisst sich wagen, sich ermutigen, Grenzen respektvoll überwinden. Frieden mittels Nähe wagen.
Wir brauchen die Nähe zu anderen, um zu spüren, wer wir sind. «Du bist mein Spiegel, in dem ich mich erkenne.»
Die Intelligenz in unseren Zellen leuchtet auf, wenn wir uns körperlich und seelisch feinfühlig berühren (lassen). Wir leuchten auf.
Darin besteht der andere, der alternative Weg der menschlichen Evolution. Der grosse, breite Weg, ist die Strasse der zunehmenden Kontrolle, der Aussen- und digitalen, chemisch-pharmazeutischen Fremd-Lenkung. Der andere, leider schmale Weg, der sich zu verlieren droht, ist jener der authentischen Berührung, die zu echter Nähe und damit zu sich selbst -auch zum höheren Selbst- führt.
Ohne Nähe können wir nicht wirklich denken.
- Anmerkung: „Gesundheitsämter in mehreren Bundesländer fordern Eltern in der Coronakrise auf, ihre Kinder in häuslicher Quarantäne getrennt von der Familie in einem Raum zu isolieren, wenn ein Corona-Verdacht besteht… es soll keine gemeinsamen Mahlzeiten geben, etc.“
Lieber Werner
Herzensdank für diese schönen Worte, die mich tief berühren und meine Seele freudig zustimmen lässt.
In Liebe und Verbundenheit (in seelischer Nähe)
Wolfgang
Lieber Werner
Manchmal dünkt mich, Du würdest die Themen nur für mich schreiben. Sie sind mir nahe und die Worte treffend gewählt.
Die Statue der Frau strahlt Nähe unglaublich aus.
Danke für den „Liebeskummer“, die „Radikale Heilung“ und die „Nähe“.
Doris