Im Spital

Noch bin ich leicht benommen von der Schicksalswelle in meine Wohnung zurückgeschwemmt worden, wo ich meinen eigenen Atem wieder finde, also im Vertrauten wieder angekommen bin. Ich habe das Spital in seinem kühlen, harten Weiss zurückgelassen, in dem ich vier Tage in einem lauten, unruhigen Dreier-Zimmer lag, gefesselt von Infusions-Leitungen und einem Katheter.
Die Spitalwelt ist mir fremd: seine strikte Hierarchie, die entseelte, nur noch höfliche aber kaum mehr herzliche Pflege, die vielen technischen Abläufe… doch einmal, eines Morgens, trat eine junge Pflegerin wie ein Lichtstrahl in unser grosses Dreibett-Zimmer und sagte, dass sie hier die Nachttischen abstauben und reinigen werde. Sie tat dies mit so viel Achtsamkeit und liebevoller Präsenz, ja, ich möchte schon von Hingebe reden, dass es spürbar heller im Zimmer wurde. Sie war in Ausbildung im ersten Lehrjahr, aber schon eine ausgereifte Pflegerin mit heilender Ausstrahlung.
Meinem jungen Bett-Nachbarn verweigerten die Angestellten eine wirkungsvolle Schmerz-Therapie über zwei Tage hinweg. Oder sie getrauten sich nicht, das unwirksame gegen ein wirksames Schmerzmittel zu ersetzen. Es war kaum anzusehen, wie der Mann litt. Mit Hilfe seiner Verwandten, die grossem Druck machten, traf dann der Chefarzt ein, verschrieb Morphium und mein Nachbar war in wenigen Minuten schmerzfrei und konnte wieder schlafen. So viel zu den Auswirkungen einer straffen steilen Hierarchie.

Nun bin ich also wieder zu Hause, benommen und dabei, mich wieder in meiner eigenen Haut zurecht zu finden und meiner Müdigkeit, die mit Verspätung nun Einzug hält, nachzugeben.

Im Folgenden schildere ich meine erste Nacht im Spital, kurz nach meiner fünf-stündigen Blasenstein-Entfernung:

Um 20.30 Uhr kam ich im Wach-Saal wieder zu mir und fühlte mich gleich ganz wach und klar, was die Anwesenden erstaunte. Mich auch. 15.2.45 – natürlich wusste ich mein Geburts-Datum, ohne zu studieren. Kurz vor dem Ende des 2. Weltkrieges. Trage ich noch Spuren des Krieges in mir? Vermutlich schon.

Unmittelbar vor der Operation sagte mir die mich operierende Ärztin, dass es gut sei, einen eigenen Traum in die Narkose und die nachfolgende Operation mitzunehmen. Ich hatte meinen Traum, nahm ihn mit. Wie schön, wie wahr und klug, doch ihr Hinweis war.

Eine andere Ärztin hatte mir die Infusion zu stecken. Kurz vor dem Einstich fordert sie mich auf einzuatmen, was ich tat. Während ich einatmete, stach sie. Noch nie erlebte ich den Einstich einer Infusion beinahe schmerzlos.
Ich sage mir: Wenn etwas eintreten soll, atme ich ein, gebe Zugang, wenn etwas austreten soll, atme ich aus, akzeptiere und fordere damit den Auslass. So einfach ist das und so hilfreich.

Nach den beiden Erfahrungen/Einsichten der beiden klugen Frauen, wurde ich in die Operationsaal gefahren und auf den OP-Tisch gebracht. Im Raum herrschte eine aufgeräumte, ja heitere Stimmung. Ganz kurz fand ich das Lachen befremdlich, danach schätzt ich es, denn es schmälerte den freundlichen Einsatz der Mitarbeitenden in keiner Weise – im Gegenteil.

In der beschriebenen Klarheit – die Auswirkung meines Traumes – wurde ich in mein Krankenzimmer gekarrt. Nach einer kleinen Mahlzeit, inzwischen war es dunkel geworden, kam eine sanfte, tiefe Müdigkeit zu mir und legte sich über mich wie eine leichte, warme Decke und ich schlief ein – und blieb dabei völlig wach und präsent. Ein Klar-Traum.
Ich hörte das Plätschern des Regens draussen, das Schnarchen meines Nachbars und gleichzeitig erlebte ich und wusste, dass ich schlief und träumte. Ich folgte allen meinen Träumen und beobachtete sie und realisierte gleichzeitig alles, was in meinem Zimmer und in meinem Körper vor sich ging. Das ging vielleicht eine bis zwei Stunden so. Ich erlebte den Zustand als sehr friedvoll. Einer der Träume hatte die Qualität einer Vision: Ein weiser kraftvoller Mann erschien und sagte mir, was ich in meiner kommenden Lebensphase zu beachten habe. – Es war eine starke, kurze und eindringliche Begegnung.

Danach folgte ein Wechsel von Schlummern und Nachdenken. Diese hatte die Qualität von Klar-Werden.

Auch Krankheit – Gesundheit ist in den letzten drei Jahren für mich zu einem zerbrechlichen Gut geworden – trägt sowohl den Aspekt von Klar-Werden, wie auch von Mensch-Werdung in sich. Krankheit ist für mich zu einem Vehikel der Bewusstwerdung geworden.

Als es dämmerte, freute ich mich auf das Frühstück. Ich war dankbar, dass ich friedlich und völlig schmerzfrei war -, ja und auch darüber, dass liebe Menschen fühlbar mit mir in Verbindung waren. Und auch jetzt sind.

 

Im Seins-Raum

Manchmal ist es mir ein Bedürfnis innere Erfahrungen weiterzugeben, zu teilen. Bevor ich sie in Worte fasse, überprüfe ich das Erkannte im Innern, ob das, was sich formulieren möchte, tatsächlich dem entspricht, was ich innerlich erlebe und erfahre. Wenn keine Übereinstimmung vorliegt, gelangt es in keinen Text.
In welchem Masse meine innere Wahrheit auf andere Menschen übertragbar ist und wie weit sie verallgemeinert werden kann, kann ich nicht beurteilen.

Ich lebe im Seins-Raum. Es ist mein wahres Wesen, welches im Seins-Raum lebt. Dieser Raum ist sowohl leicht, wie auch dicht. Hier bin ich von Wesenheiten umgeben. Hier bin ich ganz, während ich mich im Raum der Alltags-Erdenwelt als sehr relativ und vergänglich erlebe.

Im Seins-Raum ist meine Heimat.
Er ist völlig beseelt.
Hier dehnen sich alle meine Dimensionen, die zu mir gehören, aus. Ich weite (erweitere) mich da. Alles ist gut bis in die Tiefe des Seins.

Seins-Tiefe: ganz unten die Grund-Strömungen der Lebenskraft, in der Höhe lobende Wesen in ihrem Liebestanz.

In der Versenkung, zum Beispiel in der Meditation oder im kontemplativen Gebet, manchmal auch in psychotherapeutischer Körper-Arbeit, verändert sich das Zeit- und Raumempfinden:
Zeit erlebe ich als Gegenwärtigkeit, ich spüre sie als nährende und schöpferische Essenz.

Raum dehnt sich; er ist grenzenlos, leicht und dicht zugleich. Eine schimmernde Sphäre. Das Wesen (Ich) und der mich umgebene Seins-Raum unterscheiden sich nur graduell. Der Seins-Raum ist auch in mir, so wie er mich umgibt. Alles ist wechselseitig verbunden, es gibt da keine isolierten Einzelteile.
Der Raum atmet, pulsiert. Hier ist keine Schwerkraft, sondern eher ein Gleiten, ein Schweben.
Verweile ich im Seins-Raum, der auch ein Bewusstseins-Raum ist, erfahre ich seine intensive Lichtkraft immer mehr (vergleiche den letzten Blog: Licht und Bewegung). Das Gefühl: Ich bin aufgehoben, beheimatet. Hier bin ich wirklich, hier bin ich real. LIEBE und all-gegenwärtige Schönheit, die alles durchströmt. Alles ist hier in LIEBE gesehen und in LIEBE gehört. Anteilnehmendes Leben.

Der innere Mensch, der ins Licht der Wahrnehmung tritt – ich nenne ihn auch das Wesen – ist, so spüre ich das deutlich, real, anwesend, während der von der Zivilisation und der herrschenden Kultur geprägte Mensch grosse illusionäre Anteile (Maya) an sich hat. Manchmal erscheint er als abwesend, unsichtbar. Im Seins-Raum ist Anwesenheit, Wahrheit, Wahrhaftigkeit und Seligkeit.

Wenn du, wenn ich, aus diesem Seins-Raum liebevoll mit Mitgefühl ausatmen, können wir das bedrohte Leben auf Erden unterstützen und nähren. Es ist eine Art von stiller Friedensarbeit, die aktive handfeste Friedensarbeit nicht ausschliesst, sondern vielmehr stärkt.

Erschütterung durch Schmerz und Schönheit

Garry Zemp, der ehemalige Co-Präsident der IP (Integrale Politik), schreibt auf der Web-Seite der IP:

„Die Menschheit, mindestens die des abendländischen Kulturkreises, steht vor einer existenziellen Wahl. Entweder bleibt sie weiter auf dem durch die kapitalistische Moderne vorgezeichneten Weg der Selbstzerstörung, oder sie entscheidet sich für den kreativen und konstruktiven integralen Weg, ein Weg der persönlichen und sozialen Bewusstseinsentwicklung.“

Ich stimme dieser Analyse zu: Die globale Entwicklung, die sich der Rendite und dem wirtschaftlichen Erfolg auf Kosten von Minderheiten und der Natur verschrieben hat, ist selbstzerstörerisch. Das globale, moderne kapitalistische System verspricht alle Probleme lösen zu können und bietet dafür technisch-wirtschaftliche Reparaturen an, selbst wenn die Ursachen zwischenmenschlicher Art sind. Es verleugnet die wahren Ursachen. Das System ist darauf angelegt, sich selbst zu erhalten, indem es sich für alles zuständig und fähig erklärt. So – um ein Beispiel zu nennen – wollen die USA einfach Palästina kaufen (wir bringen euch allen Wohlstand), um den Preis, dass dieses sich politisch stille hält und seine Forderung nach einem eigenen Staat begräbt.

Die für mein Dafürhalten dringliche und tiefgreifende Bewusstseins- und Verhaltensänderung ist über vernünftige Argumentationen nicht oder nicht alleine zu erwarten.

Deshalb glaube ich, dass es die Erfahrung von Erschütterung, ausgelöst durch Schmerz und Schönheit, braucht, welche bis auf den Grund der Seele wirkt.

Das heute verbreitete rationale und funktional-technische Denken und Handeln („was nützt es mir…“) ist bis in die Knochen verinnerlicht. Es basiert auf Trennung und Zersplitterung.

Die Erschütterung kann sowohl von aussen (gesellschaftliche Umwälzungen, Krisen, Erdbeben, Kriege, usw., wie auch von innen (Krisen, Krankheiten, Träume, Trennungen, usw.) kommen.
In der jetzigen Übergangsphase von einem nun vergehenden Zyklus der Menschheitsgeschichte in einen anderen, höheren, bewussteren, herz-zentrierten Zyklus sind sehr starke Kräfte der Umwälzung am Werk und sehr starke Emotionen wie Angst, Schmerz, Trauer, Auflehnung, Hoffnung und Sehnsucht wahrnehmbar. Aber auch Licht aus hohen Ebenen und Heilkraft. Diese starken Ströme des Wahrheits-Bewusstseins und der damit verbundenen Emotionen sind eingepackt, also isoliert von unserer Alltags-Wahrnehmung. Die allgemeine Verdrängung und Verleugnung sind mächtig.
Hellfühlende, erwachte Menschen, zum Beispiel feinfühlige Künstler*, nehmen aber das gleichsam unterirdische Brodeln und Beben sehr stark wahr.

Die Erschütterung will wahrgenommen und gefühlt werden, will uns Menschen erreichen, damit die inner-seelischen Bewegungen und Prozesse geschehen können,
damit die nötigen Entwicklungsschritte stattfinden. Indem uns die Veränderungsprozesse klar werden, auch emotional, gewinnen sie an Kraft und Realisationsvermögen. Wir können erst dann von „Einsicht“ sprechen, wenn diese alle Schichten der Persönlichkeit durchdrungen hat.

Meistens sind es Erfahrungen von Schmerz oder von Schönheit, die uns helfen, letztlich heilsame Erschütterungen zuzulassen. Sowohl Schmerz, wie auch die Erfahrung von Schönheit können berühren, aufrütteln und erschüttern!

Wenn Menschen lange genug das unterdrückt haben, was ihnen helfen kann, zur Einsicht zu finden, bildet sich Schmerz, der sich schlussendlich durchsetzt in verschiedenen Formen. Dies gilt sowohl für die individuelle, wie auch für die kollektive Ebene. Diese schmerzlichen Erfahrungen, Krisen, bewirken die dringend nötigen Veränderungen und Entwicklungsschritte.

Positive Erschütterungen resultieren meist aus der Erfahrung von Schönheit, wie sie nicht selten in meditativen Zuständen, in der Kunst oder bei Nahtod-Erlebnissen vorkommen. Sie sind umwälzend. Erfahren wird: Schönheit als Ausdruck der LIEBE, wie sie in der ganzen Schöpfung wirkt und Leben entstehen lässt. Das Erleben ursächlicher stupender Schönheit, führt bei Vielen zu einer kompletten Neuorientierung ihrer Lebensweise. Sie fangen an zu staunen und wissen nun Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden. Sie werden sich für den Geist und nicht für das Geld entscheiden.

Ich glaube, dass die meisten Menschen, sowohl das Erleben von Schmerz wie auch von Schönheit für ein Leben in Bewusstheit benötigen. Vermutlich gilt dies auch für die menschliche Gesellschaft.

Meine Grund-Frage ist: Was hilft uns, tiefgreifende heilende Berührungen, die bewegen und erschüttern und damit zur Umwandlung führen, offen zuzulassen?

 

*Die Symphonie Nr. 2 von Thomas Trachsel handelt von der Angst unserer Zeit. Höre hier den 1. Satz der Symphonie. Es ist ratsam, sich ganz in diese moderne, expressive Musik zu versenken. Sie drückt etwas vom Brodeln und Beben dieser Zeit aus:

 

 

 

 

 

Unrast und Geborgenheit

Dies ist der zweite kleine Reise-Bericht. – Sind die kleinen Reisen Übungen zur Entwicklung der Bewusstmachung der grossen Lebens-Reise? Bildet sich in jeder kleinen Reise eine Sequenz, also ein Schritt im Prozess der seelischen Bewusstseins-Entwicklung, ab? Anders gesagt: Ist es so, dass ein jetzt virulenter Teil meiner inneren, spirituellen Reise sich über meine äussere Reise legt und, dass sich durch die Interaktion der beiden Ebenen ein Beziehungs-Muster entwickelt, das es zu lesen gilt? Könnte man also eine so kleine Reise, wie die meine von Zürich nach Olten sogar als eine Pilgerreise verstehen?

Ich sitze im Zug und beobachte mich. Ich schaue mir zu, wie meine Blicke herumwandern, um etwas zu finden, das meine Blicke anzieht: sehe jetzt die Frau dort, höre ihre Stimme, bemerke wie sie gestikuliert, einige Sekunden oder Minuten lang, bis meine Blicke weiterziehen, auf der Suche nach etwas, das meine Sinne neu fesselt: die Schneeflecken draussen, der Flusslauf da unten. Schön. Und dann kehre in den Sessel zurück, in dem ich mich ausgestreckt habe. Der Mann, mir gegenüber, hat wässrige Augen, sonst aber ein beherrschtes, angestrengtes Gesicht. Nur die Augen hat er nicht unter Kontrolle. Sie drücken Kummer aus.
Ich bemerke, dass ich im Innersten Halt suche. Jetzt fällt meine Aufmerksamkeit auf die Rundungen der Brüste jener Frau dort… nun nehme ich nur noch Farben, Formen, Geräusche wahr. Jetzt: die freundliche Zugführerin, die geduldig auf Fragen eingeht.

Ich bin auf der Suche. Wenn ich meine Suche auf etwas richten kann, das meine Aufmerksamkeit erregt, gibt mir das Halt für eine paar Sekunden, dann nehme ich Kontakt, ja vielleicht Beziehung auf, bleibe eine Weile bei dem, was ich sehe oder höre, ruhe mich dann ein bisschen aus. Etwas wärmt mich, wenn auch nur für kurze Zeit. Es kann auch ein Gedanke sein, der mich fesselt oder eine schöne Idee oder eine Erinnerung. Dann schweife ich wieder weiter. Ich suche, um anzukommen.

So, hat mein innerer Beobachter festgestellt, läuft es seit Jahrzehnten. Diese Art des Suchens, nach etwas, das mich hält, mich birgt und beruhigt, ist mir zur Gewohnheit geworden. Es ist ein suchendes Umherwandern. – So weit, so gut.

Doch hat diese Gewohnheit auch eine problematische Seite. Das, worauf sich meine Aufmerksamkeit richtet, ist oft von kurzer Dauer. Es ist eine Art von Gedanken-Streunen und ein Suchen nach Attraktoren. Manchmal ist es unruhig und beunruhigend. Streunen und Zerstreuung. Die einzelnen Objekte, an die ich mich kurzfristig anhafte, wärmen mich nur flüchtig und deshalb erhöhe ich mein Tempo des Suchens. Es entsteht Unrast, Anzeichen von Sucht und von Angst. Es ist ein Suchen am falschen Ort, auf der falschen Ebene. Immer, wenn Sucht im Spiel ist, sind wir auf der falschen Ebene, im Bereich der Kompensation.

Vielleicht ist es ein Suchen nach der Mutter. Oder doch eher ein Suchen nach Aufgehoben-sein in Gott.

Dann, nach dieser Einsicht – immer noch im Zug- habe ich den Fokus (den Modus) gewechselt und mich nach innen gewandt. Ich habe in mein Herz geatmet und ich habe mich mit allem verbunden, mit allen mir bewussten Dimensionen, die mich ausmachen: mit meinem Körper, meiner Seele, Mutter Erde, dem Kosmos, dem EINEN. Und ich fühle wahres, bleibendes Aufgehoben-sein. Viellicht hat Jesus das gemeint (dieses sich nach innen wenden), als er von Umkehr gesprochen hat.

Der äussere Such-Modus, so wurde mir dann bewusst, ist Ersatz für die Suche und das Finden des Einen. Ich irre im Vielen herum, wenn ich mich – MICH – vergesse. Ich zerstreue mich aus Angst davor, nicht zu SEIN.

Sind wir Menschen nicht alle mehr oder weniger konditioniert zu einer Art von «Miniaturisierung». Ich meine damit, dass wir uns in der materiellen Vielfalt verlieren, weil wir das Wissen und Spüren der grenzenlosen Zusammengehörigkeit vergessen haben.

Was ich im Zug erlebt habe, war eine Erinnerung – ein Wiedererinnern dessen, was ich bin: ein vielschichtiges Wesen mit einem Kern, der alles hält. ICH BIN GEHALTEN, ICH BIN GEBORGEN.

Nach dem mich mein innerer Beobachter (der Zeuge) auf diese alte Prägung des suchenden Herumirrens aufmerksam gemacht hat, blicke ich wieder nach aussen, sehe mich in diesem kleinen vorübergehenden Ausschnitt des Bahnwagens, der durch den kalten Wintertag rast und ich sehe nun die gleichen Objekte wie vorher, aber nun aus der Klarheit und Stille des Herzens und ich kann mich an dem Vielen erfreuen ohne Unrast, ohne die Seitentriebe irgendwelcher Süchte. Ich sehe aus dem Einen in das Spiel der Mannigfaltigkeit – ohne zu klammern und ohne zu jagen.

Mein innerer Beobachter hat auch bemerkt, dass diese alte Gewohnheit an Macht über mich eingebüsst hat.
Es wird mir auch bewusst, dass diese hier geschilderte Gewohnheit nicht nur meine individuelle Schwierigkeit ist, sondern auch ein gesellschaftliches Korsett, das mich prägt, eine Art von Verhaltens-Zwang, die auf Ausweglosigkeit hinweist. Wir Menschen scheinen in einem Käfig zu sein, in dem wir herumtigern, weil wir den Zugang zum unendlichen Lebensraum, der in uns ist, verloren haben. Die Reduktion auf die materiellen und äusseren Dinge und Reize hält uns auf einem ganz kleinen Platz fest; wir sind abgeschnitten von unserer Seele, an die wir den Glauben fast verloren haben, wenn wir nicht manchmal aus unruhigem Schlaf erwachen würden, mit der diffusen Angst, etwas vergessen zu haben.

wenn wir nicht manchmal aus unruhigem Schlaf erwachen würden, mit der diffusen Angst, etwas vergessen zu haben

WANDEL – 3. Teil

Im ersten Teil des Zyklus WANDEL äusserte ich meine Ansicht, dass die Menschheit an der Schwelle zu einer höheren, trans-rationalen Phase ihrer Geschichte steht. Ich erläuterte meine Überzeugung, dass es Menschen brauche, die bereit sind, sich dem Wandlungsgeschehen hinzugeben. Dadurch entstehe das Fundament für eine globale Bewusstseinserweiterung. (3. Nov. 18)
Im zweiten Teil (24. Nov. 18) beschrieb ich aus meiner Sicht die vier Säulen die bei diesem kommenden Wandel in besonderer Weise zu beachten seien: Das Eingeständnis der menschlichen Ohnmacht und Bedürftigkeit, die Umkehr und Neu-Ausrichtung, die Vertiefung von Liebesbeziehungen (Gemeinschaften) und der Aufbau einer lebensdienlichen Welt-Ordnung.

Bei den folgenden Ausführungen gehe ich auf den subtilen Wandlungs-Raum ein. Ihn könnten wir auch als die fünfte Säule deuten, die in der Mitte steht und auf die Quint-Essenz hinweist.


Der Raum der Heilung, des Wandels und der Auferstehung
In diesem dritten Teil des Zyklus zum Thema WANDEL möchte ich eine gute Nachricht übermitteln: Bei dem nötigen Wandel hin auf eine reifere Menschheitsstufe bekommen wir Menschen Hilfe. Alleine wären wir kaum in der Lage diesen grossen Sprung zu tun: zu tief war unser Fall.

Wir stehen auf den Schultern jener Ahnen, die weise waren und die geliebt haben.
Und: Die grossen Menschheitslehrer wie Christus und Buddha, aber auch viele andere erleuchtete Lehrer haben uns einen Raum der Heilung, des Wandels und der Auferstehung hinterlassen. Eine geistige Erbschaft, ein wunderbares Geschenk.

Dieser gesegnete Raum ist gleichzeitig auch ein subtiler Körper. Er ist universell, immer und von überall her «zu betreten».

Alle unsere Kirchen, Tempel und Moschen sind Abbild dieses universellen «Körper-Raumes», der in uns auch mikrokosmisch besteht: der innere Tempel. Im Tempel-Inneren wirkt die Kraft der Heilung, der Wandlung und der Auferstehung.

OM.

Ich verspüre eine grosse Scheu über den subtilen Raum-Körper der Heilung, des Wandels und der Auferstehung zu sprechen. Ich frage mich: Ist es gut, wenn ich dieses doch eher unpersönliche Medium – das Internet – dazu verwende über etwas zu sprechen, dass für mich mehr als kostbar, nämlich heilig ist? Innere Erfahrungen sind ja das Intimste, das es gibt. Nachdem ich von dieser Scheu gesprochen habe, ist es mir möglich, weiter zu schreiben.

Stille, tiefe Stille bereitet uns vor, in der richtigen Verfassung den Heil-Raum zu betreten.

Die Pforte zu jenem Wandlungsraum werden wir dann passieren können, wenn wir uns ausreichend gereinigt haben und aus unserem Herzen Dankbarkeit strömt.

Die Erfahrung dieses Raumes ist überwältigend und mit Worten nur annähernd auszudrücken. Die Atmosphäre in ihm ist ohne jegliches Störungsfeld. Reines Sein.
Es atmet Liebe, Güte und Klarheit, weckt ein Wohlbefinden und vermittelt ein Wohlwollen, Seligkeit, die alles übersteigt, was wir im Alltag je wahrnehmen können.
Der Raum ist heilig. Es ist ein Wandlungs- und Heilungsraum, der allen, die guten Willens sind, offensteht. In ihm können wir genesen und uns zu dem hin wandeln, was wir im Innersten sind: zu Liebenden. Der nötige Wandel, der zu unserer Heilung führt, wird uns also geschenkt, uns als Individuen, uns als Menschheit.
In unserem eigenen Herzen werden wir neu geboren.

Zu Beginn erleben wir die Lichtkraft darin so übermächtig, dass wir nicht lange darin verweilen können. Der Seelen-Körper muss allmählich die Kraft aufbauen, damit wir uns mit der Zeit länger in diesem Transformations-Raum aufhalten können.
In diesem Raum werden wir gewandelt – nach und nach. Unser Beitrag soll Hingabe und Vertrauen sein. Dadurch kann und will die göttliche Kraft wirken.
Ohne unser Einverständnis wird uns nicht gegeben, mit unserem Einverständnis hingegen in Fülle. Das WESEN respektiert unsere Wahl-Freiheit, die wir geschenkt bekommen haben, vollkommen.

Es ist also nicht so, dass wir alleine aus eigener Kraft den so dringenden Bewusstseinswandel schaffen müssen. Wir bekommen alle Hilfe, die wir brauchen, um diesen Prozess behütet und umsorgt durchleben können.

Vertrauen
Um Hilfe annehmen zu können, ist Vertrauen nötig, denn wie sollten wir absolut sicher sein, dass es erstens diesen Raum gibt und zweitens, ob er wirklich unseren Prozess ermöglicht und unterstützt. Wäre diese Sicherheit garantiert, bräuchten wir ja kein Vertrauen. Ein bisschen Mut und Risikobereitschaft braucht es also schon.

Ich glaube, dass ich selbst ein grösseres Risiko darstelle, als diese belebende Kraft, die bei mir immer wieder anklopft und ich glaube auch, dass diese Gesellschaft, in der ich lebe, mich sehr viel eher verunsichert, als jene Substanz, die ich spüre, wenn ich die Augen schliesse und mich ihr überlasse.

Ich möchte meine Leserinnen und Leser also ermutigen mit einem Lächeln auf den Lippen Vertrauen zu riskieren. Das Leben zu riskieren. Jeder Sprung, auch der Sprung ins wahre Leben, braucht ein bestimmtes Quantum an Vertrauen und Mut.

Den Widerstand aufgeben
Es geht darum den Widerstand gegen das was uns heilt, gegen das, was uns rettet, aufzugeben.
Ich erkenne in allen Menschen, die mir bekannt sind, Widerstand gegen ihre Heilung (in unterschiedlicher Stärke, je nach Individuum) – dasselbe gilt für jede Gesellschaft. Ja, und dasselbe gilt für die Kirchen und alle äusseren Machtapparate der Gross-Religionen -nicht aber für ihren mystischen Kern!
Verrückt, so könnte man denken, Widerstand gegen das, was uns heilt, aufzubauen. Aber so ist es.
Es ist Widerstand, der aus der Angst kommt.
Spirituelle Arbeit bedeutet unter anderem das Aufgeben des Widerstandes.
Es ist befreiend, wenn Menschen erkennen, weswegen und aufgrund welcher Erfahrungen sie sich gegen ihre Heilung auflehnen. Es ist wichtig, dass jede und jeder sich darum bemüht, darauf seine Antwort zu finden. Ich nenne es Selbst-Befreiung, Teil der Wandlungsarbeit, Teil unserer Verantwortung für uns und den Planeten.

WANDEL 2. Teil

Der untenstehende Artikel ist die Fortsetzung von WANDEL – Teil 1, verfasst am 3. November 2018 (nach unten scrollen).

Im ersten Teil dieses Zyklus äusserte ich folgende Ansichten und Thesen:

  • Die Menschheit befindet sich im Übergang von einer Entwicklungsphase in eine nächst höhere. Sie steht an einer Schwelle, die nur durch eine tiefgreifende Transformation zu überschreiten ist. Hohe Wesenheiten geben den Impuls für den Wandlungs-Prozess und sie begleiten ihn.
  • Die bisherige mentale oder rationale Stufe wird von einer trans-rationalen abgelöst.
  • Meine Intuition sagt mir, dass es an der Zeit ist, sich der Herzebene anzunähern. Diese steht für Empathie, Liebe, Integration und Schönheit (entsprechend dem Herz-Chakra).
  • Es sind immer Einzelne oder kleine Gruppen von Menschen, die sich einer grossen Aufgabe hingeben – sie sind ausgerichtet auf die Quelle allen Seins. Es ist eine Avantgarde. Diese ist entschlossen sich dem WANDLUNGS-GESCHEHEN hinzugeben. Die beteiligten Menschen entwickeln diejenigen Wesens-Qualitäten, die diesem Umwandlungs-Geschehen dienen.
    Mahatma Ghandi: «Sei Du selbst die Veränderung, die Du Dir wünschst.»
  • Die Erwachten, die sich dem Wandel hingeben, bilden einen Kreis, beziehungsweise Gemeinschaften oder Netzwerke – sichtbar oder unsichtbar-, welche zu einem Fundament werden für die kommende Entfaltung des menschlichen Bewusstseins.

 

Die vier Säulen des erneuerten und erweiterten Bewusstseins
Innerhalb meines begrenzten Wissens erkenne ich vier Bereiche (Eckpfeiler), die es im Wandlungs-Prozess in besonderem Masse zu beachten gilt:
1. Das Eingeständnis der menschlichen Ohnmacht und Bedürftigkeit.
2. Umkehr und Neu-Ausrichtung
3. Erweiterung und Vertiefung der Liebes-Beziehungen. Die Gemeinschaft der Liebenden.
4. Eine lebensdienliche Welt-Ordnung.

Diese Reihenfolge erhebt aber keinen Anspruch auf eine strikte und dogmatische Reihenfolge. Sie kann aber helfen, die verschiedenen Stufen einer spirituellen Entwicklung fühlbar zu machen.

  • Das Eingeständnis

Es ist das Eingeständnis der eigenen Ohnmacht, Hilflosigkeit und Bedürftigkeit des Menschen. – Die Welt ist so komplex und chaotisch geworden, regiert von vielen narzisstischen Persönlichkeiten, die jegliches Augenmass verloren haben, dass es Vielen klar geworden ist, dass die Welt schon längst nicht mehr steuerbar ist. Der Kapitalismus und das ökonomische Denken, das in alle Bereiche und Ritzen aller Gesellschaften und Nationen weitgehenden eingedrungen ist, verhindert eine ganzheitliche Entwicklung zum Wohle des Menschen und der Natur.
Auch individuell gibt es Krisen, die als kaum lösbar erscheinen, wo es nicht die richtige Entscheidung gibt. Mutig hinzuschauen und sich mit der Ausweglosigkeit und der eigenen Ohnmacht zu konfrontieren ist der erste bedeutende Schritt in jedem Wandlungsprozess. Erstaunlicherweise ist es tröstlich, wenn wir uns zugeben und zugestehen, dass wir alleine nicht alles im Griff haben. Das nimmt uns Druck weg.

Das Eingeständnis, dass unsere Probleme, die aus der sehr einseitigen materiellen Ausrichtung entstanden sind, kaum mehr durch Massnahmen gelöst werden können und dass das all-gegenwärtige polarisierende und argumentierende Denken nicht in der Lage ist eine wohlwollende und dem Leben dienliche Atmosphäre zu schaffen, die wahre Freude erzeugt, wird uns individuell wie auch kollektiv, also als Mensch und Menschheit entlasten.

Mit dem Eingeständnis in unsere Begrenztheit, schaffen wir Raum für den Einfluss anderer, höherer Bewusstseins-Ebenen.

  • Umkehr und Neu-Ausrichtung 

Statt uns weiterhin hyperaktiv nach aussen zu wenden, uns im Aussen zu zerstreuen und zu verlieren, kehren wir um und wenden uns nach innen, unserem Herzen zu.
Die Energie folgt unserer Aufmerksamkeit, folgt dem Fokus. Wir brauchen nun die Kraft dafür, uns die Zuwendung zu geben, die es für unseren Wandel braucht. Wir richten uns auf die göttliche Quelle des Lebens aus.
Dabei hilft uns die Frage: «Wer bin ich?» Sie führt uns in die Wahrnehmung des wahren Wesens, das wir sind. Des inneren lichten Menschen also. Das Mitgefühl, das wir im Herzen finden, ist die Quelle des Glücks. Der Dalai Lama weist uns immer wieder auf diesen Zusammenhang von Mitgefühl und Glück hin.
Im Herzen können wir die Erfahrung von saccidananda machen: «Eine Trinität von transzendentem Sein, Bewusstheit des Selbst und Seligkeit des Selbst.» Sri Aurobindo.
Wenn wir die Geduld aufbringen und uns die nötige Zeit geben, uns dieser Erfahrung anzunähern, werden wir reif dafür, zur gegebenen Zeit tatkräftig im Aussen zu handeln – in geläuterter Energie, in Güte und Respekt vor dem Leben.
Durch diese innere Entwicklung werden wir auch ausgestatten mit dem Willen und der Zuversicht zum trans-rationalen Sprung auf die Ebene des Herzens, wo sich, wie ich gerne sage, der Kosmos des Herzens öffnet.

  • Die Entstehung der Gemeinschaft der Liebenden

Wenn wir das Empfinden und das Gefühl entwickelt haben, uns aus dem Schoss der Wärme und Liebe mitzuteilen und zu handeln, ist die Zeit gekommen, unsere Sympathie-Beziehungen zu Liebes-Beziehungen zu vertiefen. Die Liebes-Beziehung versteht sich hier nicht als eine primär durch das Sexuelle definierte Beziehung, sondern als eine allumfassende, bedingungslose Liebe, welche Lust, Wildheit und Zärtlichkeit einbezieht, wie alle anderen Ausdrucksformen der Liebe wie Mitgefühl, Hilfsbereitschaft, usw. auch.
Die Beziehung zwischen Frau und Mann will auf dem Weg zur Gemeinschaft der Liebenden erneuert werden. Auseinandersetzungen zwischen ihnen bedürfen der gegenseitigen, respektvollen, gleichberechtigten Partnerschaften auf der Grundlage von Vertrauen und Hingabe. Zweck der Liebes-Beziehungen ist Freude und Kreativität.
Ebenso soll die Beziehung des Menschen zur Natur und zur Erde heilen durch Liebe und Respekt. Jegliche Gewalt und Ausbeutung sollen sich auflösen im Bewusstsein des übergeordneten Einheitserleben.
Neue Gemeinschaften der Liebenden sollen sowohl auf der festen Erde wie auch im Ätherleib der Erde entstehen. Agapolis, die Stadt der Liebenden, so möchte ich sie nennen, soll in Liebe heranwachsen und das Neue Jerusalem möge seine Licht-Tore zum Frieden öffnen.
Auch das «Haus Santi Spiritus» (so die Vision der Rosenkreuzer) ein Kraftfeld und ein Brennpunkt auf der Geist-Seele-Ebene, wo sich Mensch und Geist begegnen, werde von Liebenden bevölkert.
Alle diese Gemeinschaften werden sich durch die magnetische Kraft der Liebe vereinigen und den Raum der Heilung und Transformation*, den es schon gibt, erweitern und intensivieren.

  • Eine lebensdienliche Weltordnung

Eine höhere Ordnung, gespeist durch das erneuerte Bewusstsein der Herz-Ebene, soll aus weichen heilsamen Strukturen bestehen, die wiederum stärkend auf die Bewusstseinsentwicklung des Menschen zurückwirken werden. Die Formen und Strukturen der neuen Weltordnung müssen sich alle der Frage stellen: Sind diese neuen Formen und Ordnungs-Strukturen lebensdienlich?
Der Dienst am Leben sollte das Prinzip aller Element der neuen Ordnung sein – einer Ordnung, die auf Gerechtigkeit, Respekt, Solidarität und Fürsorge beruht.

Von allen bestehenden Organisationen dieser Welt, müsste meiner Ansicht nach die UNO an vorderer Stelle durch entsprechende tiefgreifende Reformen gestärkt werden. Einige starke und reiche Veto-Mächte haben es, zum Beispiel durch die Minderung ihrer Zahlungen, immer wieder geschafft, Reformbestrebungen zu verhindern.
Nebst der Entwicklung der Liebesskräfte, müsste auch konstruktive Kampfbereitschaft in uns wachsen – wohlverstanden diese müssten mit einem liebevollen Engagement legiert sein. Eine solche neue lebensdienliche Weltordnung aufzubauen, erfordert einen langen Atem, Tatkraft und Mut. Deshalb halte ich die Säule zwei, die Umkehr und Neu-Ausrichtung für eine unabdingbare Voraussetzung für tatkräftiges Handeln.

Zum Schluss möchte ich nochmals die beiden genannten Fragen, die uns als Richtschnur der neuen Ausrichtung hin zum Herzen dienen, wiederholen:

Erstens:     Wer bin ich   – Wer sind wir?
Zweitens:   Dient das, was ich denke und tue dem Leben?


*
Zum geistigen Raum der Heilung und Transformation möchte ich mich in einer späteren  Folge des Zyklus WANDEL äussern.

 

 

Strömendes Leben – Wege aus der Kontrolle

Die allumfassende Liebe, die sich auch als geistiges Licht (oder umgekehrt: das geistige Licht, das sich auch als allumfassende Liebe) ausdrückt, ist immer da, jetzt gegenwärtig. Die primäre Wirklichkeit oder anders ausgedrückt DIE REALITÄT bildet sowohl den Hintergrund, auf dem sich der Tanz des Lebens abspielt, wie auch das Zentrum ( das Herz) einer jeden lebendigen Manifestation. Jeder Mensch ist umhüllt und durchströmt von der gütigen, liebevollen göttlichen Gegenwart, aus der alles Leben kommt. Immer. – Dies ist das Fazit meiner Erkenntnisse nach 73 Jahren Leben.
Alles, wie auch wir Menschen, sind erleuchtet – und sind es dennoch nicht, solange wir das, was uns das Leben gibt, abweisen oder ignorieren. Die Sonne kann noch so schön scheinen, ohne dass wir dies bemerken – und wir bemerken es nicht, wenn wir zum Beispiel in einem von uns selbst völlig abgedunkelten Zimmer sind.
Unser verdunkeltes und noch wenig entwickeltes menschliches Bewusstsein rührt daher, dass wir Menschen im Allgemeinen das Licht der Liebe und der Wahrheit zurückweisen und/oder es als nicht existent erklären.
Viele denken, dass uns der Verstand und die menschliche Intelligenz genug sein müssten. Künstliche Intelligenz (KI) könne man hinzunehmen. Sie zu entwickeln sei dem menschlichen Verstand möglich.
Was, so denken Manche, würden so schwammig Konzepte wie Seele und Geist da nützen.
Das ist eben der Punkt: Seele und Geist gelten bei Vielen nur als Konzepte und Vorstellungen, die keinen Realitätsanspruch haben könnten; diese seien allenfalls das Resultat von Gehirn-Funktionen, wie sie denken.
So etwas wie geheimnisvolle, nicht ganz zu ergründende Wirklichkeitsebenen würden nicht existieren. Ein göttliches Wesen anzunehmen wäre lächerlich.

Ich betrachte diese Anschauungen als Allmachts-Ansprüche, die so etwas wie ein Angewiesen sein oder eine menschliche Ur-Bedürftigkeit in Abrede stellen. Diese Haltung ist in abgeschwächter Form bei fast allen Menschen festzustellen, auch bei solchen, die sich als spirituell ausgerichtet sehen.
Viele Menschen nehmen spirituelle Erfahrungsberichte von Menschen nicht als bare Münze, nicht als Wirklichkeit, sondern als Bilder über… oder Vorstellungen von… oder Hoffnungen auf… etwas wahr, das einmal sein könnte, nicht aber als Tatsachen, als Realität, also als etwas, dass es tatsächlich gibt, hier und jetzt.
Deshalb bleibt die bedingungslose Liebe, das grosse Licht der Wahrheit und der grosse Segen durch uns Menschen empfindlich abgeschwächt und darum kann das Licht in uns nicht zum Strahlen kommen. Deshalb lebt die Menschheit in einem Dämmerlicht, aufgeschreckt von Irrlichtern und ungezählten Versuchen, das Leben zu verbessern, ohne jemals das Glück nahen zu fühlen.
Das, was uns rettet und heilt, weisen wir zurück, eher passiv-resignativ, denn als lärmend und aggressiv.
*
Das, was uns rettet, ist in jedem (wirklich in jedem!) Atemzug gegenwärtig.

Es heisst im Prolog des Johannes-Evangeliums 1, 9 und 10 (und diese Passage macht mich stets traurig):
«Er war das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der zur Welt kommt. Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, und die Welt hat ihn nicht erkannt.
Er kam in das Seine, und die Seinen nahmen ihn nicht auf.»
Und nun in der Gegenwarts-Form:
«Er ist das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der zur Welt kommt.
Er ist in der Welt und die Welt wird durch ihn und die Welt erkennt ihn nicht. Er kommt in das Seine und die Seinen nehmen ihn nicht auf.» – Du kann st es auch in weiblicher Form lesen.
Und jetzt noch sächlich-neutral:
«ES ist das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der zur Welt kommt. ES ist in der Welt und die Welt ist durch ES geworden, und die Welt erkennt ES nicht. ES kommt in das Eigene und es nimmt ES nicht auf.»

Wir neigen dazu, die heiligen Texte in die Vergangenheit zu legen und sie dort festzuhalten. Wahrheitstexte machen aber vor allem für den gegenwärtigen Moment Aussagen.
Etwas zu empfangen, dass wir nicht unter Kontrolle haben, widerspricht unserem Zeitgeist zutiefst. Unsere Optimierungssucht schliesst alle Bereiche und Ebenen aus (oder minimiert sie), die nicht unserer Kontrolle unterstehen. Wir wollen uns nicht an Kräfte hingeben, die sich ausserhalb von dem bewegen, was wir kennen.
Dabei schliessen wir uns selbst aus, unser lichtes Wesen, das in der Dämmerung auf Befreiung wartet. Unser Kontroll-Anspruch lässt uns einsam werden – und er schneidet uns  von dem ab, was uns heilt und von dem, was wir zutiefst sind.

Ich entdecke auch in mir manchmal eine subtile Art, wie ich mich selbst hindere, mich den Strömen des Lebens und der Liebe hinzugeben, aus Angst die Kontrolle und den Überblick zu verlieren, oder weil ich meine, ich sei es nicht wert, die Fülle annehmen zu dürfen.

Ich glaube, dass es für uns alle hilfreich ist, wenn wir uns selbst und anderen Liebes- und Wiegenlieder vorsingen (es können auch Mantras sein), um uns zu stärken und uns zu ermutigen, uns den flutenden Wellen der Liebe anzuvertrauen.
In jedem Moment, in welchem Menschen solche Selbstbeschränkungs-Mechanismen entdecken und mutig überwinden und im Vertrauen auf jene Liebes-Ströme, die sie über die engen Grenzen hinwegtragen, wird es auf der Welt ein klein wenig heller.