Die beiden Tore: Abschied und Neu-Beginn

Die Zweiheit ist eine göttliche Anordnung, die dem Menschen gegeben wurde, um zu lernen. Zum Beispiel Beziehungsfähigkeit, die auf Unterschiedlichkeit, oder auf Gegensätzlichkeit beruht, zu lieben also, wenn es anscheinend nicht passt, versöhnlich zu sein, selbst wenn es schmerzt. In diesem Artikel will ich die übermächtigen Tendenzen des Weltgeschehens betrachten, die uns, ob es uns bewusst ist oder nicht, in Atem halten: Das Abschiednehmen und die Resonanz mit dem Neuen, das sich abzeichnet.

Das Tor des Abschieds
Viele spüren, dass die einseitige materielle Ausrichtung auf Rendite, äusseren Erfolg, Ansehen und Macht ein Ende haben muss, da wir nicht mehr verbrauchen und vernichten dürfen, als es das Wachstum erlaubt. Der Kapitalismus, der sich zum seinem wohl letzten, wankenden Höhepunkt herauf schraubt, dem Überwachungs-Kapitalismus, kommt seinem Ende nahe, da er sich selbst verschlingt.
Ebenso kommt das Prinzip des Herrschens und Beherrschens, der eisernen Kontrolle zum notwendigen Zerfall, weil Mensch und Erde sich auf die Dauer nicht der Machbarkeit unterwerfen können, weil sie lebendige Organismen sind und nicht einseitig rational steuerbar sind.
Ich glaube, dass es nicht nötig ist, die Zerfalls-Symptome aufzuzählen. Sie sind all-gegenwärtig und überall wahrzunehmen. Die Zeit ist nahe, wo auch Abgebrühte, nicht mehr in der Lage sein werden, den Zerfall zu bagatellisieren.
Manche sprechen von Ökozid.

Nun sind die anteilnehmenden Betrachter, die sehen, wie sich die Türe zum Tor des Abschieds öffnet, ihrer Trauer und ihrem Schmerz ausgesetzt. Ihr Leiden ist bewusst und es ist gepaart mit Mitgefühl. Sie geben der sterbenden Kreatur eine ursprüngliche Stimme. Sie sind erschüttert. Sie stellen sich dem Prozess des Abschieds; sie fühlen mit. Sie seien gesegnet, getröstet.

Ohne sie, kann das Neue nicht erscheinen! Ohne sie verliert die menschliche Kultur ihre Wurzeln, das Gefühl für den Ursprung, für die Basis, für die Herkunft. Ohne sie, verliert die Menschheit ihr Herz.


Das Tor des Neu-Beginns
Der Neu-Beginn der kommenden Entwicklungsphase des Menschen beinhaltet, so vermute ich, ein sich ausdehnendes, umfassendes Gefühl für das Ganze, das integrale Bewusstsein. Mein inneres Auge sieht liebende Menschen, deren Seelen vibrieren.
Die Lichtpartikel/Zellen in uns sehnen sich danach, sich auszudehnen, ihr Volumen zu vergrössern. Es gibt den Drang in den Lebewesen, sich wieder aufzurichten und den Atem frei fliessen zu lassen.
Liebeslicht wird den erneuerten, den neu-geborenen Menschen erfüllen.

Das sich langsam öffnende, Wohlwollen, Güte und Empathie verströmende Licht-Tor, wird die Herzen der Betrachter beglücken. Sie werden aber ihre Aufnahmekapazitäten erhöhen müssen, um die einströmende Lichtkraft zu fassen und zu integrieren. Sie haben ihre alte Konditionierung, also den Zwang, ihre Wesenheit zu schmälern, sie zu reduzieren und zu unterdrücken, abzulegen und zu überwinden.

Die Betrachter des goldenen Tores spüren, dass ihre Spezies vor der grossartigen Herausforderung steht, leben zu lernen.
Beim Schreiben des eben gesetzten Satzes ist mir bewusst geworden, was ich geschrieben habe und ich möchte es nochmals, ähnlich gesagt, wiederholen:

Wir Menschen stehen vor der grossartigen, schönen und anspruchsvollen Aufgabe Leben zu lernen. Dazu gehört vordringlich, dass wir es wagen, unsere Herzen zu öffnen. Es ist gut, wenn wir uns dabei helfen.

Nun denken wir Menschen ernsthaft daran, uns das Sonnensystem «untertan» zu machen und müssen feststellen, dass wir gar nicht gelernt haben, zu leben, weil wir uns zunehmend von unserer Seele abgetrennt haben. Wenn es so ist, müssen wir also Leer-Raum, Empfangs-Raum in uns schaffen, indem wir uns befreien von Gedankenmüll, der sich in uns festgesetzt hat. Das Leben liegt gleichsam unter einer Glocke aus bleischweren Gedanken, Zahlen und Messwerten. Im gereinigten Raum, kann das ursprüngliche, reine Leben uns lehren, was Leben bedeutet.

Es ist nicht eben leicht für unser Grössenselbst zuzugeben, dass wir so vieles können, nur nicht wahrhaftig leben.
Die, welche sich dem reinen Leben zuwenden seien gesegnet.

Solche Perspektiven mögen auftauchen, wenn wir den Raum hinter dem goldenen Tor, stückweise erkennen.

Dazwischen
Wenn es dem Betrachter gelungen ist, durch die sich öffnenden Tore Einblick zu nehmen, dabei berührt zu sein und gleichzeitig unerschrocken das Gesehene anzunehmen, dann wird sich zwischen den Polen des Abschiedes und des Neu-Beginns ein dynamischer hoch-intensiver Zwischen- oder Begegnungs-Raum bilden.
Dieser Zwischenraum, wird er in Liebe gehalten, wird fruchtbar werden. Im Kreis des Umarmten bildet sich neues Leben, neue Form. In diesem Fall ist es vielleicht eine Brücke, die den Übergang ermöglicht.

Ohne diese haltende Mitte, würde sich vielleicht ein Abgrund auftun.

Ich stelle mir vor, dass auf der Mitte der Brücke ein Licht-Feuer brennt. Oder: eine Person steht in der Brückenmitte und breitet seine Arme aus.

Der Prototyp des all-umarmenden, alles versöhnenden Wesens ist für mich Christus, der auch in uns lebt.

Wir Menschen sind -zumindest viele von uns- Übergangswesen, weil wir in dieser Epoche des Übergangs geboren wurden.

„Die Übergangswesen* sind Begleiter*innen, von denen gefordert ist, Spannungen auszuhalten und zu halten in Hoffnung. Sie stehen zwischen dem Alten, das sich verabschiedet und dem Neuen, das in Geburtswehen liegt. Sie empfinden und bejahen den nötigen «Spannungs-Schmerz», der sich im Prozess des Übergangs ausdrückt.
Viele Menschen – sicher auch Leser*innen dieses Blogs – spüren diese Zeit des Übergangs als eine Erschütterung und als eine Aufforderung handelnd und betend Verantwortung zu übernehmen und mehr noch: sich selbst dem Wandlungsgeschehen zur Verfügung zu stellen, denn wer wandeln will, wird gewandelt, wer das Neue ersehnt, wird erneuert. Die Übergangswesen, sind Begleiter*innen, von denen gefordert ist, Spannungen auszuhalten.“
aus meinem Blog Übergangswesen (siehe unten)

Für Übende:
Eine meditative Imagination: Du siehst die beiden, halb geöffneten Tore vor Dir. Du lässt ihren Gehalt auf Dich einwirken. Du bist ganz geöffnet, Anteil nehmend. Sobald Du die Ausstrahlung beider Tore gleichzeitig spürst, wendest Du Dich dem Beziehungsfeld der Mitte, dem Beziehungsraum, zu. Die Konzentration liegt auf Deinem Herzen. Lass die Dynamik der Mitte zu, halte die mögliche Spannung aus und höre, was die „Dritte Kraft“, die der kreativen Mitte, dir sagen möchte.- Wenn es Dir sinnvoll erscheint, wiederhole diese Meditation während Tagen einige Male.

*Vergleiche Übergangswesen, Blog vom 18. Januar 2020. Siehe unter «ältere Beiträge» unterhalb der Schlagwörter.

Beitragsbild: Aquarell WB

 

Ein Gedanke zu „Die beiden Tore: Abschied und Neu-Beginn“

  1. Lieber Werner, ja, es ist nicht eben leicht für unser Ego, anzuerkennen, dass wir so viel können, nur nicht wahrhaft leben. Schön: Ich stelle mir vor, dass auf der Brücke ein Licht Feuer brennt und wir als helfende Übergangswesen können mithelfen, dieses Feuer am Leben zu erhalten. Dann die andere wunderbare Idee… dort ist ER, der „Prototyp“ des all umarmenden Wesens, Christus, der auch in uns lebt. Wie wahr, dies tut ER wirklich. Gefällt mir: Wer wandeln will,.., wer das Neue ersehnt..Danke dir auch für die ansprechende „Brücken Meditation, lieber Werner. Herzlich und dankbar Maja.

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