14 Christus, die Quelle – Der gegenwärtige Moment
Es ist ein bedeutender Unterschied, ob wir Menschen uns primär im Bewusstsein der Seelenwanderung (Inkarnation) verstehen oder als Kinder Gottes, deren Gebärmutter der gegenwärtige Moment ist.
Der Christusmensch empfängt sich ständig aus dem heiligen Moment, aus der Präsenz, neu; er wird geleitet und geführt (erzogen) aus der jetzt wirkenden Liebeskraft Gottes, die sich stets als bewusstes Leben verwirklichen/manifestieren will.
Der gegenwärtige Moment ist die Matrix, die Gebärmutter und die Nahrungsquelle des Menschen, der aus Gottes Geist geboren worden ist, der aus der Gegenwart lebt. Dies wird uns zur Realität und Gewissheit, wenn diese Tatsache in unser Erleben kommt, wenn wir mit allen unseren Sinnen und übersinnlich dies erfahren dürfen. Das Zeitliche, das Geschichtliche, das uns Entwicklung ermöglicht, ist fühlbar zentraler Teil der relativen Welt, nicht der primären, absoluten Wirklichkeit in Gott. Diese ist nun unser Stoff, aus dem wir leben: erfüllte und erfüllende Wirklichkeit im Hier und Jetzt.
Der Christusmensch meint den geheilten, verwirklichten Menschen, nach seiner zweiten Geburt im Geiste. Jesus eröffnet/e diesen Weg in göttlicher Vollmacht. Die Botschaft von Jesus hat sich verewigt, sie war in der Zeit eingesetzt und entfaltet sich in der Zeitlosigkeit. Sie wirkt im Lichte des Bewusstseins und im Licht der Liebe. Es ist uns gegeben, in diese gefühlte und erlebte Erfahrung jederzeit einzutauchen, uns darin zu erfrischen und zu stärken. Es ist uns ausserdem gegeben, uns hier zu verwurzeln.
15 Christus ist die Kraft der Menschwerdung – Co-Kreation.
Christus verkörpert die Menschwerdung. Er ist ihr Impulsgeber.
Der Prozess der Menschwerdung ist ein zärtlicher Prozess. In diesem Prozess werden wir Menschen beseelt, anders gesagt: die Seelen der Menschen und die Menschheitsseele als Ganzes geraten in eine weit höhere Vibration, ihr Lichtkörper entfaltet sich. Die Schöpfung wird zunehmend transparent, durchlässig. Das Geschaffene beginnt zu erklingen. Das vorher taube Ohr, beginnt den inneren Klang in den Dingen und Phänomenen wieder wahrzunehmen, das vorher erblindete innere Auge des Herzens öffnet sich wieder, das Wunder der Liebe erkennend, das Licht Gottes erschauend. Was dumpf war, glänzt wieder, was nur knapp als dunkles Geräusch wahrnehmbar, singt wieder hell und klar. Materie ist nicht mehr Abgewandtes, sondern Zugewandtes, Resonanzkörper und Spiegel des göttlichen Klanges, der göttlichen Ausstrahlung. Das ist erwachte Beziehung: wenn das Geschaffene dem Schöpfer antwortet – jubelnd.
In Jubel verwirklicht sich die höchste göttliche Absicht.
Der erweckte Christusmensch erträumt den Menschheitsleib. In ihm verlebendigt er sich, wird er sich seiner bewusst. Der Beziehungsraum, also der Raum zwischen Gott und seinen Geschöpfen, wo der Heilige Geist wirkt, erstrahlt im Bewusstsein der Zusammengehörigkeit und Einheit zunehmend. In diesem Raum, der eine kosmische Gebärmutter darstellt, wächst und erstrahlt allmählich der bewusste, mystische Menschheitsleib, der an lebendiges Brot erinnert. Der mystische Leib ist die reifende Quell-Gemeinschaft, die mehr und mehr durchdrungen und durchschienen ist von der leuchtenden Gegenwart Gottes. Der mystische Leib ist leuchtender Gemeinschaftskörper, Liebes-Gemeinschaft der Erwachenden und Erwachten. In Hingabe entwickelt er sich zum mystischen Leib, der aus einer Fusion von Geist und Materie besteht.
Wir sprechen von Co-Schöpfung oder Co-Kreation. Der Mensch nimmt aktiv teil an seiner eigenen Mensch- und Menschheits-Werdung. Erst dadurch wird er ganz Mensch, erfüllt sich sein eigenes Menschsein. Nun fängt er an seine Lichtgestalt, die er ist, vollständig freizusetzen. Er wird zum Strahlenden.
Es ist eine der zentralen Aufgaben der bewussten, erleuchteten Menschen, die Menschheit im Bewusstsein ihrer Ganzheit und Zusammengehörigkeit durch den Prozess ihrer Geburt zu begleiten und an ihr teilzunehmen.
Wir sind Gebärende, Frauen wie Männer.
16 Die Christus-Wirklichkeit im Erblühen
„Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt worden bin.“ (1. Kor. 13,12)
Die Wirklichkeit erkennen wir, wenn sich uns ihre zahlreichen Dimensionen offenbaren. Wir sehen dann nicht mehr nur stückweise, sondern nehmen das Ganze wahr.
Wir fangen an die seelische und geistige Wirklichkeit in und hinter der geformten materiellen Welt zu erkennen. Diese fängt an mit uns zu sprechen, weil wir nun die Wesen in den Dingen erkennen. Wir fühlen nun (dies als Beispiel) die Qualität einer Farbe, eines Lichtes, einer Stimmung. Wir erkennen, dass die Farbe auch Trägerin einer Botschaft ist, einer Qualität, die in uns Gefühle, Gedanken, Empfindungen, Wahrheiten weckt.
Ebenso wird uns bewusst, dass eine bestimmte Erscheinung, die wir nun vollständiger wahrnehmen können, mit allen anderen Erscheinungen verbunden ist. Die Blume ist verbunden mit der Wiese, diese mit der ganzen Landschaft, mit der Sonne, dem Regen, den Insekten, usw.
Wir können die Hilfe oder den Hinweis erkennen, wenn uns eine Erscheinung erreicht und berührt. Das kann eine Blume sein, ein Tier, ein Stern. Wir fangen an den Hintergrund einer Erscheinung, also die Hintergrundwirklichkeit eines Lebewesens zu erspüren, und wie unsere Seele auf sie reagiert oder welche Antwort sie geben möchte. Wir erkennen die Kräfte, die etwa bewegen, verändern, wandeln. Zum Beispiel sehen wir nun nicht nur die sich bewegenden Wolken, sondern fühlen auch die Kräfte, die sie bewegen und die sich verändernden Strukturen der Wetterlage und vielleicht erahnen wir auch den Sinn des momentanen Spiels der Bewegungsabläufe.
Wir erspüren die subtilen Körper des Menschen (Ätherleib, Astralleib, Ich), aber auch die Schöpferkraft, die stets tätig ist und Neues hervorbringt und Wachstum in Gang bringt. Immer neue Stimmen fügen sich in den universellen Chor ein, wenn unser Herz aufgeht.
In dieser verfeinerten und erweiterten Wahrnehmung enthüllt sich uns die Schönheit in ihrer wundervollen Ausbreitung. Wir erleben, wie die Teile miteinander kommunizieren und übergeordnete Einheiten (Holons) bilden. Wir erkennen und fühlen die in allem wirkende Liebe. Dies ist vielleicht das Wichtigste, dass wir die Wechselwirkungen der Erscheinungen als Spiel und als Tanz der Liebe erleben und uns darüber erfreuen.
Es geht einfach darum, das Wachstum und die Entfaltung in Schönheit in unserem Erlebnisraum zuzulassen und zu erkennen und zu fühlen wie das Einzelne in Verbindung mit der Gesamtheit des Erschaffenen steht.
Werden wir wie die Kinder, welche die Welt nicht intellektuell, aber mit Staunen betrachten!
Bild: Werner Binder: Retraite 97 – Strömen aus dem Zentrum