Feuer

Feuer ist zurzeit ein Thema: Vulkan-Ausbrüche scheinen sich zu häufen. Gravierender aber sind die Waldbrände im Gebiet des Amazonas, in Brasilien, Bolivien, Alaskas und Indonesien. Feuer durch Brandstiftung mit dem Zweck Landwirtschaftsflächen zu gewinnen für Monokulturen.
Die Lunge der Erde, das Amazonas-Gebiet steht in Flammen!
In Russland explodierte ein Raketen-Triebwerk mit Atomenergie. – Feuer auf einem Tauchboot.
Die Überhitzung der Wirtschaft führt zur Überhitzung des Klimas.
Feuer also in verschiedenen destruktiven Gestalten.
Im Aussen, in der Welt, widerspiegelt sich die innere, kollektive Verfassung unseres Bewusstseins.
Wenn Feuer am Horizont aufflammt scheint mir der Moment gekommen zu sein, zu fragen: Wie steht es zur Zeit um die Beziehung des Menschen zum Feuer, insbesondere aber wie ist sein Verhältnis zum inneren Feuer? Lesen wir also im Aussen die Zeichen, die etwas über uns selbst aussagen.

Feuer begegnet uns vor allem in der Sexualität, im leidenschaftlichen Tun und in der Begeisterung, die uns vorwärts und über unsere Grenzen treibt, in der Kraft des Wandels, der Transformation. Feuer hat aber auch eine reinigende, läuternde Wirkung.

Das Feuer ist eine sehr starke Kraft: Es sucht unmittelbaren Ausdruck, Freiheit; es brennt, wo es will, da, wo das Leben entflammt, zwei Menschen oder zwei Qualitäten sich ergänzend (reibend) treffen. Insbesondere in der Liebe. Verliebte tanzen auf Feuerwellen, ohne zu verbrennen. Entreisst sich hingegen das Feuer von der Anbindung an die Liebe (der Zärtlichkeit, dem Respekt vor dem Leben), führt es zur Selbst-Verbrennung, verbrennt der Feurige, der sich von der göttlichen Ordnung abgetrennt hat.

Hier ist ein Zwischenhalt nötig, um zu klären, was ich mit der göttlichen Ordnung meine:
Diese Ordnung ist Ausdruck der LIEBE, der Weisheit und der Wahrheit. Sie ist beweglich, fliesend, weich; sie bezieht die sich verändernden Situationen stets mit ein, ist also niemals starr und zwanghaft. In jedem Moment werden die sich verändernden Bedingungen und Situationen miteinbezogen, integriert. Das Feuer wirkte also innerhalb dieser hohen weisen Ordnung hilfreich, andernfalls wird es gefährlich und wirkt im Menschen und auf und auf der Erde selbst-destruktiv.

Das Feuer brennt also zwischen Freiheit/Spontaneität und Bindung/Verantwortung. Dies gilt ganz besonders auch für die Sexualität.

Die grossen religiösen Systeme glaubten die Kraft des Feuers und damit auch der Sexualität durch Zwänge und rigide Regeln bändigen zu können. Sie haben diesbezüglich versagt. Sie haben es nicht verstanden mit diesem Paradox (Freiheit und Einbindung in eine höhere Ordnung) umzugehen. Und so lange dies so ist, werden sie sich nicht weiterentwickeln können.
Prometheus stahl das Feuer, Zeus beanspruchte die Hoheit über das Feuer. Das vom Ganzen abgetrennte (das gestohlene) Feuer ist gefährlich und zerstörerisch, während das ins Leben eingebettete Feuer wärmt. Es ist der Motor jeglicher Kreativität.
Brandstiftungen sind die Folge von Macht-Zusammenballungen anmassender Herrschaft über das Feuer. Das ist Frevel.
Trump, der US-Präsident, sagte, dass er Grönland kaufen wolle. Dort will er Wälder roden (verbrennen), um Bodenschätze zu gewinnen. Das ist Anmassung, Herrschaft.

Im gekränkten, beleidigten Stolz, im eifersüchtigen und neidischen Ego, wie wir es bei vielen Herrschern erkennen, ist Feuer-Kraft gefangen: mottendes, zersetzendes und zerstörendes, gestautes Feuer, das lange im Unsichtbaren wirkt, bis es explodiert.
Nicht nur bei Herrschern: bei allen Menschen, die ihr Feuer, ihre Leidenschaft und ihre Träume und Visionen nicht lebens-dienlich leben, es unter Druck halten, besteht die Gefahr, das ihr Leben erodiert, sich die Impulse, auch die aggressiven, sich gegen sie selbst richten: zerstörend oder lähmend-depressiv.

Noch einmal: Das Feuer – und ich denke jetzt vor allem an das innere Feuer – sollte nicht durch Zwang und Konventionen gebändigt werden, sondern durch Weisheit und Mitgefühl, wodurch seine Kraft und Leidenschaftlichkeit leben kann: in Freiheit und Verantwortung.
Es ist nötig, dass das Feuer behütet wird. Es braucht die Hüter*innen des Feuers.

Dem aus dem Wissen um die Ganzheit entrissene und somit gefährliche Feuer scheint uns bedrohlich näher zu kommen.

***

Das heilende Bild: Menschen, Frauen und Männer aus allen Nationen sitzen um ein grosses Feuer. Die Suppe, die sie über dem Feuer gekocht haben, zirkuliert jetzt in einer grossen Kalebasse. Sie kreist um das Feuer. Die Anwesenden teilen ihre Herzensanliegen, ihre Visionen miteinander. Der Rede-Stab wandert. Der Abend bricht an und damit die Kühle. Das Feuer in ihrer Mitte wärmt.
Alles kreist um das Feuer, wie die Erde um die Sonne.

Das Seelen-Lied – heilende Felder – wärmende Räume

Es spricht in mir:

Es ist wichtig, dass du das Lied,
das in dir gesungen wird, fühlst.
Es ist das individuelle Lied deiner Seele.
Es ist dein Seelen-Lied,
deine ursprüngliche Vibration
(1).

Lass deine Seele singen.
Es ist ein Lichtgesang. –
Licht und Klang
in inniger, einmaliger Verbindung.
Dadurch webst du dein Lebensfeld, dein Lebens-Umfeld
(2).

Wenn Seelenlieder im Geist der Gemeinschaft sich verbinden,
also einen Chor bilden,
entsteht ein heilendes Feld der LIEBE,
entstehen Wärme-Räume
(3),
also wärmende Räume,
welche aus der ursprünglichen Stille erweckt werden,
Seins-Räume
(vergl. Blog vom 17.8.19) Einzelner,
die in der gemeinsamen Gruppen-Vision
verbunden, vernetzt und gehalten sind
(4).
Sie bilden Energie-Felder göttlichen Ursprungs,
welche Leben regenerieren, wiederherstellen und schützen.

Im OM oder AMEN vertiefen sich die heilenden Felder der Liebe.
Sie weben sich und breiten sich aus im heilenden Geist.

Das ICH BIN (5) ist der Ursprung, die Quelle.
Daraus entströmt das LIED,
die Segnung aus Klang und Licht – das OM und das AMEN.

Das ist eine Skizze zum göttlichen Bauplan,
gemäss derer Institutionen und Gemeinschaften,
die dem Schutz, der Heilung, der Wiederherstellung und der Festigung
des Lebens dienen, aufgebaut werden können. (5)

 

Erläuterungen:

  1. Jedes Lebewesen ist die Verkörperung einer göttlichen Vibration, einer Nuance in der grossen kosmischen Symphonie des Lebens. Wenn zum Beispiel die Wale ausstürben, würde eine wichtige, vielleicht die die Ozeane miterhaltende Vibration aussterben, was ein Ereignis grösster Traurigkeit, ein unermesslicher Verlust darstellen würde. Täglich sterben viele Tier- und Pflanzenarten aus. Was für ein Verlust an Vielfalt und Reichtum (das ist der wahre Reichtum!) und wir Menschen tragen dafür die Haupt-Verantwortung.
    Die Vibration, die aus der Liebe strömt, hält die Sonne in ihrer Bahn.
    Wenn wir unser Lied singen, helfen wir uns und dem Leben auf Erden. Es ist segensreich, die eigene Vibration, das eigene Lied kennenzulernen. Dafür haben wir während der ganzen Lebensspanne die Gelegenheit dazu.
  2. Das Lebensumfeld ist das Feld unserer Persönlichkeit, vom höheren Selbst gelenkt. Ist der Mensch gegenwärtig und verbunden, so sind die einzelnen Elemente im Feld gut miteinander verwoben und das ganze Feld ist im Licht und in Harmonie. Nimmt die Präsenz ab, verdunkelt sich das Lebensumfeld, wird es störungsanfällig und die Kraft der Weisheit ermattet. Bewusster Atem hilft, die Flamme unseres Lebensfeldes lebendig zu halten.
  3. Wärme-Räume – ein Begriff, der meines Wissens Rudolf Steiner prägte – entstehen dann, wenn Menschen den Ort, an dem sie in kontemplativer Versenkung sind, einbeziehen und in ihn ausstrahlen, also ihren inneren Seins-Raum in den Ort ihrer Mediation ausdehnen. So entstehen Räume der Wärme, der Stille und der Kraft. Das können Kapellen sein, Plätze, Baumgruppen, Uferzonen, Stuben, Treffpunkte, Kulturräume, Krankenzimmer, etc. Jeder Mensch hat die Freiheit für einen bestimmten Ort Verantwortung zu übernehmen, ihn auf diese besagte Weise zu pflegen, zu «tränken», ihn seelisch-geistig aufzubauen, damit er auch für andere Menschen zu einem Ort der Sammlung werden kann. Es kann auch ein einzelner Baum sein, den du aus deinem Herzen über längere Zeit umströmst und umhüllst, so dass er zu einer Art von Wächter- und Schutz-Baum für seine Umgebung wird.
  4. Auch Energiefelder, die aus Liebesbeziehungen entstehen, haben diese wärmende und zentrierende Kraft, die heilend auf ihre Umgebung wirkt. Die gemeinsame Vision fügt die Visionen ihrer Mitglieder harmonisch zusammen. Es treffen sich also Menschen, um eine Gemeinschaft zu bilden, die eine übergreifende Vision miteinander teilen. Je stärker und bindender diese ist, und je hingebungsvoller die einzelnen Mitglieder sich seelisch-geistig in ihrer je eigenen Vision einbringen, desto eher kann sich ein starkes Energiefeld bilden, welches ausstrahlt und anziehend für die Mitwelt ist.
    Auf diese Weise könnten/sollten vor allem soziale Institutionen aufgebaut werden: Spitäler, Altersheime, Jugendheim, Sterbe-Hospize, Geburtshäuser, Kirchen, etc. Therapeutisch-spirituelle Gemeinschaften, wo sich jede und jeder (von der Putzfrau bis hin zum Direktor) mitverantwortlich fühlt für den Aufbau und die Stärkung eines gemeinsamen heilenden und entwicklungsfördernden Energiefeldes, würden die Basis für die praktisch-konkrete Arbeit bilden.
  5. ICH BIN ist ein kraftvoller Name für Gott, er verdichtet die Wirklichkeit. Ihm kann nichts beigefügt werden, weil er die Essenz des Lebens, des Seins ausdrückt und zur Quelle führt und diese ins Licht des Bewusstseins hebt. Was aus dem ICH BIN lebt, ist behütet, geschützt und gesegnet.
  6. Bauen wir die Welt auf dieser Grundlage auf, wird sie aufblühen können. In Frieden. «Doch im gegenwärtigen Moment muss die Menschheit dringend die nährende Energie des Selbst wieder ins Leben zurückatmen, bewusst die Seele der Welt mit dem Licht der eigenen Seele entzünden.» L. Vaughan-Lee

Im Seins-Raum

Manchmal ist es mir ein Bedürfnis innere Erfahrungen weiterzugeben, zu teilen. Bevor ich sie in Worte fasse, überprüfe ich das Erkannte im Innern, ob das, was sich formulieren möchte, tatsächlich dem entspricht, was ich innerlich erlebe und erfahre. Wenn keine Übereinstimmung vorliegt, gelangt es in keinen Text.
In welchem Masse meine innere Wahrheit auf andere Menschen übertragbar ist und wie weit sie verallgemeinert werden kann, kann ich nicht beurteilen.

Ich lebe im Seins-Raum. Es ist mein wahres Wesen, welches im Seins-Raum lebt. Dieser Raum ist sowohl leicht, wie auch dicht. Hier bin ich von Wesenheiten umgeben. Hier bin ich ganz, während ich mich im Raum der Alltags-Erdenwelt als sehr relativ und vergänglich erlebe.

Im Seins-Raum ist meine Heimat.
Er ist völlig beseelt.
Hier dehnen sich alle meine Dimensionen, die zu mir gehören, aus. Ich weite (erweitere) mich da. Alles ist gut bis in die Tiefe des Seins.

Seins-Tiefe: ganz unten die Grund-Strömungen der Lebenskraft, in der Höhe lobende Wesen in ihrem Liebestanz.

In der Versenkung, zum Beispiel in der Meditation oder im kontemplativen Gebet, manchmal auch in psychotherapeutischer Körper-Arbeit, verändert sich das Zeit- und Raumempfinden:
Zeit erlebe ich als Gegenwärtigkeit, ich spüre sie als nährende und schöpferische Essenz.

Raum dehnt sich; er ist grenzenlos, leicht und dicht zugleich. Eine schimmernde Sphäre. Das Wesen (Ich) und der mich umgebene Seins-Raum unterscheiden sich nur graduell. Der Seins-Raum ist auch in mir, so wie er mich umgibt. Alles ist wechselseitig verbunden, es gibt da keine isolierten Einzelteile.
Der Raum atmet, pulsiert. Hier ist keine Schwerkraft, sondern eher ein Gleiten, ein Schweben.
Verweile ich im Seins-Raum, der auch ein Bewusstseins-Raum ist, erfahre ich seine intensive Lichtkraft immer mehr (vergleiche den letzten Blog: Licht und Bewegung). Das Gefühl: Ich bin aufgehoben, beheimatet. Hier bin ich wirklich, hier bin ich real. LIEBE und all-gegenwärtige Schönheit, die alles durchströmt. Alles ist hier in LIEBE gesehen und in LIEBE gehört. Anteilnehmendes Leben.

Der innere Mensch, der ins Licht der Wahrnehmung tritt – ich nenne ihn auch das Wesen – ist, so spüre ich das deutlich, real, anwesend, während der von der Zivilisation und der herrschenden Kultur geprägte Mensch grosse illusionäre Anteile (Maya) an sich hat. Manchmal erscheint er als abwesend, unsichtbar. Im Seins-Raum ist Anwesenheit, Wahrheit, Wahrhaftigkeit und Seligkeit.

Wenn du, wenn ich, aus diesem Seins-Raum liebevoll mit Mitgefühl ausatmen, können wir das bedrohte Leben auf Erden unterstützen und nähren. Es ist eine Art von stiller Friedensarbeit, die aktive handfeste Friedensarbeit nicht ausschliesst, sondern vielmehr stärkt.

Einblicke in die LIEBE

Ich werde fortan das Wort LIEBE, wenn ich die göttliche, ewige und bedingungslose LIEBE meine, in Gross-Buchstaben schreiben. Sie ist nicht zu verwechseln mit der kleinen, zwischenmenschlichen Liebe, die immer auch etwas Berechnendes, manipulatives und narzisstisches an sich trägt, also nicht als rein betrachtet werden kann. Da die kleine Liebe im polaren Bewusstsein verankert ist, kann sie leicht in Misstrauen, Hass und Angst umkippen, während die LIEBE eins ist.
Im folgenden Artikel versuche ich, Einblicke in die LIEBE zu geben oder einen Blick in das Wunderbare erahnen zu lassen – die grösste universelle Kraft, die existiert.

Wir sind Leben aus LIEBE. Ich liebe, darum bin ich. Die Erde ist verkörperte LIEBE. Mit dem inneren Auge sehen wir das. Nur das innere Auge und das innere Ohr sind in der Lage, LIEBE zu erkennen und zu spüren.

Der bulgarische Mystiker Peter Deunov sagte über die Liebe:
«Die Liebe ist jene Welt, in welcher der göttliche Geist lebt…. Sagen wir Gott ist Liebe, so verstehen wir damit jene Wesenheit, aus welcher alles hervorgeht. Aus dem Quell der Liebe sind alle Welten seit Ewigkeit hervorgegangen und werden auch in Zukunft hervorkommen.»

Viele Menschen streben in ihrer Meditation an, die göttliche LIEBE zu erleben, zu erfahren. Wer sie erfährt -und sei es nur für Sekunden- wird nicht mehr derselbe sein, der er vorher war. Nun wird er/sie nicht mehr rettungslos in den Abgrund ihrer Ängste und ihrer Verzweiflung fallen können. Sie weiss, dass sie letztlich aufgehoben ist.
Auch wenn der Mensch über sich enttäuscht, ja verzweifelt ist und nicht mehr viel auf sich hält, kann er erfahren, dass Gott bedingungslos zu ihm steht und ihm seine volle LIEBE niemals vorenthält. Das rührt zu Tränen, berührt.
Beim Hören der Musik von Mozart spüre ich immer wieder grenzenlose Zärtlichkeit und all-umfassenden Trost.
Maria Dolorosa, die göttliche Mutter, trägt den Schmerzenden, den Abgewiesenen in ihrem Schoss, trägt auch uns und unsere Einsamkeit in ihrem Schoss. Sie hält, was wir nicht aushalten können. Auch das ist Ausdruck von unendlicher LIEBE.

Gott spricht auch durch Licht zu uns. Licht, welches viele Qualität hat und nicht zu verwechseln ist mit physischem Licht. Sehr hohes Licht hat einen wundervollen Glanz und fühlt sich an wie Nektar, wunderbare und heilende Substanz, an das Brot des Lebens erinnernd. Es ist LIEBES-Licht. Zur gegebenen Zeit hüllt Er uns in ein Kleid aus Licht ein.

In Liebes-Beziehungen (ich meine damit Beziehungen, die vor allem in der Liebe selbst gründen und nicht in Rollenerwartungen) entdecken wir zuweilen einen solchen Liebes-Licht-Strahl, der uns hilft, die Liebe zu verewigen, sodass sie zur LIEBE wird. Buddhisten würden vom Erlangen von Unsterblichkeit sprechen.
Ver-ewigen erinnert zu Recht an Auferstehung. Es ist etwas Geheimnisvolles, kaum zu Erklärendes. Eine Geste, ein Gefühl, eine Erfahrung, ein Moment bekommt plötzlich die Qualität von Unvergänglichkeit, geht ein in die unsterbliche LIEBE. Uns Menschen ist diese Macht gegeben, wenn wir im besten Sinne demütig werden.

Gott liebt uns, selbst, wenn wir IHN ablehnen. Seine LIEBE ist unerschütterlich – Anfang jeder umfassenden Heilung. Er weiss, dass zum menschlichen Wachstum die Freiheit gehört, Nein zu sagen, sich abzuwenden. So ist Freiheit also ein Aspekt der Liebe. Wie die Freude, die Zärtlichkeit, die lebendige Kraft.

Ganz besonders aber erlebe ich die Zärtlichkeit als zentralen Aspekt der göttlichen LIEBE. Sie manifestiert sich in der Beziehung Eltern-Kind, in der Beziehung zwischen Liebenden und in der Feinheit des schöpferischen Ausdrucks. Verwandt mit der Zärtlichkeit ist die Behutsamkeit und die Sanftheit. «Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen.» (aus der Bergpredigt).

Die LIEBE erfahren wir als einen Strom (ein Strömen), das uns stetig, also ununterbrochen   durchdringt. Es ist einfliessende Liebe, Güte, Kraft und Weisheit, die uns erfüllt. Geschenkhafte Fülle und wenn wir diesen «Einfluss», nicht wahrnehmen, dann hat dies alleine mit unserer Verschlafenheit und Abwesenheit zu tun und niemals damit, dass ER uns ausgeschlossen oder vergessen hätte. Jedenfalls entspricht dies meiner Erfahrung, meiner inneren Gewissheit. Die LIEBE des Einen ist all-präsent und einbeziehend!

Die Antwort auf diese Erfahrung kann eigentlich nur Dankbarkeit sein. Dankbarkeit wiederum bringt uns in die Fülle des gegenwärtigen Moments.

In dem Masse, wie es uns möglich ist, die LIEBE zuzulassen, erleben wir grösstmögliche Nähe. Wir selbst sind uns dann selbst so nahe, wie wir es uns nicht einmal ausdenken können. Es ist eine heilige, reine Nähe; eine Nähe, die wir zu uns selbst und zu andern finden – dementsprechend, wie uns Gott nahe ist. Wir nennen es auch Shekinah (ein jüdischer Begriff), wenn wir in das Flair, die Nähe, die Aura Gottes eintauchen. Wir können es aber auch als das Erleben grösstmöglicher Intimität betrachten. Diese Erfahrung ist wunderbar, berührend, schön.

Shekinah bedeutet aber auch die Einwohnung oder Wohnstatt Gottes. Wenn wir Ihn eingeladen haben, in uns, das heisst in unserer Seele zu wohnen, fühlen wir Seligkeit, Freude und völliges Angenommensein. Nun sind wir Angekommene.
Bevor diese Einladung erfolgen kann, muss die Ego-Dominanz sterben. Ich schrieb in meinem letzten Beitrag, dass die LIEBE das Ego tötet, weshalb Manche von uns, sich vor der LIEBE fürchten, weil sie unsere vermeintliche Kontrolle bedroht. Die LIEBE benötigt in uns Raum für die Ausstrahlung ihrer Liebeskraft. Deshalb muss der Macht-Anspruch des kleinen Ichs (das Ego) weichen. Es muss in den Hintergrund treten, von dort dienen, damit die LIEBE sein kann. Sie ist das Erste, die primäre Wirklichkeit.

LIEBE erzeugt Schönheit und Schönheit ruft tiefe Liebesgefühle in uns hervor.

Diese Nähe, wie ich sie zu beschreiben versucht habe, öffnet sich manchmal auch in Beziehungen der Liebe. Das EINE offenbart sich in der Beziehung – zu zweit oder in Gemeinschaft. Im Du oder im Wir. Das ist die Erfüllung jeder Beziehung: Das erzeugt Jubel.

Gott können wir auch als Liebesbeziehung verstehen. Und das Leben als eine Liebesgeschichte.

 

 

Grenzerfahrungen

Manchmal komme ich an einen Punkt, wo ich nicht mehr weiter weiss – so, als ob eine Barriere vor mir niederginge.
Oder: ich falle in ein Verhalten zurück, von dem ich dachte, es schon längst überwunden zu haben. Ich werde von Gefühlen übermannt und/oder blockiere mich.
Scheitern. Peinlich. Wie ohnmächtig ich mich fühle.

Das Einzige, was mir dann hilft, ist, dass ich mir diesen Zustand eingestehe. Zu Beispiel: ich kann Gedanken, die mir schaden, nicht stoppen; sie drehen weiter und ich habe keinen Einfluss auf sie. Dann versuche ich mir einfach einzugestehen, dass dem so ist. Ich gebe zu, dass ich mich jetzt ohnmächtig fühle. Dann löst sich manchmal der Klumpen und ich atme wieder durch. Nicht selten aber finde ich mich getröstet wieder, wenn ich mir die Niederlage, das Scheitern, eingestehe.

Die Not zugeben lindert, tröstet.

Es ist immer auch eine Kränkung für das Grössen-Selbst, wenn ich an eine innere oder äussere Mauer stosse, auch eine Ent-Täuschung. «Aha, ich bin noch nicht soweit, nicht so gross, so souverän, wie ich gerne möchte.»

Manchmal kann ich mir darüber ein Grinsen erlauben, selten auch ein nachsichtiges Lächeln.

Der Raum, jenseits meiner Grenzen und Beschränkungen erscheint mir riesig, endlos. Dort möchte ich sein in dieser Weite.

Ich stehe innerhalb der mir zur Verfügung stehenden, begrenzten Möglichkeiten und ausserhalb des mir zur Verfügung stehenden Potentials.

Habe ich den Zugang zum ausserhalb Stehenden?

Ja, ich fühle, weiss es sogar, dass ich auch das, was mir (noch) nicht zur Verfügung steht, bin. Ich erahne mein Potential und dass es meiner Seele möglich ist, sich weit, über meine Unzulänglichkeiten hinaus auszudehnen.

Dort, jenseits meiner Grenzen erkenne ich ab und zu meinen Doppelgänger in strahlendem Licht.

Jenseits meiner Schranken ist die Ahnung des Möglichen.

Ich bin auch das, was jenseits meiner jetzigen Möglichkeiten ist.

Ich lebe und liebe über alle meine Grenzen hinaus. Dort wo «ich» nicht mehr hinreiche, strahle ich über meine Grenzen hinaus, getragen von der grenzenlosen Liebe.

Manchmal fühle ich in meinem Herzen so etwas wie ein Schwungrad. Dort schwingt Hoffnung und Zuversicht. Lebenswasser. Manchmal wird es herausgeworfen. Es bildet sich ein riesiger Bogen über alle Zäune hinweg in jene Weite der geistigen Welt.

Jetzt bin ich Hier und Dort.

Bei Jürg Reinhard lese ich: «Staut sich das Licht an einem Punkt, so entsteht eine Knospe.» *
Er bezog diesen Satz auf den biologischen Kontext. Ich möchte diese Satz auf den entwicklungspsychologischen Kontext beziehen: Wenn zum Beispiel der Expansionsdrang eines Kindes durch seine Eltern massiv gestoppt wird, so entsteht in ihm auch eine Stauung, ev. eine seelische Wunde, die im Lichte der Barmherzigkeit und des Mitgefühls zur Knospe werden kann und diese wiederum zur duften Blüte.

So kann sich auch das Scheitern in eine solche Blüte verwandeln, wenn wir es annehmen und dort, wo wir eingebrochen sind, symbolisch (oder auch real) eine Kerze entzünden, Strafe also vermeiden und uns in das Licht stellen.

Ich glaube, dass die heilende Tätigkeit des Menschen darin besteht, dass er diese Zweiheit als eine wichtige Aufgabe verstehen kann, nämlich eine Brücke zu bilden über diese beiden Pole: jenen des Scheiterns, des Abgrundes mit jenem der Gnade und der ewigen Liebe. Wer sowohl die Erfahrung der Beschränkung und der Ohnmacht, die auch mit Leiden verbunden ist, aber auch die grenzenlose Freiheit der bedingungslosen Liebe und Ausweitung in sich erlebt hat und diese beiden Gegensätze in sich vereint hat, wie es im Weg vieler spiritueller Meister versinnbildlicht und erfahrbar gemacht wurde, vermenschlicht sich.

Dieser Brückenbau geschieht in Milde.

Ich lebe und liebe über alle meine Grenzen hinaus. Dort wo «ich» nicht mehr hinreiche, strahle ich über meine Grenzen hinaus, getragen von der grenzenlosen Liebe.

*Jürg Reinhard: Das Ende der Physik – Seite 75

 

 

 

Es gibt etwas Hinhörendes…

Es gibt etwas Hinhörendes und Anteilnehmendes in allem, was ist,
es ist eine warme, mütterliche Präsenz, die uns in unserer Bedürftigkeit wahrnimmt,
uns liebend ans Herz nimmt,
uns zart einhüllt und tröstet, wenn wir Trost benötigen.

Diese anteilnehmende, uns zuhörende Kraft vibriert in jedem Schöpfungselement,
wirkt in jedem Ausgenblick,
erfüllt das ganze Universum.

Wir sind nicht nur gesehen, sondern auch gehört und erhört.

Wie gerne ich das wiederhole,
wie liebe ich es, diesen Refrain zu singen.

Ja, es gibt diese zauberhaften, zarten Momente,
wo wir erkennen, dass diese sanfte Wirklichkeit einfach da ist.

Umarmendes Dasein, umhüllende Liebe.

Jede menschliche Umarmung weist darauf hin,
ja, in jeder zwischenmenschlichen Umarmung, die von Herzen kommt,
entpuppt sich die universelle,
berührt uns der Liebende – die Liebende,
zart und kraftvoll zugleich
und dann wissen wir,

dass jemand (etwas) uns tatsächlich zuhört,
jede Nervenfaser von uns erspürt, in jedem Atemzug,

in jedem Atemzug mitschwingt, mitfühlt.

Es ist eine warme, uns zuhörende Präsenz,
ohne jegliche Fremdheit,
eine anteilnehmende Gegenwart, die uns besser kennt,
als wir uns selbst kennen.,
reines Vertrauen,
das schon da ist, immer schon da war, und darauf wartet,
uns zu empfangen.

Es gibt etwas Zuhörendes und Anteilnehmendes in allem was ist.

Meditative Praxis – ein Vorschlag:
Wenn Du in Meditation bist und sich in Dir Stille aufbaut, dann gibt Dich ihr hin,
überlass Dich ihr und erinnere den Satz: «Es gibt etwas Hinhörendes und Anteilnehmendes in allem was ist». Nun kann es geschehen, dass Du Zugehörigkeit und ein Gefühl von Aufgehoben-sein erlebst, in dem Du Dich sehr tief lösen und entspannen kannst. Du fühlst Dich vielleicht in ein warmes Licht eingebettet. Überlasse Dich also jener liebenden Kraft (die göttliche Mutter), die Dir zuhört, die an Dir/uns Anteil nimmt – und letztlich wesentlicher Teil ist von Dir.

 

Das Empfangende

Ich stelle mir vor, dass der Mensch ein empfangendes Wesen ist, der hier auf Erden berufen ist, sich selbst in seiner Wesenheit zu empfangen, sich in seiner Empfänglichkeit zu erleben und damit sich selbst (wieder) zu finden.

Vor Gott sind wir alle weiblich, sind wir Empfangende.

Der empfängliche Mensch ist verliebt und hingebungsvoll; er gibt sich dem Gebenden, dem Liebenden hin – vorbehaltlos, vertrauend. – Er ist ein offenes Gefäss, an eine Schale oder an einen Kelch erinnernd. Er empfängt, trinkt dankbar, was ihm gegeben wird. Alles an ihm ist aufnehmend, rezeptiv: Sein Körper, dessen Poren weit geöffnet sind, seine Aura, zart und empfangend, seine Seele, ein seiden-leuchtendes Energiefeld, welches das grosse göttliche Licht einatmet.

Es ist nicht leicht zu sagen, ob das Empfangende nun eher passiv oder aktiv ist. Ich würde sagen: passiv-aktiv. Die Pflanze, die sich dem Licht entgegenreckt ist aktiv, passiv in ihrer Licht-Trunkenheit. – Der Mensch der sich sehnsüchtig dem Licht entgegenstreckt, sich damit aufrichtet und dabei doch gelöst bleibt, stellt das männliche Prinzip dar, das Weibliche ist das rezeptiv Empfangende, die aufnehmende Schale (die Seele), die Kraft der Verkörperung und Integration. Die beiden Qualitäten bilden die Yin-Yang-Balance, eine Ganzheit, die der Meditation sehr förderlich ist.

Da der Mensch in unserer Zivilisation sich gegen Überreizung und Erwartungsdruck schützt, gezwungenermassen, hat er sich eine dicke Schutzschicht zugelegt. Die Meditation hilft ihm, diese Schicht aufzulockern, wieder transparenter zu werden, damit er sich wieder in Beziehung mit dem setzt, was ihn seelisch-geistig nährt. In der Meditation geht es, wie auch im Gebet, darum, wieder in Resonanz zu jener Substanz zu finden, aus welcher der Mensch lebt.
Wir Menschen sind – so könnte man es sehen- Gegebenes, das sich verkörpert, also verkörperte Liebe.

Es braucht Mut, sich wieder zu öffnen, sich verletzlich zu machen und Kontrolle aufzugeben, um jenen lichten Stoff, die Substanz, die sehr fein ist und aus der wir sind, wieder zu spüren. Erfahren wir sie, können wir die göttliche Substanz bewusst und dankbar empfangen, uns selbst in unserer tiefen Wirklichkeit aufnehmen, um uns selbst zu verkörpern, zu werden, was wir in innerster Essenz sind. Es ist ein Geburts-Vorgang.

Bevor dies geschieht können wir festhalten: Was wir bisher durch unsere Erziehung und durch unsere Kultur verkörpert haben, hat viel mit den Ängsten und der Gier der Zivilisationswelt zu tun gehabt. Nun, wo wir uns neu nach dem wahren Selbst ausrichten, empfangen wir unser Wesen, das bisher verdeckt war. Bis es soweit ist, kommen wir nicht darum herum, unsere Empfänglichkeit zu entwickeln. Wir haben unsere Wahrnehmungsfähigkeit zu verfeinern. Wir haben zu lernen, auszuatmen, was uns hindert frei zu sein und frei zu empfinden.
Bei der Verfeinerung unserer Wahrnehmungsfähigkeit kommt die Phase, wo wir meinen, dass nichts da sei und manchmal brechen wir dann die Ein-Sicht ab. Dieses «Nichts» markiert oft den Beginn einströmender Fülle, die wir erst als das erkennen, was sie ist, wenn unser Innenleben jene Feinheit und Zartheit erreicht hat, die nötig ist, die subtile Welt zu empfangen.
Es kann aber auch passieren, dass uns einfach geholfen wird, dass hinweggenommen wird, was uns beschränkt.
In jenen wunderbaren Augenblicken oder Perioden, wo wir offen, empfänglich und hingebungsvoll sind, können wir erfahren, dass uns unterbrochen gegeben wird. Wir nennen diese Erfahrung auch Gnade. Die einströmende Gnade, der einfliessende Segen, erleben wir manchmal als weissliches-milchiges und nährendes Licht, andere Male als unglaublich feine kristalline Licht-Partikel, die sanft über uns kommen oder als hauchfeiner Licht-Sprüh-Regen, der uns beglückt. Diese Bilderfahrungen sind verbunden und eins mit der Empfindung von Glückseligkeit, mit Erstaunen, Ergriffenheit. Oft stellt sich ein Gefühl von Festlichkeit und Feierlichkeit ein. In solchen Momenten wird uns bewusst, dass dieses Einströmen von Güte, Liebe und Bewusstheit unendlich (also nie endend) ist und dass alles Geschenk ist. Fülle.

Natürlich sind diese oben genannten Empfindungsweisen nur Hinweise, wie sich göttliche Substanz, die wir empfangen, anfühlen kann. Jeder Mensch, empfängt vor allem jene Qualitäten, die er jetzt besonders benötigt und er empfängt sie in dem Masse, wie er in der Lage ist, sie aufzunehmen und zu integrieren. Ein starkes Gefäss vermag mehr aufzunehmen, als ein schwaches. Deshalb gilt es innere Seelenstärke, aber auch körperliche Harmonie zu entwickeln. Ausserdem erscheint es mir als sehr wichtig zu sein, liebevolles Einatmen einzuüben.

Was wir empfangen ist Liebe und das, was aus ihr geboren wird – Leben, wir selbst.

Da wir nicht nur individuelle Wesen sind, sondern auch Erden-Menschen, ist es auch Teil unserer Menschen-Verantwortung, das Wasser des Lebens in die Erde zu giessen und das Brot zu teilen.
L. Vaughan-Lee: «Die Welt ist am Verhungern. Durch unsere kollektive Haltung isolieren wir die äussere Welt von ihrem spirituellen Kern.»

Deshalb lasst uns auch Verbindung sein zwischen der geistigen Welt und der Erde, auf der wir leben, zwischen dem Kern und der äusseren Erde; lasst uns Verbindungsglied sein zwischen der Quelle und der dürstenden Erde.

Etwas soll auf die Erde gebracht werden. So empfinde ich es. Ich ahne es, was es sein könnte, es entzieht sich mir aber jeder Formulierung.

Wer liebt, gebiert, und was geboren ist, singt.

Reflexionen über das menschliche Gesicht

In den letzten Tagen und Wochen erschrak ich einige Male, als ich unvermittelt in ein Gesicht blickte, das vor mir plötzlich auftauchte, wie das oft geschieht, wenn man sich an einem viel begangenen Ort aufhält, wie zum Beispiel in einem Supermarkt. Ich erschrak jeweils über den Gesichtsausdruck, der mir wie eingemeisselt erschien und nur eines auszudrücken schien. Zum Beispiel: «Ich schlage mich hier einfach durch!» oder «Ich passe immer auf!» – oder was auch immer das betreffende Gesicht zu sagen schien.

Ich stellte dann nach einigem Nachdenken und Beobachten fest, dass es viele Menschen gibt, deren Gesichter  ihre charakteristische Art, das Leben zu empfinden und auf es zu reagieren, präzise widerspiegeln.
Es muss das Lebensgrundmuster sein, das sich da visualisiert, eindeutig eingeprägt, eingezeichnet im Gesicht, welches kaum etwas anderes zuzulassen scheint, als eben die charakter-gepanzerte Weise, sich im Leben zurecht zu finden. Da hat sich eine kleine abgeschlossene, ja abgekapselte Identität herausgebildet, eine maskenartige Persönlichkeit (Persona) mit ausschliessendem Charakter.

Danach wurde ich auch auf Gesichter aufmerksam, die nicht nur die vordergründige Reaktionsbereitschaft auf das Leben zum Ausdruck bringen, sondern auch den Erlebnis-Hintergrund. Etwa so: Vordergründiger Ausdruck: «Ich finde mich schon zurecht in dieser Welt», zweite Botschaft:» Ich bin verloren auf dieser Welt, helft mir». Die zweite, hintergründige Botschaft stellt sich gleich nach dem ersten Eindruck ein, wenn man beim Anblick des Gesichtes eine kleine Weile verbleibt.
Manche Gesichter drücken aber auch einen Facettenreichtum aus oder sie erzählen Geschichten.

Das Gesicht lässt sich auch verstehen als die sichtbare Gestalt des Menschen.

So, wie ich das Leben auffasse und auf es reagiere, drückt es sich in meinem Gesicht aus. Man könnte nun denken, dass das menschliche Gesicht, doch sehr viele Facetten des Welterlebens widerspiegeln müsste. Offenbar ist es aber häufig so, dass sich eine Art von Grund-Tenor wie ich im Leben stehe, herauskristallisiert und zu dominieren beginnt und alle anderen Lebens-Nuancen gleichsam aufsaugt und in den dominanten Rahmen stellt.

So wird das Gesicht zur Maske, zur Persona, die alles zu zeigen scheint und alles versteckt. Die ganze Vielfalt und die seelische Lebenstiefe sind maskiert. Mit anderen Worten: Wir neigen dazu, die Welt so zu sehen und zu interpretieren, wie wir es aufgrund unserer Prägungen eingeübt haben. Demgemäss färben wir die Welt ein und sehen sie in der Farbe, die wir auf sie projizieren – während die anderen Farben in Untergrund versinken.

Nun gibt es aber auch Gesichter, die nebst den eingeprägten Qualitäten, Emotionen und Reaktionen noch so etwa wie offenen Lebens-Raum ausstrahlen: Raum für das Unbegreifliche, Unerklärliche, das Zauberhafte und das Erstaunliche des Lebens. Da fühlt man Platz: dieser Mensch nimmt sich Raum und gibt Raum – da ist nicht alles festgelegt. Man spürt: dieser Mensch ist nicht völlig identifiziert mit seinem Charakter seiner kleinen Aussenpersönlichkeit, da ist Luft, da kann sich Neues finden. Da findet sich Ereignisraum, Klang-Raum.

Hier versteht sich die Person als Klangkörper, offen für den durchströmenden Geist, das Geistlicht. Per Sonare (Per-son) meint das Durch-tönende. Materie versteht sich hier als ein Gefäss für das geistige Einströmen. Materie und Geist finden hier zu einem sich ergänzenden Miteinander – im Gegensatz zum trennenden, egozentrischen, eine Kapsel bildende ICH.

Wenn ältere Mensch, die in der zweiten Lebenshälfte damit begonnen haben, sich zu de-identifizieren, um sich von alten, jetzt unpassenden Identifizierungen zu lösen und sich von ihren inneren Strukturen und Zwängen ein Stück weit zu befreien, kommt wieder das Staunen des Säuglings, den sie einst waren, in ihr Gesicht. Diese Gesichter beginnen nun durchlässig und transparent zu werden.

Im Anblick von befreiten Gesichtern können wir uns selbst befreien. In ihnen kann etwas werden, was vorher noch nicht da war. Wenn unser Gesicht freier wird von eingestanzten Prägungen, können sich jene, die uns sehen und uns begegnen, sich weit eher finden, als wenn unser Gesicht, von unseren Konzepten und Vorstellungen über uns selbst festgelegt bleibt. Solche Gesichter verwandeln sich leise in ein Antlitz, in dem das Wesen der Person hindurch strömt.

Bei unserer Wesens-Werdung, bei der sich unser Seelenzentrum mehr und mehr ausweitet,
was man am besten in den Augen erkennen kann, erscheint das Gesicht als weich und belebend, trotz aller Falten, es beginnt zu scheinen und wirkt bewusst und oder unbewusst lebensspendend und frei lassend auf die Umgebung. Allmählich beginnt sich das Angesicht im Gesicht zu zeigen – oder zu erahnen.

Noch was: Wer es zulässt, gesehen zu werden, von den Augen der Wahrheit und der Liebe, wird dieses Anteil-nehmende Umfassende schrittweise integrieren und sein Gesicht wird diese Erfahrung bezeugen.

Im Angesicht, das sich im Seelenzentrum verbirgt und sich zu rechten Zeit teilweise oder ganz offenbart, kann jeder und jede ganz zu sich selber finden. Hier ist vollkommene Freiheit und Angenommensein. Nun können wir alle unsere Masken ablegen. Wir wissen, dass wir geliebt sind. Völlig getröstet atmen wir auf und neue Räume erschaffen sich.

«Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt worden bin.»

  1. Kor. 13,12

Beitragsbild: Zeichnung von Werner Binder

 

 

Olten – Zürich

An der Bushaltestelle Kloosmatte ist es kalt, grau und windig. Das tiefe, kalte Januarloch eben oder der lange schwarze Januar-Tunnel, fast ohne Sonnenstrahlen. Der Kolonnenverkehr vor mir rollt zähflüssig. Auf der einen Seite, die stets volle Strasse und die Bahnlinie (nach Luzern), auf der anderen Seite, die Aare und die Zug-Linie (nach Bern), dazwischen wohne ich, gleich hinter der Tankstelle, die ich aus meinem Wartehäuschen heraus betrachte. Da hat mein Leben mich nun abgeworfen.

Vorher, beim Essen des Müsli (mit Schafmilch-Quark – enthält Orotsäure für natürliche Zellerneuerung) habe ich gelesen, dass alle Milliardäre der Welt täglich um 2 ½ Milliarden Dollar reicher würden.* Ich versuche dies zu fassen: täglich! Die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung verliert täglich 500 Millionen. Täglich! Und es kommt mir auch in den Sinn, dass ich gestern von einem spirituellen Lehrer von der sterbenden Erde gelesen habe. Ich frage mich, ob ich die Erde auch als sterbend erlebe – bin mir nicht recht schlüssig. Sicher aber ist: sie ist schwer angegriffen.

Die Menschen im Bus haben fast alle die Kopfhörer im Ohr und das Smartphone in der Hand, welches sie antippen oder scrollen: rauf und runter. Die meisten Leute scheinen absorbiert zu sein, mit sich selbst beschäftigt. Ich auch.

Im Zug setze ich mich einer Frau gegenüber, die kurz lächelt, wie ein Aufblitzen. Ich vermute, dass sie feinfühlig ist. Sie hat sehr feine Gesichtszüge. Sie tut mir gut. Der Zug fährt an und gleich ist mir wohler im Wissen, dass nicht alles stehen bleibt.

Zwanzig Minuten später taucht der Zug, nach der Tunnel-Durchfahrt (der Baregg-Tunnel?) im Limmattal wieder auf. Neuenhof. Hier spürt man den Wettlauf der Zeit. Hier galoppiert die Zeit, während sie in den Tiefen des Aargaus zähe, schwarz-konservative Bänder zeichnet. Bald wird jede, auch noch so kleine Grünfläche, einem Betonklotz gewichen sein. Das Rennen um die letzten Standort-Vorteile ist im Gange. Im Wettlauf mit der Zeit – was für ein unheilvolle Redewendung!

In meinem geliebten Zürich steige ich aus. Hier rennen die Leute die Rolltreppe hinauf, während sie Olten regungslos stehen. Ein Leben zwischen Reglosigkeit und Rennen. Oben angelangt, die endlich einmal leere Bahnhofshalle und ich bemerke, dass ich bewusst atme. Gut. Hier scheint die Sonne durch die Glaswände -mein Inneres wird mild und fröhlich. Unsere Sonne ist ein Abglanz der Geist-Sonne. Sie hilft mir über manchen Kummer hinweg.
Wenn ich also bewusst atme… bete ich dann? Oder beginnt jedes Gebet mit einem bewussten Atemzug? Ich glaube, ja. Manchmal stelle ich fest, dass es in mir betet. Dann fühle ich mich frei und zu Hause.

Wenn ein Einvernehmen da ist, geschieht es.

An der Bus-Haltestelle, Bahnhofquai füttert ein Mann die Möwen, die ihn kreischend umhüllen, so dass er unsichtbar wird.

Die Leute im 46er sind hier urbaner, modischer gekleidet als in Olten, aber ebenso absorbiert. Auch der Möwenmann ist eingestiegen.

Lehenstrasse. Hier beginnt vertrautes Terrain. Links wohnt Johanna. Ich sage: Hallo; sie antwortet: ah, du, hallo. Der Bus, nun fast leer, fährt weiter.
Hier kenne ich alle Häuser und viele Bäume. Ich grüsse sie. Es ist ein gutes Gefühl, durch ein vertrautes Gebiet zu fahren. Ich atme frei.

«Schwert». Ich steige aus. Die Sonne. Ja! – endlich wieder.
Neben dem Pizza-Laden schliesse ich auf und betrete den gemütlichen schönen Raum und sage wiederum : Hallo, IG (wiederum nur innerlich, aber immerhin).
Es ist etwas Gutes, zu grüssen, auch die vorübergehende Zeit, das Leben, die Vertrauten, die Flüchtigen.

Wenn ich hinausschaue sehe ich die grosse Buche, jetzt ohne Laub. Sie ist auch ein bisschen meine Freundin geworden.

Ich mag die Gewohnheiten des Alltags. Eine davon ist die kleine Reise: Olten – Zürich.

ICH GRÜSSE DIE ZEIT

Ich sitze im Kreis
unendlicher Liebe
und grüsse die Zeit,
die vergeht,
unendlich.

Ich grüsse die Zeit,
die wie ein Tuch im Wind verweht,
an dir,
an mir
vorübergeht.

Ich segne die Zeit,
die vergeht,
an jedem Ort,
wo ich bin,
unendlich.

Dieses Gedicht habe ich wahrscheinlich 2005 geschrieben.

*Oxfam-Bericht

ATEM – Teil 2

Im ersten Teil des Artikels «Atem» versuchte ich aufzuzeigen, dass uns die Mittel gegeben sind, um uns zu entfalten und in eine höhere Schwingung, in ein höheres Bewusstsein zu gelangen. Dies gilt vor allem für unser Atemsystem, mit welchem wir mit unserem Körper, unserer Seele und unserem Geist verbunden sind.

Der Atem, insbesondere in Kombination mit Wort (Mantra) und Stimme (Klang) helfen uns die Gedanken-Schwere und die damit verbundene Trägheit unseres Alltags-Bewusstsein zu überwinden.

Was meine ich mit Gedanken-Schwere? Viele Gedankenformen sind aufgeladen mit der Vorstellung, dass wir alles mit Leistung zu erringen haben, dass auch nur Wenige Erfolg haben können, nämlich die Stärkeren. Die beiden spirituellen Wege/Methoden helfen uns, unser Bewusstsein auszuweiten und zu erfahren, dass alles da ist, was wir benötigen,um uns zu entfalten.

Das Herzensgebet
Das Gebet entstand bei den Wüstenvätern und Wüstenmüttern in Ägypten, entwickelte sich weiter bei den Mönchen auf Berg Athos und verbreitete sich vorerst in Ost-Europa.
Es ist ein mantrisches Gebet. Die wenigen Worte, die bei jedem Atemzug gedacht, gesagt und gefühlt werden, sollen sich von der Zunge ins Herz fortpflanzen. Ziel ist, dass das Herz selbsttätig und fortwährend betet. – Beten bedeutet in Resonanz mit unserem innersten göttlichen Kern zu kommen.

Eine ursprüngliche Formel lautet: Herr Jesus Christus, Sohn Gottes (beim Einatmen), erbarme dich mir/unser (beim Ausatmen).
Eine verkürzte Formel: Jesus Christus (einatmen), Barmherzigkeit (ausatmen)

oder nur:
Jesus (einatmen) – Christus (ausatmen).

Es ist sinnvoll, zwischen dem Ein und Aus des Atems eine kleine Pause zu machen; in ihr entfaltet sich das Bewusstsein der Einheit, des Einsseins.

Die Worte können zu Beginn gesagt oder gesungen werden. Beim Einatmen sollen sie den Weg zum Herzen finden und beim Ausatmen sollen sie rundum verströmen. Während das Mantra zu Beginn gesagt wird, entwickelt es sich nach einiger Zeit zur gefühlten, erlebten und erfahrenen Wirklichkeit. Was erfahren wird ist Barmherzigkeit, Liebe, Mitgefühl, Schutz und Segen. Dabei wird der Atem sehr weit, kosmisch, alles umhüllend, lichtvoll und wärmend. Natürlich werden nicht bei jedem Menschen genau dieselben Gefühle geweckt*. Im tiefsten Seelengrund wird aber die bedingungslose Liebe und Akzeptation, wie sie in Christus lebt, aktiviert und die Beziehung zu seiner Wesenheit, die immer jetzt präsent ist, vertieft sich dabei.
Es ist der Dreiklang von Wort/Stimme – Atembewusstsein – und die Ausrichtung auf das Herz, die zusammen die Wandlung und die Erfahrung der Ausweitung des psychischen Herzens schneller und nachhaltiger geschehen lassen, als wenn nur eines der genannten Elemente zum Ausdruck fände.
Normalerweise ist es so, dass Projektionen, hervorgerufen durch unsere Erziehung und durch kirchlichen Prägungen, die unmittelbare direkte Erfahrung der Christus-Wirklichkeit beeinträchtigen. Das Herzensgebet erlaubt uns wieder Zugang zu finden zur unmittelbaren, direkten Begegnung mit dem Christus, der dadurch in uns zum Erblühen kommt, wenn wir dazu bereit sind. Unser Beitrag aber wird Geduld sein müssen. Es ist wie bei einer zwischenmenschlichen Begegnung: Zwei, die sich voneinander angezogen fühlen, nehmen sich zuerst wahr, gehen zart aufeinander ein, bis die Seelen der Zwei in Schwingung kommen. Feinfühlig gehen sie dann in Resonanz mit der jeweiligen Schwingung des anderen. Sie treffen sich in der Mitte, im Binnen-Raum, zwischen ihren Herzen, wodurch die Beziehungsebene ins Wachsen kommt. Vielleicht wächst da eine Rose – oder wie auch immer wir es bildlich wahrnehmen. Es ist Hingabe-Bereitschaft, die eine Begegnung ermöglicht, in der es zu einem vertraulichen Austausch, zu Intimität kommt.
Beim Herzensgebet ist die Bereitschaft, eine Liebes-Beziehung zu wagen zentral.

Genau so ist es bei allen Arten von zwischenmenschlichen Liebes-Beziehungen: Wir brauchen den Mut, unser Sicherheits-Dispositiv hinter uns zu lassen, uns verletzlich zu zeigen, uns rückhaltlos zu öffnen. Erst dann kann das Herzensgebet, das seine dazu beitragen.

Tonglen
Diese Atem-Meditation, welche die Entfaltung des Mitgefühls bezweckt, wird vor allem im tibetischen Buddhismus praktiziert:
Beim Einatmen verbinden wir uns mit dem Leiden, dem Schmerz von Lebewesen. Wir nehmen uns dieses Leid zu Herzen. Wir fühlen mit, lassen dieses Leid, diesen Schmerz im Lichte unseres Herzens wandeln in Segen, Glück und Wohlwollen für die betreffenden Wesen. Auf diese Weise atmen wir verströmend, schenkend, gebend aus.
Wir können mit uns selbst beginnen, indem wir unser eigenes Leiden anerkennen, verstehen, es in unserer Herzens-Lichtkammer in Glück und Segen verwandeln, den wir liebevoll uns zuatmen. Dasselbe könne wir tun für das Leiden unserer Freunde und unserer Feinde, auch für Gruppen von Menschen oder Völker – schliesslich für das globale Leid, für den gepeinigten Planeten, die ausgebeutete Natur.

Bei dieser wunderbaren Meditation ist es wichtig, dass wir das Tonglen gut vorbereitet beginnen. Wir erden uns zuerst gut, verbinden uns mit der Welten-Seele, öffnen unser Herz und lassen es warm und anteilnehmend werden. Dann beginnen wir die Tonglen-Atmung wie beschrieben.

Auf diese Weise kann der Graben zwischen uns und den anderen überwunden werden. Wir erleben, dass wir alle zusammengehören.

Das Herzensgebet und das Tonglen sind zwei Wege, wie wir uns bei der Heilung von uns selbst, wie auch dem Planeten beteiligen können/dürfen. Dabei kann es geschehen, dass wir uns als leuchtende und strahlende Wesen erleben können, was unserer wahren Natur entspricht.

Natürlich gibt es zahlreiche Literatur für die hier in Kürze vorgestellten Atem-Meditationen.

*Uns werden immer jene Qualitäten zuerst zufallen, die wir gegenwärtig besonders benöti-
gen und sie werden jene körperlichen und seelischen Regionen berühren, in denen ein
Mangel und ein Bedürfnis zu erkennen ist. Dies ist eine der Weisen, wie die Liebe wirkt.