Liebe, was dich angreift

Das Böse – der Schmerz – und der liebende Blick: wie stehen diese drei zueinander?

Das Böse
Nicht alle meine Zeitgenossen glauben an die Existenz des Bösen. Ich selbst zweifle nicht daran, dass es existiert. Ich erlebe es als eine finstere, verschlingende, saugende, das Leben erstickende Macht, welche bestrebt ist, uns zu emotionslosen, bloss funktionierenden, seelenlosen «Maschinenmenschen» abzumindern.
Unser Zivilisation und Kultur verstehe ich als Ausdruck unserer inneren Bewusstseins-Verfassung. So nehmen wir von aussen wahr, was in uns (unserer Kollektiv-Seele) ist.

Der Schmerz
Wenn wir die äussere Finsternis nicht nur mit einem darüber hinweg huschenden Blick wahrnehmen, sondern sie auch mit dem Herzen ansehen, uns also von den Grausamkeiten und Gewalttaten, die um uns wirksam sind, berühren lassen – und das seelische Herz ist ein Organ, das äusserst berührbar ist – so spüren wir Schmerz.
Die tödliche Spirale, in der wir uns kollektiv befinden, erlebe ich als schmerzhaft.
Nun, dieser Begriff «tödliche Spirale» wird wohl Opposition hervorrufen. Natürlich gibt es das Gute, liebende Menschen, die ein einfühlsames Herz haben und für den Frieden einstehen und es sind nicht Wenige und von ihnen wird in diesem Artikel die Rede sein. Im grossen Strom, also im Mainstream, dominieren jedoch die Kräfte der Hybris, der strukturellen Gewalt, der rohen Macht und der Kontrolle und sie sind tödlich, weil sie die Abtrennung des Menschen von seiner Seele voran treiben, was eben letztlich todbringend ist.
Die Ausrottung indigener und wehrloser Völker, sehr vieler Tier- und Pflanzenarten erzeugt Schmerz. Ebenso die Ausgrenzung des Schwachen und der Erfolglosen. Der Schmerz liegt im Äther und sucht sich Menschen, die empfänglich dafür sind, Schmerz anzunehmen und auszudrücken. Gesegnet sind sie.
Das Annehmen der Schmerzen ist Voraussetzung und der Beginn für jeden Heilungsprozess.

Der liebende Blick
Der allumfassende, alles einbeziehende, liebende Blick kann nur aus einem grossen Herzen eines Menschen kommen, der mit beiden Füssen auf dem Boden steht.
Das, was uns entgegenkommt in der Welt, in der wir leben, ist nicht nur das Gute (dieses zu lieben ist nicht so schwer), sondern auch das, was uns angreift, die dunkle Seite der Menschheit, damit auch die eigene Bösartigkeit.
Zu lieben, was uns angreift, also auch das Feindliche, erinnert natürlich an die Feindesliebe.
Sie ist der Gipfel der Liebe. Wie unfassbar schwer sie uns üblicherweise erscheint! Doch nur durch sie, ist es möglich, das Abgespaltene wieder zu integrieren. Die Liebe schafft eine Brücke zum anderen, auch zum völlig entgegengesetzten Dasein, welches wir als fremd und schrecklich erleben.

Also lieben, was uns angreift und uns vielleicht sogar vernichtet?
Wie ich oben erwähnte, ist dem Bösen eine verschlingende Kraft eigen. Es ist schwer, dieser Macht standzuhalten.
Nun stehen vor uns zwei Anforderungen, die uns möglicherweise überfordern: Erstens, das, was uns angreift, liebend anzuschauen und zweitens die Kraft aufzubringen fest auf dem Boden zu stehen, wenn wir in den Schlund gewalttätiger, saugender Mächte blicken. Es gibt ja auch in uns den Sog, uns in das Böse, und damit auch in unsere eigenen Egostrukturen hineinfallen zu lassen, da sie (nebst Angst und Unbehagen) Übersichtlichkeit, das Alt-Bekannte und äusseren Erfolg versprechen.

Wir müssen also lernen, uns abzugrenzen vom Feindlichen, in der eigenen Wahrheit stehen zu bleiben und es gleichzeitig zu lieben.
Ich finde das schwierig, beinahe eine Zumutung. In der spirituellen Schulung haben wir es stets mit dem Paradox zu tun – in zahlreichen Variationen. Das Paradox ist ein Tor zur Wahrheit.

Lieben heisst doch verschmelzen, in intime Verbindung zu gelangen, Grenzen zu überwinden und doch nicht, sich abzugrenzen und stand zu halten. Oder?

Jesus war in der Lage, die finsteren Reiche verzeihend und segnende zu durchwandern und dort sogar Lichtsamen einzupflanzen. Menschen aber, welche das Buddha-Bewusstsein und das Christusselbst nicht völlig verwirklicht haben, sind dazu nicht in der Lage.

Aber ihnen ist es gegeben -und das ist sehr viel- im Bewusstsein der Liebe verwurzelt zu bleiben, dem Sog der gewalttätigen Mächte zu widerstehen und sich gleichzeitig dem göttlichen liebenden Blick, deren Instrument sie sind, hinzugeben. Der liebende Blick wird, wenn sich das Herz ganz öffnet, zu einem Gnade und Leben spendenden Schauen.

Und das ist die gute Nachricht, dass der Mensch, der sich hingibt nicht überfordert ist, da ihm die Liebe gegeben ist, wie auch der Boden des Vertrauens, der ihn hält.
Wer und was in Liebe angeschaut ist -und ich spreche nun von den finsteren Mächten- atmet auf. Wer in Liebe ausreichend betrachtet worden ist, fängt an, sich wieder im heilenden Licht zu bewegen. Die im Dunkeln treten nun wieder in die Sichtbarkeit, fangen wieder an, sich zu spüren.

Unser Beitrag ist es, das, was uns gegeben wird, anzunehmen. Das, was vorbehaltlos angenommen wird, verwirklicht sich sogleich!
Wenn Menschen also ohne Vorbehalt, ohne Widerstand und ohne Verzerrung durch das Ego, die Güte, die Hilfe und Kraft, die ihnen geschenkt wird -und dem Menschen wird dauernd gegeben, wenn er empfänglich ist- annehmen, kann sich das Empfangene unverzüglich verwirklichen, entfalten und das göttliche Licht kann uneingeschränkt heilend einwirken.

Unser Beitrag kann ausserdem darin bestehen, bereit zu sein, Lichtträger/Lichtträgerin zu sein in einem grossen Kreis von Menschen und Wesen, die sich ebenfalls in Freude für diesen Dienst bereitstellen.

Gesegnet sind die, welche bereit sind, Schmerzen vertrauensvoll anzunehmen.

PS.  Natürlich gibt es viele Menschen, die lieber sozial-politisch aktiv werden wollen. Diese Art des Engagement ist zu achten und zu schätzen. Sie stellt ein Ergänzung dar zur spirituellen Arbeit.

 

 

Umrunden – Umkreisen

Als ich in Nord-Deutschland an einem Kongress war, hörte ich von einem wunderbaren ur-alten Baum, ganz in der Nähe des Seminar-Hauses, einem Kraftort von besonderer Schönheit. Und so kam es, dass sich eine Gruppe von Leuten bildete, die mit einem Geomanten, auch einem Seminarteilnehmer, zu diesem Baum wanderten. Die äussersten Äste des Riesen-Baumes, der alleine in einem Feld war, berührten den Boden. Die Krone bildete eine Natur-Kathedrale und unsere Gruppe spürte schon beim Näherkommen die Kraft, die von diesem etwa 500 Jahre alten Baum ausging. Der Geomant forderte uns auf, nicht in die «Kathedrale» einzutreten, ohne vorher den Baum dreimal umkreist zu haben. Es sei nicht angezeigt, einen Kraftort direkt, verlangend und zugreifend zu betreten. Zuerst müsste der Ort begrüsst und respektiert werden und zwar dadurch, dass man ihn umrunde, bevor man ihn betrete.

Der heilige Berg Kailash im Grenzgebiet, Tibet, China, Indien darf nicht bestiegen werden. Er wird betend umrundet, förderlich für die innere spirituelle Entwicklung des Pilgers.

Im Vorbeigehen eröffnet sich der Gehalt eines Ortes oder eines Kraft-Objektes eher, als wenn wir direkt auf diesen zugehen.

Als Mose das Volk Israel durch die Wüste führte, verweilte es längere Zeit am Fuss des Berges Sinai, mitten in der Wüste. Gott rief Mose auf den Gipfel, um ihm Weisungen für die Israeliten zu überbringen. Gott sagte zu Mose:

«Zieh aber eine Grenze rings um das Volk und sprich: Hütet euch, auf den Berg hinaufzusteigen oder auch nur seinen Saum zu berühren.»           Exodus 19 , 12

Da es dem Volk verboten war, den Berg zu betreten, zeichnete Mose eine Grenze um den Berg, eine Schranke, eine Art Schwelle. Der heilige Berg war somit geschützt.

Später im Kapitel steht:

«Der Berg Sinai aber war ganz in Rauch gehüllt, weil der Herr im Feuer auf ihn herabgestiegen war. Und sein Rauch stieg auf wie der Rauch des Schmelzofens, und der ganze Berg erzitterte heftig.»

Wer die Schwelle zum Heiligen, zur Mitte, dem Zentrum, übertreten darf, wird, wenn die Zeit für ihn reif ist, eingeladen. Der Wächter, der Hüter der Schwelle, eine Engels-Gestalt, ist anwesend, wenn die Schwelle sich zeigt. Vorher hat sich der Mensch zu gedulden, hat sich vorzubereiten auf den Moment der Einkehr in den heiligen Raum, der eine Mitte bildet, wie die Sonne als Zentrum des Planetensystems. Unvorbereitet würde der Mensch weder die Hitze am Berg, noch das Beben und Zittern des Berges (des Heiligtums) überstehen.

Heilig sind auch der Zellkern und Atomkern, wie alle Bausteine des Lebens. Ganz besonders heilig ist der Wesenskern des Menschen. Auch er soll umrundet werden, aus allen Perspektiven erkannt werden, als das eine göttliche Zentrum.

Mevlana Rumi, der grosse Mystiker und Liebende, begann sich zu drehen, als er fühlte, wie sein Herz sich mit Liebe füllte. Er drehte sich, in Verzückung geraten, mitten auf der Strasse um sein eigenes Herz.

In meinem letzten Blog-Beitrage erwähnte ich, dass der Mensch ein tanzendes Wesen sei, ein um den Kern kreisendes Wesen. Alle sakralen Kreistänze der indigenen Völker zeugen davon.

Am Ende der Tage, und wenn wir gerufen sind, werden wir mit dem Kern verschmelzen. Bis dahin können wir ihn lobend umrunden.

Die zentrale Frage des Menschen heisst: Wer bin ich?
Diese Frage wird uns kaum zur endgültigen und abschliessenden Antwort führen, aber sie bringt uns auf den Weg zum Licht des Erkennens und sie öffnet die Tore zu den mächtigen Erkenntnis-Räumen grossen spirituellen Wissens (Weisheit). Die Frage öffnet uns den Weg zu unserem Herzen und zum Herzen des Universums. Die Frage bringt uns auf den Weg.

Die Frage bringt uns zum Tanzen, öffnet unser Ohr hin zum Herzen.

Da das Herz von Mose offenbar geöffnet war, wurde er von Gott auf den Gipfel des Berges gerufen. Der Gipfel ist da, wo die Seele ins Geistlicht hineinragt. Das Bild des Berges, das von einer weissen Wolk eingehüllt ist, ist dafür Sinnbild.

Abstrakt ausgedrückt: Die Vielheit der geschaffenen Welt, im Erkennen des Ursprungs, des Einen, beginnt zu tanzen und zu singen, wenn «der Duft», der aus dem Zentrum kommt, wahrgenommen worden ist.

Der Respekt und das Gefühl für die Bausteine des Lebens, für die physischen, seelischen und geistigen Zentren der Organismen fehlt heute. Die Aneignung der Kerne und der Eingriffe in sie (z.B. Gen-Manipulationen) gilt heute als üblich. Die dominanten gesellschaftlichen Prozesse und Strukturen, sind oft zerstörerisch, weil die innere Orientierung sehr schwach geworden ist und das Gefühl für das Heilige weitgehend verloren gegangen ist. Die lenkenden Kräfte haben sich vom geistigen Geschehen entfremdet. Das Gefühl für den Kern einer Sache und für den geistigen Mittelpunkt von Lebewesen -dies gilt in besonderem Masse auch für die Erde- hat sich auf gefährlicher Weise verflacht. Ohne dieses Gefühl für den schöpferischen und heiligen Mittelpunkt von Wesen und Zusammenhängen ist der Mensch orientierungslos; er richtet sich dann nur noch auf seine eigenen ego-zentrischen Bedürfnisse aus.

Es sind wohl Lektionen in Stille nötig, um das Gefühl für das, was essentiell ist, wieder aufzubauen.

Nach etwas dreissig Jahren der Reifung seines inneren göttlichen Kerns, trat Jesus in die Öffentlichkeit im Bewusstsein, sowohl seiner Anziehungskraft, wie auch im Bewusstsein seiner Ausstrahlungskraft, wodurch er einen Umkreis schuf: die zwölf Jünger fanden sich sogleich ein. Zwölf das Ganze, wie die 12 Monate ein rundes Jahr bilden, ein Vollkommenes. Christus ist der heilige Kern des mystischen Leibes, der sich um ihn bildete, wie früher, so auch heute.

Das Innerste eines lebendigen Kerns ist unsichtbar, rein geistig, unbegreiflich.

Der Meister spricht mit seinem Schüler:

«Bring dort vom Baum eine Feige.
Hier ist sie, Meister.
Öffne sie.
Meister, es ist geschehen.
Was siehst du darin?
Winzig, kleine Kerne, Meister.
Öffne einen.
Meister, es ist geschehen.
Was siehst du nun?
Meister, ich kann überhaupt nichts sehen.
Dieser allerfeinste Stoff, mein Sohn, den du nicht siehst,
ist das Selbst des ganzen Universums.
Dies ist das Wirkliche
Dies ist das Selbst
Und du bist ES.»

Barmherzigkeit

Barmherzigkeit ist eine komplexe, vielschichtige Wirklichkeit. In allen spirituellen Strömungen, die ich kenne, wird mit Nachdruck auf ihre zentrale Kraft hingewiesen. Wie schon der Name sagt (Barm-Herz-igkeit), wird sie dem Herz zugeordnet. Gott und Christus tragen oft den Bei-Namen: der Barmherzige, der All-Erbarmer.

Im Folgenden möchte ich die eminente Bedeutung vom Barmherzigkeit umkreisen, die wunderbare Wirklichkeit, die sie meint, gerade auch für unser heutige Zeit.

1997 machte ich eine drei-monatige Retraite in einem Berghaus in den Alpen. Daraus entstand das Buch «Im Atem der Barmherzigkeit», das innere Thema meines kontemplativen Rückzuges.

Nachdem ich mich mit der Wirklichkeit der Barmherzigkeit angefreundet hatte, schrieb ich in mein Tagebuch:

«Es ist ein Herzensfluss, der aus dem Ursprung kommt. Seine Wesensnatur ist Fliessen, Strömen, filigranartig.
Es ist ein Fliessen, das aus dem Ausatmen kommt: Ein zart-fliessendes, hauch-artiges Ausatmen einer behütenden, einhüllenden, mütterlichen Qualität. Es ist weich-webendes Licht in zarten Farben. Zärtlichkeit. Es schafft Räume der Geborgenheit, Heilung und Erholung. Erbarmen, das aller Heilung zugrunde liegt. Es verströmt, fliesst in alle Richtungen gleichzeitig, empfängt sich aber von oben, von wo es ins Herz fliesst und dort rundum ausfliesst.

Dieses Strömen durchwirkt den Kosmos jederzeit: mitfühlendes, heilendes Erbarmen für die Schöpfung. Wer davon berührt wird, es zulässt, ist nicht mehr einsam, fühlt sich getröstet.
Rachme (aramäisch für Barmherzigkeit) tröstet, fängt auf, bringt die Zellen des Lebens in weiches, warmes, entspanntes Pulsieren. Es ist weiches Licht, welches die Barmherzigkeit charakterisiert. Die Farben sind oft in Pastell: weiss-rosa, gold-durchwoben, manchmal ein helles Blau-Grün.

Rachme bildet die Grundlage, die «fliessenden Räume», welche die gegenwärtigen Prozesse ermöglichen, die jetzt nötig sind.
Sie ermöglichen, die jetzt stimmigen Prozesse, die der inneren Notwendigkeit des Momentes entsprechen.
Barmherzigkeit ist die Hebamme der Zeit-räumlichen Welt und verbindet diese mit der Welt in Gott, mit Seinem Heiligen Geiste.

Barmherzigkeit ist überall und immer. In ihr spricht die göttliche Stimme: ICH BIN DA.
Wer Barmherzigkeit und Erbarmen empfindet, atmet auf: Gott ist da – es ist gut.
Rachme ist die weiche Kraft des Südens, die Vertrauen bildet – Wachstumskraft.

Rachme ist die sich offenbarende Liebeskraft Gottes, Sein ICH-BIN-IMMER-DA. Sie erschüttert, schmilzt, weicht auf.
Durch alle Mauern der Welt: Sein heilendes, tröstendes Licht, welches selbst das Allerdunkelste nicht meidet, den Opfern und Tätern sich anbietet als sich selbst verschenkende Liebe, die rückhaltlos, bedingungslos alles – sich selbst – gibt und nichts zurückbehält, da sie alles ist und sich ständig erfüllt in unbegreiflicher Liebe.

Christus ist Gottes Erbarmen, die ins Dunkle herabsteigende Kraft; das Licht in der Finsternis, das nie vergeht.

Ich habe erfahren, dass das Herzensgebet (siehe Blog vom 5. Jan. 19: Atem, Teil 2 *) , in dem die Formel «Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner (unser)» solange gesprochen oder gedacht wird, bis es sich selbsttätig in unser Herz eingewobene hat und somit gleichsam sich immerzu selbst betet … die Kraft hat, uns über unsere Ego-Grenzen hinauszuführen in die kosmische Präsenz, die sich jenseits der Angst öffnet als segensreiche und heilende Gegenwart.

Das Universum ist durchwirkt und durchströmt von Barmherzigkeit, die sich auch in uns mikrokosmischen Menschenwesen widerspiegelt. Allerdings will die Barmherzigkeit in uns geweckt werden und das Herzensgebet ist eine wunderbar mystische Methode dafür. Dieses hat die Kraft, uns zu transformieren. Es ist die Kraft der göttlichen Mutter, die wir anrufen, wenn wir Barmherzigkeit, rachme oder ir-rahman sagen.

Sowohl rachme (aramäisch), wie auch Rachman (oder Rahman), arabisch, geht auf die Wort-Wurzel zurück, die Mutterschoss oder Gebärmutter bezeichnet. Ich glaube, dass das hebräische Wort für Barmherzigkeit auch auf den Mutterschoss Bezug nimmt.

Eine sehr geschätzte Leserin meines Blogs erwähnte folgenden Satz meines letzten Blog-Beitrag «Der erwachte Mensch ist ein gebärendes Wesen» und schrieb dazu:

«Das ist genau, was mit Barmherzigkeit gemeint ist!
Im Althochdeutsch bedeutet Barm: der Geborene. Barmen ist auch austragen, gebären, eng verbunden mit Mutterschoss.
Barmherzigkeit haben wir mit «mitfühlen» zu einem Gefühl heruntertransformiert – ein Jammer! Gottes Barmherzigkeit ist: Der Mutterschoss der Einheit trägt uns aus im Werden des Seins.»

Natürlich beinhaltet Barmherzigkeit auch den wichtigen Aspekt des Mitgefühls, geht aber weit darüber hinaus.

Es ist erstaunlich, aber doch nicht verwunderlich, dass offenbar in vielen Sprachen das Wort für Barmherzigkeit oder Erbarmen eine Verbindung zu Geburt, Schwangerschaft und Mutter hat, woran wir erkennen können, dass tiefes Wissen in die Sprache eingegangen ist.

Barmherzigkeit ist eine göttliche Kraft und eine sehr hohe Qualität, die das menschliche Fassungsvermögen übersteigt und nicht alleine durch Erziehung erlangt werden kann. Sie ist eine Gabe des Heiligen Geistes, ein Geschenk der göttlichen Mutter, die uns mit dieser Gabe auch den Weg in die Herzens-Geburt weist.
Die Wirklichkeit der Barmherzigkeit ist die Voraussetzung für jegliche heilende Tat. Sie schafft uns den Raum für unserer Ganzwerdung – individuell und kollektiv für unseren Menschheits-Leib.

Ausserdem bringt uns das Ereignis der Barmherzigkeit selbst in die zweite Geburt, die Geburt unseres wahren, lichten, göttlichen Wesens, das in uns hervorgerufen werden möchte – eben mit der Hilfe der Barmherzigkeit. Sie zu empfangen ist wohl die schönste Aufgabe, die uns Menschen gegeben ist. Aber diesen Weg müssen wir nicht alleine machen, da viele Wesenheit uns ihre Hilfe anbieten, wie die Bodhisvattas des Mitgefühls. Ich denke dabei an Avalokiteshvara oder Kanzeon, erleuchtete Wesen, die einzig deswegen auf Erden sind, um Hilfe, Trost und Mitgefühl den Menschen darzureichen, die bereit sind, diese Gaben zu empfangen. In den anderen Religionen haben sie andere Namen, in der christlichen Spiritualität ist es Jesus Christus, der als Inbegriff der Barmherzigkeit gilt. Er wird um Hilfe gebeten mit: Christe eleyson (Christus erbarme dich).

Barmherzigkeit kann man sich gar nicht als hoch und wunderbar genug vorstellen.
Der (gewandelte) Atem der Barmherzigkeit führt uns vielleicht an das Ufer des Meeres der Barmherzigkeit und Gnade, wo es uns gewährt werden kann, dass wir Heiligkeit atmen können, die heilige Macht des Lebens und des Menschseins. Es ist auch die liebende und mütterliche Macht, die uns die Geburt zum wahren Menschsein verleiht.

Beten wir in Hingabe aus dem Herzen und erleben wir (ich schrieb im letzten Blog darüber) wie Atem, Liebe und Licht eins werden, so kann es geschehen, dass wir aus dem «kleinen Atem», der unser egozentrisches Leben umkreist, hinaus gehoben werden in den grossen Atem der Barmherzigkeit, der von kosmischer Dimension ist und uns in Verbindung bringt mit dem göttlichen Ursprung aus dem wir kommen. Da werden wir aus der Barmherzigkeit trinken können, unseren wahren Durst stillen.

*Siehe unter «ältere Beiträg» unterhalb dem Schlagwort-Verzeichnis. Jan. 2019 anklicken und nach unten scrollen.

Beitrags-Bild: Rosenblatt in Gold geädert von W.B. 

Liebe – Verwirklichung – Substanz


«Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen rede, aber keine Liebe habe, so bin ich ein tönendes Erz, eine lärmende Zimbel.»
1. Kor. 13,1.   (Es lohnt sich hier weiter zu lesen.)

Hier möchte ich, was ich in Meditation erfahre, teilen. Für mich ist die Erfahrung von LIEBE das, was ich in der Meditation anstrebe. Klar ist, dass innere Wahrheit mit Worten nur angetönt werden kann. Doch innere Bilder helfen, sich dem Gemeinten anzunähern.

Ich möchte zuerst drei Aspekte der LIEBE nennen – wie sie mir in Versenkung begegnen:

  • Liebe ist die Ausweitung der Erfahrung und Ausstrahlung tiefer Zugehörigkeit, von Aufgehoben-sein und dies in einer wunderbaren nährenden und zarten Stille.
  • Liebe verbindet, vereint, hebt ins Bewusstsein der Einheit.
  • Liebe verwirklicht, was erkannt wird und bildet die Substanz des gegenwärtigen Schöpfungs-Geschehen. Sie ist kreativ; sie gebiert.

In diesem Blog-Beitrag möchte ich näher auf den dritten Aspekt eingehen:

Manchmal, wenn ich in Stille versunken bin, steigen Erkenntnisse hoch. Sie sind wie Samen. Ich erkenne und verstehe, das mir jetzt etwas geschenkt worden ist, was ich nun benötige. Ich sehe und fühle vielleicht Licht, Weisheit und das Wirken der Intelligenz des Herzens. Meine üblichen Alltags-Gedanken sind in den Hintergrund getreten und ich spüre, dass ich dabei bin, mich meinem Wesenskern anzunähern.

Und dann kann es passieren, das ich erkenne, dass etwas fehlt.
Dann wird mir plötzlich klar, dass es die Liebe ist, die innerste Beteiligung meiner Seele, die fehlt.
Ich verbinde mich in solchen Momenten mit meinem Atem und fange an liebevolle zu atmen.

Dies habe ich in den letzten Jahren gelernt, Atem, Liebe und Licht miteinander in Einklang zu bringen. Diese Art von Vereinigung erlebe ich als eine Art von Alchemie. Der Liebesatem hebt mich aus den Verstrickungen meines Egos und befreit mich. Er hebt mich in den grossen universellen Umkreis, in das «Runde», welches abrundet und vervollkommnet.

Erkenne ich also, dass es mir an Liebes-Beteiligung fehlt und ich mich dann in der Folge auf mein Herz konzentriere und den göttlichen Liebesatem (oder Odem) den ich damit freisetze, so öffnet sich mein Wesenskern, den ich als golden erlebe, wie auch die Blüte meines Herzens, und alles kommt, was in mir bereit liegt, auf den Weg, in Fluss.
Dem Wesenskern entströmt nun eine Art von Liebes-Duft, der alles sanft durchdringt und mit Lebendigkeit erfüllt und ich weiss, ich bin dieser Duft.
Dieser Duft der Liebe bringt alles, was vorher angelegt war an höherem Wissen und an Gaben in die Verwirklichung, wenn nötig in die Verkörperung (Inkarnation), in die Geburt. Dieser Vorgang ist im wahrsten Sinne des Wortes wunderbar.
Der erwachte Mensch ist ein gebärendes Wesen.
Der Mensch wird zu einem gebärenden Wesen, wenn er sich dem innersten, göttlichen Wesenskern, der seine wahre Identität begründet, hingibt. Von dem Moment an ist er nicht mehr nur reproduzierend, sondern im ursprünglichen, tiefsten Sinne schöpferisch – und dies ist nicht einfach ein Gedanke, sondern eine Tatsache, die sich mir in Innern als Gewissheit darstellt.

Dieser Duft, voll von Frieden und Anmut, der dem inneren Kern entströmt, bildet Substanz. Erschöpfte und entleerte innere Speicher füllen sich mit nährender Kraft. Oft sehen Meditierende Substanz mit dem inneren Auge wie Milch: sowohl in der Farbe, wie auch in der Konsistenz. So wie Muttermilch substantiell für das Kind ist, benötigen wir seelische Substanz für den Aufbau neuen Lebens. Sie beruht auf Liebe, Wahrheit und Weisheit. Sie bildet der Boden für das, was sich dem höheren Willen gemäss, erschaffen will.
Mitarbeitende, Co-Creative, wissen, dass sich der neue Menschheits-Zyklus, der sich anbahnt, aus dem sich öffnenden Lichtherz des Menschen hervorgeht, insbesondere bei Menschen die sich in Gruppen und Gemeinschaften verbinden. Taten, die daraus erwachsen, bilden das werdende Fundament der neuen Menschheits-Epoche, die auf der Würde des Menschen beruht. Dadurch verfeinert und durchlichtet sich Mensch und Erde.

 

 

 

 

 

Interview mit dem Autor – ein Trauer-Gesang

„Der Mensch ist heilig und seine Würde ist unantastbar.“  (kcm)

Der erste Teil des Gesprächs besteht aus den Antworten auf die Fragen einer Freundin, der zweite Teil aus den Erörterungen auf eine Frage, die der Autor, also ich, sich selbst gestellt hat.
Beim Durchlesen merkte ich, dass es sich um eine Art von Trauer-Gesang handelt.

 Was ist aus deiner Sicht das grösste Problem, dass wir momentan auf unserem Planeten haben?

Ich glaube, dass das grösste Problem, das wir auf unserem Planeten haben, ist, dass wir Menschen uns in den letzten Jahrzehnten bedrohlich stark von unserer Seele abgelöst und abgetrennt haben.
Ohne Seele verhungern wir… und weil wir verhungern, fressen wir uns selber auf und die Erde auf der wir leben, weil wir unterernährt sind.
Befänden wir uns in unserer Seele, wäre unsere körperliche Existenz umgeben und durchströmt von unserer seelischen Wirklichkeit, dann wären wir vollständig genährt und könnten ohne Einschränkungen bescheidener und ruhig leben.

Ja. – Dazu kann ich nicht mehr sagen.

Wie siehst du aus deiner Sicht den Weg, wie es uns möglich sein könnte, uns mit unserer Seele wieder zu verbinden, also die Trennung zu überwinden?

Ich verspüre nun Trauer, weil wir Menschen im Allgemeinen so weit weg von unserer Seele sind, weil wir uns so stark von ihr abgetrennt und abgespalten haben.
Es gibt einen langen Weg zurück, der sehr langsam ist und einen anderen Weg, der sehr schnell und höchst intensiv ist und auch mit Schmerzen verbunden ist. Der zweite, schnelle Weg drängt sich auf, weil die Dringlichkeit so gross ist. Um zu verstehen, wie dringlich er ist und warum wir Menschen uns so weit vom eigenen Zentrum entfernt haben, bräuchte es eine Erschütterung unserer eigenen Fehl-Meinungen, die wir uns angewöhnt haben. Der Veränderungsschritt, der nötig ist, ist enorm, so dass ich mir gar nicht vorstellen kann, wie dieses Ereignis geschehen könnte.
Wir können nur hoffen, dass wir Mensch bereit sein werden, uns für die Ganzheit und die Befreiung zu öffnen, und wir bereit sein werden, uns in diesem Öffnungs-Prozess zu helfen und uns zu ermutigen, zugänglich zu werden für das Leben und unsere Seele.

*

Wie zeigt sich die Abtrennung des Menschen von seiner Seele im gesellschaftlichen Alltag?

Wenn wir Menschen nicht in Verbindung mit unserer Seele sind, sind wir den zerstörerischen Impulsen, die in und um uns wirken, ausgeliefert. Sie können dann ungehindert auf uns «einschlagen». Wir sind dann jeder Indoktrination, allen brutalen Impulsen, der Gewalttätigkeit schlechthin, ausgesetzt. Es ist sehr schwer in einer weitgehend seelenlosen Verfassung, sich gegen negative Impulse zu wehren, und bei vollem Bewusstsein zu handeln, noch ist es möglich, empathisch zu sein.

Was wir gesellschaftlich erleben sind Eingriffe des Menschen gegen sich selbst, gegen das Leben schlechthin, die immer weiter gehen und wo das Gefühl «jetzt ist es genug» und «jetzt ist es zu viel» nicht mehr vorhanden ist. Was bleibt ist ein rationales Zweckdenken, ein «Machen», wann immer es geht – eine Art von Trauer-unfähigem Dasein. Die Unfähigkeit zu trauern * und mitzufühlen ist das Resultat einer seelenlosen Gesellschaft. In ihr zeigen sich akute Mangelerscheinungen. Es fehlt an ausreichender Zärtlichkeit, an erfüllter und geerdeter Sexualität und an einem liebvollen Miteinander.
In einer solchen Gesellschaft unterjochen wir das Leben unter unserem brutalisierten Eigenwillen. Die zwischenmenschliche Distanz vergrössert sich. Lebendige Nähe wird ersetzt durch digitale, oberflächliche Kontakte. Natürliche Erkenntnis- und Heilungsprozesse werden ersetzt durch pharmazeutische und nano-technische Eingriffe bis in die Kleinst- Bausteine des Lebens. Die Menschheit beginnt sich selbst zu überwachen und zu verwalten.
Es wird unheimlich auf dieser Welt zu leben, weil das Herz gefangen ist.
Ich beobachte Selbstmord-Impulse, selbst-destruktive Prozesse aller Art, Prozesse der Entfremdung und Entmenschlichung, Tendenzen zur Bildung von Autokratien und Diktaturen. Der Reichtum verlagert sich zunehmend schnell von unten nach oben. Wohlfahrt und soziale Verantwortung wird privatisiert, in Enklaven verlegt und funktionalisiert. Starre Regeln statt Mitgefühl regieren. Eine diabolische Welt baut sich auf, wenn wir unsere Seelen vernachlässigen, sowohl in unserer individuelle Seele, wie auch in der Seele der Welt.

Also müssten wir lernen zurückzufinden zu unserer Innenwelt, sollten wieder lernen zu trauern, damit wir fähig werden zu erschrecken über die selbst-destruktiven Mächte in uns, die sich breit machen, wenn ein Vakuum vorhanden ist, ein Vakuum, wo einst Seele war.

Corona ist vor allem eine soziale und moralische Krise, eine kulturelle und wirtschaftliche Krise der Menschheit, die sich um ein Virus rankt, das sich weder fassen, noch isolieren lässt. Möglicherweise die erste Welle von mehreren gewaltigen Erschütterungen**.

Da, wo Begegnungen Kern des Lebens waren, sind es nun digitale, eher kalte Kontakte, die das wahre Miteinander niemals ersetzen werden.

Wir leben in einer Zeit des Hungerns und des Durst-Habens, welche sich ausbreitet.

Und so wie wir Menschen die Seele grob vernachlässigen, vernachlässigen wir auch die Natürlichkeit und die Natur, das Leben von Pflanzen und Tieren.

Es ist eine Art von Vernachlässigung im Gange, die uns verdorren lässt, wenn wir den Weg zurück nicht bald antreten.

Wir werden den Weg bald antreten, wenn wir solidarisch sind und auf die LIEBE horchen, die sich in uns zusammengeduckt hat in den letzten Jahrzehnten. Zusammengedruckt wie ein vergessenes Kind. Sie möge sich aufrichten. Das erfordert Stärke. Das ist der einzige Weg, der zurück zum wahren Menschsein führt, zurück zum Beseeltsein und zum Erkennen der Heiligkeit allen Lebens.

LIEBE versetzt das Entworfene und Bereitgestellte
ins Leben.
Liebe versetzt das schon Vor-Geformte,
das Gebackene,
also die Vision des freien Menschen
ins Leben,
versetzt das Schlafende
in Bewegung.

 

*Alexander und Margarete Mitscherlich: Die Unfähigkeit zu trauern. – Dieses Buch, vor über 50 Jahren geschrieben, beschäftigt sich mit der traumatischen, nicht beweinten Nachkriegszeit in Deutschland. Es ist auch heute aktuell.

** Die Erschütterungen können sowohl positiver wie auch negativer Art sein. Sowohl Schmerz wie auch Freude enthalten eine transformative Kraft.

Zum Beitrags-Bild: Diese Blume ist Bild und Symbol für das erwachende Herz.

 

 

 

RADIKALE HEILUNG – II

Radikale Heilung bedeutet auch, sich der Menschwerdung hinzugeben, welche uns unsere wahre Grösse und Würde (wieder) gibt. Die Wandlung führt durch Demut und Dankbarkeit, welche ich als den Vorhof der Entfaltung betrachte, und durch Hingabe.

2. Teil:  Umhüllt

Bei innerer Energie-Arbeit, wie auch bei kontemplativer Versenkung gilt es die Energieströme zu beachten. Oft entfalten sie sich von innen nach aussen (das ausstrahlende Herz), von unten nach oben (aufsteigenden Erd-Energie) oder von oben nach unten (sich niedersenkende geistige Kraft), oder – und von dieser Strömung sei hier die Rede- in die menschliche Person umhüllende, oft kreisende Energie-Flüsse.

Die den Menschen umgebende Ausstrahlung nennen wir die Aura. Sie ist sowohl ein elektro-magnetisches Feld, wie auch feinstoffliches Ätherlicht. Äther ist die lichte Vor- oder Ur-Form der materiellen, also körperlichen Formen. Sie ist in und um die Körper anwesend. Eine Art Matrix.
Aber auch der astrale Leib bildet eine Schicht der Aura. Er umfasst und enthält die emotionale Welt des Menschen, seine Befindlichkeit, seine Grundstimmung, seine schöpferische Potenz.

Die Kirlianfotografie ist in der Lage, die Aura des Menschen (zumindest seine elektrische Entladung) farblich abzubilden.

Mit dem Älterwerden richten meditierende Menschen ihre Aufmerksamkeit zunehmend auf ihr gebendes, also ausstrahlendes Wesen und nehmen mehr und mehr ihr lichtes, ausstrahlendes Umfeld, ihre Aura, wahr. Zuerst spüren sie sie partiell, im Lauf der Jahre nehmen sie ihre komplette, strahlende Umhüllung wahr. Sie erscheint in vielen Farben. Die Hülle ist gleichzeitig fest und bewegt.

Sie bildet eine Art von Filter (oder Membran). Das dem Menschen Zuträglich gelangt ganz leicht durch das Aura-Umfeld, schädliche Stoffe, Partikel, werden weggehalten. Sie dringen nicht ein, insbesondere dann nicht, wenn sie ihre Aura regelmässig mit Hilfe von Mantras* reinigen.

Der Kontemplierende realisierst, dass die Grenze seiner Individualität nicht mit der Körpergrenze aufhört. Er bezieht seine Aura, sein gebendes, strahlendes Potential, in sein Selbstverständnis mit ein.
Er spürt, dass das, was ihn fühlbar umgibt, erweitert, schützt und ihm bei der Verwirklichung seines Lebensplanes hilft.

Das Wissen und Spüren des Umhüllt-seins ist sehr wohltuend. Man ist aufgehoben, geborgen.

*

Es ist ja keine Frage, dass die Menschen pausenlos und immer heftiger von saugenden und destruktiven Kräften attackiert werden: auf der körperlichen Ebene ist es zum Beispiel Elektrosmog, sind es zahleiche Umweltgifte, 5 G-Strahlungen, auf seelisch-geistiger Ebene sind es gewalttätige Gedankenmächte (z.B. Gier, Habsucht), Propaganda, Ideologien, welche die Macht haben, uns anzugreifen und zu zersetzen.

Wir Menschen benötigen also einen schützenden Umkreis, um im Gleichgewicht zu bleiben. Spirituelle und psychologische Aufbauarbeit, zu der es auch gehört, dass wir unsere Gedanken- und Gefühlswelt reinigen, sind zur Notwendigkeit geworden.

Beim Aufbau der schützenden Umhüllung ist es wichtig, dass wir uns liebevoll ausdehnen, liebevoll und lichtvoll ausatmen.

*

Die oben erwähnten Schritte, zum Aufbau und zur Ausdehnung unserer Aura, bilden die Vorbereitung für das nachfolgende Geschehen, welches wir als Antwort auf unser Vorbereitungsarbeiten verstehen können.

Was nun folgt, wenn die Zeit dafür reif geworden ist, ist der grosse Segen, der über uns kommt, der um uns gelegt wird, vergleichbar mit einem Licht-Kleid. Der Licht-Segen wirkt auf den hingebungsvoll geöffneten Menschen ein, durchdringt ihn vollständig bis in sein Innerstes hinein. Dieser uns umhüllende Licht-Segen, der sich wie eine sanfte, alle unsere Spannungen lösende Umarmung anfühlt, die aus bedingungsloser LIEBE strömt, erzeugt grosses Glück, Fülle und Schönheit. Es ist ein Glanz von Unsterblichkeit, der sich auf den Menschen legt.
Es ist die Antwort auf den Menschen, der es wagt, sein Herz zu öffnen und bereit ist auf die Gnade zu vertrauen.

Ich spreche hier von einer inneren Erfahrung vieler Menschen.
Paulus schilderte sie so:

«Es gibt himmlische Körper, und es gibt irdische Körper. Doch anders ist der Glanz der himmlischen als der der irdischen. 40
Gesät wird in Vergänglichkeit, auferweckt wird in Unvergänglichkeit. 42
Gesät wird ein natürlicher Leib, auferweckt wird ein geistlicher Leib. 44
Der erste Mensch ist aus Erde, ein irdischer, der zweite Mensch ist vom Himmel. 47
Denn was jetzt vergänglich ist, muss mit Unvergänglichkeit bekleidet werden, und was jetzt sterblich ist, muss mit Unsterblichkeit bekleidet werden. 53″              1. Korinther 15

*

Es gibt Menschen, die betonen, dass innere Arbeit notwendig sei, um Erkenntnis und schliesslich Erleuchtung zu erlangen, und andere sagen, alle Erleuchtung komme durch Gnade.
Ich persönlich bin der Meinung, dass es sowohl Arbeit, wie auch Gnade brauche, um in die Ewigkeit einzugehen, allerdings, so finde ich ausserdem, ist es vor allem Gnade, die Erleuchtung bewirkt.
Die Sufis sagen: Wenn der Mensch einen Schritt auf Gott zu mache, so tue Gott 100 (andere sagen 1000) Schritte auf den Menschen hin. Dieses Bild überzeugt mich. Ich fühle, dass es mit meiner Erfahrung übereinstimmt.

Ich nenne den Erleuchteten den Liebenden: beides ist für mich dasselbe : Es ist der Mensch, der sich von der bedingungslosen LIEBE durchströmen lässt und vom ewigen Licht.
Der Mensch, der es zulässt, vom Licht-Segen, von dem ich gesprochen habe, um- und durchlichtet zu werden ist mitten in der Wandlung: er übergibt sich dem Liebesstrom.

*   Wahrscheinlich in allen spirituellen Traditionen finden sich Mantras, die der inneren Reinigung und Klärung dienen. Es ist nicht nur hilfreich, sondern (gerade in dieser Zeit) notwendig, sie oft zu wiederholen.

 

Nähe

Jetzt, in Zeiten von Corona, gilt es an die Bedeutung von Nähe zu erinnern. Jedenfalls habe ich das Bedürfnis dazu. Vielleicht auch, weil mir Nähe alles ist, oder fast alles.

Vorerst noch eine Bemerkung zum Beitrags-Bild. Ich habe die Statue im Zürcher Seefeld aufgenommen. Sie zeigt eine Frau, die hingebungsvoll ihr Haar bürstet. Sie ist ganz im Hier und Jetzt, ganz eins mit dem, was sie tut: mit dem sinnlichen Vorgang des Bürstens ihrer Haare. Sie ist sich nahe.

Im Lächeln, so scheint mir, findet intime Nähe zwischen zwei Menschen ihren Höhepunkt, lässt sie manchmal in die Knie sinken, weil die Berührung so stark ist und die Achtung vor der Göttlichkeit im andern so durchdringt und erschüttert, dass es zum Verlangen wird, sich vor dem andern zu verneigen und niederzuknien. Das kann auch ohne Pathos und Melodrama gehen: schlicht, einfach, aus Liebe.

Im gemeinschaftlichen Geflecht von tiefen und erfüllenden Beziehungen erhebt sich unsere Seele in eine Sphäre höherer Intelligenz, wo sie intuitiv Zusammenhänge und Verbindungen wahrnimmt, für die die sonst nicht zugänglich ist. Insbesondere ist es die emotionale, soziale und intuitive Intelligenz, die sich im gelebten Gemeinschaftsgeist entwickelt.

Natürlich können wir in Büchern und Hörsälen etwas (zum Beispiel) über Bäume und Vögel lernen, insbesondere Fakten über die materielle Beschaffenheit dieser Lebewesen, aber erst wenn wir mit ihnen, also den Bäumen und Vögel, sprechen, gelangen wir mit Ihnen in Beziehungen, können Nähe aufbauen und sie auch auf eine non-verbale Art verstehen und erleben. Das gilt für alles: für die Erde, die Landschaften, Dörfer und Städte, die Vorfahren, die Engel und Bodhisattva, die Sterne, das All, das Universum.
Wenn wir also Nähe spüren zu verschiedenen Wesenheiten in den verschiedenen Sphären, gelangen wir schliesslich zu jener Ebene des Bewusstseins, wo wir uns im Kosmos zu Hause fühlen und spüren, dass alles mit allem spricht, dass wir nicht alleine sind, sondern all-eins.

Zuerst aber ist es ein Mensch, mit welchem wir eine tragende Beziehung aufbauen. Oft ist es die Mutter, manchmal der Vater oder Geschwister. Später die Geliebte/der Geliebte, das Kind, der Lehrer, die Freundin. Dann kommen manchmal Teams, Wohngemeinschaften, spirituelle Gemeinschaften hinzu.
Und es ist immer auch mit Arbeit verbunden, wir wissen das, tragfähige Beziehungen aufzubauen und zu halten. Beziehungen, die Intimität, Zärtlichkeit und Konfrontation erlauben. Vor allem Zärtlichkeit. Sie ist die Grundlage jeder Beziehung und Nähe.

Insbesondere bildet Zärtlichkeit den festen, tragenden Grund und Boden für Sexualität, für Auseinandersetzungen und beharrliche Zusammenarbeit. Das göttliche Fluidum ist zärtlich.

Es ist die Liebe, die sich in zärtlicher Intimität und Nähe ausdrückt, die bewirkt, dass sich die Erde um die Sonne dreht, ja, dass alles ins Kreisen und ins Tanzen kommt.

Nähe hält uns am Leben, direkte Nähe, die sich besonders schön in der Umarmung ausdrückt. Und beim Küssen. In jedem Alter.
Ohne Nähe können wir nicht wirklich denken. Ohne Nähe wird das Denken steif und starr, dogmatisch, gewaltsam. Fast hätte ich gesagt wissenschaftlich: dann, wenn diese herzlos zu werden droht.

Nähe ist mitverantwortlich dafür, dass wir gesund bleiben oder werden. Mangelnde Nähe schwächt uns Menschen, macht uns angreifbar. Daran müssten wir jetzt in der Corona-Krise unbedingt denken.*
Unzählige Surrogate gaukeln uns Nähe vor. Zum Beispiel Zoom-Konferenzen, SMS, an Stelle von handschriftlichen Briefen, etc.

Längere Zeit habe ich am 1. August im Live-Stream die Gesichter der Demonstrierenden in Berlin betrachtet. Die Leute badeten in der Menge, keine Masken. Ich sah viele, viele fröhliche Gesichter, Menschen, die sich frei bewegten. Und es wurde mir einmal mehr klar, dass wir Menschen jede Art von Nähe brauchen, auch reine körperliche Nähe, mimischen Austausch, Ausdünstung, Schreie, Geflüster. Lächeln. Also Sinnlichkeit, ohne Apparate dazwischen und 2 Meter Distanz.

Was uns allzu sehr schützt, macht uns krank. Zuviel an Kontrolle schwächt den Menschen.

Zärtlichkeit, Intimität und Nähe heisst sich wagen, sich ermutigen, Grenzen respektvoll überwinden. Frieden mittels Nähe wagen.
Wir brauchen die Nähe zu anderen, um zu spüren, wer wir sind. «Du bist mein Spiegel, in dem ich mich erkenne.»
Die Intelligenz in unseren Zellen leuchtet auf, wenn wir uns körperlich und seelisch feinfühlig berühren (lassen). Wir leuchten auf.

Darin besteht der andere, der alternative Weg der menschlichen Evolution. Der grosse, breite Weg, ist die Strasse der zunehmenden Kontrolle, der Aussen- und digitalen, chemisch-pharmazeutischen Fremd-Lenkung. Der andere, leider schmale Weg, der sich zu verlieren droht, ist jener der authentischen Berührung, die zu echter Nähe und damit zu sich selbst -auch zum höheren Selbst- führt.

Ohne Nähe können wir nicht wirklich denken.

  • Anmerkung: „Gesundheitsämter in mehreren Bundesländer fordern Eltern in der Coronakrise auf, ihre Kinder in häuslicher Quarantäne  getrennt von der Familie in einem Raum zu isolieren, wenn ein Corona-Verdacht besteht… es soll keine gemeinsamen Mahlzeiten geben, etc.“

Radikale Heilung

In lockerer Reihenfolge möchte ich zum Haupt-Titel «Radikale Heilung» einzelne Aspekte des Heilens zur Sprache bringen, da ich glaube, dass es in der jetzigen Zeit von ausserordentlicher Bedeutung ist, dass sich Menschen, denen die Zerfalls-Erscheinungen der heutigen Zeit bewusst sind, ihre Heilqualitäten wahrnehmen und entwickeln. Als Anteilnehmende scheint mir dies geradezu eine folgerichtige Konsequenz zu sein, und – wie bei allem, welches wir als essentiell bedeutsam wahrnehmen – beginnen wir bei uns selbst.

I.   Die Quelle – der Anfang

Im Zentrum, in der Mitte der Welt, in der einen Quelle, am Ort in dem alles wurzelt und hervorgeht in die Vielfalt der Verästlungen des Lebendigen, – da also, wo alles ruht, hervorgeht, emaniert, da, wo die Sonne des Herzens aufgeht:
hier erstrahlt der Geliebte;
da beginnt die Heilung unseres Planeten und die Heilung der Menschenwelt, da erhebt sich der wahre Mensch, so wie er gemeint ist. Im Licht. Der Geweitete, der Heiler der Welt. Da geschieht die radikale Heilung der Welt-Gesellschaft, die Transformation des Geknechteten in die Würde des Erstrahlenden, Geheilten, All-Liebenden.

Der Menschheitskörper erkrankt weiter oder er öffnet sich der Heilung.

Im Prozess, wo das Licht Heilgestalt annimmt, kommt wieder Farbe in das Verbleichende (Verblichene), und wieder bewegt sich einst Gelähmtes von Neuem.
Es ist der Seelen-Innen-Raum, in dem das Licht heilende Gestalt annimmt, wo der innere Heiler zum Leben kommt.

Im Anfang lebt das Vollkommene, wie im Samen schon der vollständige Baum abgebildet ist. – Abgespalten vom Ganzen, abgetrennt vom Ursprung verliert sich jedes Tun im Einzelnen, verkümmert zur Reparatur oder zur Symptom-Heilung.

In erlebter Verbindung mit dem Anfang, der Quelle, geht die Ur-Wirklichkeit in das Einzelne, mit dem wir uns beschäftigen, ein, so wie der Musiker, der die Symphonie im Ohr des Herzes hört, die Schönheit und Kraft des Gesamt-Kunstwerkes in den einzelnen Ton legt, den er gerade spielt.
Der erwachte, bewusste Mensch beginnt den Anfang, den Ursprung in allem zu spüren mit dem er im Kontakt ist. Der Klang des Anfangs, der aus ihm in völliger Ruhe aufsteigt wird ihm zum Grund im Leben in seiner Vielfalt.

Der Arzt, um ein anderes Beispiel zu nennen, der ein bestimmtes Organ seines Patienten untersucht und gleichzeitig in Verbindung bleibt mit dem Organismus, aber auch mit der körperlich-seelischen Ganzheit seines Patienten, wird heilende Energie verströmen und den ganzen Menschen, den er behandelt, stärken.

An der Quelle
Jeder Anfang, wenn sich neues Leben gebiert, ist hauchfein, zart, leise. Jeder Anfang ist rein, frisch, jung.
Jeder Anfang ist ewig.

Es gibt eine windhauchartige Regung im erblühenden Geist, der sich in feinstem Licht zu erkennen gibt und aus sich Leben gebiert, welches an eine weisse Flamme erinnern mag. Der Übergang, wo beide zugleich -Geist und Leben- erlebbar und «sichtbar» sind, ist heiliges Geschehen, Offenbarung der LIEBE, Geschenk, wenn es uns erlaubt ist, am Geschehen mit offenem Herzen teilzunehmen, eine heilende Initiation, der Anfang eines jeden Heilens, jeder Wiederherstellung und Wiederbelebung zerrütteten Lebens. Zeuge dieses Überganges, dieses Wunders zu sein, lässt uns zu Mit-Gebärenden werden.

Im Übergang gibt es jedenfalls den berührenden Moment, wo Licht, Liebe und Leben nicht mehr unterscheidbar sind; es ist der Moment, der uns zu unserem Wesen führt.

Ich werde im Moment geboren, wo Leben dem Geist-Licht entsteigt.

Dieser innere Geburts-Bereich im Seelenzentrum lässt sich erschaffen und ausweiten, wenn der Mensch ihm fortwährend Raum und Aufmerksamkeit zukommen lässt. Dies ist auch eine Art des Betens.

Da der Mensch niemals über die Quelle verfügen kann, wird er sich damit begnügen dürfen, Gefäss für das Wasser des Lebens zu sein.

Wie mysteriöse und paradox zugleich ist es doch, dass das Höchst und Tiefste, das göttliche Leben, im Menschen ist, sein Zentrum ausmacht, so dass man sagen könnte: «Zuinnerst sind wir göttliche Wesen», und gleichwohl steht es uns nicht zu, eigenmächtig darüber zu verfügen. Das, was uns am meisten ausmacht, ist nicht unser Besitz. – Ich fühle, dass es so gut ist.

 

Das betrachtende Selbst

Anders als die egozentrische Sicht, welche auf das, was stört, fixiert ist, ist der betrachtende, schauende Blick des hohen Selbst weit, all-umspannend, einbeziehend und weit, in Ausdehnung begriffen und wohlwollend.

Das Ego bindet, fixiert, macht abhängig, nimmt in Besitz. Es fragmentiert, atomisiert, pulverisiert, trennt, während die Sicht aus dem Selbst, organisch und natürlich das was ist, zur Entfaltung und ins volle Leben bringt. Das wahre Selbst ist konsistent und so auch sein Blick, der das Eine im Vielen erkennt, ein Blick voller Güte, der alles akzeptiert, respektiert, alles sanft und sehr liebevoll betrachtet. Wir können auch sagen: mit dem Herzen betrachtetes Leben.

Dieses Schauen entbindet das gefesselte Leben aus der Umklammerung des besitzergreifenden Egos.

Das Ego will das, was es stört, entfernen, abtrennen, aburteilen, verbannen oder vernichten.
Zerstören, was stört heisst die Kürzest-Formel dieses ausschliessenden Systems.

Es gibt Eltern, dies als ein Beispiel, die betrachten ihr Kind (vielleicht deshalb, weil es nicht so angepasst ist) als Störenfried, solange bis es wirklich gestört erscheint und ein falsches Selbst aufgebaut hat, in dem sein angebliches Gestört-sein eingebaut ist und zur Selbst-Verachtung führt. Diese Störung trägt meist einen Namen oder eine stigmatisierende Botschaft, zum Beispiel: «Du bist zu langsam!». Der betreffende «Störenfried» setzt sich in Folge unter Druck schneller zu werden, wird dadurch fehlerhaft und, weil er seine Fehler ausbügeln will, was Zeit braucht, noch langsamer, was wiederum auf Ablehnung stösst. So baut sich ein inneres Drama auf.
Das ist ein zentrales Merkmal des Ego: es erfindet Dramen, bläht diese auf, um vom Wesentlichen abzulenken.
Das Drama -wir können auch von einem Muster sprechen- bindet sehr viel Aufmerksamkeit und damit Energie an sich, wodurch sich die daraus entstehenden Konflikte verschärfen. Die Eltern, um zum Beispiel zurückzublenden, haben den Gewinn, der darin besteht, dass ihr Sohn oder ihre Tochter Träger*in ihrer eigenen, nicht eingestandenen Schwäche geworden ist, Symptom-Träger-in des eigenen Schattenanteiles.

So etwa arbeitet das Ego. Wir alle kennen das – bei uns und bei anderen.

Das Ego fixiert, kapselt ein, bringt in Vereinzelung und damit in Einsamkeit und erzeugt somit eine Art von falscher Identität: Ich bin so, du bist so. Zu Beispiel: Ich bin zuverlässig, du bist chaotisch. Mit dieser Art von Klein-Identitäten zimmern wir unser Lebens-Skript, unser Dreh-Buch des Lebens und daraus ist unser Blick und unser Urteil über andere gespeist. Unserem Drehbuch gemäss urteilen wir und binden andere Menschen an uns.

Wenn wir Andere von unseren Urteilen und Vorstellung entbinden, vergeben wir. Somit lassen wir die anderen Menschen frei, lassen sie ihren eigenen Weg gehen und wir geben ihnen den freien, offenen Raum, um sich ihrem Wesen gemäss zu entfalten. Zur selben Zeit befreien wir uns selbst von den Vorstellungen, die uns behindern, uns selbst zu verwirklichen.

Indem wir verzeihen wechseln wir die Ebene unseres Bewusstseins: Vom fixierenden, urteilenden Sehen wechseln wir zum wohlwollenden Betrachten. Wir lösen uns von unseren Erwartungen, die einengen und ihre Wurzel in der Angst haben. Es ist das betrachtende, göttliche Selbst, welches uns und andere auf den Grund unseres Seins führt.

Die Befreiung geschieht durch die Öffnung des Herzens und die Akzeptation der verschiedenen individuellen Ausdrucksweisen der Menschen, der Wesenheiten, was LIEBE bedeutet.

Durch das wohlwollende Betrachten entbinden wir, befreien Leben zu sich selbst hin. So betrachtet regeneriert sich bedrücktes, gebundenes Leben, findet zu seiner Ursprünglichkeit, zur Frische und Reinheit des Seins.

Dieses Betrachten können wir auch Kontemplation nennen.
Das Betrachten aus der Weite des Herzens befreit und heilt.

Freud und andere Psychologen lehrten, dass neurotisches, zwanghaftes Verhalten, das zu ständigen Wiederholungen neigt, durch Erkenntnis und Einsichten in die Entstehungsgeschichten der Symptomatik zur Gesundung und Lebendigkeit verhilft. Ich bin überzeugt, dass sie recht hatten. Allerdings ist dieser Weg allein mühsam und langwierig, während der Weg des Wechsels der Weise des Sehens vom egozentrischen Blick zum wohlwollenden kontemplativen Betrachten eher geeignet ist, die fixierten Energien frei zu setzen und dem Entfaltungsprozess des Menschen zuzuführen.

Das wohlwollende Betrachten hellt die Grund-Stimmung des Betrachters und des Betrachteten merklich auf.

Durch den Wechsel der Art des Schauens wird nicht nur der Betrachter in einen heilenden Strom geleitet, sondern auch der Betrachtete. Die gebundene Energie, die durch Urteile und Stereotype gefangen wurde, wird durch den geweiteten Blick des kontemplativen Betrachters befreit und steht nun wieder der Entfaltung der menschlichen Seelen-Kräfte und der Verwirklichung des Individuums zur Verfügung.

Der tiefenpsychologische Heilansatz und der von mir geschilderte spirituelle, kontemplative Ansatz lassen sich gut miteinander verbinden.

In Meditation kann es geschehen, dass der Meditierende, das alles akzeptierende und liebende Auge Gottes auf sich ruhen fühlt, wodurch er in tiefe Entspannung versinkt und sich völlig aufgehoben und geborgen fühlt. Es ist derselbe Blick, den er auch nach aussen richten kann, denn was er erfahren hat, will sich, wie alle tiefen Erlebnisse, mit-teilen.

Die neoliberale Ideologie und der Christus-Impuls

1.
Im kapitalistischen System geht es um die Akkumulation von Macht und Finanzen, nicht nur um Gewinn, sondern um die kontinuierliche Maximierung des Gewinns und um die Ausdehnung der Macht und des Einflussbereiches einer Elite. Eine neue Klasse ist entstanden, die der Multi-Milliardäre, des Geld-Adels. «Tatsächlich zielt der Neoliberalismus gar nicht auf «freie Märkte». Er zielt vielmehr auf eine radikale Umverteilung, und zwar von unten nach oben, von der öffentlichen in die private Hand und von Süd nach Nord». *

Wer sagt, dass der Kapitalismus überwunden werden müsse, macht sich bei Vielen unbeliebt und erntet Zweifel an seiner Gesinnung. Jene also -und es sind sehr viele Leute- die sich mit dem Kapitalismus identifizieren, finden also die Akkumulation von Macht und Vermögen bei Wenigen, den Superreichen, in Ordnung oder sogar erstrebenswert, selbst wenn sie in den Augen der Reichen zu den Verlierern gehören, den Kleinst-Konsumenten.

Wer sich als Verbraucher und Konsument sieht in einem Ausbeutungs- System, welches auch kriminelle Machenschaften nicht scheut und sich der ständigen Rendite und der Plünderung der dritten Welt und der Natur schuldig macht, wertet sich in einem unvorstellbaren Masse ab und diese Selbst-Entwertung und Selbst-Entwürdigung findet in den Dunkelkammern der Verdrängung statt. Er präsentiert sich als Mitmacher.

Verletzen wir nicht unsere Seele, wenn wir einem System zustimmen, welches Ungerechtigkeit in hohem Masse erzeugt und uns zu Verbrauchern macht?

Wer sich als einen neoliberalen Kapitalisten sieht und keinen Einspruch erhebt, wenn er als ein solcher bezeichnet wird, unterstützt die Vorherrschaft des Geldes und des materiellen Strebens auf dieser Welt und gleichzeitig wertet er sich ab, mindert sich ab zu einem der Tänzer, die ums goldene Kalb kreisen. Millionen oder gar Milliarden von Menschen entwürdigen sich auf diese Weise, indem sie ihr Menschenbild weitestgehend auf der Ebene der materiellen Gier belassen.

Ich sehe dies als kollektive Selbst-Entwertung. Die neoliberale Ideologie bestätigt, dass es okay sei, sich mit der Identität des braven Konsumenten zu begnügen, welcher die Umverteilung des weltweiten Vermögens von unten nach oben widerspruchslos hinnimmt.

Die neoliberale Weltordnung ist hinter seinen glitzernden Fassaden, ein sich selbst-entwertendes System, denn es greift die menschliche Würde an und die Integrität des Lebens schlechthin.

Im post-christlichen Zeitalter hat sich der abendländische Mensch von seinen christlich spirituellen Wurzeln weitgehend abgeschnitten und lässt sich vom Markt und seinen Ideologien treiben. Unverbunden, also bodenlos, ist er leicht manipulierbar. Er hat seine wahre, wunderbare Identität ausgetauscht gegen eine kleine, armselige, selbst-entwürdigende Identität, die seine wahre Menschlichkeit und innere Grösse unterdrückt.

Die Selbst-Entwürdigung ist eine Verletzung der Seele!

Diese Tatsache ist wohl auch die Ursache der Depressionen und Süchte, die sich so rasch ausbreiten.
Es ist eine ausgeprägte Diskrepanz festzustellen, zwischen dem äusseren smarten, selbst-inszeniertem Auftreten der Leute und ihrer inneren Einsamkeit, Verzweiflung und Depression.

2.
Nun zur christlichen Verheissung eines Lebens in Liebe, die zentrale Wurzel unserer einst christlichen Kultur, die zunehmend dem Vergessen anheimfällt:

Ich unternehme den Versuch, in Kürze die Essenz der Christus-Botschaft des Jesu so zusammen zu fassen, wie sie sich mir erschliesst, wenn ich mich nach innen wende und auf mein Christus-Selbst höre. Natürlich ist dieses Resumé subjektiv gefärbt, es trägt aber auch, wie ich vermute, allgemein-menschliche und über-persönliche Züge in sich.
Ich höre:

«Ich bin gekommen, um euch die neue, frohe Botschaft, die aus der Ewigkeit kommt, die auch in euch ist, zu verkündigen. Mein Reich der göttlichen Einheit ist nicht von dieser materiellen, flachen Welt der Trennung. Es kommt euch entgegen und wird euch erfüllen, wenn ihr bereit seid, es zu empfangen.

Ihr lebt, um zu lieben, zu verzeihen und zu heilen. Ihr lebt im Strömen der Barmherzigkeit und des Mitgefühls.
Ihr lebt, um zu teilen, sowohl euren äusseren, wie auch euren inneren Reichtum.

Ihr lebt, um zu erkennen, dass ICH bei euch und in euch bin alle Tage.

ICH BIN meint das lebendige Sein, das euch erfüllt. ICH BIN ist die Liebes-Quelle, aus der ihr seid.

Seid glücklich, feiert.

Alles vergeht. Das Vergehen enthüllt die Essenz, bringt euch in die Stille meiner unendlichen Anwesenheit, in die Gegenwart, die das ewige Leben ist.

Lebt euer Leben in Anmut, Armut und Bescheidenheit. Werdet Mitfühlende. Lebt wahrhaftig.

Alles ist da, nichts fehlt, wenn ihr euch in euren Seelengrund herablässt – im Vertrauen und in Hingabe.

Liebet euren Nächsten hingebungsvoll, wie auch euch selbst. Ihr seid das Licht und das Salz der Welt.

Wenn ihr erkennt und erlebt, dass ihr bedingungslos geliebt seid, werdet ihr eure Rüstungen (Widerstände) ablegen, nackt, verletzbar und der Machtlosigkeit ausgesetzt sein, aber mit leuchtendem Inneren friedvoll euren Lebensweg gehen und ihr werdet Spuren der Heilung und des Heilens hinterlassen.

Ihr werdet euch eurer Todlosigkeit bewusst und anfangen das Lied eurer Heilung, Wesenhaftigkeit und Auferstehung zu singen. Ihr werdet zu Wasser des Lebens.

Gebt euren äusseren Reichtum, euer Prestige und eure Ansprüche hin mit einem erlösenden Lächeln, das euch befreit und hellstes Licht in eure Seele und in die Welt zeichnet.»

3.
Neoliberalismus und echte Demokratie sind nicht kompatibel.
Unvereinbar sind der Christus-Impuls und die neoliberale Ideologie.

Ich glaube, der schmerzhafte Widerspruch zwischen der inneren Wahrheit, die wir erfahren, wenn wir stille sind und der äusseren Doktrin, die materiellen Erfolg empfiehlt, müsste ausgedrückt, müsste gesagt werden. Insbesondere von den Kirchen und religiösen Gemeinschaften. Aber auch von allen Menschen und Institution, die von einer körperlich-seelischen-geistigen Ganzheit des Menschen ausgehen. Die Zeit des Lavierens ist vorbei.

 

*Aus: Rainer Mausfeld: Warum schweigen die Lämmer. Westende-Verlag.