Christusbewusstsein

Bewusstsein
Wenn mich heute jemand fragt, was Bewusstsein ist, so weise ich zuerst darauf hin, dass es nichts gibt, was kein Bewusstsein besitzt. Aus der Selbstbeobachtung, dass ich und alle anderen Iche – also wir als Menschen – wesenhaft-bewusst und Ich-begabt sind, schliesse ich, dass Bewusstsein Wesenhaftigkeit als Ich/Du-Bewusstsein voraussetzen muss, die in der Umgebung, in der sie lebt wach ist für bestimmte sinnliche und okkulte Vorgänge, Wesen und Zustände. Dabei ist der Seinszustand wichtig, in dem man sich befindet: Es ist jeweils anders, ob ich mich – und ich beschränke mich nun auf unser physisches Erdensein- im Tiefschlaf, Traumzustand oder Wachleben befinde. Wenn alle Wesen Bewusstseinsträger sind -also auch die Mineralien, Pflanzen und Tiere –, müssen sie wie die Menschen ein Ich besitzen, das aber im Vergleich zum Menschen in anderer Art zu den eigenen Wesensgliedern in Beziehung steht. Einzig der Mensch besitzt ein Ich-Du-Bewusstsein, das in ihm selbst und abgetrennt von den Himmeln lebt und ihn deshalb vor allen Erdenwesen auszeichnet, ihn aber zugleich auch in die Verantwortung stellt.

Grösser als Ich und doch wesensgleich mit mir
Ich schreibe über ein göttliches Wesen und seine Wirkungen, das viel grösser ist als ich und dennoch weiss ich tief innen, dass es mit mir zu tun hat, mit meinem Leben und meiner Entwicklung tief verbunden ist. Mein Ich scheint Teil seines Ichs zu sein und es scheint sich auf ihn zu zubewegen! Dieses Wesen stellt eine Art Prototyp des Menschlichen dar, ein Ideal, an das angeknüpft werden kann. Diese Kraft und Lichtwesenheit nenne ich „Christus“. Gesamtmenschheitlich betrachtet wären alle Iche aller Menschen mit jenem „grossen Ich“ des Christus verbunden, und würden einst mit jenem identisch ohne sich als Individuum aufzugeben. Wir sind auf dem Weg zu einem gewaltigen Organismus, der aus Menschen, Tieren, Pflanzen, Mineralien in Verbindung mit der Erde besteht.

Spiritualität
Für mich war es seit meiner Kindheit klar, dass die Welt nicht auf den sinnlich wahrnehmbaren Bereich reduziert werden kann und ich wäre gar nie auf die Idee gekommen, das irgendwie zu thematisieren oder gar zu hinterfragen. Das Wissen von der göttlich-geistigen Welt, wie ich sie heute nenne, war mir in etwa so eingeprägt wie die Gewohnheit, dass ich beim Suppe-Essen mich nicht jedes Mal fragen muss, ob der Löffel richtig zum Mund geführt wird. Ich hatte wohl das Glück, dieses Bewusstsein als Mitgift in dieses irdische Leben mitbringen zu dürfen. Es war einfach so, und ist es auch heute noch. Als ich im Verlauf meines Lebens Menschen kennengelernt habe, die das ganz anders sehen, hat mich das stets sehr gewundert, obwohl ich es respektiere.

Tragend, wohlge-sonnen, zärtlich
Seit ich denken kann lebe ich in einem Bewusstsein, das man spirituell nennen kann, nur dass ich als junger Mensch dafür keinen Namen hatte, es war einfach da. Ich wusste mich eingebettet in eine höhere Realität, die mich trägt, die mich stets anspricht, die mir wohlgesonnen ist und sich mitteilt, oft geradezu zärtlich äussert, eine Realität, die sich wesenhaft anfühlt, die unendlich sanft und geduldig ist und die mich in meiner Freiheit respektiert.

Liebesbeziehung
Zu Christus kann jeder Mensch eine Beziehung aufbauen, unabhängig von seiner Religion oder spirituellen Auffassung. Christus hat nichts mit Religion zu tun geradeso, wie die Sonne am Himmel nichts mit einer spezifischen menschlichen Kultur zu tun hat. So wie die Sonne für alle Menschen, Tiere, Pflanzen und Mineralien scheint, ist der Christus für alle Wesen da und scheint in ihre Herzen. Einzig der Mensch hat die Wahl, ihn in Freiheit aufzunehmen oder abzulehnen. Ein Buddhist kann den Christus ebenso in sich finden wie ein Brahmane oder Taoist, und dabei seiner Religion treu bleiben. – Christusbewusstsein hat aber auch nichts mit einer Weisheit oder Lehre zu tun, sonst wäre er ja nur für Gelehrte und Wissensmenschen da. Christus ist für ausnahmslos alle Menschen da. Das kosmische Sonnenwesen Christus erschliesst sich uns einzig durch unsere frei gewollte und gesuchte Beziehung zu ihm. Es ist eine Liebesbeziehung der höheren Art, die einen Freiheitsakt des Suchens voraussetzt.

Wie finde ich den Christus?
Zu Christus kann ich dem vorher geschriebenen zu Folge nur kommen, wenn mein Denken spiritualisiert wird. Zu einer spirituellen Sicht der Welt kann man sich dadurch durcharbeiten, dass man den Materialismus (wissenschaftlich) konsequent zu Ende denkt und dadurch zu lebendigen Gedanken kommt. Das ist aber für einen naturwissenschaftlich geprägten Menschen wie der Durchgang durch einen Todesprozess. Durch diesen Verlust-Angstraum alter Vorstellungen, die uns bequem sind und waren und die man wie eine Schlangenhaut abstreifen kann, muss die Menschheit hindurchgehen, es ist unter Umständen eine harte Prüfung.

Leben wird der Tod
Die materielle Wissenschaft glaubt immer noch an den Mythos, dass das Leben aus dem Toten entstanden sei. Doch dieses Weltbild bröckelt seit geraumer Zeit. Denken wir es doch einmal umgekehrt, niemand kann uns daran hindern: Stellen wir uns vor, der Tod hätte sich aus dem Leben entwickelt. Für mich macht das Sinn, denn dadurch, dass wir als Lichtwesen in die Materialität herabgestiegen sind, um gewisse Erfahrungen machen zu können, sind wir dem Tod und auch der Angst „in die Hände gefallen“. Zuvor kannten wir nur das Leben im Licht. – Das Wissen darum, dass da in mir, in meinem Geist-Innenraum der Christus, der den Tod überwand, unendlich geduldig und liebevoll lebt und mich trägt, gibt mir die Gewissheit, dass es keinen Tod und damit auch keine „Toten“ gibt. Wir legen unsere materielle Hülle ab, entschlüpfen ihr geradeso, wie ein Schmetterling aus seiner Puppe entschlüpft und nehmen uns dann als Lichtwesen in einer Geistwelt war. Durch unseren materiellen Körper lernen wir Krankheit, Schmerz und Tod kennen, aber durch Christus wissen wir, dass jene nichts mit unserem Wesen zu tun haben. – Wenn wir unser Denken, Fühlen und Wollen derart „durchchristen“, verliert der Tod seine negative Konnotation und gerade dadurch überwinden wir die Angst und den Materialismus.

Widerstände
Die gesamte Menschheit, die aus den auf der Erde inkarnierten und den sogenannten „Toten“ besteht, ist um 1900 bereits über eine Schwelle gegangen, wodurch es ihr potenziell möglich wurde, den geistigen Entwicklungsschritt zu machen den Christus als Helfer und Heiler in Freiheit anzunehmen, ja sogar zu schauen. Doch eine Potenzialität ist noch kein Entwicklungsschritt. Gegenwärtig findet auf dem geistigen Hintergrund der Erdenrealität ein mächtiger Kampf statt, bei dem gewisse Widersachermächte diesen wichtigen Entwicklungsschritt der Menschheit verhindern möchten, um die Entwicklung in eine andere Richtung zu führen.

Wandel
Christus vermittelt zwischen Bewusstseinszuständen. Um einen Entwicklungsschritt zu einem höheren Bewusstsein machen zu können, indem wir eine Wandlung durchmachen, muss zuweilen etwas sterben indem wir es loslassen, sei es ein Denkmuster, eine falsche Idee, oder gar ein falsches Leben: Der Christus hat mir stets den Weg gezeigt. Das ist eine konkrete Erfahrung, die ich machen durfte. Etwas Neues in sich einzugliedern setzt ein „Sterben“ voraus. Mit Christus sterben wir in alten Gewohnheiten, Denkmustern usw. um mit ihm in neuem Bewusstsein, in neuer Wachheit aufzuerstehen. Dieser Vorgang ist in etwa identisch mit dem Vorgang des Emergierens. Es ist nur eine andere Beschreibung desselben Vorgangs, bei dem es  darum geht, den Tod als Wandler, den wir aus unserer Mitte verbannt haben, in unser Leben neu zu integrieren.

„Wo zwei sich in meinem Namen versammeln bin ich mitten unter Ihnen“
Christus repräsentiert die Mitte in uns. Dort ist unser Herz. Das Herz ist Ausdruck der Liebesfähigkeit der Menschen, ihrem sozialem Bewusstsein und der Fähigkeit des Mitempfindens. Dort, wo im Zwischen der Menschen der Christus sein darf, entsteht gesunde Sozialität und Gemeinschaft.

Schaffende und ausgleichende Kraft
Es muss eine Macht im Universum geben, die vergangenheitsbezogen die Gesetzlichkeit hütet und hinter ihr steht. Alles, was uns etwa vergangenheitsbezogen im Sinne von Traditionen hält, unterliegt dieser Macht. Das Christentum nennt es „Vatergott“. „Vater“ kommt von „pater“ (lateinisch), „petra“ (griechisch), „Av“ (hebräisch) und lässt sich auf die Bedeutung „Stein“ zurückführen. Okkult bedeutet „Vater“ Tod. Die mineralische Aussenwelt, die mit allgemeinem Bewusstsein durchsetzt ist, ist eine Welt der Naturnotwendigkeiten und in diesem einseitigen Bewusstsein stehen gegenwärtig nicht nur die Naturwissenschaften. Dieses Bewusstsein kann durchaus mit dem verglichen werden, was man als „Patriarchat“ bezeichnet. Dieses hat uns – neben seiner zerstörerischen Natur- doch viele technische und zivilisatorische Möglichkeiten beschert. Mit seiner vorrangig zerstörerischen und hemmenden Wirkung hat es jedoch ausgewaltet. Der Christus ist der Wandler, der uns hilft, Neues zu ermöglichen, was die Menschheit auf nahezu allen Gebieten ihrer Kulturen dringend zu realisieren hat. Er führt aus den Naturnotwendigkeiten heraus ins Gebiet des Schöpferischen und Bewegten, er bringt uns auf den Weg, er ist der Weg! Wo innerer Wandel stattfindet wird erst Schöpferisches ermöglicht. Der Christus ist die Kraft der Gegenwart, die das Vergangene ins Zukünftige überführt. Wenn ich festgefahren bin, materiell zu verkrusten und verhärten drohe oder im Gegenteil mich in luftiger Intellektualität zu verlieren drohe, kann mir Christus eine vermittelnde Kraft sein, die eine ausgleichende Mitte zwischen beiden Feldern herstellt. Um zu Taten zu kommen, die aus der Zukunft schöpfen, gebiert der Christus aus sich den heiligen Geist, den Schöpfergeist, dessen Kraft wir „nutzen“ können.

Christusbewusstsein ist Erdenbewusstsein
Christus hat sich vor 2000 Jahren mit der Erde verbunden, die seither sein Leib ist. Christusbewusstsein ist daher auch Erdenbewusstsein. Dadurch, dass der Christus die Erde zu seinem Leib gemacht hat, wurde die Erde „verhimmelt“. Dies ist der Keim dafür, dass die Erde zu einem Planeten der Liebe werden kann, wenn wir es wollen und tun. Wir Menschen können es als unsere Aufgabe empfinden, die Erde zu einer Liebe-Sonne wandeln zu helfen. Das bedingt aber, dass auch die Erde durch ein Sterben hindurch geht, dann kann sie mit allen Wesen auf, in und über ihr zu einer neuen Realität werden, zu einer „neuen Erde“

Bild: Äterherz – Werner Binder, Retraite 1997

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