Weltschmerz

Wie viele meiner Freundinnen und Freunde kenne auch ich die Empfindung von Schmerz, wenn ich mir den Zustand der Erde vergegenwärtige: Schmerz, eng verbunden mit Trauer, die mich manchmal zu überwältigen droht.
Dies schon seit Jahrzehnten. Viele sind sich darin einig, dass sich die Menschheit in einer sehr schwierigen und schmerzvollen Krise befindet, die vielleicht einen Übergang in eine höher Bewusstseinsphase anzeigt. Mit dem Bewusstsein, welches zu den vielen Fehlentwicklungen dieser Zeit geführt hat, können die Fehl-Haltungen nicht korrigiert werden. Es braucht ein anderes Bewusstsein, eine andere Lebens-Grundlage, die wir vielleicht mit Weisheit oder Herzens-Intelligenz umschreiben können.
Der Weltschmerz verweist auf das leidende, verkümmerte, vergessene und/oder gequälte Leben hin.
Ein Beispiel: Europa nimmt es hin, das seit Jahrzehnten Jahr für Jahr viele Hunderte oder Tausende Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken. Europa will sie nicht haben. Menschen, die dem nicht zu sehen wollen, die helfen, werden verhaftet.
Wir haben gelernt unseren Schmerz und unsere Trauer weitgehend zu betäuben. Eine mächtige Betäubungsmittel-Industrie «unterstützt» uns dabei. Fast-Food  und Drogen gegen den Schmerz. Hektik, Stress, Ultra-Mobilität, Konsum gegen den Schmerz. Wir sind eine Schmerz-Abwehr-Gesellschaft.

Doch der verdrängte, abgewehrte, verleugnete Schmerz sucht Herzen, die ihn aufnehmen. Das ist immer so: Schmerz will gehört und wahrgenommen werden. Abgelehnte Kinder, aber auch Erwachsene unternehmen alles, um endlich ernst genommen, gehört und verstanden zu werden.

Ein Arzt in einer psycho-somatischen Klinik, so lass ich, wurde von seinen Mitarbeiterinnen gerufen, weil da eine Patientin ununterbrochen, seit Stunden, schreie. Durch nichts war sie zu stoppen. Der erfahrene Psychiater setzte sich an das Bett der Frau und lauschte. Voller Aufmerksamkeit versuchte er die Schreie dieser Frau zu verstehen. Er hörte, hörte mit grossen Ohren zu, war nur noch Gehör, über eine sehr lange Zeit, ohne die Frau je zu unterbrechen. Dann sagte er nach langer Zeit: Wir haben sie nun verstanden; sie können jetzt aufhören. Die Frau hörte auf zu schreien.

Ich habe mich gefragt, wie ich mit dem Weltschmerz umgehe und wie meine Freunde und Freundinnen damit umgehen.
Nicht Wenige verwandeln ihren Schmerz in Arbeit, indem sie sich für Benachteiligte einsetzen, für die Natur, für gepeinigte Tiere, im weitesten Sinne ein Engagement eingehen, das Leiden lindert und Gerechtigkeit stärkt. Sie bewegen sich oft im Bereich der Sozialen Arbeit oder der Politik. Mir scheint dieser Weg konstruktiv und hilfreich zu sein.

Der Dalai Lama sagte, dass Mitgefühl die Quelle der Glückseligkeit sei.

Tatsächlich finden sich unter den so Engagierten mehr heitere Menschen, als unter den Resignierten.
Bei dieser Gruppe von Menschen -den Engagierten- neigen nicht Wenige dazu, sich zu überfordernd bis hin zur Erschöpfung oder ernsthaften Krankheiten. Wahrscheinlich gehörte ich selbst dieser Gruppe an.

Andere wählen den Weg der Kontemplation und der Meditation. Sie suchen den inneren Frieden, Liebe und Wahrheit. Sie gehen davon aus, dass nur aus einem Zustand der inneren Stille und Gelassenheit Friede und Heilung für die Welt ausströmen kann, Kraft zur Wiederherstellung des Gleichgewichtes.
Mit dieser Überlegung haben sie recht. Aber sie vergessen manchmal, dass Einsichten und innere Erfahrungen nur durch Taten geerdet werden können.

Eine dritte Gruppe, die einen konstruktiven Weg aus der Erfahrung des Schmerzes gehen, sind jene Menschen, die ein zukunftsträchtiges Modell für eine nachhaltige, liebevolle Welt in Gemeinschaft erarbeiten wollen. Sie bilden neue Wohn- und Arbeitsgemeinschaften, gründen Netzwerke oder erarbeiten ganzheitliche pädagogische Schulkonzepte; sie bauen Bildungsstätten auf, oder sie geben ihre Kraft in die Erziehung ihrer Kinder, in der Absicht ihnen Bedingungen zu schaffen, die der freien Entfaltung ihrer Gaben und ihrer Menschlichkeit dienen.

Schliesslich möchte ich noch eine vierte Gruppe erwähnen: die der KämpferInnen für eine gerechte Welt und für Strukturen, die dem Frieden unter den Völkern dienen. Es sind Kämpfer*innen aus Mitgefühl, vielleicht auch aus Zorn, nicht aber aus Hass. Sie verwandeln den Schmerz in Kraft und Tatkraft. Sie sind mutig, manchmal bis zur Selbstgefährdung.

Viele Menschen sind in zwei oder mehrerer dieser skizzierten Gruppen tätig. Ich meine, dass sie sich bestens ergänzen. Alle diese Ansätze, die aus dem Weltschmerz und dem daraus hervorgegangenen Mitgefühl geboren worden sind, sind meiner Meinung nach zu respektieren und zu schätzen.

Am Anspruch gemessen, eine neue, gute Welt zu kreieren, eine Welt, in der die Wunden weitgehend heilen, werden vielleicht alle genannten Gruppen der engagierten Menschen teilweise oder weitgehend scheitern. Vielleicht werden sie, global betrachtet, das verbreitete Leiden aufgrund globaler Zerstörungsprozesse nur ein bisschen lindern können, was aber kein Grund darstellt, die Bemühungen für das Gute einzustellen. Geläuterte Engagierte orientieren sich nicht mehr am Erfolg. Sie lassen sich einfach von ihrem Herzen leiten.

Ein zu rasches Eingreifen, ein schnelles Tun, so gut die Absicht auch immer sein mag, verhindert jene wichtige Phase des reinen Zuhörens, des Lauschens, des tiefen Verstehens des Schmerzes der Welt – so wie jener Psychiater, der die Schreie jener Patientin einfach an sich herankommen liess, ohne Massnahmen zu ergreifen. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: jene Handlungsweisen, die ich oben beschrieben habe, sind zweifellos sinnvoll und hilfreich, doch -und dies möchte ich hier betonen- sollten sie jene Phase des reinen Zuhörens nicht verhindern oder abkürzen. – Weshalb?

Wenn Menschen mit einem offenen Herzen, das auch mit dem Herzen der Welt verbunden ist, zuhören, findet der abgespaltene Schmerz, das vergessene Leiden zurück in das Leben, in das Sein des Welten- und des Menschheits-Körpers. Die Verbindung des abgetrennten Schmerzkörpers mit dem Herzen der Welt, mit deinem und meinem Herzen, wird dadurch hergestellt. Das, was aus dem Ganzen herausfiel, kann so reintegriert werden.

Beim Prozess der Verlebendigung ist auch die mitfühlende Trauer von Bedeutung. In meinem Blog “Unsere aufgeschreckten Seelen“ (13. Juli 19) schrieb ich:

„Das lebendige Bewegt-Sein unserer licht-durchlässigen Trauer (ja, die gibt es) kann die Entfremdung von unserem eigenen Leben und der eigenen Lebenskraft beenden. Diese weiche Trauer, die sich im Herzen bildet und Licht freisetzt, ist heilend. Dabei werden auch weibliche Qualitäten wiederbelebt. Transformation bleibt niemals im Kopf begrenzt! Es ist ein Abstieg in die Tiefe der Seele, die uns erhebt, damit wir Neues schaffen können“.

Das offene Ohr bietet Hör-Raum; es ist eine Art von Gebärmutter. Darin kann sich das Bedürftige, das zuvor keinen Platz hatte, aufrichten und aufatmen. Somit löst sich der Schmerz, findet der Traurige, die Traurige Trost.

Aber haben wir denn die Stärke, dem Schmerz der Welt -der Mutter Erde- in uns Raum zu geben? Müssen wir uns nicht davor schützen? Uns schützen vor seiner ungeheuren Wucht?

Ich glaube, dass wir die Wucht des Schmerzes dann ertragen, wenn wir mit der LIEBE, aus der das Mitgefühl quillt, verbunden sind. Wenn wir uns also an die LIEBE wenden, aus der wir leben, wird uns die Kraft gegeben, Schmerz in Leben zu verwandeln.

Das ist zweifellos keine leichte Aufgabe, aber sie hilft uns auf dem Weg zum Menschsein.

Schmerz scheint mir vorwiegend die Folge von Trennung zu sein, insbesondere die Trennung von uns selbst. Mitfühlendes Hören erlaubt die Rückkehr dessen, was abgespalten war. Wiedervereinigung ist die glückliche Folge.

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Vergleiche auch den Blog-Beitrag: «Der Weltschmerz und die Samen des Guten» vom 28. Dez. 2018.

Beitragsbild: Farbstift-Zeichnung von Werner Binder

 

Garten Eden

Auf einem meiner Spazierwege befindet sich der ehemalige «Garten», der zu einem toten Schotter-Garten geworden ist. Tonnenweise grauer Schotter liegt da; eine zerzauste Palme kämpft ums Überleben. Buddhas und Störche aus Gibbs oder Stein stehen herum, Plastik-Maskottchen, Gartenzwerge. Dazwischen hängen Schweizerfahnen. Nicht zu übersehen ist die verbreiterte Garageneinfahrt, wo der grosse Gelände-Wagen steht. Es ist ein Kuriosum von moderner Verelendung mit kaum zu übertreffendem Kitsch.

Europaweit sind solche Schottergärten entstanden, pflegeleicht, tot. Versiegelte und zubetonierte Böden, wo nichts mehr lebt. Abstellplätze für Autos und Geräte, Abfall und für allerlei «Dekorationen». Sicher kein Lebensraum mehr für Insekten, Igel und Vögel.

Der Garten Eden ist paradiesisch, fruchtbar von grossen Flüssen durchströmt. Eine blühende Landschaft, von Liebenden bewohnt. – Tatsächlich leben wir (lebten wir) auf einem unglaublich von Leben übersätem Planeten, auf dem Millionen von Lebensarten Leben und Ausdruck fanden. Ein blühendes Land.

«Zerstörung der wertvollen Insektenlebensräume
Geeignete Lebensräume für Insekten sind selten geworden und werden weiterhin beeinträchtigt oder zerstört. Besonders stark ausgeprägt ist dies in Gebieten intensiver Landwirtschaft. Seit 1900 sind 95% der artenreichen Trockenwiesen und -weiden verschwunden…
Die Gewässer wurden über Jahrzehnte aus Gründen der Landgewinnung und des Hochwasserschutzes hart verbaut oder gar eingedolt. In Höhenlagen bis 600 m ü M. sind rund 80% der Gewässer im Siedlungsgebiet sowie rund 50% im Landwirtschaftsgebiet in einem ungenügenden morphologischen Zustand…
In Siedlungen und Agglomerationen, entlang von Strassenrändern und in Privatgärten werden viele Grünflächen reinlich gepflegt, die Böden mit Schad- und Nährstoffen belastet, verdichtet oder versiegelt (Steingärten, Parkplätze), sodass kaum mehr Lebensraum für Insekten bleibt.»*

Ich liebe Blumen und Gärten, Alleen, Hecken und natürlich Wälder. Sie gehören für mich zum Glücklichsein. Tanzende Schmetterlinge und singende Vögel öffnen mein Herz. Sie sagen mir: das Leben ist schön.

Schon lange weiss ich um das Artenstarben: 100 pro Tag – so die Schätzung. Seit den 1970er Jahren hat sich die Anzahl der Arten halbiert.
«Der Mensch verursacht gerade das grösste globale Artensterben seit dem Verschwinden der Dinosaurier.» (WWF, Deutschland). Zwischen einer halben und einer Million Arten sind vom Aussterben bedroht.

Seit ca. zwei Jahren weiss ich um das weltweite Insektensterben. Dort, wo ich jeweils Ferien mache, in den Süd-Alpen, stelle ich mit Bedauern fest, dass es Jahr für Jahr weniger Schmetterlingsarten zu sehen gibt.
Erst jetzt beginne ich aber, die Trauer über das Sterben der vielen Arten zuzulassen. Abschied vom Garten Eden.

Die lichte, sehr tiefe (nicht depressive) und erweichende Trauer ist eine der stärksten Kräfte der Transformation: Sie steht unter dem Segen der göttlichen Mutter. Alleine sie kann Wandel bewirken und zum nötigen Handeln führen. Warum? Diese weiche Trauer öffnet uns für das vernachlässigte, vergessene und verkümmerte Leben.

Insekten bestäuben, befruchten; viele Vögel ernähren sich von ihnen. Wir brauchen eine intakte Insektenwelt. Die Handlungs-Aufforderungen sind klar:

Wir brauchen Magerwiesen, Bäche ohne Pestizid-Rückstände, renaturierte Uferzonen, eine Landwirtschaft, die auch das Land pflegt und Naturschutz-Zonen zur Verfügung stellt und bereit ist auf Pestizide möglichst vollständig zu verzichten.
Die Grünflächen sind auszuweiten: Zum Beispiel Magerwiesen und Sträucher auf Flachdächern.

Und jetzt kommts:
Wir müssen Strassen und Parkplätze wieder für die Natur freigeben, auf Privatautofahrten vermehrt verzichten, den Öffentlichen Verkehr und das Velofahren bevorzugen. Und: Es ist nötig, dass wir den Schotter aus den Gärten räumen und wieder Wiesen anpflanzen.

Es gibt kein «Drumherum»: Mit technischen Innovationen alleine lässt sich die gesunde Balance zwischen Menschen und Erde nicht herstellen. Wir haben der Natur Raum zurückzugeben. Und: Wir haben unserer Seele den Raum zuzugestehen, welchen sie braucht, um sich zu entfalten. Nur bei lebendiger Seele finden wir den tiefen Kontakt zur Natur und zur Mutter Erde, der nötig ist für eine wirklich Kooperation von Erde – Mensch.

Ich vermute, dass lebensdienlicher Verzicht glücklich macht. Fülle durch Verzicht. Nur so geht’s zurück in den Garten Eden – wenn er denn noch zu retten ist.

*Das Insektensterben stoppen – eine Auslegeordnung zuhanden der UREK-N.

 

 

 

 

 

 

 

Erschütterung durch Schmerz und Schönheit

Garry Zemp, der ehemalige Co-Präsident der IP (Integrale Politik), schreibt auf der Web-Seite der IP:

„Die Menschheit, mindestens die des abendländischen Kulturkreises, steht vor einer existenziellen Wahl. Entweder bleibt sie weiter auf dem durch die kapitalistische Moderne vorgezeichneten Weg der Selbstzerstörung, oder sie entscheidet sich für den kreativen und konstruktiven integralen Weg, ein Weg der persönlichen und sozialen Bewusstseinsentwicklung.“

Ich stimme dieser Analyse zu: Die globale Entwicklung, die sich der Rendite und dem wirtschaftlichen Erfolg auf Kosten von Minderheiten und der Natur verschrieben hat, ist selbstzerstörerisch. Das globale, moderne kapitalistische System verspricht alle Probleme lösen zu können und bietet dafür technisch-wirtschaftliche Reparaturen an, selbst wenn die Ursachen zwischenmenschlicher Art sind. Es verleugnet die wahren Ursachen. Das System ist darauf angelegt, sich selbst zu erhalten, indem es sich für alles zuständig und fähig erklärt. So – um ein Beispiel zu nennen – wollen die USA einfach Palästina kaufen (wir bringen euch allen Wohlstand), um den Preis, dass dieses sich politisch stille hält und seine Forderung nach einem eigenen Staat begräbt.

Die für mein Dafürhalten dringliche und tiefgreifende Bewusstseins- und Verhaltensänderung ist über vernünftige Argumentationen nicht oder nicht alleine zu erwarten.

Deshalb glaube ich, dass es die Erfahrung von Erschütterung, ausgelöst durch Schmerz und Schönheit, braucht, welche bis auf den Grund der Seele wirkt.

Das heute verbreitete rationale und funktional-technische Denken und Handeln („was nützt es mir…“) ist bis in die Knochen verinnerlicht. Es basiert auf Trennung und Zersplitterung.

Die Erschütterung kann sowohl von aussen (gesellschaftliche Umwälzungen, Krisen, Erdbeben, Kriege, usw., wie auch von innen (Krisen, Krankheiten, Träume, Trennungen, usw.) kommen.
In der jetzigen Übergangsphase von einem nun vergehenden Zyklus der Menschheitsgeschichte in einen anderen, höheren, bewussteren, herz-zentrierten Zyklus sind sehr starke Kräfte der Umwälzung am Werk und sehr starke Emotionen wie Angst, Schmerz, Trauer, Auflehnung, Hoffnung und Sehnsucht wahrnehmbar. Aber auch Licht aus hohen Ebenen und Heilkraft. Diese starken Ströme des Wahrheits-Bewusstseins und der damit verbundenen Emotionen sind eingepackt, also isoliert von unserer Alltags-Wahrnehmung. Die allgemeine Verdrängung und Verleugnung sind mächtig.
Hellfühlende, erwachte Menschen, zum Beispiel feinfühlige Künstler*, nehmen aber das gleichsam unterirdische Brodeln und Beben sehr stark wahr.

Die Erschütterung will wahrgenommen und gefühlt werden, will uns Menschen erreichen, damit die inner-seelischen Bewegungen und Prozesse geschehen können,
damit die nötigen Entwicklungsschritte stattfinden. Indem uns die Veränderungsprozesse klar werden, auch emotional, gewinnen sie an Kraft und Realisationsvermögen. Wir können erst dann von „Einsicht“ sprechen, wenn diese alle Schichten der Persönlichkeit durchdrungen hat.

Meistens sind es Erfahrungen von Schmerz oder von Schönheit, die uns helfen, letztlich heilsame Erschütterungen zuzulassen. Sowohl Schmerz, wie auch die Erfahrung von Schönheit können berühren, aufrütteln und erschüttern!

Wenn Menschen lange genug das unterdrückt haben, was ihnen helfen kann, zur Einsicht zu finden, bildet sich Schmerz, der sich schlussendlich durchsetzt in verschiedenen Formen. Dies gilt sowohl für die individuelle, wie auch für die kollektive Ebene. Diese schmerzlichen Erfahrungen, Krisen, bewirken die dringend nötigen Veränderungen und Entwicklungsschritte.

Positive Erschütterungen resultieren meist aus der Erfahrung von Schönheit, wie sie nicht selten in meditativen Zuständen, in der Kunst oder bei Nahtod-Erlebnissen vorkommen. Sie sind umwälzend. Erfahren wird: Schönheit als Ausdruck der LIEBE, wie sie in der ganzen Schöpfung wirkt und Leben entstehen lässt. Das Erleben ursächlicher stupender Schönheit, führt bei Vielen zu einer kompletten Neuorientierung ihrer Lebensweise. Sie fangen an zu staunen und wissen nun Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden. Sie werden sich für den Geist und nicht für das Geld entscheiden.

Ich glaube, dass die meisten Menschen, sowohl das Erleben von Schmerz wie auch von Schönheit für ein Leben in Bewusstheit benötigen. Vermutlich gilt dies auch für die menschliche Gesellschaft.

Meine Grund-Frage ist: Was hilft uns, tiefgreifende heilende Berührungen, die bewegen und erschüttern und damit zur Umwandlung führen, offen zuzulassen?

 

*Die Symphonie Nr. 2 von Thomas Trachsel handelt von der Angst unserer Zeit. Höre hier den 1. Satz der Symphonie. Es ist ratsam, sich ganz in diese moderne, expressive Musik zu versenken. Sie drückt etwas vom Brodeln und Beben dieser Zeit aus:

 

 

 

 

 

Einblicke in die LIEBE

Ich werde fortan das Wort LIEBE, wenn ich die göttliche, ewige und bedingungslose LIEBE meine, in Gross-Buchstaben schreiben. Sie ist nicht zu verwechseln mit der kleinen, zwischenmenschlichen Liebe, die immer auch etwas Berechnendes, manipulatives und narzisstisches an sich trägt, also nicht als rein betrachtet werden kann. Da die kleine Liebe im polaren Bewusstsein verankert ist, kann sie leicht in Misstrauen, Hass und Angst umkippen, während die LIEBE eins ist.
Im folgenden Artikel versuche ich, Einblicke in die LIEBE zu geben oder einen Blick in das Wunderbare erahnen zu lassen – die grösste universelle Kraft, die existiert.

Wir sind Leben aus LIEBE. Ich liebe, darum bin ich. Die Erde ist verkörperte LIEBE. Mit dem inneren Auge sehen wir das. Nur das innere Auge und das innere Ohr sind in der Lage, LIEBE zu erkennen und zu spüren.

Der bulgarische Mystiker Peter Deunov sagte über die Liebe:
«Die Liebe ist jene Welt, in welcher der göttliche Geist lebt…. Sagen wir Gott ist Liebe, so verstehen wir damit jene Wesenheit, aus welcher alles hervorgeht. Aus dem Quell der Liebe sind alle Welten seit Ewigkeit hervorgegangen und werden auch in Zukunft hervorkommen.»

Viele Menschen streben in ihrer Meditation an, die göttliche LIEBE zu erleben, zu erfahren. Wer sie erfährt -und sei es nur für Sekunden- wird nicht mehr derselbe sein, der er vorher war. Nun wird er/sie nicht mehr rettungslos in den Abgrund ihrer Ängste und ihrer Verzweiflung fallen können. Sie weiss, dass sie letztlich aufgehoben ist.
Auch wenn der Mensch über sich enttäuscht, ja verzweifelt ist und nicht mehr viel auf sich hält, kann er erfahren, dass Gott bedingungslos zu ihm steht und ihm seine volle LIEBE niemals vorenthält. Das rührt zu Tränen, berührt.
Beim Hören der Musik von Mozart spüre ich immer wieder grenzenlose Zärtlichkeit und all-umfassenden Trost.
Maria Dolorosa, die göttliche Mutter, trägt den Schmerzenden, den Abgewiesenen in ihrem Schoss, trägt auch uns und unsere Einsamkeit in ihrem Schoss. Sie hält, was wir nicht aushalten können. Auch das ist Ausdruck von unendlicher LIEBE.

Gott spricht auch durch Licht zu uns. Licht, welches viele Qualität hat und nicht zu verwechseln ist mit physischem Licht. Sehr hohes Licht hat einen wundervollen Glanz und fühlt sich an wie Nektar, wunderbare und heilende Substanz, an das Brot des Lebens erinnernd. Es ist LIEBES-Licht. Zur gegebenen Zeit hüllt Er uns in ein Kleid aus Licht ein.

In Liebes-Beziehungen (ich meine damit Beziehungen, die vor allem in der Liebe selbst gründen und nicht in Rollenerwartungen) entdecken wir zuweilen einen solchen Liebes-Licht-Strahl, der uns hilft, die Liebe zu verewigen, sodass sie zur LIEBE wird. Buddhisten würden vom Erlangen von Unsterblichkeit sprechen.
Ver-ewigen erinnert zu Recht an Auferstehung. Es ist etwas Geheimnisvolles, kaum zu Erklärendes. Eine Geste, ein Gefühl, eine Erfahrung, ein Moment bekommt plötzlich die Qualität von Unvergänglichkeit, geht ein in die unsterbliche LIEBE. Uns Menschen ist diese Macht gegeben, wenn wir im besten Sinne demütig werden.

Gott liebt uns, selbst, wenn wir IHN ablehnen. Seine LIEBE ist unerschütterlich – Anfang jeder umfassenden Heilung. Er weiss, dass zum menschlichen Wachstum die Freiheit gehört, Nein zu sagen, sich abzuwenden. So ist Freiheit also ein Aspekt der Liebe. Wie die Freude, die Zärtlichkeit, die lebendige Kraft.

Ganz besonders aber erlebe ich die Zärtlichkeit als zentralen Aspekt der göttlichen LIEBE. Sie manifestiert sich in der Beziehung Eltern-Kind, in der Beziehung zwischen Liebenden und in der Feinheit des schöpferischen Ausdrucks. Verwandt mit der Zärtlichkeit ist die Behutsamkeit und die Sanftheit. «Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen.» (aus der Bergpredigt).

Die LIEBE erfahren wir als einen Strom (ein Strömen), das uns stetig, also ununterbrochen   durchdringt. Es ist einfliessende Liebe, Güte, Kraft und Weisheit, die uns erfüllt. Geschenkhafte Fülle und wenn wir diesen «Einfluss», nicht wahrnehmen, dann hat dies alleine mit unserer Verschlafenheit und Abwesenheit zu tun und niemals damit, dass ER uns ausgeschlossen oder vergessen hätte. Jedenfalls entspricht dies meiner Erfahrung, meiner inneren Gewissheit. Die LIEBE des Einen ist all-präsent und einbeziehend!

Die Antwort auf diese Erfahrung kann eigentlich nur Dankbarkeit sein. Dankbarkeit wiederum bringt uns in die Fülle des gegenwärtigen Moments.

In dem Masse, wie es uns möglich ist, die LIEBE zuzulassen, erleben wir grösstmögliche Nähe. Wir selbst sind uns dann selbst so nahe, wie wir es uns nicht einmal ausdenken können. Es ist eine heilige, reine Nähe; eine Nähe, die wir zu uns selbst und zu andern finden – dementsprechend, wie uns Gott nahe ist. Wir nennen es auch Shekinah (ein jüdischer Begriff), wenn wir in das Flair, die Nähe, die Aura Gottes eintauchen. Wir können es aber auch als das Erleben grösstmöglicher Intimität betrachten. Diese Erfahrung ist wunderbar, berührend, schön.

Shekinah bedeutet aber auch die Einwohnung oder Wohnstatt Gottes. Wenn wir Ihn eingeladen haben, in uns, das heisst in unserer Seele zu wohnen, fühlen wir Seligkeit, Freude und völliges Angenommensein. Nun sind wir Angekommene.
Bevor diese Einladung erfolgen kann, muss die Ego-Dominanz sterben. Ich schrieb in meinem letzten Beitrag, dass die LIEBE das Ego tötet, weshalb Manche von uns, sich vor der LIEBE fürchten, weil sie unsere vermeintliche Kontrolle bedroht. Die LIEBE benötigt in uns Raum für die Ausstrahlung ihrer Liebeskraft. Deshalb muss der Macht-Anspruch des kleinen Ichs (das Ego) weichen. Es muss in den Hintergrund treten, von dort dienen, damit die LIEBE sein kann. Sie ist das Erste, die primäre Wirklichkeit.

LIEBE erzeugt Schönheit und Schönheit ruft tiefe Liebesgefühle in uns hervor.

Diese Nähe, wie ich sie zu beschreiben versucht habe, öffnet sich manchmal auch in Beziehungen der Liebe. Das EINE offenbart sich in der Beziehung – zu zweit oder in Gemeinschaft. Im Du oder im Wir. Das ist die Erfüllung jeder Beziehung: Das erzeugt Jubel.

Gott können wir auch als Liebesbeziehung verstehen. Und das Leben als eine Liebesgeschichte.

 

 

Gefühle

Gefühle sind eine Tätigkeit der Seele, die Gemütsbewegungen erzeugen. Grundgefühls-Ströme werden als Stimmungen wahrgenommen. Farben und Töne sind mit den Gefühlen verwandt.

Gefühle sind Ausdruck unserer Lebendigkeit – ohne sie wären wir starr und tot. Gefühle korrespondieren mit Wasser, sie sind von fliessender und wechselnder Natur. Sie sind Ausdruck unserer weiblichen Seite.
In diesem Beitrag verwende ich die Worte Gefühle und Emotionen synonym, unterscheide sie also nicht.
Ich behandle hier ein komplexes Thema und ich bin mir nicht sicher, ob es mir gelingt, es verständlich zu machen.

Zwei These
Erste Behauptung: Diese lautet, dass wir nur gesund, frei und authentisch bleiben, wenn wir unsere Gefühle wahrnehmen, sie ernst nehmen und ausdrücken. Tun wir es nicht, empfinden wir uns als unlebendig, dumpf und werden früher oder später seelisch und/oder körperlich krank.
Die Tiefen-Ökologin Joanne Macy betont immer wieder, dass sie es sehr wichtig findet, unsere Reaktionen von Schmerz und Trauer über die Zerstörungsprozesse auf der Erde auszudrücken, sie nicht abzutöten und sie mit anderen Menschen zu teilen.

Zweite Behauptung: Diese lautet, dass wir uns von unseren Gefühlen de-identifizieren sollen. Es empfehle sich, uns hinter unsere Gefühle zu stellen, um uns ihrer beobachtend gewahr zu werden. Wir sollten uns nicht von ihnen hinreissen lassen, da sie Teil unseres kleinen Ichs seien. Dieses würde sich aufblähen, wenn wir uns von unseren Emotionen vereinnahmen lassen würden.

Diese zwei Thesen sind eine Art von Glaubens-Bekenntnisse. Die eher psychologisch sozialisierten Menschen, richten sich eher nach der ersten These aus, die spirituell orientierten halten sich eher an die zweite These.

Weil wir Menschen unter einer Art Zwang stehen, bei polaren Sichtweisen, uns auf die eine oder andere Seite zu schlagen, bevorzugen wir eine der zwei Seiten eifrig und neigen dazu die beiden Aspekte gegeneinander auszuspielen.

Ich halte beide Positionen für wahr und stimmig. Sie erscheinen als paradox. Sind sie dennoch vereinbar?

Im Folgenden mache ich einen kleinen Exkurs in zwei Wirklichkeits-Bereiche, in den Bereich der Welt der Formen und jenen der formlosen, absoluten Welt:

Die Welt der Formen
Gefühle, wie auch Gedanken, gehören zur Welt der Formen, wie die materielle Welt auch.
Hier ist die Vielfalt der relativen Welt.
Die Formen-Welt können wir auch als einen grossen Tanz betrachten, der wellen -oder kreisförmig verläuft. Es ist eine Welt des Kommens und des Gehens, des Erscheinens und des Verschwindens, des Auf- und Ab und des Hin- und Her.
Das Fliessende, Bewegliche ist das hervorragende Merkmal der Formenwelt, der relativen Welt.

Das Formlose, Ruhende, Immerwährende
Das Absolute, Immerwährende ist in ewiger Stille. Es ist das Bleibende, das Unerschaffene, das Unbegreifliche, die Leere, die Potentialität.
Hier ist Einheit.
Aus diesem göttlichen Bereich emaniert die Welt der Formen, die Schöpfung. Wir können auch von Ursprung und Quelle sprechen.

Zurück zu den Gefühlen:

Gefühle, entstanden aus dem ego-zentrischen Ich – Gefühle aus dem höheren Selbst
In der Welt der Formen existieren auch viele unerlöste Formen, also vom egozentrischen Ich ausgelöste Gefühle, die niederdrückend, depressiv und möglicherweise auch krankmachend wirken, wie Hass, Groll, Neid, Scham, Ekel, etc.
Gefühle (Zustände), die aus dem höheren Selbst, also direkt aus dem Geist emanieren (ausstrahlen), entfalten, führen uns dem Leben zu. Ich denke hier vor allem an Freude, Friede, Zärtlichkeit und Empathie.

Das Paradox
Die Wahrheit mag es, sich im Paradox zu verstecken.
Wenn auf der einen Seite gesagt wird, dass es nötig sei, Gefühle auszuleben, um lebendig und gesund zu bleiben, und auf der anderen Seite aufgefordert wird, sich nicht mit den Gefühlen zu identifizieren, so kann man hier von einem Paradox sprechen. Zwei, sich scheinbar nicht zu vereinigende Standpunkte stehen sich gegenüber. Das sich scheinbar Ausschliessende kann aus der Sicht der Mitte heraus zur Ergänzung werden:

Der Raum der Mitte
Aus dem Blickpunkt der Mitte, wo Weite und Ruhe ist, sind die beiden Positionen zu vereinen, ist es uns möglich, sowohl distanziert, wie auch mitfühlend und liebend in die Gefühlswelt hinein zu blicken und gleichzeitig von der Gefühlswelt involviert zu sein, die Gefühle zu leben und sie ruhig zu betrachten. Bevor diese Gleichzeitigkeit möglich ist, wird sich zuvor ein Oszillieren zwischen den beiden Zuständen einstellen.
Damit leben wir in Verbindung zum Absoluten und zur Gefühlswelt (der relativen Welt der vorübergehenden Formen). – Im Herz des Tänzers ist es still.

Die Höherentwicklung der Seele
Gelingt es uns, die Verbindung mit der geistigen Welt (mit dem Absoluten) immer öfter und besser aufrecht zu erhalten, so kann geistige Energie und LIEBE in unsere Alltagswelt und somit auch in unsere Gefühlswelt fliessen.
Dadurch bauen sich die höheren Gefühle von Freude, Friede, Seligkeit und Empathie, die auch Bewusstseinszustände sind, auf, und die ego-gesteuerte Gefühlswelt verliert an Macht und Einfluss, ohne aber zu versiegen.
Dem Menschen ist es gegeben, Übergang und Verbindung zwischen den genannten Welten zu sein. ICH BIN DER WEG, sagt das innere Christus-Selbst. Stellen wir uns diesem Fluss zur Verfügung, so kann in beide Richtungen Liebes-Energie fliessen: von der himmlischen Welt zur Erde und umgekehrt. Damit können wir Menschen der Erdenwelt «Nahrung» zukommen lassen – Nahrung, welche die Erde und die Menschheit so dringend braucht.

Und die unedlen Gefühle?
Doch auch die weniger edlen Gefühle (z.B. Neid) wollen angenommen und verstanden sein. Nur was geliebt ist, löste sich zur rechten Zeit auf, oder verwandelt sich in ein Höheres.

Im Herz des Tänzers ist es still.

 

 

Durchlitten, erlöst – Das Mysterium von Golgatha

Gedanken zu Karfreitag und Ostern
Ich zitiere in diesem Text ein paar Mal Rudolf Steiner, da er meiner Ansicht nach in einer umfassenden Weise die Bedeutung von Karfreitag und Ostern (das Mysterium von Golgatha) erfasst hat.
Das Wirken von Christus ist als gegenwärtig aufzufassen. Hinter dem Versuch, das Christus-Geschehen als etwas Vergangenes zu betrachten, verbirgt sich die bewusste oder unbewusste Absicht, die Christus-Kraft abzuschwächen und/oder zu verdrängen.

«Christus kann man sich nicht hoch genug vorstellen», sagte mir ein Pfarrer. Und ich glaube, er hatte recht.

«Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor aller Schöpfung. Denn in ihm wurde alles geschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, ob Throne oder Herrschaften, ob Mächte oder Gewalten; alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen. Und er ist vor allem, und alles hat in ihm seinen Bestand.»   Kol. 1, 15-17.

Dieser Absatz unterstreicht die Aussage jenes Priesters.

Vor ca. 2000 Jahren wurde der Christus als Jesus inkarniert – nach langen Zeiten der Vorbereitung in himmlischen Sphären wie auch auf Erden – durch die Propheten.

In Jesus kam konzentriertes, völlig reines, geistiges Licht auf die Erde, welches sie umwälzte.

Mit jedem Atemzug kommen wir mit der Christus-Wirklichkeit in Berührung, denn Christus, der Christus-Geist, sein Licht, ging bei seinem Tod auf Golgatha in die Erde und in den Menschheitsleib ein. Die Sonne verschmolz mit der Erde, der Logos drang in sie ein, die verzeihende Christus-Liebe durchtränkte und durchstrahlte die Aura der Erde und ihren Ätherleib.
Mit anderen Worten: Erde-Mensch wurden vergöttlicht.

Ist das zu viel? – sind diese Aussagen noch auszuhalten? Als Tatsachen hinzunehmen?

„Das Mysterium von Golgatha, das sich mit dem Kreuzestod, der Grablegung, der Höllenfahrt und der Auferstehung des Christus vollzog, ist das zentrale Ereignis der ganzen Erd- und Menschheitsentwicklung. Mit ihm fand die eigentliche Geburt des menschlichen Ichs statt.“
So Rudolf Steiner.

Seither können wir Christus als den Begleiter und Impulsgeber der menschlichen Evolution – der Menschwerdung- erkennen, sowohl in individueller wie auch in kollektiver Hinsicht.

CHRISTUS IST DER MENSCH schlechthin. Der Erstgeborene, die unmittelbare Erscheinung aus Gott. DER UNMITTELBAR GESCHAFFENE, direkt aus Gott Geborene.

„Aber damit eine übersinnliche Wesenheit wie der Christus durch den Tod gehen konnte, musste er erst auf die Erde herabsteigen. Und das ist es, was von so unermesslicher Wichtigkeit in dem Mysterium von Golgatha ist, dass eine Wesenheit, die in ihrem eigenen Reiche in der Sphäre ihres Willens niemals den Tod hätte erfahren können, hat hinuntersteigen müssen auf die Erde, um eine Erfahrung durchzumachen, die dem Menschen eigen ist, nämlich um den Tod zu erfahren. Es vereinigte sich ein Wesen, einzig in seiner Art, welches bis dahin nur kosmisch war, durch das Mysterium von Golgatha, durch den Tod des Christus, mit der Erdenevolution. Seitdem lebt es auf eine solche Weise auf Erden, ist so an die Erde gebunden, dass es in den Seelen der Menschen auf Erden lebt und mit ihnen das Leben auf Erden erfährt. Daher war die ganze Zeit vor dem Mysterium von Golgatha nur eine Zeit der Vorbereitung in der Evolution der Erde. Das Mysterium von Golgatha gab der Erde ihren Sinn. Als das Mysterium von Golgatha stattfand, wurde der irdische Körper des Jesus von Nazareth den Elementen der Erde übergeben, und von der Zeit an war der Christus verbunden mit der geistigen Sphäre der Erde und lebt darin.“ (Rudolf Steiner)

Christus ist in uns und wartet darauf erweckt, geboren zu werden. Er ist unsere innere Realität. Er ist unser Bewusstsein, unser wahres Sein, das, was wir in Wirklichkeit sind. Steiner sagte: es ist das ICH (heute würde man sagen: das höhere Selbst). Dieses manifestierte sich auf der Erde, als Jesus auf Golgatha starb und gleichzeitig den Tod überwand.

Seit Golgatha hat sich das Christusbewusstsein also mit dem Erdenleib und dem Menschenleib verschmolzen. Der Ätherleib und der physische Erdenleib sind seither von der Christus-Wirklichkeit durchströmt, vom Licht der Liebe erweckt und belebt. Die Lichtsamen sind in allem, die Lichtfunken sind gesetzt. Das eine Licht ist in der Vielfalt der Lichter gegenwärtig. Diese Lichtsamen wollen vom bewussten Menschen geweckt werden. Wir Menschen sind als Bewusstseinsträger gedacht. Es liegt an uns, ob wir bereit sind, diese Bewusstsein-Lichter, Ausdruck der göttlichen Wahrheit und Liebe, zu erkennen und in uns anzuzünden, damit die Welt, in der wir leben, ins Leuchten findet.

Bewusstes Leiden
Dieses darf niemals verwechselt werden mit selbstquälerischem Leiden oder arrogantem Mitleid, wo der Mitleidende sich über den Leidenden stellt.
Jeder Mensch, der etwas tief durchlitten hat, versteht andere Menschen, die dasselbe oder ähnliches durchlitten haben, besser als zuvor. Ähnlich ist es, wenn jemand sich durch tiefes, solidarisches Mitgefühl mit leidenden Menschen verbunden hat: er versteht sie danach, wie auch sich selbst, weit besser als zuvor.
Wer sich derart verstanden fühlt, durch echt Mitleidende, atmet auf, entspannt sich. Das tiefe Gefühl verstanden und gehört worden zu sein, bildet die Grundlage seiner Heilung.
Tiefes, vorbehaltloses Leiden und Mit-Leiden führt zum Verstehen und Verstehen, das auf Einfühlung beruht, führt zur Heilung.
Aus diesem Grund erkannte Jesus, dass es seine Aufgabe war, durch alle Schichten und Bereiche des menschlichen Daseins hindurch zu wandern: mitfühlend, mitleidend, solidarisch und stets verankert im Licht der göttlichen, hingebenden Liebe. Er hatte sich vom Leiden berühren lassen, nahm es in sich auf, wandelte es im Herzen in erlösendes Licht um und säte es segnend als Lichtsamen in die durchwanderten Bereiche des menschlichen Daseins aus. Es war ihm aufgetragen durch das innerste Wahrheitsbewusstsein alle Bereiche, auch die der Finsternis, der abgrundtiefen Grausamkeit, der Krankheit und Gier, der Unbewusstheit, liebend und mitleidend zu durchwandern, um die dort gebundenen Wesenheiten aus der Gefangenschaft zu erlösen und zu befreien.
Man kann sich fragen, warum ein Mensch in der Lage sein sollte, durch sein Mitgefühl, das Fundament für die Erlösung der gesamten Menschheit zu legen. Wohl deshalb, weil Jesus Christus eins war mit Gott, den er Vater nannte, wie er auch eins war mit der ganzen Schöpfung – ganz anders als ein Mensch der sich von allem getrennt und unterschieden fühlt.
Gott hat sich in seiner Schöpfung (dem Universum) veräussert, manifestiert; das Veräusserte ist der Sohn, die Tochter: Christus.

Dieser Weg des Vertrauens und der Erlösung ist auch der Weg der Befreiung und der Heilung, wie er in jeder ganzheitlichen Therapie gelebt sein will.

Im Falle von Jesus Christus, war es der Menschheitskörper und das Menschheitsbewusstsein, welches der Therapie bedurfte und bedarf.

Nun liegt es am Menschen, die Samen zum Keimen zu bringen, das gegebene Licht im Seelenraum und in der Welt zum Leuchten zu bringen.

Die mystische Kirche
Mit jedem Atemzug kommen wir mit der Christus-Wirklichkeit in Berührung, denn diese hat sich erdenweit verkörpert, inkarniert.
Diese Berührung (wo der göttliche Geist unsere Seele berührt) bringt uns in den gegenwärtigen Moment, in die Anwesenheit. Wir werden unserem egozentrischen Ich enthoben und tauchen in unser wahres Wesen ein.
Ostern verweist auch auf Weihnachten: An Weihnachten feiern wird die Geburt des göttlichen Lichts auf Erden; an Ostern die Geburt und Auferstehung des inneren Christus.

Das Ereignis, das Erscheinen von Jesus in der Welt, will sich nun verinnerlichen. Es ist Zeit, dass das Heils-Geschehen in der Welt zum inneren wird. Dadurch werden wir vom Betrachter zum Betroffenen, von der Beobachterin zur Anteilhabenden, zur Erfahrenden, Erlebenden. Jenes Licht am Horizont wird zur lodernden inneren Flamme der Freude und der Begeisterung.
Im sich entwickelnden Christus-Bewusstsein entsteht ein Wachstums- und Reiferaum im Seeleninnern: Hier reifen die Früchte des Lebens.

Das ist der Weg der Mystik. Das ist der Weg. ICH BIN DER WEG.

In diese Richtung wird sich wohl der neue, beginnende Zyklus des christlichen Glaubens hinbewegen.

Beitrags-Bild: Zeichnung von Werner Binder: Das Erstrahlen der Erde

Die Geburt – der Ton

Der folgende Text ist N.B. gewidmet

Den nachfolgenden Text verstehe ich als den Versuch einer Zusammenfassung der Substanz meiner letzten Artikel. Es ist auch der paradoxe Versuch Unerklärliches zu erfassen. – Dieser Text basiert auch auf rhythmischen Wiederholungen und auf Bilder, die kaum ins Rationale zu übersetzen sind.

Wir brauchen eine existentielle und radikale Spiritualität, die uns berührt (wie die Zärtlichkeit), ergreift (wie die Hingabe) durchströmt (wie lebendiges Wasser) und durchrüttelt (wie ein Sturm und feurige Leidenschaft), eine Spiritualität also, die nicht im Kopf, im Verstand hängenbleibt, sondern bis in die Organe und Knochen eindringt, bis ins Seelenzentrum und uns umwandelt.

Die Metamorphose – durch Vertrauen ausgelöst.

Spiritualität ist Leben, dem wir uns vorbehaltlos hingeben, ist die Bereitschaft, uns vollkommen vom Leben berühren und durchströmen zu lassen. Sie beginnt, wenn wir uns vom Verstand und vom Ego nicht mehr beherrschen lassen und aufgehört haben, zu diskutieren. Wenn wir also die Bücher schliessen, aufstehen und weinen. Weinen, weil wir gerührt, berührt sind.

Stirb und werde durch die befreiende und erlösende Kraft der Metamorphose, die uns über die Schwelle trägt, heiter wie ein Herbstblatt im Wind.
Es ist ein Fallen, ein Gleiten in allem (in Abwandlung von Rilke).


Wir brauchen eine existentielle und radikale Spiritualität – Zärtlichkeit und Hingabe.
Umwandlung, durch das Sterben hindurch, in Heiterkeit.

Die wahre – die zweite Geburt des Menschen- findet dann statt, wenn sein Herz ganz aufgeht und «die Rose» den vollen Duft zu verströmt.

Es ist ein leiser Vorgang. Bevor sich das Herz ganz öffnet ist es bewegt, «schwanger», hervorgerufen durch «die Berührung». Die Rose des Herzens beginnt zu knospen, benötigt nun zärtlichen Schutz.

Doch dann:
Wenn sich die neue Quelle gebildet hat, im Moment der Herz-Öffnung, entsteht ein Ton. Manche sagen: Ein Engel sei geboren worden.
Dieser Ton «sprüht» durch das Universum.

Das Werden des inneren, wahren Menschen ist sehr leise, in einer für das menschliche Ohr unhörbare Frequenz, eine sehr feine Schwingung, die in die Schöpfung eingeht.

Die Schwingungen aller «Neugeborenen» wirken vereinend im Leibe der Schöpfung. Es bildet sich die Gemeinschaft der Liebenden. Aus diesen Schwingungen heilender Liebe erneuert sich der Planet und der Menschheitskörper.

Ist diese Vision auszuhalten? Ich glaube, dass es innere Stärke braucht, um Visionen zu halten. Das verleiht ihnen die Kraft der Verwirklichung.

Der Menschheitskörper erneuert und regeneriert sich fundamental durch das Opfer von Menschen, die bereit geworden sind, dem abgespaltenen Weltenschmerz, dem verdrängten Leiden zu antworten. Opfer ist Darbringung.

Die Antwort des Erwachenden ist Mitgefühl, wahres Mit-Leiden im Vertrauen und im Glauben an das Wirken der heilenden Schwingung, die im «Ton», dem aufbauenden Klang lebt, der in der Stille ist.

Wer hört, wird ins Leben gerufen. Wer hört, wird. Wer hört und empfängt, wird zu dem, was er gehört und empfangen hat. Empfängt er Lebenswasser, wird er zur Quelle.

Wer die Stimme, den Ton/Klang, auf dem Grund der Seele empfindet und empfängt, wird ins Leben hinein verwandelt.

Im «Ton» schwingt der sich in Freude verwandelnde Schmerz.

Wenn Menschen in Stille und Hingabe atmen, entsteht Licht, entsteht Bewusstheit. Darin richtet sich der Licht-Mensch auf, verbunden mit der Quelle, aus der er existiert.

Wo sollen sich die neuen, so benötigten Quellen bilden, wenn nicht im Herzen des Menschen?

Wir Menschen haben die Möglichkeit und Chance, bewusst an der grossen Umwandlung teilzunehmen, um ganz Mensch zu werden, als Mitfühlende, wodurch wir zu Strahlenden werden.

Dafür ist es unerlässlich, dass wir die Schreie der Notleidenden hören, wahrnehmen, zu Herzen nehmen. Der Karfreitag geht Ostern voraus.

Der Wandlungsvorgang ist ganz leise, still, sanft; weit weg von allem Getöse.

Wenn sich eine neue grundlegende Qualität, also eine neue Quelle, gebildet hat, entsteht ein Ton, der eine Brücke zwischen Schmerz und Freude bildet – eine Brücke zwischen Hier und Dort, Himmel und Erde.

Der Erwachende ist ein Antwortender. Im Licht der Stille richtet er sich auf.


Zusammenfassung: Eine tiefgreifende Berührung kann den hingebenden Menschen so zentral ergreifen, dass es in ihm zu einem Prozess der Umwälzung kommt. Dabei öffnete sich sein Herz und er kommt in Verbindung mit der göttlichen Quelle, aus der er lebt. Kann und will er dieses erweiterte Bewusstsein und die einströmende Liebe halten, wird er vielleicht zu einer Lichtträgerin oder zu einem Träger göttlichen Wassers. Im Prozess der Rückverbindung zum Ursprung ist dabei ein Klang oder ein Ton entstanden. Die Töne/Klänge der Erwachten finden zu einer Art Chor zusammen, der heilend und regenerierend auf die ausgetrocknete Erde und die durstige Menschheit einwirkt.

ATEM – Teil 2

Im ersten Teil des Artikels «Atem» versuchte ich aufzuzeigen, dass uns die Mittel gegeben sind, um uns zu entfalten und in eine höhere Schwingung, in ein höheres Bewusstsein zu gelangen. Dies gilt vor allem für unser Atemsystem, mit welchem wir mit unserem Körper, unserer Seele und unserem Geist verbunden sind.

Der Atem, insbesondere in Kombination mit Wort (Mantra) und Stimme (Klang) helfen uns die Gedanken-Schwere und die damit verbundene Trägheit unseres Alltags-Bewusstsein zu überwinden.

Was meine ich mit Gedanken-Schwere? Viele Gedankenformen sind aufgeladen mit der Vorstellung, dass wir alles mit Leistung zu erringen haben, dass auch nur Wenige Erfolg haben können, nämlich die Stärkeren. Die beiden spirituellen Wege/Methoden helfen uns, unser Bewusstsein auszuweiten und zu erfahren, dass alles da ist, was wir benötigen,um uns zu entfalten.

Das Herzensgebet
Das Gebet entstand bei den Wüstenvätern und Wüstenmüttern in Ägypten, entwickelte sich weiter bei den Mönchen auf Berg Athos und verbreitete sich vorerst in Ost-Europa.
Es ist ein mantrisches Gebet. Die wenigen Worte, die bei jedem Atemzug gedacht, gesagt und gefühlt werden, sollen sich von der Zunge ins Herz fortpflanzen. Ziel ist, dass das Herz selbsttätig und fortwährend betet. – Beten bedeutet in Resonanz mit unserem innersten göttlichen Kern zu kommen.

Eine ursprüngliche Formel lautet: Herr Jesus Christus, Sohn Gottes (beim Einatmen), erbarme dich mir/unser (beim Ausatmen).
Eine verkürzte Formel: Jesus Christus (einatmen), Barmherzigkeit (ausatmen)

oder nur:
Jesus (einatmen) – Christus (ausatmen).

Es ist sinnvoll, zwischen dem Ein und Aus des Atems eine kleine Pause zu machen; in ihr entfaltet sich das Bewusstsein der Einheit, des Einsseins.

Die Worte können zu Beginn gesagt oder gesungen werden. Beim Einatmen sollen sie den Weg zum Herzen finden und beim Ausatmen sollen sie rundum verströmen. Während das Mantra zu Beginn gesagt wird, entwickelt es sich nach einiger Zeit zur gefühlten, erlebten und erfahrenen Wirklichkeit. Was erfahren wird ist Barmherzigkeit, Liebe, Mitgefühl, Schutz und Segen. Dabei wird der Atem sehr weit, kosmisch, alles umhüllend, lichtvoll und wärmend. Natürlich werden nicht bei jedem Menschen genau dieselben Gefühle geweckt*. Im tiefsten Seelengrund wird aber die bedingungslose Liebe und Akzeptation, wie sie in Christus lebt, aktiviert und die Beziehung zu seiner Wesenheit, die immer jetzt präsent ist, vertieft sich dabei.
Es ist der Dreiklang von Wort/Stimme – Atembewusstsein – und die Ausrichtung auf das Herz, die zusammen die Wandlung und die Erfahrung der Ausweitung des psychischen Herzens schneller und nachhaltiger geschehen lassen, als wenn nur eines der genannten Elemente zum Ausdruck fände.
Normalerweise ist es so, dass Projektionen, hervorgerufen durch unsere Erziehung und durch kirchlichen Prägungen, die unmittelbare direkte Erfahrung der Christus-Wirklichkeit beeinträchtigen. Das Herzensgebet erlaubt uns wieder Zugang zu finden zur unmittelbaren, direkten Begegnung mit dem Christus, der dadurch in uns zum Erblühen kommt, wenn wir dazu bereit sind. Unser Beitrag aber wird Geduld sein müssen. Es ist wie bei einer zwischenmenschlichen Begegnung: Zwei, die sich voneinander angezogen fühlen, nehmen sich zuerst wahr, gehen zart aufeinander ein, bis die Seelen der Zwei in Schwingung kommen. Feinfühlig gehen sie dann in Resonanz mit der jeweiligen Schwingung des anderen. Sie treffen sich in der Mitte, im Binnen-Raum, zwischen ihren Herzen, wodurch die Beziehungsebene ins Wachsen kommt. Vielleicht wächst da eine Rose – oder wie auch immer wir es bildlich wahrnehmen. Es ist Hingabe-Bereitschaft, die eine Begegnung ermöglicht, in der es zu einem vertraulichen Austausch, zu Intimität kommt.
Beim Herzensgebet ist die Bereitschaft, eine Liebes-Beziehung zu wagen zentral.

Genau so ist es bei allen Arten von zwischenmenschlichen Liebes-Beziehungen: Wir brauchen den Mut, unser Sicherheits-Dispositiv hinter uns zu lassen, uns verletzlich zu zeigen, uns rückhaltlos zu öffnen. Erst dann kann das Herzensgebet, das seine dazu beitragen.

Tonglen
Diese Atem-Meditation, welche die Entfaltung des Mitgefühls bezweckt, wird vor allem im tibetischen Buddhismus praktiziert:
Beim Einatmen verbinden wir uns mit dem Leiden, dem Schmerz von Lebewesen. Wir nehmen uns dieses Leid zu Herzen. Wir fühlen mit, lassen dieses Leid, diesen Schmerz im Lichte unseres Herzens wandeln in Segen, Glück und Wohlwollen für die betreffenden Wesen. Auf diese Weise atmen wir verströmend, schenkend, gebend aus.
Wir können mit uns selbst beginnen, indem wir unser eigenes Leiden anerkennen, verstehen, es in unserer Herzens-Lichtkammer in Glück und Segen verwandeln, den wir liebevoll uns zuatmen. Dasselbe könne wir tun für das Leiden unserer Freunde und unserer Feinde, auch für Gruppen von Menschen oder Völker – schliesslich für das globale Leid, für den gepeinigten Planeten, die ausgebeutete Natur.

Bei dieser wunderbaren Meditation ist es wichtig, dass wir das Tonglen gut vorbereitet beginnen. Wir erden uns zuerst gut, verbinden uns mit der Welten-Seele, öffnen unser Herz und lassen es warm und anteilnehmend werden. Dann beginnen wir die Tonglen-Atmung wie beschrieben.

Auf diese Weise kann der Graben zwischen uns und den anderen überwunden werden. Wir erleben, dass wir alle zusammengehören.

Das Herzensgebet und das Tonglen sind zwei Wege, wie wir uns bei der Heilung von uns selbst, wie auch dem Planeten beteiligen können/dürfen. Dabei kann es geschehen, dass wir uns als leuchtende und strahlende Wesen erleben können, was unserer wahren Natur entspricht.

Natürlich gibt es zahlreiche Literatur für die hier in Kürze vorgestellten Atem-Meditationen.

*Uns werden immer jene Qualitäten zuerst zufallen, die wir gegenwärtig besonders benöti-
gen und sie werden jene körperlichen und seelischen Regionen berühren, in denen ein
Mangel und ein Bedürfnis zu erkennen ist. Dies ist eine der Weisen, wie die Liebe wirkt.

 

Der Weltschmerz und die Samen des Guten

Der Weltschmerz und das Leiden der Welt suchen eine Wohnstatt, einen Ort, wo sie -endlich – gesehen und gehört werden,
wie jeder Mensch gehört und gesehen werden will, damit er sich entspannen und sich lösen kann,
wie alle, die leiden, sich verloren und verzweifelt fühlen, ein offenes Ohr
und ein offenes Herz suchen, solange, und immer rastloser werdend,
bis sie es gefunden haben.

Und da gibt es Menschen, nicht Wenige, die
das Klopfen hören und auftun und Einlass gewähren.

Einlass für die Schmerzvollen, Verwundeten, Leidenden, in Gestalt
endloser Flüchtlingsströme,
in Gestalt hungernder Kinder,
in Gestalt verelendender Tiere und aussterbender Pflanzen,
in Gestalt junger Männer, die ihren Vater im Krieg verloren haben,
in Gestalt missbrauchter und vergewaltigter Frauen.

Jemand muss doch da sein für die Gestrandeten, die Verwundeten, die Verlassenen.

Der Schmerz der Welt will gehört und wahrgenommen sein.

All das, was Menschen ausgelagert haben, öffentliche Dienste, Funktionen, Gefühle, ihr eigenes Leiden ist auf der Suche
nach offenen Herzen.

Bis Du nicht mehr kannst, feinfühlige Frau, empathischer Mann,
bis zum Punkt, wo Du den Kopf auf den Tisch legst
und einen tiefen, langen Seufzer ausstösst,
und vielleicht legt sich dann Ruhe über Dich, wer weiss
und ein leises Lüftchen umkreist Deine Schläfen

oder Du bemerkst, dass ein wunderbarer hilfreicher oder schöpferischer Gedanke zu Dir kommt, der von Dir sanft geknetet und angehaucht werden möchte
und zu einem Samen des Guten werden möchte.
Du atmest bewusst, während Du ihn zu einem Samen rollst und mit jedem Atemzug
wird er geschmeidiger und er beginnt gold-gelb zu glänzen und

er bittet Dich zu einer guten Tat.
Die Magie der Verwirklichung umhüllt Dich wie ein feiner Zauber.
Du bringst den Samen, den Du zwischen den Fingern und im Herzen bewegt hast,
den Du liebevoll angehaucht hast und ihm so Leben gegeben hast
in die Erde.

In die Erde, den Humus, die Humanität.
Dann, wenn Du den Samen mit Erde zugedeckt hast,

beginnst Du darüber zu tanzen.
Die Sonne funkelt in deinen Wimpern
und Du spürst, wie dass Sonnenlicht zur Erde fällt.

Dann wirst Du leer, unendlich leer und still.
Und während Du schläft, flüstert Dir die Geliebte/der Geliebte ins Ohr,
während Dein Verstand im Tief-Schlaf ist.

Oh!

Am nächsten Tag, irgendwann zwischen Tür und Angel
klopft der Weltschmerz an Deine Türe
und die Heilkraft in Dir
öffnet ihm die Tür.


und Du spürst, wie Dir ein warmes Gefühl entströmt, wie ein Licht in der Nacht.
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zum Titelbild: Ausschnitt einer Darstellung von Kannon oder Kanzeon, Bodhisattva, die Verkörperung des Mitgefühls, in männlicher Gestalt als Avalokiteshvara bekannt.

WANDEL – Teil 1

Wir können nicht mehr wachsen, ohne uns zu wandeln
Teilhard de Chardin:
«Da die personalen Elemente an eine gewisse Grenze gekommen sind, stehen sie einer Schwelle gegenüber, die zu überschreiten ist, um in die Wirksphäre eines Zentrums höherer Ordnung einzutreten. Sie müssen sich in diesem Augenblick nicht nur aus der Trägheit reissen, die sie immobilisieren will. Vielmehr ist für sie der Augenblick gekommen, sich einer Transformation zu überlassen, die ihnen all das zu nehmen scheint, was sie bereits erworben hatten. Sie können nicht mehr wachsen, ohne sich zu wandeln.»

In früheren Jahren glaubte ich, dass sich die Menschheit, unsere Gesellschaft, durch guten Willen und Reformen erneuern liesse. Vielleicht auch durch bessere und gerechtere Regeln und Gesetze.
Dieser Glaube schwindet dahin.
Ich glaube, dass Reformen und Verbesserungen nicht ausreichen (so gut und sinnvoll sie auch sein mögen), um den nötigen Wandel herbeizuführen.

Ich möchte hier drei (nur drei von vielen) weltweiten Problemkreisen anführen:
• Die Klima-Katastrophe, insbesondere die globale Erwärmung. Die notwendigen Massnahmen werden nur schleppend, oder gar nicht durchgeführt, trotz grösster Dringlichkeit.
• Die überfischten Meere vermüllen, sind von Plastik weiträumig verseucht. Die wichtigste Nahrungsmittelquelle der Menschheit droht zu kollabieren.
• Die extrem einseitige wirtschaftlich-technische Entwicklung, bei der so viele lebensnotwendige Aspekte wie Ethik, ganzheitliche Pädagogik, sanfte Medizin, Friedensarbeit, etc. vernachlässigt werden, führt zu enormen sozialen Spannungen und Disharmonien.

«Ist die Erde noch zu retten?» fragen sich Viele.

Dem Wandel dienen
Der globale Wandel führt über die Transformation und Bewusstseinsentwicklung des einzelnen Menschen und die Hingabe von Gruppen von Menschen, die sich bereit erklärt haben, sich dem Wandel hinzugeben und die sagen: Wir sind Wandel.  1)

Gewandelte werden gemeinschaftlich das Fundament bilden für nachfolgende Gruppen von Menschen und Generationen, welche auf dieser Basis die Gemeinschaft der Liebenden bilden werden.
Dies ist meine Eingebung:
Die nächste, höhere Ordnung, so ahne ich, wird die Sphäre oder der Kosmos des Herzens sein, welche von Mitgefühl, Liebe, Freude und Schönheit erfüllt sein wird. Die Menschen werden den Konflikten und Verletzungen, die auch in dieser nächsten Menschheits-Phase bestehen werden, mit einem offeneren und einfühlsameren Herzen begegnen können – als dies heute im Allgemeinen möglich ist.

Den Wandel werden wir nicht «machen» können. Der Wandel wird geschehen, wenn hohe Wesenheiten den Impuls dazu geben werden. Es wird sich um ein kosmisches Geschehen handeln, dem wir dienen dürfen. Ich bezeichne diesen heilsamen Prozess als WANDLUNGS-GESCHEHEN. (Dein Wille geschehe).
De Chardin sagt im oben zitierten Text, dass es gelte, sich der Transformation zu überlassen (nicht sie in Gange zu setzen!)
Ein heilsames Geschehen ist nicht gradlinig, linear, eingleisig, sondern komplex; es verläuft auf verschiedenen Schichten und Ebenen und auch nicht immer logisch-rational, manchmal sogar scheinbar verworren und widersprüchlich und doch sind alle Entwicklungsfäden aufeinander abgestimmt und auf den heilsamen Wandel bezogen. Dasselbe gilt für den göttlichen Willen.

Geschieht der Wandel bereits – oder ist er in Vorbereitung? Sind genügend Menschen bereit, diesen Wandel mitzutragen, sich ihm vertrauensvoll hinzugeben?

Wir haben die Möglichkeit, diesen Wandel zu fördern. Wir können darum bitten, in den momentanen oder kommenden Wandlungsprozess miteinbezogen zu werden, um ihm zu dienen.
Lasst uns in Kontemplation herausfinden, welche Wesens-Qualitäten, die wir verkörpern, geeignet sind dem Wandel zu dienen. Wir haben die Möglichkeit, genau diese Gaben zu entwickeln.
Unsere Seele wird uns zudem in Situationen führen, die uns fördern, unsere Begabungen, die in unserem Wesen vibrieren, auszubilden. Solche Situationen können durchaus schmerzvoll sein.
Transformation ist auch Schattenarbeit. Ohne Schmerz gibt es keinen tiefgreifenden Wandel. Erlösungsarbeit ist ein wesentlicher Teil jeder Transformation.

Schmerz, sowohl unser eigener, wie auch der kollektive, will durchlebt und tief verstanden sein, damit er sich in Heilkraft und Kreativität verwandeln  kann.

Sowohl Wandel wie auch Metamorphose sind ganzheitliche Geschehen, die uns vollständig ergreifen, von Kopf bis Fuss, bis in die Tiefen unseres Innenlebens und bis in den Kern unserer Zellen.

Der Wandel spielt sich niemals an unserer Peripherie ab, sondern er dringt in unser Innerstes ein. Manchmal führt er einen Zusammenbruch herbei.

Wenn wir also dem Wandlungsgeschehen dienen wollen, dürfen wir nicht naiv sein. Es braucht Mut, sich auf den Wandel einzulassen. Er wird uns an innere Orte hinbringen, mit denen wir nicht gerechnet haben. Er wird unsere Seele ausleuchten.

Andererseits: Wenn wir davon ausgehen, dass wir uns heilenden, göttlichen Kräften hingeben, wenn wir dem Wandel dienen, so erhalten wir auch den nötigen Schutz und ausreichend geistig-seelische Nahrung, um auch leidvolle Prozess zu überstehen.

Wer würde jemals auf den Gedanken kommen, dass aus einem harten, krustigen Kokon, ein Schmetterling hervorkommen würde. Ein Wunder.
Glaubst Du an Wunder?

1):  Die Mitglieder der Integralen Politik (IP) sagen: Wir sind Wandel.   ww.integrale-politik.ch

Weitere Beiträge zum Thema Wandel sollen in unregelmässigen Abständen folgen.