LICHT UND BEWEGUNG – eine Meditation

Ich weiss, dass es ans Unmögliche grenzt, innere tiefe Erfahrungen, wie hier die von Licht und innerer, kinästhetischer, also emotional gefühlter Bewegungen verbal zu vermitteln; bleibt nur die Hoffnung, dass ich Worte, Sprachbilder oder Rhythmen gefunden habe, die geeignet sind, beim Empfänger einen inneren Funken zu erzeugen. An der Grenze zur Unmöglichkeit können sich ganz überraschend Wunder ereignen. In diesem Grenzbezirk, also im Zwischenraum von Unmöglichkeit und Wunder, ist es sinnvoll, ein «Zelt» aufzuschlagen.

Ich atme mit der Vorstellung von Licht.
Die Vorstellung ist ein Fenster,
durch welches das reale, geistige Licht fliesst
und den Lichtkörper, unser himmlisches Fundament
aufbaut, stärkt, – so,
dass er mehr und mehr zur Wirklichkeit wird.

Anders als das physische Licht,
berührt uns das ewige Licht in der Tiefe
und lässt uns SEIN.

Das Licht, das ich empfange,
das Licht, das mich empfängt,
erinnert an eine Liebeserklärung.

Atem und Licht sind nun vereint:
Atem-Licht.

Dieses dient dem Wachsen und der Entwicklung
des Lebens.
Leben aus Liebe – aus Liebes-Licht.

Das Licht intensiviert sich, gewinnt an
Leuchtkraft und Glanz.
Alles, das ganze Universum ist von ihm durchdrungen.

Ich bin Licht im Licht.
Du bist Licht im Licht.
Wir sind Lichter im Licht.

Das Licht bewegt mich.
Seine Bewegung bringt mich mir selbst nahe.
Es öffnet meine Räume der Innerlichkeit,
der Seele.
Da BIN ICH.

Aus dem Innersten ICH BIN strahlt es in die Welt,
unablässig:
Nahrung für dich und mich.

Manchmal schaukelt und wiegt mich das Licht
sehr sanft und zart.
Es öffnet mich, weicht auf, es heilt,
dich und mich – uns.

Bewegtes Licht, das erlöst,
Erstarrtes aufbricht,
verlebendigt.
Sprudelnd, kreisend, spiralförmig, strahlend,
selbst in der dunkelsten Ummantelung
sichtbar, spürbar.

Es bewegt mich so,
wie ich es jetzt brauche,
wie du es jetzt brauchst,
wie wir es jetzt brauchen.

Sprechendes Licht,
sprechende Bewegung,
Bewegungs-Licht in Stille,
Bewegungs-Ruhe.

Das Licht bewegt mich ins Leben hinein,
in den Strom der anima mundi,
der Welt-Seele.

Erwachen im Bewusstsein der Unsterblichkeit.

Das ist die Realität, sagt ER,
das ist die Wirklichkeit, sagt SIE,
die Basis,
auf der ich stehe,
auf der du stehst,
auf der wir stehen.

Fels gewordenes Licht.


Zwei Schluss-Bemerkungen:

  • Dieser Text kann als Meditations-Anleitung dienen. Du liest jeweils einen Abschnitt und lässt danach den Inhalt in Stille in Dir nachklingen. So verfährst Du Abschnitt für Abschnitt. Wenn Dich dieses Vorgehen anspricht, kannst Du es über eine gewisse Zeit wiederholen.

 

Auf der polaren Bewusstseins-Ebene, findet sich neben dem Licht Schatten und Finsternis. In der «Präsenz» ist Licht uneingeschränkt gegenwärtig, auch wenn sich Phänomene im Schattenkleid darstellen, ist es gegenwärtig, schattenlos, todlos.

Einblicke in die LIEBE

Ich werde fortan das Wort LIEBE, wenn ich die göttliche, ewige und bedingungslose LIEBE meine, in Gross-Buchstaben schreiben. Sie ist nicht zu verwechseln mit der kleinen, zwischenmenschlichen Liebe, die immer auch etwas Berechnendes, manipulatives und narzisstisches an sich trägt, also nicht als rein betrachtet werden kann. Da die kleine Liebe im polaren Bewusstsein verankert ist, kann sie leicht in Misstrauen, Hass und Angst umkippen, während die LIEBE eins ist.
Im folgenden Artikel versuche ich, Einblicke in die LIEBE zu geben oder einen Blick in das Wunderbare erahnen zu lassen – die grösste universelle Kraft, die existiert.

Wir sind Leben aus LIEBE. Ich liebe, darum bin ich. Die Erde ist verkörperte LIEBE. Mit dem inneren Auge sehen wir das. Nur das innere Auge und das innere Ohr sind in der Lage, LIEBE zu erkennen und zu spüren.

Der bulgarische Mystiker Peter Deunov sagte über die Liebe:
«Die Liebe ist jene Welt, in welcher der göttliche Geist lebt…. Sagen wir Gott ist Liebe, so verstehen wir damit jene Wesenheit, aus welcher alles hervorgeht. Aus dem Quell der Liebe sind alle Welten seit Ewigkeit hervorgegangen und werden auch in Zukunft hervorkommen.»

Viele Menschen streben in ihrer Meditation an, die göttliche LIEBE zu erleben, zu erfahren. Wer sie erfährt -und sei es nur für Sekunden- wird nicht mehr derselbe sein, der er vorher war. Nun wird er/sie nicht mehr rettungslos in den Abgrund ihrer Ängste und ihrer Verzweiflung fallen können. Sie weiss, dass sie letztlich aufgehoben ist.
Auch wenn der Mensch über sich enttäuscht, ja verzweifelt ist und nicht mehr viel auf sich hält, kann er erfahren, dass Gott bedingungslos zu ihm steht und ihm seine volle LIEBE niemals vorenthält. Das rührt zu Tränen, berührt.
Beim Hören der Musik von Mozart spüre ich immer wieder grenzenlose Zärtlichkeit und all-umfassenden Trost.
Maria Dolorosa, die göttliche Mutter, trägt den Schmerzenden, den Abgewiesenen in ihrem Schoss, trägt auch uns und unsere Einsamkeit in ihrem Schoss. Sie hält, was wir nicht aushalten können. Auch das ist Ausdruck von unendlicher LIEBE.

Gott spricht auch durch Licht zu uns. Licht, welches viele Qualität hat und nicht zu verwechseln ist mit physischem Licht. Sehr hohes Licht hat einen wundervollen Glanz und fühlt sich an wie Nektar, wunderbare und heilende Substanz, an das Brot des Lebens erinnernd. Es ist LIEBES-Licht. Zur gegebenen Zeit hüllt Er uns in ein Kleid aus Licht ein.

In Liebes-Beziehungen (ich meine damit Beziehungen, die vor allem in der Liebe selbst gründen und nicht in Rollenerwartungen) entdecken wir zuweilen einen solchen Liebes-Licht-Strahl, der uns hilft, die Liebe zu verewigen, sodass sie zur LIEBE wird. Buddhisten würden vom Erlangen von Unsterblichkeit sprechen.
Ver-ewigen erinnert zu Recht an Auferstehung. Es ist etwas Geheimnisvolles, kaum zu Erklärendes. Eine Geste, ein Gefühl, eine Erfahrung, ein Moment bekommt plötzlich die Qualität von Unvergänglichkeit, geht ein in die unsterbliche LIEBE. Uns Menschen ist diese Macht gegeben, wenn wir im besten Sinne demütig werden.

Gott liebt uns, selbst, wenn wir IHN ablehnen. Seine LIEBE ist unerschütterlich – Anfang jeder umfassenden Heilung. Er weiss, dass zum menschlichen Wachstum die Freiheit gehört, Nein zu sagen, sich abzuwenden. So ist Freiheit also ein Aspekt der Liebe. Wie die Freude, die Zärtlichkeit, die lebendige Kraft.

Ganz besonders aber erlebe ich die Zärtlichkeit als zentralen Aspekt der göttlichen LIEBE. Sie manifestiert sich in der Beziehung Eltern-Kind, in der Beziehung zwischen Liebenden und in der Feinheit des schöpferischen Ausdrucks. Verwandt mit der Zärtlichkeit ist die Behutsamkeit und die Sanftheit. «Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen.» (aus der Bergpredigt).

Die LIEBE erfahren wir als einen Strom (ein Strömen), das uns stetig, also ununterbrochen   durchdringt. Es ist einfliessende Liebe, Güte, Kraft und Weisheit, die uns erfüllt. Geschenkhafte Fülle und wenn wir diesen «Einfluss», nicht wahrnehmen, dann hat dies alleine mit unserer Verschlafenheit und Abwesenheit zu tun und niemals damit, dass ER uns ausgeschlossen oder vergessen hätte. Jedenfalls entspricht dies meiner Erfahrung, meiner inneren Gewissheit. Die LIEBE des Einen ist all-präsent und einbeziehend!

Die Antwort auf diese Erfahrung kann eigentlich nur Dankbarkeit sein. Dankbarkeit wiederum bringt uns in die Fülle des gegenwärtigen Moments.

In dem Masse, wie es uns möglich ist, die LIEBE zuzulassen, erleben wir grösstmögliche Nähe. Wir selbst sind uns dann selbst so nahe, wie wir es uns nicht einmal ausdenken können. Es ist eine heilige, reine Nähe; eine Nähe, die wir zu uns selbst und zu andern finden – dementsprechend, wie uns Gott nahe ist. Wir nennen es auch Shekinah (ein jüdischer Begriff), wenn wir in das Flair, die Nähe, die Aura Gottes eintauchen. Wir können es aber auch als das Erleben grösstmöglicher Intimität betrachten. Diese Erfahrung ist wunderbar, berührend, schön.

Shekinah bedeutet aber auch die Einwohnung oder Wohnstatt Gottes. Wenn wir Ihn eingeladen haben, in uns, das heisst in unserer Seele zu wohnen, fühlen wir Seligkeit, Freude und völliges Angenommensein. Nun sind wir Angekommene.
Bevor diese Einladung erfolgen kann, muss die Ego-Dominanz sterben. Ich schrieb in meinem letzten Beitrag, dass die LIEBE das Ego tötet, weshalb Manche von uns, sich vor der LIEBE fürchten, weil sie unsere vermeintliche Kontrolle bedroht. Die LIEBE benötigt in uns Raum für die Ausstrahlung ihrer Liebeskraft. Deshalb muss der Macht-Anspruch des kleinen Ichs (das Ego) weichen. Es muss in den Hintergrund treten, von dort dienen, damit die LIEBE sein kann. Sie ist das Erste, die primäre Wirklichkeit.

LIEBE erzeugt Schönheit und Schönheit ruft tiefe Liebesgefühle in uns hervor.

Diese Nähe, wie ich sie zu beschreiben versucht habe, öffnet sich manchmal auch in Beziehungen der Liebe. Das EINE offenbart sich in der Beziehung – zu zweit oder in Gemeinschaft. Im Du oder im Wir. Das ist die Erfüllung jeder Beziehung: Das erzeugt Jubel.

Gott können wir auch als Liebesbeziehung verstehen. Und das Leben als eine Liebesgeschichte.

 

 

Ist es nicht erstaunlich…

Ist es nicht erstaunlich, dass jenes neu geborene Vögelchen, das Platz auf deinem Daumen fände, bei Sturm und verpesteter Luft, zu piepsen anfängt und zu leben beginnt?

Und es gibt den Leo, der auf offener Strasse seine Lea in die Arme nimmt und ihr ganz leise ins linke Ohr eine süsse Unanständigkeit ins Ohr wispert,

um ihr nur eine Woche später eine Liebeserklärung ins Ohr (diesmal ins rechte) zu flüstern.

Lea tanzt im Endlos-Korridor des Kantons-Spitals.

Es gibt jene Welt der Intimitäten, wo jede und jeder erröten darf, eine Sphäre, die Engel umschweben und sich der Mond hinter dunkelblaue Wolken verzieht und unerwartet, wenn alles schläft, wieder hervor tritt in silbernem Licht.

Eine Welt, wo sie, nach all den schweren Verlusten wieder aus den Wassern auftaucht, sich schüttelt und ihm ihr schönstes Lächeln in die Arme legt.

Und erst recht jene Überlebende, die sich mit tränen-geschwollenen Augen aufrichten und (noch) unsichtbar zu tanzen beginnen.

Es sind Intimsphären, die wie zarte Winde in einer steinernen Welt, die Welt bei Atem halten.

Siehst du jene Schülerin dort, die in der zweiten der langen Stuhlreihen in jenem rechteckigen Schulzimmer aus Stahl und Glas, den Kopf auf ihren Händen festhält, damit er nicht herunterfällt, müde und trostlos auf ein Blatt starrt, auf dem Dinge stehen, die sie nicht versteht, bis sie eine innere Stimme hört: «Du, komm.»

Siehst du den Mann in jenem roten Cabriolet, der sich eben entschlossen hat, seinen «Traum-Job» zu kündigen, um Bauer zu werden. Hörst du seine glücklichen Schreie?

Dem Flüstern verwandt ist das Blinzeln, welches nur der oder die Angeblinzelte versteht.

Der Flügelschlag des Schmetterlings kann nicht nur einen Sturm am Ende der Welt auslösen, sondern diesen auch glätten.

Es gibt Lichtwesen, die sich in Tränen niedersetzen und Durstende tränken.

Es sind Intimsphären, die wie zarte Winde in einer steinernen Welt die Welt bei Atem halten.

Jenes Vögelchen, kaum überlebt, schwebt jetzt am sonnigen Märzenhimmel, schlägt Pirouetten. Wie schön.

Wenn im Menschen, zutiefst, innen, der Liebende/die Liebende erscheint, innig, unwiderstehlich und in grosser Schönheit und er in seine/ihre Hände fällt, findet die Sehnsucht ein Ende und die Sonne des Herzens geht auf.

Der Zauber des Lebens hat sich in die Intimsphären zurückgezogen. Dort lebt er und hält die Welt bei Atem.

Beitragsbild: Traumfänger

 

 

Ode an das Licht

Eine Ode ist ein feierliches Lied, eine Hymne – sowohl ein meist lyrischer Tex, wie auch ein Gesang, eine Melodie, getragen von einer lobenden Emotion und von innerer Bewegtheit. Durch die Augen der Seele erlebt, gewinnt das Leben jene feierliche Dimension, die alles aus der Flachheit des Gewöhnlichen emporhebt.

Jemand wird für uns Liebeslieder singen

„Es werde Licht
und es wurde Licht.“

Als Gott zum Menschen zu sprechen begann,
wurde es Licht;
es entflammte Seinem Hauch
und ging als Seele in Seine Geschöpfe ein.

So wurde diesen das Licht gewahr
und sie liessen sich davon begeistern und
durchstrahlen. –
In freudiger Glückseligkeit,
kam der Moment,
da das Licht zu singen begann, –
und es war offenbar; dass das Eine,
All-Gegenwärtige
das Viele durchstrahlte.

Dann kam eine lange Zeitspanne,
als die Lebenden in eine tiefe Finsternis abglitten,
in Betäubung und Schmerzlosigkeit,
wo sich bleierner Schlaf auf sie legte,

…bis sich das Leben erneut zu regen begann.

***

Wie aufregend
die violette Haut der Weisen,
die sich in ihren Tränen spiegeln,
sich wiedererkennend
die Wange auf ihre Knie legen,
um die Vibration der Welt zu hören

und dabei erleben,
wie sich die Erd-Vibrationen aus Licht
in einen grossen Gesang verwandeln.
Dieser Gesang,
den nur die Hörenden vernehmen,
bringt die Erde, trotz Dunkelheit
zum Erblühen.

Wir sind Lichtwesen,
die ihr Licht nicht mehr sehen,
Sängerinnen, die ihre Klänge nicht mehr hören,
– solange, bis wir aus unruhigem Schlaf erwachen
und spüren, dass wir etwas vergessen haben –
und es wagen,
uns zu öffnen und zu erkennen,
dass uns jemand Liebeslieder singt.

In dem Moment, wo das menschliche Herz
zu empfangen und zu hören beginnt,
fängt die Vibration zu tönen an,
fängt das Licht zu singen an.

Die Zeit wird kommen,
da sich der Gesang erhebt,
wie ein Sonnenaufgang,
den wir so leuchtend und so beseligend
noch nie gesehen, noch nie erlebt haben.

 

PS: Ich glaube, dass es gut ist, wenn wir alle Gelegenheiten wahrnehmen, uns Liebeslieder vorzusingen.
Titelbild: „The looking sun“ Zeichnung von Werner Binder
  

ATEM – Teil 2

Im ersten Teil des Artikels «Atem» versuchte ich aufzuzeigen, dass uns die Mittel gegeben sind, um uns zu entfalten und in eine höhere Schwingung, in ein höheres Bewusstsein zu gelangen. Dies gilt vor allem für unser Atemsystem, mit welchem wir mit unserem Körper, unserer Seele und unserem Geist verbunden sind.

Der Atem, insbesondere in Kombination mit Wort (Mantra) und Stimme (Klang) helfen uns die Gedanken-Schwere und die damit verbundene Trägheit unseres Alltags-Bewusstsein zu überwinden.

Was meine ich mit Gedanken-Schwere? Viele Gedankenformen sind aufgeladen mit der Vorstellung, dass wir alles mit Leistung zu erringen haben, dass auch nur Wenige Erfolg haben können, nämlich die Stärkeren. Die beiden spirituellen Wege/Methoden helfen uns, unser Bewusstsein auszuweiten und zu erfahren, dass alles da ist, was wir benötigen,um uns zu entfalten.

Das Herzensgebet
Das Gebet entstand bei den Wüstenvätern und Wüstenmüttern in Ägypten, entwickelte sich weiter bei den Mönchen auf Berg Athos und verbreitete sich vorerst in Ost-Europa.
Es ist ein mantrisches Gebet. Die wenigen Worte, die bei jedem Atemzug gedacht, gesagt und gefühlt werden, sollen sich von der Zunge ins Herz fortpflanzen. Ziel ist, dass das Herz selbsttätig und fortwährend betet. – Beten bedeutet in Resonanz mit unserem innersten göttlichen Kern zu kommen.

Eine ursprüngliche Formel lautet: Herr Jesus Christus, Sohn Gottes (beim Einatmen), erbarme dich mir/unser (beim Ausatmen).
Eine verkürzte Formel: Jesus Christus (einatmen), Barmherzigkeit (ausatmen)

oder nur:
Jesus (einatmen) – Christus (ausatmen).

Es ist sinnvoll, zwischen dem Ein und Aus des Atems eine kleine Pause zu machen; in ihr entfaltet sich das Bewusstsein der Einheit, des Einsseins.

Die Worte können zu Beginn gesagt oder gesungen werden. Beim Einatmen sollen sie den Weg zum Herzen finden und beim Ausatmen sollen sie rundum verströmen. Während das Mantra zu Beginn gesagt wird, entwickelt es sich nach einiger Zeit zur gefühlten, erlebten und erfahrenen Wirklichkeit. Was erfahren wird ist Barmherzigkeit, Liebe, Mitgefühl, Schutz und Segen. Dabei wird der Atem sehr weit, kosmisch, alles umhüllend, lichtvoll und wärmend. Natürlich werden nicht bei jedem Menschen genau dieselben Gefühle geweckt*. Im tiefsten Seelengrund wird aber die bedingungslose Liebe und Akzeptation, wie sie in Christus lebt, aktiviert und die Beziehung zu seiner Wesenheit, die immer jetzt präsent ist, vertieft sich dabei.
Es ist der Dreiklang von Wort/Stimme – Atembewusstsein – und die Ausrichtung auf das Herz, die zusammen die Wandlung und die Erfahrung der Ausweitung des psychischen Herzens schneller und nachhaltiger geschehen lassen, als wenn nur eines der genannten Elemente zum Ausdruck fände.
Normalerweise ist es so, dass Projektionen, hervorgerufen durch unsere Erziehung und durch kirchlichen Prägungen, die unmittelbare direkte Erfahrung der Christus-Wirklichkeit beeinträchtigen. Das Herzensgebet erlaubt uns wieder Zugang zu finden zur unmittelbaren, direkten Begegnung mit dem Christus, der dadurch in uns zum Erblühen kommt, wenn wir dazu bereit sind. Unser Beitrag aber wird Geduld sein müssen. Es ist wie bei einer zwischenmenschlichen Begegnung: Zwei, die sich voneinander angezogen fühlen, nehmen sich zuerst wahr, gehen zart aufeinander ein, bis die Seelen der Zwei in Schwingung kommen. Feinfühlig gehen sie dann in Resonanz mit der jeweiligen Schwingung des anderen. Sie treffen sich in der Mitte, im Binnen-Raum, zwischen ihren Herzen, wodurch die Beziehungsebene ins Wachsen kommt. Vielleicht wächst da eine Rose – oder wie auch immer wir es bildlich wahrnehmen. Es ist Hingabe-Bereitschaft, die eine Begegnung ermöglicht, in der es zu einem vertraulichen Austausch, zu Intimität kommt.
Beim Herzensgebet ist die Bereitschaft, eine Liebes-Beziehung zu wagen zentral.

Genau so ist es bei allen Arten von zwischenmenschlichen Liebes-Beziehungen: Wir brauchen den Mut, unser Sicherheits-Dispositiv hinter uns zu lassen, uns verletzlich zu zeigen, uns rückhaltlos zu öffnen. Erst dann kann das Herzensgebet, das seine dazu beitragen.

Tonglen
Diese Atem-Meditation, welche die Entfaltung des Mitgefühls bezweckt, wird vor allem im tibetischen Buddhismus praktiziert:
Beim Einatmen verbinden wir uns mit dem Leiden, dem Schmerz von Lebewesen. Wir nehmen uns dieses Leid zu Herzen. Wir fühlen mit, lassen dieses Leid, diesen Schmerz im Lichte unseres Herzens wandeln in Segen, Glück und Wohlwollen für die betreffenden Wesen. Auf diese Weise atmen wir verströmend, schenkend, gebend aus.
Wir können mit uns selbst beginnen, indem wir unser eigenes Leiden anerkennen, verstehen, es in unserer Herzens-Lichtkammer in Glück und Segen verwandeln, den wir liebevoll uns zuatmen. Dasselbe könne wir tun für das Leiden unserer Freunde und unserer Feinde, auch für Gruppen von Menschen oder Völker – schliesslich für das globale Leid, für den gepeinigten Planeten, die ausgebeutete Natur.

Bei dieser wunderbaren Meditation ist es wichtig, dass wir das Tonglen gut vorbereitet beginnen. Wir erden uns zuerst gut, verbinden uns mit der Welten-Seele, öffnen unser Herz und lassen es warm und anteilnehmend werden. Dann beginnen wir die Tonglen-Atmung wie beschrieben.

Auf diese Weise kann der Graben zwischen uns und den anderen überwunden werden. Wir erleben, dass wir alle zusammengehören.

Das Herzensgebet und das Tonglen sind zwei Wege, wie wir uns bei der Heilung von uns selbst, wie auch dem Planeten beteiligen können/dürfen. Dabei kann es geschehen, dass wir uns als leuchtende und strahlende Wesen erleben können, was unserer wahren Natur entspricht.

Natürlich gibt es zahlreiche Literatur für die hier in Kürze vorgestellten Atem-Meditationen.

*Uns werden immer jene Qualitäten zuerst zufallen, die wir gegenwärtig besonders benöti-
gen und sie werden jene körperlichen und seelischen Regionen berühren, in denen ein
Mangel und ein Bedürfnis zu erkennen ist. Dies ist eine der Weisen, wie die Liebe wirkt.

 

ATEM – 1. Teil

Die Arbeit mit Atem halte ich für eine grundlegende und bedeutende spirituelle Praxis, die immer und überall und bei jeder Gelegenheit anwendbar ist. Dennoch, meine ich, ist sie unterschätzt, ausser in den mystischen Traditionen aller Glaubensrichtungen, wo der Atem als heilig gilt.

Wir sind atmende Wesen. Von grosser Wichtigkeit bei der Atem-Praxis ist auch der Aspekt der Transformation und Wandlung. Insofern könnte dieser Text auch als Teil 4 der Artikel-Serie zum Thema Wandel angesehen werde. Da das Thema aber so wichtig ist und so viele Anwendungsbereiche hat, soll es einen eigenständigen Raum einnehmen.- Übungs-Empfehlungen sind kursiv aufgeführt.

Der zweite Teil des Artikels wird in einer Woche folgen.

Vor vielen Jahren erlebte ich in einer Atem-Sitzung meiner Körper-Psychotherapie-Ausbildung auf einmal, wie sich das Einatmen verwandelte: Es war nun nicht mehr einfach Luft, die in mich eintrat, sondern Nahrung, Seelen-Nahrung, die in mich einfloss beim Einatmen, Substanz des Lebens. Sie erinnerte mich an die Muttermilch in den ersten Lebensmonaten meines Lebens. Dieses Mal aber war es weniger physische Nahrung, als vielmehr Lebens-Substanz. «Mit jedem Atemzug empfange ich Leben», so wurde es mir damals bewusst. Die «Luft» trat nicht einfach nur durch die Nase in mich ein, sondern durch alle Poren meines Körpers.

In einer späteren Lebensphase erlebte ich beim Ausatmen Schwere und Beengung, die von mir abfiel, wie auch eine befreiende Ausweitung und Ausdehnung meiner Seele. Mein Atem bekam die Qualität von Licht. Licht-Atem.

Als ich mich, nochmals in einer späteren Lebensphase, mit dem Herzensgebet und damit mit der «Christus-Atmung» beschäftigte, erfuhr ich die transformative Wirklichkeit des Atems.
Ich erkannte, wie sich mein Atem von der Ego-Angst-Steuerung ablöste und zur kosmischen Atmung wurde, gehalten und gelenkt von der Herzenskraft, der universellen Liebe und Barmherzigkeit. Obwohl diese Erfahrungen jeweils zeitlich begrenzt waren, veränderten sie mein Leben massgeblich. Atem, Licht und Liebe verschmolzen zu einer einzigen Bewegung des Lebendigen. Es war eine Erfahrung, die mir offenbarte, wie sich Leben aus der Quelle anfühlt: unaussprechlich schön und frei, Glück, unbegrenzt.

Ich empfehle meinen Leserinnen und Lesern für eine bestimmte Zeit, z.B. 10 Minuten, beim Atmen diesen mit Licht und Liebe zu verschmelzen. Denke: Licht-Liebes-Atem. Günstig ist es, nach einiger Zeit, diese Weise zu atmen, zu wiederholen, ja, immer wieder in kleineren oder grösseren Abständen zu wiederholen.

Atem nährt, verbindet und transformiert. Er kann dich von der Ego- zur Wesensatmung führen.

Der Atem ist eine Art rhythmisches System, welches die drei grossen Bereiche des menschlichen Lebens umfasst: Körper, Seele und Geist.

Der atmende Körper
Beim Laufen und Bergsteigen etwa, oder beim Tanzen, spüren wir wie unser Körper aufgeladen wird mit Sauerstoff, mit Vital-Energie, wie auch mit Lebensenergie (Ki). Wir spüren unsere Kraft. Wir fühlen uns energisch, erregt und zupackend, in vollem Körperbewusstsein.

Die atmende Seele
Im Kontakt mit unserer Seelen-Atmung können wir leicht verschiedene Punkte, Organe, Orte, Pole und Menschen miteinander in Verbindung setzen. Fühlen wir zum Beispiel unsere verletzte Hand können wir den Atem zu ihr leiten, ihr so Aufmerksamkeit und Energie zukommen lassen. Ebenso ist es möglich einem Menschen Atemkraft zuzuführen, wenn wir liebevoll an ihn denken. Die Energie folgt der Aufmerksamkeit! Wir können den Atem zu Orten lenken, die wir visualisieren.
Beim Ein -und Ausatmen verbinden wir Innen- und Aussenwelt und wir können leicht fühlen, dass wir die Luft mit anderen Lebewesen teilen. Die Luft als das verbindende Element – im Atem erfahrbar. Während wir bei flachem Atem unsere Gefühle drosseln, verstärken wir unsere Emotionen und bringen sie zum Fliessen bei vollem und bewusstem Atem. Voller und bewusster Atem verlebendigt, dynamisiert und öffnet Blockaden, leitet Heilung ein.

Geist-Atem
Der geistige Atem ist das Innerste, Subtilste unserer Atmung: Odem, Hauch. Er ist zartestes Strömen. Im ersten Atemzug unseres Lebens kommen wir auf diese Welt. Geist-Atmung ist Schöpfungs-Atem. Er gibt uns das Leben. Er hilft uns, in Beziehung zu Gott zu kommen, zu unserem Ursprung. Wir erfahren ihn oft auch als geistiges Licht, welches mit physischem Licht nicht zu verwechseln ist. Das geistige Licht berührt uns zärtlich! In der äussersten Verfeinerung von uns (manchmal erleben wir diese äusserste Feinheit wie ein Nichts), spüren wir den Geist-Atem als machtvoll-zart und beglückend. In ihm sind wir aufgehoben. Deshalb sprechen wir auch vom heiligen Atem; er ist zugleich universell und persönlich. Atem-Bewusstsein ist da ein treffender Begriff. Im geistigen Atmen sind wir dauernd in Verbindung mit der Kraft und Liebe, die uns hervorgebracht hat und auch jetzt hervorbringt. Im Atem der Dankbarkeit können wir nichts anderes, als präsent sein.

Die Gleichzeitigkeit von bewusstem Atmen und dem Empfinden strömender Dankbarkeit bringt uns ohne weitere Bemühungen ins Hier und Jetzt. Es ist ein Versuch wert.

***

Ich möchte hier die Unterscheidung zwischen dem persönlichen kleinen Atem und der grossen Wesens-Atmung treffen.

Der kleine Atem ist eine Art von Drehen um sich selbst. Der Drehpunkt ist die Illusion, dass wir vom Ganzen getrennte, also isolierte Existenzen sind. In diesem Drehen ist viel Angst enthalten, die wir aus- und wieder einatmen.

Der Wesens-Atem, den ich als gross bezeichne, ist eher spiralförmig. Sein Mittel- und Drehpunkt ist das Herz als Verkörperung der bedingungslosen Liebe. Von ihm geht der Lenkungs-Impuls und das erweiterte und kosmische Bewusstsein aus.

Die Wirkung des bewussten Atmens auf die geistige Verfassung des Menschen kann rasch und überraschend eintreten, wenn wir bereit sind beharrlich unseren Atem ins Bewusstsein zu heben. Es verbindet uns mit dem Innersten, das wir sind, lässt uns unsere Wesenheit erleben. Er beseelt uns.
Der Atem erweckt, wenn wir uns bewusst sind, die Seele.

Es wird gesagt: Wenn Gott ausatmet, kommen wir, ja das ganze Universum, ins Leben (zur Welt), atmet Er ein, so kehren wir zu Ihm zurück. Wenn wir Menschen einatmen, kommen wir zur Welt, wenn wir ausatmen, kehren wir – insbesondere, wenn wir Sterben – zum Schöpfer/zur Schöpferin zurück.

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Im nachfolgenden Text-Teil werde ich auf das Herzensgebet (eine christliche Tradition) eingehen und auf das «Tonglen» (eine buddhistische Tradition). Beide Methoden stellen grossartige Entwicklungswege der Wesens-Werdung des Menschen dar. Beide Methoden betonen die Entfaltung des Mitgefühls.

Titel-Bild: «Atemzug», eine Zeichnung von Werner Binder