Barmherzigkeit

Barmherzigkeit ist eine komplexe, vielschichtige Wirklichkeit. In allen spirituellen Strömungen, die ich kenne, wird mit Nachdruck auf ihre zentrale Kraft hingewiesen. Wie schon der Name sagt (Barm-Herz-igkeit), wird sie dem Herz zugeordnet. Gott und Christus tragen oft den Bei-Namen: der Barmherzige, der All-Erbarmer.

Im Folgenden möchte ich die eminente Bedeutung vom Barmherzigkeit umkreisen, die wunderbare Wirklichkeit, die sie meint, gerade auch für unser heutige Zeit.

1997 machte ich eine drei-monatige Retraite in einem Berghaus in den Alpen. Daraus entstand das Buch «Im Atem der Barmherzigkeit», das innere Thema meines kontemplativen Rückzuges.

Nachdem ich mich mit der Wirklichkeit der Barmherzigkeit angefreundet hatte, schrieb ich in mein Tagebuch:

«Es ist ein Herzensfluss, der aus dem Ursprung kommt. Seine Wesensnatur ist Fliessen, Strömen, filigranartig.
Es ist ein Fliessen, das aus dem Ausatmen kommt: Ein zart-fliessendes, hauch-artiges Ausatmen einer behütenden, einhüllenden, mütterlichen Qualität. Es ist weich-webendes Licht in zarten Farben. Zärtlichkeit. Es schafft Räume der Geborgenheit, Heilung und Erholung. Erbarmen, das aller Heilung zugrunde liegt. Es verströmt, fliesst in alle Richtungen gleichzeitig, empfängt sich aber von oben, von wo es ins Herz fliesst und dort rundum ausfliesst.

Dieses Strömen durchwirkt den Kosmos jederzeit: mitfühlendes, heilendes Erbarmen für die Schöpfung. Wer davon berührt wird, es zulässt, ist nicht mehr einsam, fühlt sich getröstet.
Rachme (aramäisch für Barmherzigkeit) tröstet, fängt auf, bringt die Zellen des Lebens in weiches, warmes, entspanntes Pulsieren. Es ist weiches Licht, welches die Barmherzigkeit charakterisiert. Die Farben sind oft in Pastell: weiss-rosa, gold-durchwoben, manchmal ein helles Blau-Grün.

Rachme bildet die Grundlage, die «fliessenden Räume», welche die gegenwärtigen Prozesse ermöglichen, die jetzt nötig sind.
Sie ermöglichen, die jetzt stimmigen Prozesse, die der inneren Notwendigkeit des Momentes entsprechen.
Barmherzigkeit ist die Hebamme der Zeit-räumlichen Welt und verbindet diese mit der Welt in Gott, mit Seinem Heiligen Geiste.

Barmherzigkeit ist überall und immer. In ihr spricht die göttliche Stimme: ICH BIN DA.
Wer Barmherzigkeit und Erbarmen empfindet, atmet auf: Gott ist da – es ist gut.
Rachme ist die weiche Kraft des Südens, die Vertrauen bildet – Wachstumskraft.

Rachme ist die sich offenbarende Liebeskraft Gottes, Sein ICH-BIN-IMMER-DA. Sie erschüttert, schmilzt, weicht auf.
Durch alle Mauern der Welt: Sein heilendes, tröstendes Licht, welches selbst das Allerdunkelste nicht meidet, den Opfern und Tätern sich anbietet als sich selbst verschenkende Liebe, die rückhaltlos, bedingungslos alles – sich selbst – gibt und nichts zurückbehält, da sie alles ist und sich ständig erfüllt in unbegreiflicher Liebe.

Christus ist Gottes Erbarmen, die ins Dunkle herabsteigende Kraft; das Licht in der Finsternis, das nie vergeht.

Ich habe erfahren, dass das Herzensgebet (siehe Blog vom 5. Jan. 19: Atem, Teil 2 *) , in dem die Formel «Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner (unser)» solange gesprochen oder gedacht wird, bis es sich selbsttätig in unser Herz eingewobene hat und somit gleichsam sich immerzu selbst betet … die Kraft hat, uns über unsere Ego-Grenzen hinauszuführen in die kosmische Präsenz, die sich jenseits der Angst öffnet als segensreiche und heilende Gegenwart.

Das Universum ist durchwirkt und durchströmt von Barmherzigkeit, die sich auch in uns mikrokosmischen Menschenwesen widerspiegelt. Allerdings will die Barmherzigkeit in uns geweckt werden und das Herzensgebet ist eine wunderbar mystische Methode dafür. Dieses hat die Kraft, uns zu transformieren. Es ist die Kraft der göttlichen Mutter, die wir anrufen, wenn wir Barmherzigkeit, rachme oder ir-rahman sagen.

Sowohl rachme (aramäisch), wie auch Rachman (oder Rahman), arabisch, geht auf die Wort-Wurzel zurück, die Mutterschoss oder Gebärmutter bezeichnet. Ich glaube, dass das hebräische Wort für Barmherzigkeit auch auf den Mutterschoss Bezug nimmt.

Eine sehr geschätzte Leserin meines Blogs erwähnte folgenden Satz meines letzten Blog-Beitrag «Der erwachte Mensch ist ein gebärendes Wesen» und schrieb dazu:

«Das ist genau, was mit Barmherzigkeit gemeint ist!
Im Althochdeutsch bedeutet Barm: der Geborene. Barmen ist auch austragen, gebären, eng verbunden mit Mutterschoss.
Barmherzigkeit haben wir mit «mitfühlen» zu einem Gefühl heruntertransformiert – ein Jammer! Gottes Barmherzigkeit ist: Der Mutterschoss der Einheit trägt uns aus im Werden des Seins.»

Natürlich beinhaltet Barmherzigkeit auch den wichtigen Aspekt des Mitgefühls, geht aber weit darüber hinaus.

Es ist erstaunlich, aber doch nicht verwunderlich, dass offenbar in vielen Sprachen das Wort für Barmherzigkeit oder Erbarmen eine Verbindung zu Geburt, Schwangerschaft und Mutter hat, woran wir erkennen können, dass tiefes Wissen in die Sprache eingegangen ist.

Barmherzigkeit ist eine göttliche Kraft und eine sehr hohe Qualität, die das menschliche Fassungsvermögen übersteigt und nicht alleine durch Erziehung erlangt werden kann. Sie ist eine Gabe des Heiligen Geistes, ein Geschenk der göttlichen Mutter, die uns mit dieser Gabe auch den Weg in die Herzens-Geburt weist.
Die Wirklichkeit der Barmherzigkeit ist die Voraussetzung für jegliche heilende Tat. Sie schafft uns den Raum für unserer Ganzwerdung – individuell und kollektiv für unseren Menschheits-Leib.

Ausserdem bringt uns das Ereignis der Barmherzigkeit selbst in die zweite Geburt, die Geburt unseres wahren, lichten, göttlichen Wesens, das in uns hervorgerufen werden möchte – eben mit der Hilfe der Barmherzigkeit. Sie zu empfangen ist wohl die schönste Aufgabe, die uns Menschen gegeben ist. Aber diesen Weg müssen wir nicht alleine machen, da viele Wesenheit uns ihre Hilfe anbieten, wie die Bodhisvattas des Mitgefühls. Ich denke dabei an Avalokiteshvara oder Kanzeon, erleuchtete Wesen, die einzig deswegen auf Erden sind, um Hilfe, Trost und Mitgefühl den Menschen darzureichen, die bereit sind, diese Gaben zu empfangen. In den anderen Religionen haben sie andere Namen, in der christlichen Spiritualität ist es Jesus Christus, der als Inbegriff der Barmherzigkeit gilt. Er wird um Hilfe gebeten mit: Christe eleyson (Christus erbarme dich).

Barmherzigkeit kann man sich gar nicht als hoch und wunderbar genug vorstellen.
Der (gewandelte) Atem der Barmherzigkeit führt uns vielleicht an das Ufer des Meeres der Barmherzigkeit und Gnade, wo es uns gewährt werden kann, dass wir Heiligkeit atmen können, die heilige Macht des Lebens und des Menschseins. Es ist auch die liebende und mütterliche Macht, die uns die Geburt zum wahren Menschsein verleiht.

Beten wir in Hingabe aus dem Herzen und erleben wir (ich schrieb im letzten Blog darüber) wie Atem, Liebe und Licht eins werden, so kann es geschehen, dass wir aus dem «kleinen Atem», der unser egozentrisches Leben umkreist, hinaus gehoben werden in den grossen Atem der Barmherzigkeit, der von kosmischer Dimension ist und uns in Verbindung bringt mit dem göttlichen Ursprung aus dem wir kommen. Da werden wir aus der Barmherzigkeit trinken können, unseren wahren Durst stillen.

*Siehe unter «ältere Beiträg» unterhalb dem Schlagwort-Verzeichnis. Jan. 2019 anklicken und nach unten scrollen.

Beitrags-Bild: Rosenblatt in Gold geädert von W.B. 

Liebeskummer

Ich bin ein Liebender mit Liebeskummer. Das ist eine sehr persönliche Aussage. Die Liebe zwischen meinen Eltern fand nicht in die Blüte, obwohl sie eingepflanzt war -irgendwie.

Meine Liebe galt primär den Frauen, wo sie Wurzeln bildete. Ebenso galt meine Liebe Mutter Erde, wo sie auch, mindestens ansatzweise, Wurzeln bildete.

Ich fühle mich auch als Teil der Erde und der Menschheit. Es scheint mir, dass ich, du, wir, die Verbindung zu dem, was uns trägt verlieren. Das was uns trägt, materialisiert sich in Mutter Erde und es scheint, dass es uns verloren geht.

Ich sehe die Erde als eine schwarze Perle, die das Weisse, das Licht, in sich trägt. Diese Perle wird gehalten von Christus und von allen Liebenden.
Der Glanz der Perle wird vom vordergründigen Strom (dem Mainstream) abgelehnt, da sie nicht ins favorisierte Weltbild passt. Das bereitet mir Kummer. Liebes-Kummer. Nicht nur mir.

Diesen Kummer, diese Trauer spüre ich ringsum:

  • Wenn ich spirituelle Musik höre (Tchaikovsky, wie im letzten Blog eingeblendet), Bach, Pärt, Abdullah Ibrahim, und, und…
  • Wenn ich mich in das Corona-Feld einschwinge.
  • Wenn ich mein Herz gegenüber allen Lebewesen dieser Welt öffne,
  • ich meinen Durst, deinen Durst unseren Durst wahrnehme nach Leben, Freude und Friede.
    Die Vision des wahren Menschen hat sich zurückgezogen, um sich zu schützen. Doch sie ist bereit, wieder gefunden zu werden. (Vergl. letzter Blog). 
    Die Wieder-Erinnerung an unsere wahre Existenz und Herkunft, also an die Vision des wahren Menschseins, kann uns helfen, das System, das droht, sich ganz zu verriegeln, wieder zu öffnen. Lasst uns also Mantras singen. Singen ist die rechte Antwort auf Verlust und Trauer.
    Wenn Klänge aus höheren Welten zu mir dringen, spüre ich, wie ich mich öffne für das Ganze, das ich oft als Schönheit bezeichne. Dann verwandelt sich meine Trauer (mein Liebeskummer) zu Freude. – Oft geht Trauer der Freude voraus.
  • Die Luft, in ihrer höchsten Manifestation ist Geist. Ohne sie ersticken wird. Auf tieferer Ebene beobachten wir, dass Lungenkrankheiten zunehmen.
    Vor einigen Jahren schlug der Schlager von Helene Fischer «Atemlos durch die Nacht» wie ein Blitz aus dem Pop-Himmel in den Mainstream ein. Vielleicht war es weniger die Melodie als vielmehr die Worte, die eine markantes Empfinden des kollektiven Unbewussten zum Ausdruck brachten: Viele individuelle Menschen fühlten sich angesprochen im Bild, einsam und atemlos durch die Nacht zu gehen. Ich möchte weiter gehen und fragen, ob es nicht der Menschheitskörper als Ganzes ist, der atemlos durch die Nacht zieht und kaum mehr genügend vom grossen Atem durchpulst ist.
    Das Welt-System, die globale Gesellschaft verkapselt sich, schliesst sich ab. Weil es die Seele ausschliesst. Damit verliert es die nötige Atemluft, letztlich den Odem, den göttlichen Einhauch, wodurch das System möglicherweise kollabieren wird. Der dominierende Materialismus schliesst ab, verhindert die Bewegung des Lebendigen. (Ist das verständlich ausgedrückt?)Es ist vor allem die göttliche Mutter, die diesen Liebeskummer trägt: Maria, die Jungfrau, Tara, Kanzeon /oder Kanon). Die Mutter mit all ihren Namen. Wer die Trauer trägt, trägt auch die Heilung in sich:
  • wenn ich stille bin und es geschehen lasse,
  • wenn ich dich streichle, umarme
  • und spüre, bei geschlossenen Augen, wie du mich streichelst,
  • wenn ich dem äusseren und dem inneren Fluss folge,
  • mich trösten lasse, mich hingebe,
  • mich bedanke,
  • mich in meine Seele tragen lasse.

Hinter allem, was Menschen tun zu glauben müssen – Vorsicht walten zu lassen, sich ängstlich um etwas zu sorgen, Kontrolle auszuüben, strategisch vorwärts zu streben, sich abzusichern (auch gegen den Tod) – , spüre ich die bewegende Trauer, den Liebeskummer und die damit verbundene Zärtlichkeit.

Es ist die Trauer über das, was der Menschheit fühlbar verloren geht: Die Verbundenheit mit dem Leben und seiner Quelle.

Diese wenig bewusste Trauer erzeugt die Kompensationen, den Überbau, die Last, unter der Mensch zu ersticken droht.

Kriechen Menschen, so stelle ich mir vor, unter dem Überbau hervor in die freie Luft und in die Weite des Lebendigen, Atem holend, weinend, verbunden mit der ursprünglichen Sehnsucht nach dem, was sie erfüllt, werden sie zu sich kommen. Ankommen.

Es ist ein Strömen in allem, wissen die Angekommenen. Alles, was ist, ist Gegebenes, Kraft, die erhebt, aufrichtet, tröstet und heilt. Dies ist erfahrbar in der Tiefe des Seins.

Dieser Ein-Fluss (der grosse Atem) ist massiv gebremst, durch das System, dass sich angstvoll zusammenzieht, sich verengt, verkrampft. Es ist eine Tendenz der Selbst-Erstickung zu beobachten. Es ist der Wahn, der so wirkt, als hätte es zu wenig. Also Panik. Das gesellschaftliche bi-polare System schwankt zwischen Hypererregung/Stress und Lähmung/Starre. So wirken Traumata, so wirken starke Existenz-Ängste, – Abwesenheit von Vertrauen. – Die traumatisierte, globale Gesellschaft.

Es ist ein Strömen in allem. Alles, was ist, ist Gegebenes, Kraft, die erhebt, aufrichtet, tröstet und heilt. – Dieses Wissen hat sich mancherorts zurückgezogen. Es wartet über mir/uns und hinter mir/uns mit offenen, darreichenden Händen.

Und es ist schon sehr traurig, wenn grosse Teile der Menschheit so leben, als wäre da nichts, als wäre da niemand, der hört.

Manchmal verspüre ich Liebeskummer.

Die neoliberale Ideologie und der Christus-Impuls

1.
Im kapitalistischen System geht es um die Akkumulation von Macht und Finanzen, nicht nur um Gewinn, sondern um die kontinuierliche Maximierung des Gewinns und um die Ausdehnung der Macht und des Einflussbereiches einer Elite. Eine neue Klasse ist entstanden, die der Multi-Milliardäre, des Geld-Adels. «Tatsächlich zielt der Neoliberalismus gar nicht auf «freie Märkte». Er zielt vielmehr auf eine radikale Umverteilung, und zwar von unten nach oben, von der öffentlichen in die private Hand und von Süd nach Nord». *

Wer sagt, dass der Kapitalismus überwunden werden müsse, macht sich bei Vielen unbeliebt und erntet Zweifel an seiner Gesinnung. Jene also -und es sind sehr viele Leute- die sich mit dem Kapitalismus identifizieren, finden also die Akkumulation von Macht und Vermögen bei Wenigen, den Superreichen, in Ordnung oder sogar erstrebenswert, selbst wenn sie in den Augen der Reichen zu den Verlierern gehören, den Kleinst-Konsumenten.

Wer sich als Verbraucher und Konsument sieht in einem Ausbeutungs- System, welches auch kriminelle Machenschaften nicht scheut und sich der ständigen Rendite und der Plünderung der dritten Welt und der Natur schuldig macht, wertet sich in einem unvorstellbaren Masse ab und diese Selbst-Entwertung und Selbst-Entwürdigung findet in den Dunkelkammern der Verdrängung statt. Er präsentiert sich als Mitmacher.

Verletzen wir nicht unsere Seele, wenn wir einem System zustimmen, welches Ungerechtigkeit in hohem Masse erzeugt und uns zu Verbrauchern macht?

Wer sich als einen neoliberalen Kapitalisten sieht und keinen Einspruch erhebt, wenn er als ein solcher bezeichnet wird, unterstützt die Vorherrschaft des Geldes und des materiellen Strebens auf dieser Welt und gleichzeitig wertet er sich ab, mindert sich ab zu einem der Tänzer, die ums goldene Kalb kreisen. Millionen oder gar Milliarden von Menschen entwürdigen sich auf diese Weise, indem sie ihr Menschenbild weitestgehend auf der Ebene der materiellen Gier belassen.

Ich sehe dies als kollektive Selbst-Entwertung. Die neoliberale Ideologie bestätigt, dass es okay sei, sich mit der Identität des braven Konsumenten zu begnügen, welcher die Umverteilung des weltweiten Vermögens von unten nach oben widerspruchslos hinnimmt.

Die neoliberale Weltordnung ist hinter seinen glitzernden Fassaden, ein sich selbst-entwertendes System, denn es greift die menschliche Würde an und die Integrität des Lebens schlechthin.

Im post-christlichen Zeitalter hat sich der abendländische Mensch von seinen christlich spirituellen Wurzeln weitgehend abgeschnitten und lässt sich vom Markt und seinen Ideologien treiben. Unverbunden, also bodenlos, ist er leicht manipulierbar. Er hat seine wahre, wunderbare Identität ausgetauscht gegen eine kleine, armselige, selbst-entwürdigende Identität, die seine wahre Menschlichkeit und innere Grösse unterdrückt.

Die Selbst-Entwürdigung ist eine Verletzung der Seele!

Diese Tatsache ist wohl auch die Ursache der Depressionen und Süchte, die sich so rasch ausbreiten.
Es ist eine ausgeprägte Diskrepanz festzustellen, zwischen dem äusseren smarten, selbst-inszeniertem Auftreten der Leute und ihrer inneren Einsamkeit, Verzweiflung und Depression.

2.
Nun zur christlichen Verheissung eines Lebens in Liebe, die zentrale Wurzel unserer einst christlichen Kultur, die zunehmend dem Vergessen anheimfällt:

Ich unternehme den Versuch, in Kürze die Essenz der Christus-Botschaft des Jesu so zusammen zu fassen, wie sie sich mir erschliesst, wenn ich mich nach innen wende und auf mein Christus-Selbst höre. Natürlich ist dieses Resumé subjektiv gefärbt, es trägt aber auch, wie ich vermute, allgemein-menschliche und über-persönliche Züge in sich.
Ich höre:

«Ich bin gekommen, um euch die neue, frohe Botschaft, die aus der Ewigkeit kommt, die auch in euch ist, zu verkündigen. Mein Reich der göttlichen Einheit ist nicht von dieser materiellen, flachen Welt der Trennung. Es kommt euch entgegen und wird euch erfüllen, wenn ihr bereit seid, es zu empfangen.

Ihr lebt, um zu lieben, zu verzeihen und zu heilen. Ihr lebt im Strömen der Barmherzigkeit und des Mitgefühls.
Ihr lebt, um zu teilen, sowohl euren äusseren, wie auch euren inneren Reichtum.

Ihr lebt, um zu erkennen, dass ICH bei euch und in euch bin alle Tage.

ICH BIN meint das lebendige Sein, das euch erfüllt. ICH BIN ist die Liebes-Quelle, aus der ihr seid.

Seid glücklich, feiert.

Alles vergeht. Das Vergehen enthüllt die Essenz, bringt euch in die Stille meiner unendlichen Anwesenheit, in die Gegenwart, die das ewige Leben ist.

Lebt euer Leben in Anmut, Armut und Bescheidenheit. Werdet Mitfühlende. Lebt wahrhaftig.

Alles ist da, nichts fehlt, wenn ihr euch in euren Seelengrund herablässt – im Vertrauen und in Hingabe.

Liebet euren Nächsten hingebungsvoll, wie auch euch selbst. Ihr seid das Licht und das Salz der Welt.

Wenn ihr erkennt und erlebt, dass ihr bedingungslos geliebt seid, werdet ihr eure Rüstungen (Widerstände) ablegen, nackt, verletzbar und der Machtlosigkeit ausgesetzt sein, aber mit leuchtendem Inneren friedvoll euren Lebensweg gehen und ihr werdet Spuren der Heilung und des Heilens hinterlassen.

Ihr werdet euch eurer Todlosigkeit bewusst und anfangen das Lied eurer Heilung, Wesenhaftigkeit und Auferstehung zu singen. Ihr werdet zu Wasser des Lebens.

Gebt euren äusseren Reichtum, euer Prestige und eure Ansprüche hin mit einem erlösenden Lächeln, das euch befreit und hellstes Licht in eure Seele und in die Welt zeichnet.»

3.
Neoliberalismus und echte Demokratie sind nicht kompatibel.
Unvereinbar sind der Christus-Impuls und die neoliberale Ideologie.

Ich glaube, der schmerzhafte Widerspruch zwischen der inneren Wahrheit, die wir erfahren, wenn wir stille sind und der äusseren Doktrin, die materiellen Erfolg empfiehlt, müsste ausgedrückt, müsste gesagt werden. Insbesondere von den Kirchen und religiösen Gemeinschaften. Aber auch von allen Menschen und Institution, die von einer körperlich-seelischen-geistigen Ganzheit des Menschen ausgehen. Die Zeit des Lavierens ist vorbei.

 

*Aus: Rainer Mausfeld: Warum schweigen die Lämmer. Westende-Verlag.

 

Auf dem Weg zum Seins-Grund

Der Mensch versucht üblicherweise seine Probleme mit Denken zu lösen. Es gibt gute und weniger gute Lösungswege, Vorgehensweisen und Strategien, die mit Hilfe des Denkens und des Verstandes ausgearbeitet werden. Sie alle führen zu neuen Problemen, Komplikationen, Schwierigkeiten, die dann wiederum denkend gelöst werden wollen. Der Wille zur Perfektion führt zur Konfrontation mit Unvollkommenheit.

Ja, die Probleme kreisen in unseren Köpfen und wir drehen um sie. Sehr viele Menschen kreisen egozentrisch um ihre eigene Macht (die Eigenmächtigkeit) und verlieren die Verbindung mit den tieferen Schichten in sich.

Es ist unmöglich, dass sich der Mensch dahin helfen kann, glücklicher und erfüllter zu leben, wenn er sich weiterhin den vorhandenen Denkgewohnheiten unterzieht. Die Unruhe, die unserer herrschenden Kultur zu Grund liegt, Stress und Hast erzeugt, führt zu nervösen Gedankenstürmen. Das Gedankenkreisen verweist auf mangelnden Grund, auf fehlenden

Seins-Grund

Ohne Kontakt mit dem Seins-Grund verliert jeder Gedanke an Kraft. Ohne Kraft trägt er nicht die Potenz in sich, Wandel herbeizuführen. Ohne Seins-Kraft ist jeder Gedanke blass und neigt dazu, sich ständig zu wiederholen und alte Situationen wieder herbeizuführen, die es von Neuem zu lösen gilt. Ein Gedanken-Karussell.

Die Welt des Habens, die sich auf kognitive Instrumente beschränkt, taugt nicht dazu, einen freien Zugang zum Lebendigen zu finden, lässt uns mit verbundenen Augen an der Quelle achtlos vorübergehen. Sie lenkt den Durst um in Gier. Wer dies erkennt, verabschiedet sich aus der Oberflächen-Welt und wandelt sich in einen Mutigen:

Gelangt er durch das «Tor» in die Tiefe des Seins-Grundes, begegnen er seinem höheren Selbst, dem Christusselbst. Durchwandert er vertrauensvoll dieses Licht, das dort glüht, verwandeln sich Erkennen und Denken und werden mit Seins-Kraft und Bewusstheit aufgeladen und erneuert. Danach kehrt der Mutige mit Schöpferkraft in den Alltag zurück. Die Schöpferkraft, die Kraft der Erneuerung, finden wir jenseits unserer Denkgewohnheiten, jenseits aller Identifikationen und Konzepte, die wir uns überstülpt haben. Wir finden die schöpferische Kraft auf dem Grund, aus dem unser Leben strömt.

Den folgenden Satz auszusprechen kostet mich Mut, da er ausserhalb der gegenwärtigen Konventionen steht, gleichzeitig tut es mir gut, Wahrheit in Kürze ins Wort zu bringen:

ES GIBT KEIN LEBEN OHNE GOTT.

*
Die sich regenden Samen
tragen schon jetzt
den werdenden Blüten-Duft in sich,
welcher sanft über dem Seins-Grund weht.

Das Morgen ist schon im Heute
als duftende Ahnung
und als zarte Süsse
anwesend.

ANGST UND LIEBE – Reflexionen zum Virus der Angst

Zum medizinischen Aspekt zum Corona-Virus möchte ich keine Aussagen machen, da ich mich dazu nicht kompetent fühle. Als spiritueller Psychologe interessieren mich die hintergründigen Ursachen der Krise, insbesondere der Aspekt der Angst, den ich als bedeutend erachte.
Ich glaube, dass die Corona-Krise mehr ist als eine medizinische Angelegenheit; sie ist eine Menschheits-Krise, die unbedingt inter-disziplinär, auf breiter Ebene erfasst und verstanden werden müsste.

Ich möchte das Corona-Virus (Covid-19) als einen Träger der Angst bezeichnen, welcher geeignet erscheint als Projektionsträger vieler Menschheitsängste zu dienen. Viele, auch sehr schwere, traumatische Ängste wurden auf das Virus gepfropft. Es bildete, je weiter es sich verbreitete, eine Art von dunklem Schleier im kollektiven Unbewussten des Menschen.
Wir können auch sagen: Die Angst überflutet uns wie damals die Sintflut.

Also: Zuerst projizieren wir unsere Ängste auf ein Etwas, in diesem Fall auf das betreffende Virus, welches wir dann zum Feinde erklären, den wir intensiv bekämpfen, wodurch wir ihm viel Energie zukommen liessen und damit Macht über uns selbst.
Die Angst zerfrisst uns. Zudem neigt sie dazu, sich mit Gewalt zu verbinden.

Das Virus und damit auch die auf es projizierten Ängste werden als Feind erklärt und bekämpft. Dies ist eine bekannte Angst-Abwehr-Strategie: Meistens werden Gruppen von Menschen dazu missbraucht: Juden, Zigeuner, Afrikaner, etc. Im jüngsten Falle so etwas wie ein winziges Ding, halb Mineral, halb Lebewesen: ein Virus.

Eckhart Tolle vergleicht unser Corona-Drama mit dem Gleichnis von Jesus, indem er vom Mann erzählt, welcher seine Haus auf Fels gebaut habe, welches dem grössten Sturm widerstand, im Gegensatz zu jenem, der sein Haus auf Sand gebaut habe, welches bei stürmischem Wetter gleich zusammenfiel. Nun steht die Frage im Raum, steht unser Haus, gemeint ist unsere Persönlichkeit, auf festem Grund?

White Eagle, mehr von ihm untenstehend, vergleicht die herrschende Angst mit einem Loch.

Die heutige Zeit konfrontiert den Menschen nun mit seiner Bodenlosigkeit, damit, ob und wie er von Ängsten bestimmt und damit steuerbar geworden ist und ob sein Untergrund fest, sandig oder rutschig ist.

Um die Ängste im Lichte des Bewusstseins aufzulösen und zu transformieren, ist es nötig, dass wir durch die Pforte gehen, um in den Raum des Bewusstseins, der LIEBE, des Lichts und der Solidarität zu gelangen. Von hier aus, sind wir stark und gehalten genug, die Ängste zu betrachten, die uns nun so vehement umtreiben:

  • Seit den beiden Weltkriegen, die uns erschüttert haben und die wir Menschen noch lange nicht verarbeitet haben, wie auch durch die vielen regionalen Kriege danach, die oft über Jahrzehnte dauerten und immer noch nicht beendet sind (Afghanistan, Syrien) , hat sich in der Menschheitsseele viel traumatischer Stoff angesammelt. Wir leben mit einer kollektiven post-traumatischen Belastungsstörung.
  • Der Mensch hat Angst vor seiner eigenen destruktiven Energie, die in ihm untergründig aber auch manifest erkennbar ist. Denken wir nur an das Artensterben. Wir Menschen sind dabei, das Leben auf unserem Planeten grossflächig zu töten.
    Unbewusst wissen wir um unsere Gewalttätigkeit, haben aber die entsprechenden Emotionen (unsere Erschütterung darüber) nie wirklich zugelassen.
  • Die Angst vor den selbst geschaffenen Abhängigkeiten darf nicht unterschätzt werden. Wir sind hochgradig von den vielen fragilen System, meist technischer Art (z.B. die Elektrizitätsversorgung, das Internet, die brüchigen Verteilungssysteme) abhängig
  • Die grösste Angst von allen, möchte ich die Angst vor Selbstverlust, die Selbst-Entfremdung bezeichnen: Der Mensch hat die Beziehung zu seinem wahren Kraft-Zentrum, dem höhere Selbst, vernachlässigt und hat gleichzeitig dieses, seinen Wesenskern, weg-projiziert, zum Beispiel an die künstliche Intelligenz. Das, was sein Eigenstes war, wurde zum Fremden, das es zu kontrollieren und zu überwachen gilt. So die Illusion. Was also ursprünglich Innenwelt war, mehr noch das Zentrum, wurde zur Aussenwelt, zu ich-fremdem Bereich. Damit entfremdete sich der Mensch von sich selbst. Sollte der Freund (das Ur-Eigene, das wahre Selbst) hinter der Maske des Fremden wiedererkannt werden, kann das Eigene (das Erbe) an seinen eigentlichen Ort, ins Herz des Menschen, zurückkehren. Das wäre ein fundamentaler Wandlungsschritt. Die gute Gelegenheit: jetzt.
    Die Abspaltung und die Entfremdung sind die Ursache, das Virus das Symptom.
    Alle diese Ängste, so glaube ich, haben flutartig alle Abwehrdämme überflutet, weil die Zeit reif war und der Angstdruck angeschwollen war. Dazu bot sich das Virus als Träger an.Ich denke, dass es mächtige Leute gibt, wie etwa Diktatoren, welche die Ängste zu ihrem Vorteil ausnützen, indem sie etwa ihre Befugnisse, die ohne hin schon zu gross sind, noch weiter vergrössern, mit dem Vorwand, dann besser helfen zu können.
    In vielen Ländern wird nun auch Zuflucht genommen zu Arten der Überwachung, die an Kriegsszenarien erinnern: Menschen werden mit Drohnen, welche mit Lautsprechern ausgerüstet worden sind, überwacht, ebenso durch Kameras, Handys, Roboter und durch die Polizei, die Armee und Geheimdienste. Von Angemessenheit kann da meiner Meinung nach in vielen Fällen keine Rede sein. Viele Massnahmen sind rechtswidrig. Die Bereitschaft, dies hinzunehmen ist erstaunlich.
    Das Mass an Selbst-Still-Legung der Menschheit ist enorm. Sie wird viele
    Millionen von Arbeitslosen hervorbringen.

    Das Festhalten an unserer Lebenskraft und Lebensfreude bezeichnet «White Eagle», der weise Hopi-Indianer, als eine Form des Widerstandes und E. Tolle ruft uns auf, unser Haus auf Fels zu bauen.

    Nachricht von White Eagle (Weißer Adler), Hopi*- Indianer:
    „Dieser Moment, den die Menschheit gerade erlebt, kann als Pforte oder Loch
    betrachtet werden.
    Die Entscheidung, ins Loch zu fallen oder durch die Pforte zu schreiten,
    liegt an Euch.
    Wenn Ihr das Problem bedauert und rund um die Uhr Nachrichten konsumiert,
    mit negativer Energie, dauernd nervös, mit Pessimismus, werdet Ihr in dieses
    Loch fallen.
    Aber wenn Ihr die Gelegenheit ergreift, Euch selbst zu betrachten, Leben und
    Tod zu überdenken, für Euch und andere Sorge tragt, dann werdet Ihr durch
    das Portal gehen. Sorgt für Euer Zuhause, sorgt für Eure Körper. Verbindet
    Euch mit Eurer spirituellen Heimat.
    Wenn Ihr Euch um Euch selbst kümmert, kümmert Ihr Euch gleichzeitig um alle
    anderen. Unterschätzt nicht die spirituelle Dimension dieser Krise.
    Nehmt die Perspektive eines Adlers ein, der von oben das Ganze sieht- mit
    erweitertem Blick.
    Es liegt eine soziale Forderung in dieser Krise, aber genauso eine
    spirituelle. Beide gehen Hand in Hand.
    Ohne die soziale Dimension fallen wir in Fanatismus. Aber ohne die
    spirituelle Dimension fallen wir in Pessimismus und Sinnlosigkeit.
    Sie sind vorbereitet, um durch diese Krise zu gehen.
    Nimm deinen Werkzeugkasten und verwende alle Werkzeuge, die Dir zu Verfügung stehen.
    Lerne Widerstand am Vorbild indianischer und afrikanischer Völker:
    Wir wurden und werden noch immer ausgerottet. Aber wir haben nie aufgehört
    zu singen, zu tanzen, ein Feuer anzuzünden und Freude zu haben.
    Fühle Dich nicht schuldig Glück zu empfinden während dieser schwierigen
    Zeiten. Es hilft überhaupt nicht, traurig und energielos zu sein.
    Es hilft, wenn jetzt gute Dinge aus dem Universum kommen.
    IT IS THROUGH JOY THAT ONE RESISTS!
    Durch Freude leistet man Widerstand!
    Auch wenn der Sturm vorübergezogen ist, wird jeder einzelne von Euch sehr
    wichtig sein, um diese neue Welt wiederaufzubauen.
    Ihr müsst stark und positiv sein.
    Und dafür gibt es keinen anderen Weg, als eine schöne, freud- und lichtvolle
    Schwingung zu bewahren.
    Das hat nichts mit Weltfremdheit zu tun.
    Es ist eine Strategie des Widerstands.
    Im Schamanismus gibt es einen Ritus des Übergangs, genannt „ die Suche nach
    Weitsicht“
    Sie verbringen ein paar Tage allein im Wald, ohne Wasser, ohne Nahrung, ohne
    Schutz.
    Wenn sie durch die Pforte gehen, bekommen sie eine neue Sicht auf die Welt,
    weil sie sich ihrer Ängste, ihrer Schwierigkeiten gestellt haben.
    Das ist es, was nun von ihnen verlangt wird:
    Erlaube dir, diese Zeit dafür zu nutzen, deine Rituale zum Suchen deiner
    Visionen auszuführen. Welche Welt möchtest du für dich erschaffen?
    Das ist alles, was du momentan tun kannst: Gelassenheit im Sturm. Bleib
    ruhig, bete täglich. Mach es dir zur Gewohnheit, das Heilige jeden Tag zu
    treffen. Gute Dinge entstehen daraus. Was jetzt aus dir kommt, ist das
    Allerwichtigste. Und singe, tanze, zeig Widerstand durch Kunst, Freude,
    Vertrauen und Liebe! Widerstehe!“

    Nachricht vom 27.03.2020

     

    Das ist eine Antwort auf den Brief, den ich im letzten Blog, vor einer Woche an den Weisen-Rat der Indigenen Völker geschrieben habe. Ein Freund von mir hat mir diese eindrückliche Antwort übermittelt.
    Bedeutsam erscheint mir insbesondere den Aufruf, uns jetzt zu entscheiden: Für das Loch oder die Pforte.
    Lasst uns den Mut finden, durch die Pforte zu gehen: mit der Laterne (dem Herzens-Licht) in der Hand durch das Dunkle, scheinbar Übermächtige des Karfreitags hindurch: zum Licht der Auferstehung. Es ist die Überwindung der Angst und des Sicherheitsdenken, seine Überschreitung in eine höhere Dimension: die der Hingabe und des Vertrauens.

* Die Hopis sind ein nordamerikanischer, indianischer Stamm. Das Volk gilt als friedliebend und visionär.

 

 

 

DIE SEELE – Teil 3

Auch im 3. Teil meines Essays unternehme ich den Versuch, mich dem geheimnisvollen Bereich, den wir Seele nennen, anzunähern. Zuerst entwerfe ich zwei Bilder, mit deren Hilfe ich versuche, das reiche Leben der Seele zu erläutern. Danach zeige ich auf, wie wichtig es ist, dass wir der Seele Raum zu atmen, damit sie sich zu entwickeln und zu zeigen vermag. Schliesslich weise ich auf einige Äusserungsweisen der Seele hin.

Bilder der Seele
Ich betrachte mein inneres Bild der Seele: Es hat die Form eines Mandalas. Zuinnerst ist der Punkt der absoluten, unergründlichen göttlichen Ruhe. Daraus geht unsere Buddha-Natur und die Christus-Wirklichkeit hervor. Um diesen ruhenden, zentralen Bereich kommt Bewegung auf: Es ist der Tanz der Liebenden. Sie umkreisen die heilige und heilende Mitte. Die Liebes-Tänzer*innen geben der geschaffenen Welt das Leben; sie halten die Sterne in ihrer Bahn durch die schaffende, bewegende Liebe, die aus ihrem Tanz strömt.
Danach, in weiterer Ausstrahlung sind alle Bereiche der feinstofflichen und grobstofflichen Welten der Schöpfung angeordnet. Auch sie sind, wenn auch nicht mehr so intensiv, durchstrahlt.

Aus den Innen-Bezirken unseres Wesens fliesst uns Nahrung zu: das Brot des Lebens, welches auch Wissen und Weisheit meint, denn -wie ich schon ausführte- ist die Seele eine wissende Substanz, die uns von innen nährt. «Gib uns heute unser tägliches Brot.»

In einem zweiten Bild erfahre ich die Seele als ein hoch-kommunikatives Feld, welches aus unzähligen Lichtfasern besteht (vergleichbar mit Nervenfasern), die in Beziehung und Vernetzung mit zahlreichen Lebewesen aus zahlreichen Bewusstseins- und Wirklichkeits-Ebenen stehen. So wie der Körper atmet auch die Seele –aber in nicht-polarer Weise. Das Feld der Seele vibriert. Sie ist eine lebendige Licht-Liebes-Vibration.

Unsere Seele entfaltet sich, wenn wir ihr zuhören. Damit geben wir ihr Raum (Hör-Raum), damit sie durch verschiedene Kanäle zu uns sprechen kann.

Raum
Der Raum ermöglicht es dem Impuls zu wirken, ermöglicht es dem Leben zu wachsen. Die Mutter (in uns) gibt Raum, Lebens- Gebärmutter- und Seelen-Raum.
Der göttliche Licht-Gedanke fühlt sich vom reinen, leeren Raum angezogen. Die Seele benötigt es, dass wir ihr Hör- und Empfangs-Raum zu atmen, damit sie sich zeigen und äussern kann.
Ausserdem können wir der göttlichen einwirkenden Kraft, die sich in uns inkarnieren möchte, helfen (es ihr leicht machen), sich in uns zu verkörpern, indem wir, achtsam atmend, innerlichen Raum bereitstellen.
Das zu uns Kommende, entfaltet sich, wenn wir ihm Raum geben, was eine Art von Hingabe ist. Dabei entfalten wir uns.

Äusserungsweisen der Seele
Es gibt verschieden Arten, wie sich die Seele ausdrückt. Hier einige Beispiele:
Sie gibt uns Einsichten (Inspirationen), spricht durch Lehr- oder Weisungs-Träume zu uns, offenbart sich in spontanen Meditationen, die im Alltag über uns kommen, sie hebt uns in höhere Welten, oft in der frühen Morgen-Dämmerung, sie enthüllt sich uns in Liebes-Beziehungen.

Ein-Sichten
Hier folgt ein persönliches Beispiel: Einige Tage nach meiner Herz-Operation – es ist schon einige Jahre her – kam eine Ärztin zum mir, um mein Herz mittels Ultra-Schall zu beobachten. Ich hatte freie Sicht auf dem Monitor. Was ich nun sah, erstaunte und erfreute mich und ich fühlte mich, durch das, was ich sehr präzise wahrnahm, erregt:
Ich sah dort, wo sich mein Herz befand, zwei tanzende Engel. Sie waren wunderschön, mit grossen Flügeln. Ihr Tanz war schnell und dynamisch; sie waren völlig aufeinander bezogen. Den Zwischenraum, den sie formten und mit starker Energie aufluden, bildete eine eigene, ebenfalls sehr schöne Gestalt, die sich ständig veränderte. Es war eine Energie-Gestalt, welche die Aufgabe hatte und hat, dem physischen Herzen, die nötige Energie zu geben, um mein Erden- Leben zu ermöglichen. Die Szene war sehr plastisch, realistisch und liess keinen Zweifel offen. Schliesslich konnte ich es mir nicht mehr verkneifen, die untersuchende Ärztin auf das Bild, da sich sah, aufmerksam zu machen. Sie räusperte sich kurz, ignorierte meine Mitteilung, was für mich okay war.

Ein-Sichten hinter die äusseren Erscheinungsweisen verzaubern und erhellen unser Bewusstsein. Spontan können sie sich einstellen.- Es sind Geschenke und bilden Lücken in den engen Verstand.

Lehr- und Weisungs-Träume
Anders als Träume, die der Verarbeitung von noch zu wenig verarbeitenden Alltags-Ereignissen dienen, wirken die eher selten auftretenden Weisungs- und Lehr-Träume, die von einem hohen Bewusstsein einfallen sehr intensiv und nachhaltig. Sie enthalten für uns sehr bedeutende Mitteilungen, die unseren Lebensweg und unsere Lebens-Vision betreffen. Die Botschaften sind in der Regel sehr klar und eindeutig, ob sie sich nun sprachlich, bildlich oder körperlich-kinästhetisch offenbaren.

Die gewöhnlichen Träume steigen aus dem Unbewussten auf, die Lehr-Träume kommen aus dem höheren Bewusstsein, dem Seelen-Zentrum, zu uns. Deshalb fühlen sie sich auch sehr unterschiedlich an.

Spontane Meditationen
Wenn ich gut mit mir selbst verbunden bin, kann es geschehen, dass eine meditative Stille über mich fällt, in mich einfliesst und grosse Stille erzeugt, die sich ausbreitet und sogar allfällig Personen, die sich im gleichen Raum wie ich aufhalten, manchmal erfasst.
Die Meditation oder das kontemplative Gebet kommt zu mir. In solchen Momenten falle ich augenblicklich in eine feierliche, tiefe Stille, in welcher der Verstand stille steht.

Dann sage ich mir: es meditiert oder es betet in mir. Das sind wunderbare Momente. Es ist gut, wenn wir offen sind für das, was zu uns kommen will.
Ich bin auch das, was mir entgegenkommt. Es kann die atmende Seele sein.

Morgen-Dämmerung
Im Zweilicht der Morgen-Dämmerung, im Übergang zwischen Schlaf und Wachen, ist es gut möglich, dass sich eine Brücke bildet zwischen diesen beiden Zuständen. Da können subtile Wahrheiten ins Alltags-Bewusstsein des Menschen einfliessen. Die Ätherwelt kann sich in wunderlichen, durchlichteten Formen darstellen, in zauberhaftem Glanz, uns entzücken und uns leicht machen, fliessend, beweglich. Oder es findet eine Begegnung zwischen zwei Seelen statt, eventuell zwischen uns und Verstorbenen, die uns etwas sagen möchten.

 Liebes-Beziehungen
Alle Beziehungen, die auf die LIEBE hin fokussiert sind, sind Liebes-Beziehungen. Die Kraft der Beziehung, die zwischen den Liebenden fliesst, die dritte Kraft oder der Heilige Geist wie sie auch genannt wird, verweist auf die EINS, auf das Einheits-Bewusstsein. Wenn die höchste Quelle in der Beziehung spürbar wird, Gott im anderen erlebbar wird, erscheint inneres Licht und grosse Freude. Solche Liebes-Beziehungen übersteigen das Endliche; sie sind darum fundamental und bilden die Pfeiler der Welt. Es kommt der Moment, dass die Tanzenden nur noch von der LIEBE bewegt werden, dann reihen sie sich in den grossen Tanz der Liebenden, die um das Lichtherz der Welt-Seele tanzen, ein.

 Wie schon gesagt, habe ich Beispiele für Äusserungsweisen der Seele angetönt im Wissen, dass es noch zahlreiche andere Weisen gib, wie sich die Seele zu äussern vermag. Je deutlicher und eindeutiger unser wahres, inneres Wesen, das wir sind, die Führung in unserem Leben übernommen hat, desto transparenter und durchlässiger werden wir für die Weisheit und Nahrung, die uns zufliesst. Durch das Gewahrsein unserer Seele und das Wissen um ihre Verbundenheit mit der Welt-Seele (Anima mundi) verändert sich unser Lebensgefühl deutlich in Richtung Fülle und Schönheit.

Sanftes Fliessen

Wenn ich mir die Tatsachen, wie die folgenden vor Augen halte, zieht sich in mir alles zusammen; ich fühle mich aufgewühlt und angespannt:

0.9 Prozent der Bevölkerung besitzen 43,9 Prozent des weltweiten Vermögens; 56,6 Prozent der Bevölkerung besitzen 1,8 % des weltweiten Vermögens.
Rüstung: 1,8 Billionen betrugen die Rüstungskosten im vergangenen Jahr, davon 649 Milliarden von den USA alleine.

Und dieser Problemkreis ist ja nur einer der Schrecklichsten. Die anderen sind: die Ausbeutung von Natur und Erde mit allen Folgen, wie dem Klimawandel und die extrem einseitige materielle Ausrichtung des menschlichen Bewusstseins mit allen zerstörerischen Folgen (Konsum, Verkehr, Gesundheit).

Wenn ich von solchen Missständen höre und die ersten Ohnmachtsgefühle abklingen, so möchte ich mehr helfen, aufrütteln, schreien und fange an, mich anzuspannen.

Ich habe gelernt: «Wenn du etwas erreichen willst, so musst Du dich anstrengen, zusammennehmen!»
Wenn ich unaufmerksam bin, falle ich in dieses alte Denk -und Verhaltensmuster zurück und dann bemerke ich, wie sich Spannungen in mir aufbauen, wie die Energie in meinen Kopf steigt und meine Atmung kurz und flach wird. Ich habe auch gelernt, dass ich nur mit dem Kopf die wesentlichen Dinge erreiche. Also: Panik/Angst – Anstrengung/ Anspannung – Kopfarbeit.
In dieser Reihenfolge baut sich das alte Muster auf.

Ich möchte etwas tun, helfen, unterstützen und dabei spanne ich mich an und verhindere damit (mindestens teilweise), dass ich mich mit dem Kraftstrom der universellen Liebe und Heilkraft verbinden kann. Damit diese Kräfte mich frei durchfliessen können und somit wirksam werden können, ist es nötig, dass ich entspannt und frei atme und in Verbindung bin mit dem Wesenskern in mir, also mit der Licht-Liebes-Flamme, die mir das Leben gibt, mit anderen Worten im Kontakt mit meinem Seelenzentrum bleibe.

Ich bin dabei zu lernen, mich bei Angst zu öffnen und nicht mehr, wie früher, mich zusammenzuziehen.
Ich bin dabei zu lernen Anstrengung durch Vertrauen zu ersetzen, das Schwert in die Scheide zu stecken.

Das bedeutet eine Wendung um 180 Grad. Jesus sprach von Umkehr.

Ich glaube, dass wir Menschen aufgrund unser Angst-Spannung mehrheitlich abgeschnitten vom Lebensstrom sind, abgeschnitten von allem, was wir als mikrokosmische Wesen auch sind, nämlich Erde, Sonne und Universum, Geist und Seele, und somit nicht in der Lage sind umzukehren, den Bewusstseinswandel zu vollziehen, der so dringend nötig ist.

Durchlässig sein, in zartem, sanftem Fliessen sein: Dies ist die Weise, wie sich Mensch und Erde erholen werden können. Auch unsere notwendigen Taten, unser Einsatz für eine harmonischere und gesündere Welt werden von jenem Geist sanft durchflossen sein, welchen es braucht, um uns in der Tiefe zu transformieren. Und wenn sich in dieses Fliessen auch Zorn einmischt, so schadet dies nicht, sofern dieser mit Engagement und Mitgefühle und legiert ist.
In der Haltung des sanften und hingebenden Dienens bewirkt der Mensch weit mehr, als in der angespannten Haltung des Machers. Dies erfordert eine bio-psychische Umkehr, ein Umlernen, welches Körper und Seele umfasst, insbesondere eine freiere Art der Atmung, vor allem ein gebendes, fliessendes und liebevolles Ausatmen.

 

Durchlitten, erlöst – Das Mysterium von Golgatha

Gedanken zu Karfreitag und Ostern
Ich zitiere in diesem Text ein paar Mal Rudolf Steiner, da er meiner Ansicht nach in einer umfassenden Weise die Bedeutung von Karfreitag und Ostern (das Mysterium von Golgatha) erfasst hat.
Das Wirken von Christus ist als gegenwärtig aufzufassen. Hinter dem Versuch, das Christus-Geschehen als etwas Vergangenes zu betrachten, verbirgt sich die bewusste oder unbewusste Absicht, die Christus-Kraft abzuschwächen und/oder zu verdrängen.

«Christus kann man sich nicht hoch genug vorstellen», sagte mir ein Pfarrer. Und ich glaube, er hatte recht.

«Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor aller Schöpfung. Denn in ihm wurde alles geschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, ob Throne oder Herrschaften, ob Mächte oder Gewalten; alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen. Und er ist vor allem, und alles hat in ihm seinen Bestand.»   Kol. 1, 15-17.

Dieser Absatz unterstreicht die Aussage jenes Priesters.

Vor ca. 2000 Jahren wurde der Christus als Jesus inkarniert – nach langen Zeiten der Vorbereitung in himmlischen Sphären wie auch auf Erden – durch die Propheten.

In Jesus kam konzentriertes, völlig reines, geistiges Licht auf die Erde, welches sie umwälzte.

Mit jedem Atemzug kommen wir mit der Christus-Wirklichkeit in Berührung, denn Christus, der Christus-Geist, sein Licht, ging bei seinem Tod auf Golgatha in die Erde und in den Menschheitsleib ein. Die Sonne verschmolz mit der Erde, der Logos drang in sie ein, die verzeihende Christus-Liebe durchtränkte und durchstrahlte die Aura der Erde und ihren Ätherleib.
Mit anderen Worten: Erde-Mensch wurden vergöttlicht.

Ist das zu viel? – sind diese Aussagen noch auszuhalten? Als Tatsachen hinzunehmen?

„Das Mysterium von Golgatha, das sich mit dem Kreuzestod, der Grablegung, der Höllenfahrt und der Auferstehung des Christus vollzog, ist das zentrale Ereignis der ganzen Erd- und Menschheitsentwicklung. Mit ihm fand die eigentliche Geburt des menschlichen Ichs statt.“
So Rudolf Steiner.

Seither können wir Christus als den Begleiter und Impulsgeber der menschlichen Evolution – der Menschwerdung- erkennen, sowohl in individueller wie auch in kollektiver Hinsicht.

CHRISTUS IST DER MENSCH schlechthin. Der Erstgeborene, die unmittelbare Erscheinung aus Gott. DER UNMITTELBAR GESCHAFFENE, direkt aus Gott Geborene.

„Aber damit eine übersinnliche Wesenheit wie der Christus durch den Tod gehen konnte, musste er erst auf die Erde herabsteigen. Und das ist es, was von so unermesslicher Wichtigkeit in dem Mysterium von Golgatha ist, dass eine Wesenheit, die in ihrem eigenen Reiche in der Sphäre ihres Willens niemals den Tod hätte erfahren können, hat hinuntersteigen müssen auf die Erde, um eine Erfahrung durchzumachen, die dem Menschen eigen ist, nämlich um den Tod zu erfahren. Es vereinigte sich ein Wesen, einzig in seiner Art, welches bis dahin nur kosmisch war, durch das Mysterium von Golgatha, durch den Tod des Christus, mit der Erdenevolution. Seitdem lebt es auf eine solche Weise auf Erden, ist so an die Erde gebunden, dass es in den Seelen der Menschen auf Erden lebt und mit ihnen das Leben auf Erden erfährt. Daher war die ganze Zeit vor dem Mysterium von Golgatha nur eine Zeit der Vorbereitung in der Evolution der Erde. Das Mysterium von Golgatha gab der Erde ihren Sinn. Als das Mysterium von Golgatha stattfand, wurde der irdische Körper des Jesus von Nazareth den Elementen der Erde übergeben, und von der Zeit an war der Christus verbunden mit der geistigen Sphäre der Erde und lebt darin.“ (Rudolf Steiner)

Christus ist in uns und wartet darauf erweckt, geboren zu werden. Er ist unsere innere Realität. Er ist unser Bewusstsein, unser wahres Sein, das, was wir in Wirklichkeit sind. Steiner sagte: es ist das ICH (heute würde man sagen: das höhere Selbst). Dieses manifestierte sich auf der Erde, als Jesus auf Golgatha starb und gleichzeitig den Tod überwand.

Seit Golgatha hat sich das Christusbewusstsein also mit dem Erdenleib und dem Menschenleib verschmolzen. Der Ätherleib und der physische Erdenleib sind seither von der Christus-Wirklichkeit durchströmt, vom Licht der Liebe erweckt und belebt. Die Lichtsamen sind in allem, die Lichtfunken sind gesetzt. Das eine Licht ist in der Vielfalt der Lichter gegenwärtig. Diese Lichtsamen wollen vom bewussten Menschen geweckt werden. Wir Menschen sind als Bewusstseinsträger gedacht. Es liegt an uns, ob wir bereit sind, diese Bewusstsein-Lichter, Ausdruck der göttlichen Wahrheit und Liebe, zu erkennen und in uns anzuzünden, damit die Welt, in der wir leben, ins Leuchten findet.

Bewusstes Leiden
Dieses darf niemals verwechselt werden mit selbstquälerischem Leiden oder arrogantem Mitleid, wo der Mitleidende sich über den Leidenden stellt.
Jeder Mensch, der etwas tief durchlitten hat, versteht andere Menschen, die dasselbe oder ähnliches durchlitten haben, besser als zuvor. Ähnlich ist es, wenn jemand sich durch tiefes, solidarisches Mitgefühl mit leidenden Menschen verbunden hat: er versteht sie danach, wie auch sich selbst, weit besser als zuvor.
Wer sich derart verstanden fühlt, durch echt Mitleidende, atmet auf, entspannt sich. Das tiefe Gefühl verstanden und gehört worden zu sein, bildet die Grundlage seiner Heilung.
Tiefes, vorbehaltloses Leiden und Mit-Leiden führt zum Verstehen und Verstehen, das auf Einfühlung beruht, führt zur Heilung.
Aus diesem Grund erkannte Jesus, dass es seine Aufgabe war, durch alle Schichten und Bereiche des menschlichen Daseins hindurch zu wandern: mitfühlend, mitleidend, solidarisch und stets verankert im Licht der göttlichen, hingebenden Liebe. Er hatte sich vom Leiden berühren lassen, nahm es in sich auf, wandelte es im Herzen in erlösendes Licht um und säte es segnend als Lichtsamen in die durchwanderten Bereiche des menschlichen Daseins aus. Es war ihm aufgetragen durch das innerste Wahrheitsbewusstsein alle Bereiche, auch die der Finsternis, der abgrundtiefen Grausamkeit, der Krankheit und Gier, der Unbewusstheit, liebend und mitleidend zu durchwandern, um die dort gebundenen Wesenheiten aus der Gefangenschaft zu erlösen und zu befreien.
Man kann sich fragen, warum ein Mensch in der Lage sein sollte, durch sein Mitgefühl, das Fundament für die Erlösung der gesamten Menschheit zu legen. Wohl deshalb, weil Jesus Christus eins war mit Gott, den er Vater nannte, wie er auch eins war mit der ganzen Schöpfung – ganz anders als ein Mensch der sich von allem getrennt und unterschieden fühlt.
Gott hat sich in seiner Schöpfung (dem Universum) veräussert, manifestiert; das Veräusserte ist der Sohn, die Tochter: Christus.

Dieser Weg des Vertrauens und der Erlösung ist auch der Weg der Befreiung und der Heilung, wie er in jeder ganzheitlichen Therapie gelebt sein will.

Im Falle von Jesus Christus, war es der Menschheitskörper und das Menschheitsbewusstsein, welches der Therapie bedurfte und bedarf.

Nun liegt es am Menschen, die Samen zum Keimen zu bringen, das gegebene Licht im Seelenraum und in der Welt zum Leuchten zu bringen.

Die mystische Kirche
Mit jedem Atemzug kommen wir mit der Christus-Wirklichkeit in Berührung, denn diese hat sich erdenweit verkörpert, inkarniert.
Diese Berührung (wo der göttliche Geist unsere Seele berührt) bringt uns in den gegenwärtigen Moment, in die Anwesenheit. Wir werden unserem egozentrischen Ich enthoben und tauchen in unser wahres Wesen ein.
Ostern verweist auch auf Weihnachten: An Weihnachten feiern wird die Geburt des göttlichen Lichts auf Erden; an Ostern die Geburt und Auferstehung des inneren Christus.

Das Ereignis, das Erscheinen von Jesus in der Welt, will sich nun verinnerlichen. Es ist Zeit, dass das Heils-Geschehen in der Welt zum inneren wird. Dadurch werden wir vom Betrachter zum Betroffenen, von der Beobachterin zur Anteilhabenden, zur Erfahrenden, Erlebenden. Jenes Licht am Horizont wird zur lodernden inneren Flamme der Freude und der Begeisterung.
Im sich entwickelnden Christus-Bewusstsein entsteht ein Wachstums- und Reiferaum im Seeleninnern: Hier reifen die Früchte des Lebens.

Das ist der Weg der Mystik. Das ist der Weg. ICH BIN DER WEG.

In diese Richtung wird sich wohl der neue, beginnende Zyklus des christlichen Glaubens hinbewegen.

Beitrags-Bild: Zeichnung von Werner Binder: Das Erstrahlen der Erde

KATHOLISCH

Katholisch meint: Die Universalkirche, die gesamte Christenheit, die als allumfassende Kirche den irdischen Leib Christi bildet.

Ich bin nicht katholisch. Aber viele meiner Freunde während meiner Kindheit waren es. Eine „Vorladung“ beim Geistlichen der katholischen Kirche – meistens an einem Samstag- galt bei meinen Freunden, als etwas vom Schlimmsten, das einem passieren konnte. Sie alle waren nach diesen Gesprächen, die sich um Onanie, Schuld, Fegefeuer und Hölle drehten, geknickt und verwirrt. Gut war ich nicht katholisch.

Als junger Erwachsener hörte und lass ich viel über die dunkle Seite der Kirche, zum Beispiel über ihre Anpassungsbereitschaft, ihr Schweigen im 3. Reich. Bonhoeffer als einer der wenigen leuchtenden Ausnahmen.

Als junger Psychotherapeut kam ich oft mit Klienten in Berührung, die von ihrer kirchlichen Erziehung her traumatisiert waren. Oft drehte es sich um Scham Schuld, Begehren und um verderbliche Sexualität. Vor allem um Schuldgefühle, die unausweichlich waren.

Dann machte ich einen Stopp und verweigerte für ein paare Jahre jede Auseinandersetzung mit dem Christentum und der Kirche. Diese Latenzzeit tat mir gut.

Später trat das Wesen Christus erneut und intensiv in mein Leben und ich wusste vorerst nicht, wie ich innerlich mit der Kirche umgehen sollte. Ich rettete mich in meinen analytischen Verstand und sagte mir etwa Folgendes:

Die Kirche ist ein System, welches sich überfordert erwies, die Liebes- und Bewusstseinskraft des Jesus Christus zu integrieren und zu leben. Dies ging so weit, dass das System die Wirklichkeit ihres Meister zu unterdrücken und ins Gegenteil zu verkehren begann. Statt Befreiung wurde Zwang gesetzt, statt Liebe und Verzeihen, Urteil und Verdammnis.
Ich sagte mir, dass die Kirche, insbesondere die katholische ein krankes System sei, durchzogen von struktureller Gewalt. Ich bezeichnete das System auch als neurotisch und krank, umso mehr als in den letzten Jahrzehnten der zahlreiche Missbrauch von Kindern und Jugendlichen publik wurde, trotz aller Vertuschungsversuchen. Missbrauch, insbesondere von Kindern, so wurde es klar, hat in der katholischen Kirche System. Es geht hier um Zahlen wie Zehntausende, oder gar Hundertausende von Kindern und Jugendlichen die weltweit in den letzten Jahrzehnten missbraucht worden sind. Ein Beispiel:“ In den Akten aus allen katholischen Bistümern Deutschlands sind in der Zeit zwischen 1946 und 2014 insgesamt 3677 Kindern und Jugendliche als Opfer genannt. Bei 1670 Klerikern gibt es Hinweise darauf,…“ (NZZ). Es handelt sich da also nicht um Einzelfälle, wie ich am Anfang noch glauben wollte. Auch bei den Vergewaltigungen von Nonnen durch Priester und Bischöfe, scheint es sich nicht (!!) um Einzelfälle zu handeln. Die ständigen Verharmlosungen unterstreichen das Grauen.
Dennoch war es mir bewusst, dass es im Katholizismus zahlreiche Inseln echter, liebevoller Nachfolge gibt.

Ich beschäftige mich in den letzten Wochen anfangs mit Fakten, dann spürte ich, wie meine Wut und meine Empörung anwuchsen.

Zuerst war die Analyse da, in die schon einige Wut eingeflossen war, dann war nur doch Zorn und Empörung übrig und als sich die Wut immer wieder meldete, fragte ich mich, was denn hintergründig meine Aufmerksamkeit verlangt und dann wurde es mir plötzlich bewusst:
Ich bin erschüttert. Ich bin sehr traurig.
Ich erinnerte mich an alle meine Klientinnen und Klienten, die als Kinder oder Jugendliche missbraucht worden waren. Mit ihnen, den schwer traumatisierten Menschen, litt ich mit. Ich begleitete sie über sehr viele Jahre, bis sie wieder aufrecht gehen konnten.

Und jetzt sehe ich: Die mächtigste Täterschaft was Missbrauch betrifft, ist die Kirche: die Kirche, der irdische Leib Christi – so im visionären Bild des Paulus, welches in mich eingeflossen ist und nun auch ein Ausdruck meiner Hoffnung und meines Schmerzes ist.

Lest diesen Satz bitte einige Male, um den Schrecken, der in ihm liegt, zu fühlen.

Es gibt noch ein weiteres mystisches Bild für die Beziehung zwischen Kirche und Jesus Christus: Dir Kirche als die Braut, die sich nach ihrem Geliebten, Jesus Christus, dem Bräutigam, sehnt. Vollendet werde die Begegnung in der mystischen Hochzeit sein.

Das Brautkleid ist blutig, zerrissen, schmutzig. Offensichtlich! Wie konnte das nur geschehen?

Wurde Jesus ein weiteres Mal gekreuzigt – diesmal von seinen Nachfolgern, der Kirche selbst?

Diese Frage tut weh; sie muss gestellt werden. Wenn die Kirche in der Tiefe erneuert werden will, muss sie durch diese Frage hindurch.

Ich habe einige gute Freunde in der katholischen Kirche, die sich voller Liebe, Authentizität und Wahrhaftigkeit in der Kirche engagieren. Sie und viele andere bilden leuchtende Zellen in diesem ansonsten doch eher kranken Organismus. Die schrecklichen Taten, von denen ich hier berichte sind unerträglich. Wir können sie und die Verantwortung dafür auch nicht an eine Person, zum Beispiel den Papst, delegieren. Ein solches System, wie die katholische Kirche konnte sich nur erhalten, weil es auch von der Gesellschaft rundum irgendwie getragen und geduldet oder resigniert hingenommen wurde und wird.

Deshalb sage ich nun: Ich bin katholisch; ich fühle mich solidarisch mit den geschundenen Organen des Leibes.

HERR ERBARME DICH – CHRISTUS ERBARME DICH.

Falls Du Dir jetzt noch drei Minuten Zeit nehmen magst, so höre Dir von Arvo Pärt: Kyrie an, auf YouTube leicht zu finden.

Beitrags-Bild: Pieta

ATEM – Teil 2

Im ersten Teil des Artikels «Atem» versuchte ich aufzuzeigen, dass uns die Mittel gegeben sind, um uns zu entfalten und in eine höhere Schwingung, in ein höheres Bewusstsein zu gelangen. Dies gilt vor allem für unser Atemsystem, mit welchem wir mit unserem Körper, unserer Seele und unserem Geist verbunden sind.

Der Atem, insbesondere in Kombination mit Wort (Mantra) und Stimme (Klang) helfen uns die Gedanken-Schwere und die damit verbundene Trägheit unseres Alltags-Bewusstsein zu überwinden.

Was meine ich mit Gedanken-Schwere? Viele Gedankenformen sind aufgeladen mit der Vorstellung, dass wir alles mit Leistung zu erringen haben, dass auch nur Wenige Erfolg haben können, nämlich die Stärkeren. Die beiden spirituellen Wege/Methoden helfen uns, unser Bewusstsein auszuweiten und zu erfahren, dass alles da ist, was wir benötigen,um uns zu entfalten.

Das Herzensgebet
Das Gebet entstand bei den Wüstenvätern und Wüstenmüttern in Ägypten, entwickelte sich weiter bei den Mönchen auf Berg Athos und verbreitete sich vorerst in Ost-Europa.
Es ist ein mantrisches Gebet. Die wenigen Worte, die bei jedem Atemzug gedacht, gesagt und gefühlt werden, sollen sich von der Zunge ins Herz fortpflanzen. Ziel ist, dass das Herz selbsttätig und fortwährend betet. – Beten bedeutet in Resonanz mit unserem innersten göttlichen Kern zu kommen.

Eine ursprüngliche Formel lautet: Herr Jesus Christus, Sohn Gottes (beim Einatmen), erbarme dich mir/unser (beim Ausatmen).
Eine verkürzte Formel: Jesus Christus (einatmen), Barmherzigkeit (ausatmen)

oder nur:
Jesus (einatmen) – Christus (ausatmen).

Es ist sinnvoll, zwischen dem Ein und Aus des Atems eine kleine Pause zu machen; in ihr entfaltet sich das Bewusstsein der Einheit, des Einsseins.

Die Worte können zu Beginn gesagt oder gesungen werden. Beim Einatmen sollen sie den Weg zum Herzen finden und beim Ausatmen sollen sie rundum verströmen. Während das Mantra zu Beginn gesagt wird, entwickelt es sich nach einiger Zeit zur gefühlten, erlebten und erfahrenen Wirklichkeit. Was erfahren wird ist Barmherzigkeit, Liebe, Mitgefühl, Schutz und Segen. Dabei wird der Atem sehr weit, kosmisch, alles umhüllend, lichtvoll und wärmend. Natürlich werden nicht bei jedem Menschen genau dieselben Gefühle geweckt*. Im tiefsten Seelengrund wird aber die bedingungslose Liebe und Akzeptation, wie sie in Christus lebt, aktiviert und die Beziehung zu seiner Wesenheit, die immer jetzt präsent ist, vertieft sich dabei.
Es ist der Dreiklang von Wort/Stimme – Atembewusstsein – und die Ausrichtung auf das Herz, die zusammen die Wandlung und die Erfahrung der Ausweitung des psychischen Herzens schneller und nachhaltiger geschehen lassen, als wenn nur eines der genannten Elemente zum Ausdruck fände.
Normalerweise ist es so, dass Projektionen, hervorgerufen durch unsere Erziehung und durch kirchlichen Prägungen, die unmittelbare direkte Erfahrung der Christus-Wirklichkeit beeinträchtigen. Das Herzensgebet erlaubt uns wieder Zugang zu finden zur unmittelbaren, direkten Begegnung mit dem Christus, der dadurch in uns zum Erblühen kommt, wenn wir dazu bereit sind. Unser Beitrag aber wird Geduld sein müssen. Es ist wie bei einer zwischenmenschlichen Begegnung: Zwei, die sich voneinander angezogen fühlen, nehmen sich zuerst wahr, gehen zart aufeinander ein, bis die Seelen der Zwei in Schwingung kommen. Feinfühlig gehen sie dann in Resonanz mit der jeweiligen Schwingung des anderen. Sie treffen sich in der Mitte, im Binnen-Raum, zwischen ihren Herzen, wodurch die Beziehungsebene ins Wachsen kommt. Vielleicht wächst da eine Rose – oder wie auch immer wir es bildlich wahrnehmen. Es ist Hingabe-Bereitschaft, die eine Begegnung ermöglicht, in der es zu einem vertraulichen Austausch, zu Intimität kommt.
Beim Herzensgebet ist die Bereitschaft, eine Liebes-Beziehung zu wagen zentral.

Genau so ist es bei allen Arten von zwischenmenschlichen Liebes-Beziehungen: Wir brauchen den Mut, unser Sicherheits-Dispositiv hinter uns zu lassen, uns verletzlich zu zeigen, uns rückhaltlos zu öffnen. Erst dann kann das Herzensgebet, das seine dazu beitragen.

Tonglen
Diese Atem-Meditation, welche die Entfaltung des Mitgefühls bezweckt, wird vor allem im tibetischen Buddhismus praktiziert:
Beim Einatmen verbinden wir uns mit dem Leiden, dem Schmerz von Lebewesen. Wir nehmen uns dieses Leid zu Herzen. Wir fühlen mit, lassen dieses Leid, diesen Schmerz im Lichte unseres Herzens wandeln in Segen, Glück und Wohlwollen für die betreffenden Wesen. Auf diese Weise atmen wir verströmend, schenkend, gebend aus.
Wir können mit uns selbst beginnen, indem wir unser eigenes Leiden anerkennen, verstehen, es in unserer Herzens-Lichtkammer in Glück und Segen verwandeln, den wir liebevoll uns zuatmen. Dasselbe könne wir tun für das Leiden unserer Freunde und unserer Feinde, auch für Gruppen von Menschen oder Völker – schliesslich für das globale Leid, für den gepeinigten Planeten, die ausgebeutete Natur.

Bei dieser wunderbaren Meditation ist es wichtig, dass wir das Tonglen gut vorbereitet beginnen. Wir erden uns zuerst gut, verbinden uns mit der Welten-Seele, öffnen unser Herz und lassen es warm und anteilnehmend werden. Dann beginnen wir die Tonglen-Atmung wie beschrieben.

Auf diese Weise kann der Graben zwischen uns und den anderen überwunden werden. Wir erleben, dass wir alle zusammengehören.

Das Herzensgebet und das Tonglen sind zwei Wege, wie wir uns bei der Heilung von uns selbst, wie auch dem Planeten beteiligen können/dürfen. Dabei kann es geschehen, dass wir uns als leuchtende und strahlende Wesen erleben können, was unserer wahren Natur entspricht.

Natürlich gibt es zahlreiche Literatur für die hier in Kürze vorgestellten Atem-Meditationen.

*Uns werden immer jene Qualitäten zuerst zufallen, die wir gegenwärtig besonders benöti-
gen und sie werden jene körperlichen und seelischen Regionen berühren, in denen ein
Mangel und ein Bedürfnis zu erkennen ist. Dies ist eine der Weisen, wie die Liebe wirkt.