Advent – Die Ankunft

Jedes Jahr um diese Zeit lese ich den Prolog des Buches Esoterische Lehren von Daskalos, dem vor einigen Jahren verstorbene spirituellen Lehrer und Heiler, aus dem ich hier zitiere:

«Buddha soll zu seinem Schüler Ananda gesagt haben, in fünfhundert Jahren werde Gott selbst auf Erden inkarnieren. Er machte deutlich, dass er sich nicht auf einen gewöhnlichen Menschen bezog, der durch Inkarnationen zur Vollendung gelangen sollte, sondern dass Gott sich selbst direkt inkarnieren werde.
Vor der Geburt von Jeshua, den wir als Jesus kennen, verfolgten einige Männer im Osten, die von der Prophezeiung des Buddha wussten, hellsichtig die Geburt der Jungfrau Maria und warteten auf die Inkarnation des Logos, als Ausdrucksform Gottes…..»

Sie folgten hellsichtig ihrem inneren Stern, den sie später dann auch im Aussen des Sternenhimmels als astronomische Erscheinung wahrnahmen.

Der Weise folgt immer zuerst dem inneren Licht, der Eingebung, der Intuition. Das unterscheidet ihn vom Menschen, der sich den Normen unterworfen hat.

Nicht wenige Menschen nehmen eines Tages einen Lichtpunkt in sich wahr, der sich vielleicht als Funke zeigt oder als einen ganz kleinen Stern. Dieser Lichtpunkt ist, so stellen sie fest, kein äusseres Licht, oder der nachscheinende Reflex eines äusseren Lichts auf der Netzhaut des Auges. Sie spüren diese andere Lichtqualität, welche das Herz berührt. Mit der Zeit wird diese Lichtquelle grösser, pulsierender, durchströmender; sie wächst zu einem Stern, einer Sonne heran.

Eines Tages wird die Lichtquelle zum Attraktor: Wir fühlen uns unwiderstehlich von ihr angezogen. Wir nennen es vielleicht Sehnsucht.

Das geistige Licht, zieht uns an, zieht uns durchs Leben, wird zum Lauf unseres Lebens, zu unserem Lebenslauf. Es bewegt uns. «Wir sind bewegt», so drücken wir es vielleicht aus. Die innere Bewegung schwappt in eine äussere über. Wir gehen Schritt für Schritt und bemerken, dass wir auf unseren Weg gekommen sind. Wir folgen dem Stern.
Und nicht mehr dem äusseren Erfolg, dem Schein des Ansehens, dem Prestige.
Es kann der Moment kommen, wo das Licht zu einem grossartiger Einbruch von Licht, Gnade und Liebe wird.
Unsere Schritte sind nun in Resonanz mit der höheren Wirklichkeit, die uns erreicht hat.
In uns bilden sich ein Begegnungsraum, zusammengefügt aus dem Empfangenden und der Gabe.
In diesem Raum, dem Gebärmutter-Raum, der sich im Advent aufbaut, ereignet sich einmal die Geburt unseres wahren Selbst, unserer göttlichen Identität.

Advent ist dieses Entgegenkommen und der Raum, der sich in der Folge bildet. Raum für das Ankommende. Ankunfts-Raum.
Das, was auf uns zukommt, das Licht des Sternes über der Geburtsstätte, ist das Licht, aus dem wir stammen. Es ist das höchste Selbst, in diesem Sinne ICH SELBST, der/die mir entgegenkommt.
ICH SELBST KOMME MIR ENTGEGEN.

Die drei Weisen haben das Erscheinen des Lichts schon früh «gesehen», haben es in sich zum Glänzen gebracht. Menschen wie sie inspirieren, weil sie das Kommende (das erste Morgenlicht) in sich tragen. Sie sind anziehend, weckend; sie sind Katalysatoren, bringen das zum Leben, was sich zum Leben, zum Lebendigen hinneigt. Wenn wir ihre Schritte spüren, kann sich unser inneres Ohr und unser inneres Auge entwickeln. Sie haben den Anfang gemacht und uns dadurch geholfen, selbst auf den Weg zu kommen.

Nun zum Schluss des Prologes, den ich nicht mehr kommentieren werde, weil er für sich selber spricht:

«… Dann reisten sie (die drei Weisen aus dem Morgenland) weiter nach Bethlehem, wo die drei Magi den Stall fanden, in dem Jesus geboren war. Ram kniete als erster vor der Krippe nieder. Er nahm seinen äusseren Umhang ab und legte ihn Christus zu Füssen, so dass nur noch sein weisses Untergewand blieb. Aus diesem Grunde tragen die Lehrer der Wahrheitsforscher ein weisses Gewand als Symbol der Reinheit von Absicht und Hingabe. Dann zog Ram sein Schwert, brach die Spitze ab, legte es vor das Gotteskind und sagt: «Zu deinen makellosen Füssen, o Logos, ruht alle Gewalt.»
Dies ist der Ursprung des Schwertes der Einweihung, welches ohne scharfe Spitze ist.

Als die beiden anderen Männer ihr Gaben darbrachten, rief Ram aus: «Ham El Khior!», was in seiner Sprache bedeutet: «Ich habe Gott gesehen.» So wurde er unter dem Namen bekannt, der uns als Melchior überliefert ist.»

 

Der Weltschmerz und die Samen des Guten

Der Weltschmerz und das Leiden der Welt suchen eine Wohnstatt, einen Ort, wo sie -endlich – gesehen und gehört werden,
wie jeder Mensch gehört und gesehen werden will, damit er sich entspannen und sich lösen kann,
wie alle, die leiden, sich verloren und verzweifelt fühlen, ein offenes Ohr
und ein offenes Herz suchen, solange, und immer rastloser werdend,
bis sie es gefunden haben.

Und da gibt es Menschen, nicht Wenige, die
das Klopfen hören und auftun und Einlass gewähren.

Einlass für die Schmerzvollen, Verwundeten, Leidenden, in Gestalt
endloser Flüchtlingsströme,
in Gestalt hungernder Kinder,
in Gestalt verelendender Tiere und aussterbender Pflanzen,
in Gestalt junger Männer, die ihren Vater im Krieg verloren haben,
in Gestalt missbrauchter und vergewaltigter Frauen.

Jemand muss doch da sein für die Gestrandeten, die Verwundeten, die Verlassenen.

Der Schmerz der Welt will gehört und wahrgenommen sein.

All das, was Menschen ausgelagert haben, öffentliche Dienste, Funktionen, Gefühle, ihr eigenes Leiden ist auf der Suche
nach offenen Herzen.

Bis Du nicht mehr kannst, feinfühlige Frau, empathischer Mann,
bis zum Punkt, wo Du den Kopf auf den Tisch legst
und einen tiefen, langen Seufzer ausstösst,
und vielleicht legt sich dann Ruhe über Dich, wer weiss
und ein leises Lüftchen umkreist Deine Schläfen

oder Du bemerkst, dass ein wunderbarer hilfreicher oder schöpferischer Gedanke zu Dir kommt, der von Dir sanft geknetet und angehaucht werden möchte
und zu einem Samen des Guten werden möchte.
Du atmest bewusst, während Du ihn zu einem Samen rollst und mit jedem Atemzug
wird er geschmeidiger und er beginnt gold-gelb zu glänzen und

er bittet Dich zu einer guten Tat.
Die Magie der Verwirklichung umhüllt Dich wie ein feiner Zauber.
Du bringst den Samen, den Du zwischen den Fingern und im Herzen bewegt hast,
den Du liebevoll angehaucht hast und ihm so Leben gegeben hast
in die Erde.

In die Erde, den Humus, die Humanität.
Dann, wenn Du den Samen mit Erde zugedeckt hast,

beginnst Du darüber zu tanzen.
Die Sonne funkelt in deinen Wimpern
und Du spürst, wie dass Sonnenlicht zur Erde fällt.

Dann wirst Du leer, unendlich leer und still.
Und während Du schläft, flüstert Dir die Geliebte/der Geliebte ins Ohr,
während Dein Verstand im Tief-Schlaf ist.

Oh!

Am nächsten Tag, irgendwann zwischen Tür und Angel
klopft der Weltschmerz an Deine Türe
und die Heilkraft in Dir
öffnet ihm die Tür.


und Du spürst, wie Dir ein warmes Gefühl entströmt, wie ein Licht in der Nacht.
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zum Titelbild: Ausschnitt einer Darstellung von Kannon oder Kanzeon, Bodhisattva, die Verkörperung des Mitgefühls, in männlicher Gestalt als Avalokiteshvara bekannt.

Die Unsichtbaren

 Zum Begriff des unsichtbaren Menschen, der von mir stammt: Wenn der Mensch den Kontakt mit seinem inneren Licht verliert, kann er nicht mehr strahlen. Er hat sich verdunkelt, verfinstert, ist zum nach aussen gerichteten Abwesenden geworden; er ist einer geworden, der sich im Äussern verloren hat, weil er nicht mehr vom Innern, also vom Sein gehalten ist. Das, was wir im Innersten sind, leuchtet. Haben wir es vergessen, so hören wir auf zu scheinen und verdunkeln. Wir werden unsichtbar.

 

Der Mensch stürzt in die Unsichtbarkeit. Er irrt durch den Nebel der Selbst-Entfremdung.

Er entfremdet sich von sich selbst, wird zum Schatten seiner selbst. Er entwurzelt sich, trennt sich von seiner Seele ab und damit auch vom inneren Licht. Er spürt die Erde, auf der er geht, nicht mehr.

Der Mensch, als Schatten seiner selbst wird zum Unsichtbaren, der sich von seiner geistig-seelischen, göttlichen Wirklichkeit abtrennt, gleichsam aus dem Licht der Erkenntnis und der Liebe herausfällt und sich dem künstlichen Licht verschreibt, welches ihn blendet.
Geblendet wird alles schwarz vor Augen.
Ist unser Outfit eine Maske, die verdeckt? Glanz ohne Licht?
Ist das künstliche Licht, das sich zum Licht-Smog verdichtet, Ersatz für das wahre, geistige Licht? Das Kunst-Licht, zum Teil aus Atom-Strom gewonnen: Tut es uns in dieser immensen Ausbreitung gut?

Weder das Rendite-Denken und die Ausrichtung auf die Gewinn-Maximierung, noch die neuen Technologien (so gut sie auch sein mögen, wenn sie mit Augenmaas angewendet werden) können uns in unsere Mitte führen. Diese beiden Mega-Trends tragen einen immensen Absolutheits-Anspruch in sich, den Viele -auch ich- als gewalttätig empfinden.

Diese beiden Trends sind daran sich zu einem einzigen zu verschmelzen: Der digitale, neo-liberale Super- oder Übermensch soll entstehen, der sich physisch und verstandesmässig mit künstlicher Intelligenz (Trans-Humanismus) verbinden will, bei gleichzeitiger Verleugnung seiner Seele. DER TREND ist dabei, sich in Gesellschaften, die den Erfolg und die weltweite Vorherrschaft anstreben, durchzusetzen. DER TREND saugt alles an sich, dringt in alle gesellschaftlichen Bereiche ein. Zum Beispiel in die moderne westliche Medizin, in der die Eingriffe alle früheren Grenzen des ethischen Empfindens durchbrechen. Vermehrt werden Chips in den Körper eingefügt um diesen zu optimieren. Die Technologie-Gläubigkeit nimmt geradezu groteske Züge an – auf Kosten der Pflege und der seelischen Betreuung der Patienten – des Menschen überhaupt.
Wie riesig muss doch die Selbst-Verachtung von Menschen sein, die sich ohne Scham als Konsumenten, Verbraucher, Selbst-Optimierer bezeichnen, als Personen, die damit beschäftigt sind, sich immer raffinierter zu inszenieren, um Erfolg und Ansehen zu haben. Ist es denn nicht eine Selbst-Beleidigung, wenn sich Menschen als Kapitalisten sehen, deren Ziel Kapital-Akkumulation ist? Praktisch alle menschlichen Denk- und Handlungsbereiche sind okkupiert von ökonomischen Erwägungen und Sichtweisen, insbesondere vom Renditedenken. Bis tief in die Sprache und tief in die Psyche hinein. Sind wir infiziert?

Haben wir uns abgefunden, uns so zu definieren, weil es üblich geworden ist und wir resigniert haben – oder weil es stimmt?
Nun meine Sicht mag düster sein: Ich stelle fest, dass es einen Mega-Trend gibt, der aber nicht die vollständige Wirklichkeit repräsentiert. Dennoch scheint es mir wichtig und nötig, die Selbst-Verachtung, die wirksam ist, zu erkennen und als Gefährdung wahrzunehmen. Jede radikale Veränderung beginnt mit einem unerschrockenen Hinsehen.
Viele Leute werden einsehen, dass die Menschen (die Mächtigen, die Gescheiten, die Politiker, alle!) nicht mehr aus eigener Kraft zurück finden in das Wissen und in das Gefühl des unendlichen Aufgehoben-sein. Wir haben das Steuer aus den Händen verloren! – Dieses Eingeständnis könnte die Wende bringen – und uns sogar irgendwie trösten.

Ist das alle noch zu managen – oder bedürfen wir der Gnade?

Die Hüterinnen und Hüter des Lichts

Die Aussen- oder Mitwelt ist ein Spiegel unserer Innenwelt, unserer inneren Verfassung, der Seele. Die innere seelische Verfasstheit erzeugt den Charakter unserer Zivilisation und unsere Bewusstheit.
Die Welt ist dunkel, so scheint mir, das Licht dieser Epoche hat sich zurückgezogen. Anzeichen eines globalen Sterbeprozesses sind mit nüchternen Augen zu erkennen. Dies verweist auf unser gefährdetes Innere.

Hüten und nähren wir also die lebendige Liebesflamme in uns, so wird sie einmal auch im Aussen, also in der Welt, in der wir leben, wieder auflodern können.

«Unsere Aufgabe und unsere Übung ist es, dieses Licht am Leuchten zu halten und den Zugang zu diesem Licht zu bewahren. Es weist uns den Weg auf unserer inneren Reise in die Tiefen unseres Seins. Ohne es können wir den Weg nicht finden. Und es führt uns auch in der äusseren Welt und befähigt uns, dort ein Leben mit einem wirklichen Sinn zu finden. Das Licht der Seele ermöglicht es unserem wahren Selbst erfüllt zu sein. Ohne es lebt man lediglich das Leben des Ego auf einer kollektiv oberflächlichen Ebene.»    (Llewellyn Vaughan-Lee)

Nur das wahre Licht des Geistes in uns wird uns zurück in die Sichtbarkeit bringen können. Es wird uns mit unserer Hybris konfrontieren und uns helfen, empathisch zu werden und wieder in Verbindung mit dem Lebendigen zu kommen. Das Geistlicht lässt sich aber nicht zwingen; wir können es nur erbitten. Und: wir haben die Freiheit, uns auf die Quelle, aus der wir sind, auszurichten.
Wenn es dem Menschen (wieder) möglich sein wird zu bitten, wird dies ein Zeichen dafür sein, dass er seine Hybris überwunden hat. In dem Masse wie er erkennt, dass er und die Erde heilig ist, werden seine Kompensationen, seine Ersatz-Handlungen zerbröckeln. Was für eine Erleichterung!
Nur das, was wir im Innersten sind, leuchtet.

Strömendes Leben – Wege aus der Kontrolle

Die allumfassende Liebe, die sich auch als geistiges Licht (oder umgekehrt: das geistige Licht, das sich auch als allumfassende Liebe) ausdrückt, ist immer da, jetzt gegenwärtig. Die primäre Wirklichkeit oder anders ausgedrückt DIE REALITÄT bildet sowohl den Hintergrund, auf dem sich der Tanz des Lebens abspielt, wie auch das Zentrum ( das Herz) einer jeden lebendigen Manifestation. Jeder Mensch ist umhüllt und durchströmt von der gütigen, liebevollen göttlichen Gegenwart, aus der alles Leben kommt. Immer. – Dies ist das Fazit meiner Erkenntnisse nach 73 Jahren Leben.
Alles, wie auch wir Menschen, sind erleuchtet – und sind es dennoch nicht, solange wir das, was uns das Leben gibt, abweisen oder ignorieren. Die Sonne kann noch so schön scheinen, ohne dass wir dies bemerken – und wir bemerken es nicht, wenn wir zum Beispiel in einem von uns selbst völlig abgedunkelten Zimmer sind.
Unser verdunkeltes und noch wenig entwickeltes menschliches Bewusstsein rührt daher, dass wir Menschen im Allgemeinen das Licht der Liebe und der Wahrheit zurückweisen und/oder es als nicht existent erklären.
Viele denken, dass uns der Verstand und die menschliche Intelligenz genug sein müssten. Künstliche Intelligenz (KI) könne man hinzunehmen. Sie zu entwickeln sei dem menschlichen Verstand möglich.
Was, so denken Manche, würden so schwammig Konzepte wie Seele und Geist da nützen.
Das ist eben der Punkt: Seele und Geist gelten bei Vielen nur als Konzepte und Vorstellungen, die keinen Realitätsanspruch haben könnten; diese seien allenfalls das Resultat von Gehirn-Funktionen, wie sie denken.
So etwas wie geheimnisvolle, nicht ganz zu ergründende Wirklichkeitsebenen würden nicht existieren. Ein göttliches Wesen anzunehmen wäre lächerlich.

Ich betrachte diese Anschauungen als Allmachts-Ansprüche, die so etwas wie ein Angewiesen sein oder eine menschliche Ur-Bedürftigkeit in Abrede stellen. Diese Haltung ist in abgeschwächter Form bei fast allen Menschen festzustellen, auch bei solchen, die sich als spirituell ausgerichtet sehen.
Viele Menschen nehmen spirituelle Erfahrungsberichte von Menschen nicht als bare Münze, nicht als Wirklichkeit, sondern als Bilder über… oder Vorstellungen von… oder Hoffnungen auf… etwas wahr, das einmal sein könnte, nicht aber als Tatsachen, als Realität, also als etwas, dass es tatsächlich gibt, hier und jetzt.
Deshalb bleibt die bedingungslose Liebe, das grosse Licht der Wahrheit und der grosse Segen durch uns Menschen empfindlich abgeschwächt und darum kann das Licht in uns nicht zum Strahlen kommen. Deshalb lebt die Menschheit in einem Dämmerlicht, aufgeschreckt von Irrlichtern und ungezählten Versuchen, das Leben zu verbessern, ohne jemals das Glück nahen zu fühlen.
Das, was uns rettet und heilt, weisen wir zurück, eher passiv-resignativ, denn als lärmend und aggressiv.
*
Das, was uns rettet, ist in jedem (wirklich in jedem!) Atemzug gegenwärtig.

Es heisst im Prolog des Johannes-Evangeliums 1, 9 und 10 (und diese Passage macht mich stets traurig):
«Er war das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der zur Welt kommt. Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, und die Welt hat ihn nicht erkannt.
Er kam in das Seine, und die Seinen nahmen ihn nicht auf.»
Und nun in der Gegenwarts-Form:
«Er ist das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der zur Welt kommt.
Er ist in der Welt und die Welt wird durch ihn und die Welt erkennt ihn nicht. Er kommt in das Seine und die Seinen nehmen ihn nicht auf.» – Du kann st es auch in weiblicher Form lesen.
Und jetzt noch sächlich-neutral:
«ES ist das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der zur Welt kommt. ES ist in der Welt und die Welt ist durch ES geworden, und die Welt erkennt ES nicht. ES kommt in das Eigene und es nimmt ES nicht auf.»

Wir neigen dazu, die heiligen Texte in die Vergangenheit zu legen und sie dort festzuhalten. Wahrheitstexte machen aber vor allem für den gegenwärtigen Moment Aussagen.
Etwas zu empfangen, dass wir nicht unter Kontrolle haben, widerspricht unserem Zeitgeist zutiefst. Unsere Optimierungssucht schliesst alle Bereiche und Ebenen aus (oder minimiert sie), die nicht unserer Kontrolle unterstehen. Wir wollen uns nicht an Kräfte hingeben, die sich ausserhalb von dem bewegen, was wir kennen.
Dabei schliessen wir uns selbst aus, unser lichtes Wesen, das in der Dämmerung auf Befreiung wartet. Unser Kontroll-Anspruch lässt uns einsam werden – und er schneidet uns  von dem ab, was uns heilt und von dem, was wir zutiefst sind.

Ich entdecke auch in mir manchmal eine subtile Art, wie ich mich selbst hindere, mich den Strömen des Lebens und der Liebe hinzugeben, aus Angst die Kontrolle und den Überblick zu verlieren, oder weil ich meine, ich sei es nicht wert, die Fülle annehmen zu dürfen.

Ich glaube, dass es für uns alle hilfreich ist, wenn wir uns selbst und anderen Liebes- und Wiegenlieder vorsingen (es können auch Mantras sein), um uns zu stärken und uns zu ermutigen, uns den flutenden Wellen der Liebe anzuvertrauen.
In jedem Moment, in welchem Menschen solche Selbstbeschränkungs-Mechanismen entdecken und mutig überwinden und im Vertrauen auf jene Liebes-Ströme, die sie über die engen Grenzen hinwegtragen, wird es auf der Welt ein klein wenig heller.