Grenzerfahrungen

Manchmal komme ich an einen Punkt, wo ich nicht mehr weiter weiss – so, als ob eine Barriere vor mir niederginge.
Oder: ich falle in ein Verhalten zurück, von dem ich dachte, es schon längst überwunden zu haben. Ich werde von Gefühlen übermannt und/oder blockiere mich.
Scheitern. Peinlich. Wie ohnmächtig ich mich fühle.

Das Einzige, was mir dann hilft, ist, dass ich mir diesen Zustand eingestehe. Zu Beispiel: ich kann Gedanken, die mir schaden, nicht stoppen; sie drehen weiter und ich habe keinen Einfluss auf sie. Dann versuche ich mir einfach einzugestehen, dass dem so ist. Ich gebe zu, dass ich mich jetzt ohnmächtig fühle. Dann löst sich manchmal der Klumpen und ich atme wieder durch. Nicht selten aber finde ich mich getröstet wieder, wenn ich mir die Niederlage, das Scheitern, eingestehe.

Die Not zugeben lindert, tröstet.

Es ist immer auch eine Kränkung für das Grössen-Selbst, wenn ich an eine innere oder äussere Mauer stosse, auch eine Ent-Täuschung. «Aha, ich bin noch nicht soweit, nicht so gross, so souverän, wie ich gerne möchte.»

Manchmal kann ich mir darüber ein Grinsen erlauben, selten auch ein nachsichtiges Lächeln.

Der Raum, jenseits meiner Grenzen und Beschränkungen erscheint mir riesig, endlos. Dort möchte ich sein in dieser Weite.

Ich stehe innerhalb der mir zur Verfügung stehenden, begrenzten Möglichkeiten und ausserhalb des mir zur Verfügung stehenden Potentials.

Habe ich den Zugang zum ausserhalb Stehenden?

Ja, ich fühle, weiss es sogar, dass ich auch das, was mir (noch) nicht zur Verfügung steht, bin. Ich erahne mein Potential und dass es meiner Seele möglich ist, sich weit, über meine Unzulänglichkeiten hinaus auszudehnen.

Dort, jenseits meiner Grenzen erkenne ich ab und zu meinen Doppelgänger in strahlendem Licht.

Jenseits meiner Schranken ist die Ahnung des Möglichen.

Ich bin auch das, was jenseits meiner jetzigen Möglichkeiten ist.

Ich lebe und liebe über alle meine Grenzen hinaus. Dort wo «ich» nicht mehr hinreiche, strahle ich über meine Grenzen hinaus, getragen von der grenzenlosen Liebe.

Manchmal fühle ich in meinem Herzen so etwas wie ein Schwungrad. Dort schwingt Hoffnung und Zuversicht. Lebenswasser. Manchmal wird es herausgeworfen. Es bildet sich ein riesiger Bogen über alle Zäune hinweg in jene Weite der geistigen Welt.

Jetzt bin ich Hier und Dort.

Bei Jürg Reinhard lese ich: «Staut sich das Licht an einem Punkt, so entsteht eine Knospe.» *
Er bezog diesen Satz auf den biologischen Kontext. Ich möchte diese Satz auf den entwicklungspsychologischen Kontext beziehen: Wenn zum Beispiel der Expansionsdrang eines Kindes durch seine Eltern massiv gestoppt wird, so entsteht in ihm auch eine Stauung, ev. eine seelische Wunde, die im Lichte der Barmherzigkeit und des Mitgefühls zur Knospe werden kann und diese wiederum zur duften Blüte.

So kann sich auch das Scheitern in eine solche Blüte verwandeln, wenn wir es annehmen und dort, wo wir eingebrochen sind, symbolisch (oder auch real) eine Kerze entzünden, Strafe also vermeiden und uns in das Licht stellen.

Ich glaube, dass die heilende Tätigkeit des Menschen darin besteht, dass er diese Zweiheit als eine wichtige Aufgabe verstehen kann, nämlich eine Brücke zu bilden über diese beiden Pole: jenen des Scheiterns, des Abgrundes mit jenem der Gnade und der ewigen Liebe. Wer sowohl die Erfahrung der Beschränkung und der Ohnmacht, die auch mit Leiden verbunden ist, aber auch die grenzenlose Freiheit der bedingungslosen Liebe und Ausweitung in sich erlebt hat und diese beiden Gegensätze in sich vereint hat, wie es im Weg vieler spiritueller Meister versinnbildlicht und erfahrbar gemacht wurde, vermenschlicht sich.

Dieser Brückenbau geschieht in Milde.

Ich lebe und liebe über alle meine Grenzen hinaus. Dort wo «ich» nicht mehr hinreiche, strahle ich über meine Grenzen hinaus, getragen von der grenzenlosen Liebe.

*Jürg Reinhard: Das Ende der Physik – Seite 75

 

 

 

Ausrichten auf den Ursprung

Die Schule des Lebens, wenn wir das Leben so verstehen wollen, kann für uns ihr Bestes tun, wenn wir uns klar auf die göttliche, universelle Liebe und auf das Wahrheits-Bewusstsein ausrichten. Damit öffnen wir das Tor unserer Seele der göttlichen Wirkkraft und wir geben uns damit der höchsten Leitung und Begleitung hin.
Damit ist die Seele, da sie nun mit dem Ursprung verbunden ist, in der Lage, uns die nötigen Impulse und Situationen zu kreieren, die wir für die nötigen Entwicklungsschritte brauchen.
Die zahlreichen Störungs-Felder in und um uns -unerlöste Gedanken, Konzepte und Meinungen- vermögen unsere Seele anzugreifen und zu beeinträchtigen. Von diesen Störungen ausgenommen ist unser Seelenzentrum: dieses ist unverletzlich, weil es in Gott ruht.

Ich glaube, dass wir uns immer wieder neu auf das Höchste und Innerste ausrichten und innere Klärung und Reinheit erbitten sollten, damit unserer Seele den Schutz und die Orientierung zufliesst, die sie benötigt, um uns subtil und stimmig zu leiten.

Wenn wir unseren Atem bewusst auf den Ursprung, die Quelle hin, ausrichten, die sich auch im Zentrum unserer Seele befindet, wird sich diese harmonisieren und damit auch unser Körper. Das Innerste unserer Atmung ist Geist. Deshalb können wir auch von Geist-Atmung oder von Odem sprechen.
Die Verbindung zwischen Geist und Seele ist befruchtend. Aus ihr geht Leben hervor.

Durch die stetige Neu-Ausrichtung auf das höchste Ziel, durch ständige Reinigung und Klärung unserer seelischen Verfassung mit Hilfe des bewussten Atmens, welches auch eine Art von Gebet oder Meditation ist, kann uns der innere Lehrer oder die innere Meisterin, die in uns wirkt, direkt erreichen, uns fördern und für uns jene Lebensstationen und Situationen kreieren, die wir brauchen, um uns zu entfalten, hin zur Verwirklichung unseres Mensch-seins.
Natürlich ist die Frage, worin das höchste Ziel unserer Lebens-Reise besteht, von grösster Bedeutung. Die tiefste Sehnsucht in uns, drängt der Antwort zu, wie die Blume der Sonne.

Die Seele ist eine wissende Substanz. Sie trägt alle Informationen in sich, damit sich unser wahres Wesen entfalten kann. Wir können sie mit einem Licht-Gewebe vergleichen, welches ausserdem auch hoch empfänglich für Freude und die Erfahrung von Seligkeit (Glückseligkeit, Ananda) ist. Sie ist darauf angewiesen, dass wir ihr Geistatem zukommen lassen, damit sie ihr wunderbare Tätigkeit voll entfalten kann.

Wie eben gesagt, kreiert uns unsere Seele, jene Lebens-Situationen, die geeignet sind, uns zu erkennen und zu fördern. Sie führt uns aber auch in jene Bewusstseins-Ebenen, die uns jetzt zuträglich sind. Einmal ist es nötig, dass die Erde oder die Ur-Materie zu uns spricht, ein anderes Mal führt uns die Sprache des Lichtes weiter oder wir benötigen eine uns tief ansprechende menschliche Begegnung, usw. Wie auch immer: Die gereinigte Seele, die mit der Geist-Kraft in Verbindung steht, wird uns heilend und fördernd zur Seite stehen, wenn wir uns ihr öffnen. Die innere Führung kann sich nun ausdrücken und wir dürfen fest vertrauen, dass uns die richtigen Lebensumstände und Einsichten zur rechten Zeit gegeben werden, die uns liebevoll und manchmal auch fordernd, helfen, die jetzt nötigen Erfahrungen zu machen und zu integrieren.

Widerstand und Hingabe

Spiritualität ist berührtes Leben.
Spiritueller Mut ist die vertrauensvolle Aufgabe des Widerstands gegen das, was uns heilt.

Wir alle sehnen uns nach Nähe, Vertrauen, Intimität und Zugehörigkeit und gleichzeitig fürchten wir uns davor – wenn auch in unterschiedlichem Ausmass.
Wir alle wünschen uns glücklich zu sein und tun gleichzeitig so viel, uns unglücklich zu machen.
Wir alle sehnen uns nach Licht und lassen uns gleichzeigt vom flachen Nebelgrau der Gewohnheiten einlullen.

Zur Einstimmung eine kurze persönliche Geschichte
Vor vielen Jahren sah ich mit dem inneren Auge während einer Meditation ein grosses Licht vor mir, welches mich an eine geistige Sonne erinnerte. Dann sah ich, wie die Sonne zur Hälfte von einem schwarzen Schatten abgedeckt war. Nach einiger Zeit erkannte ich, dass ich selbst dieser schwarze Schatten war: «Ich stehe mir vor dem Licht, ich stehe mir im Weg», war meine Einsicht. Diese Erkenntnis machte mich sehr traurig. Ich gab mich der Trauer hin. Dadurch verschwand die Schwärze; nun wurde ich vollständig vom Licht angestrahlt. Es war wunderbar, berührend.

Der psychologische Widerstand
Nähe macht uns verletzlich. Wenn ein Mensch Distanz hält, macht es ihm nicht so viel aus, wenn er angegriffen oder hart kritisiert wird. Er kann dann auch nicht so leicht manipuliert werden, weil er sich nicht im anderen Menschen verliert. Wenn er sich bindet, tut es sehr weh, wenn er verlassen wird. Viele Leute verlassen ihre Nächsten vorsorglich, um sich den Schmerz zu ersparen, verlassen zu werden. Sie nehmen ihren möglichen Verlust präventiv vorweg. Bei nur halber Nähe, kann ein Mensch nicht so leicht missbraucht und hintergangen werden. Immer geht es um die Abwehr und die Vermeidung von Schmerz und Verlustangst. Wer Nähe vermeidet, verhindert damit auch die Erfahrung von tiefem Vertrauen, Freude und Intimität (Vergleiche den letzten Blog-Beitrag), die er wahrscheinlich zutiefst ersehnt. Die Angst in naher Beziehung missbraucht oder verurteilt zu werden, übertragen Menschen oft auch auf Gott. Die Gottessbilder (zum Beispiel das Bild vom gestrengen und strafenden Vater) erschweren oder verhindern die unmittelbare Gotteserfahrungen.

Oft, sehr oft sogar, glauben Menschen, dass sie es nicht wert seien, Zuwendung in Fülle zu erhalten.

Der gesellschaftliche Widerstand
Es gibt ein gesellschaftlicher Mechanismus, der uns Menschen vom Bedürfnis entreisst, uns von innen leiten zu lassen; es ist eine Kraft, die uns nach aussen schleudert, vergleichbar mit einer Zentrifuge. Beispiel: Neue wichtige Geräte kommen auf den Markt, die uns zu Aussenseiter werden lassen, wenn wir sie nicht bedienen können. Sie verlangen Aufmerksamkeit und viel Zeit. Eine riesige Zerstreuungsindustrie verleitet uns ständig dazu, uns im Aussen abzulenken, zu entspannen und zu vergnügen. Die ungebremste Mobilität verstärkt unsere wachsende Unruhe, die nach Erholung ruft, die überall, nicht ganz billig, zu finden ist. Diese Mechanismen bewirken, dass wir unablässig beschäftigt sind mit Dingen, die uns nicht elementar betreffen. Sie nähren das egozentrische Ich.
Die gleiche Gesellschaft, die uns stresst, bietet auch Wohlfühl-Angebote an – beide Zweige dienen dem Geschäft und halten den Menschen im Aussen gefangen.
Der aussengelenkte Mensch, der nicht mehr in der Lage ist, sich in sich selbst zu verankern, zu erden und zu erkennen, ist leicht zu führen und zu manipulieren. Es sind wahrscheinlich sowohl bewusste, wie auch unbewusste Mächte, die es dem Menschen schwer machen, von innen her, aus dem Herzen, zu leben.

Es ist ohne weiteres zu beobachten, dass innere und äussere Kräfte und Gewohnheiten existieren, die uns daran hindern, das zu beachten und anzustreben, was wir essentiell sind. Wir sehnen uns nach der Erfahrung im Leben aufgehoben zu sein, uns zugehörig zu fühlen und Freude zu erleben. Es sind die Ängste, die ich oben erwähnte, die uns zurückhalten, das zu wollen und zu tun, was uns gut tut.

Es mangelt uns wohl an Mut, den Widerstand gegen das, was uns heilt, aufzugeben. Es beginnt schon damit, dass wir es nicht wagen, den Widerstand gegen das Leben, gegen all das, was uns widerfährt an Lebens-Ereignissen und Situationen, aufzulösen. Indem wir in den Widerstand gehen, gegen das, was uns widerfährt, verwickeln wir uns in einen dauernden Kampf. So wird das Leben zu einer grossen Anstrengung. Es mangelt wohl am Glauben daran, dass dem Leben Weisheit innewohnt und dass es uns gut und wohlwollend gesonnen ist.

Hingabe
Die Hingabe ist wohl das Gegenteil von Kontrolle und Vorsicht. Hingabe bedeutet, sich vertrauensvoll, rückhaltlos und vollständig zu verschenken – es ist ein ganzheitlicher Akt der Liebe, die Annahme des Todes inbegriffen.

Jesus war wohl der Prototyp des Menschen, der sich selbst substantiell in die Welt hineingegeben (sich der Welt hingegeben) hat. Er war vollständig transparent für das ihn durchscheinende göttliche Licht. Er lebte in bedingungsloser Liebe. Seine Hingabe erlöst(e).

Gott selbst ist für mich der Inbegriff von liebender Hingabe.

Wenn dem so ist, dann muss Liebe und Hingabe als die wahre Wesens-Natur des Menschen angesehen werden. Wir sind demnach offene, strahlende, fliessende und gebende Wesen. Also Liebende. Wir untergraben unser Wesen, das wir sind, wenn wir versuchen das Leben primär durch Kontrolle und egozentrischem Eigen-Wille im Griff zu haben.

Das Welt-System fusst auf der Haben-Macht, auf Abgrenzung, Taktik und Strategie. Da gilt der Slogan: «Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser».

Hingabe kann wohl erst dann tief im Herzen verstanden werden, wenn wir erleben, dass wir bedingungslos geliebt sind und dass daraus unser Leben fliesst.
Wir Menschen, so fühle ich es, sind verkörperte Hingabe; wir sind inkarnierte Liebe. Erst wenn wir diese Tatsache annehmen können, bis in die Zellen hinein, wenn wir zugelassen haben, dass uns diese Erfahrung erschüttert und transformiert, werden wir verstehen was Hingabe ist. Daraus formt sich der Mut, den Widerstand weg zu legen wie ein Kleidungsstück, das wir schon zu lange getragen haben.

Ich möchte hier den Satz wiederholen, dass Hingabe erlöst und hinzusetzen, dass Hingabe auch transformiert.

 

 

Von der Selbst-Ausbeutung zur Selbst-Heilung

In einem seiner letzten Songs sang Leonard Cohen: «You want it darker; we kill the flame. – Ich glaube sie brennt, doch die Gefahr besteht, dass wir sie aus unserem Bewusstsein löschen. Daraus folgt ein Darben, folgt Durst und Hunger.

I.
Wir Menschen beuten unseren Planten immer rücksichtsloser aus, rasanter, schneller. Das geplante 5G-Netz steht für die Beschleunigung. Nicht alle werden das aushalten. Die letzten Kostbarkeiten wie die Seltenen Erden werden nun aus dem Boden geschürft, die wir für Geräte (Smartphones) verwenden, die wir bald wieder wegwerfen. Produkte werden immer schneller zu Abfall, der oft in den Meeren landen. Diese vermüllen. Fische ersticken am Plastik. – All das wissen wir.
Das Patriarchat, liiert mit dem Turbo-Kapitalismus, meist in den Händen superreicher, weisser Männer, ist auf Rendite, Gewinn-Maximierung und Kapital-Akkumulation hin angelegt.
Auch das wissen wir.
Die Mächte der Finsternis, die manche als das Böse bezeichnen, andere als Unreife, haben in unserer Zeit die Form extremer und kaschierter Ausbeutung angenommen, eine kaschierteAusbeutung, die uns Produkte in die Hände spielt, so als wären sie Geschenke des Himmels oder immerhin der Segen der Technik und der «freien» Marktwirtschaft.
Wir bezeichnen uns als zweitklassige Maschinen, die durch künstliche Intelligenz optimiert werden müssen. Oder wir sehen uns als Warenmenschen, als Verbraucher, die in immer kürzerer Zeit immer mehr Produkte herstellen, um diese rasch zu entwerten, zu verbrauchen – zum Zweck der Rendite-Steigerung.

II.
Diese Art des Benützens, Vermarktens und Verbrauchens haben wir Menschen zunehmend verinnerlicht. So, wie wir mit dem Leben auf Erden umgehen, so behandeln wir uns selbst: ausbeuterisch. Die natürlichen Grenzen – die Immunität – werden zunehmend eingerissen durch eine überfordernde Reiz-Überflutung. Wir spüren längt nicht mehr, wann es genug ist.
Aber im Kopf steht das Gebot, dass es nie genug ist, dass wir nie genügen und nie genügen werden, dass der Mangel nicht zu beheben ist.
Wir lernen – und die neuen Technologien «helfen» uns dabei – die Invasion von Stoffen und Informationen in unsere Körper zuzulassen. Es sind Bilder -und Informationsfluten, in denen wir «ertrinken», es sind Medikamente, Drogen und Luft-Schadstoffe, die in uns eindringen und Chips, die zunehmend die Steuerung unserer Körper übernehmen und nicht zu vergessen: der Elektro-Smog. Die natürlichen Schwellen der Immunität brechen ein.

III.
Die kapitalistische Art zu denken und zu handeln frisst sich jetzt in die letzten Frei-Räume ein: Sie bemächtigt sich nun unserer Emotionen und der spirituellen Bilder und Symbole, die uns bisher ins unserer Sinnfindung unterstützt haben. Wann immer eine Emotion oder ein Seelenbild nützlich ist, um den Konsum zu steigern, wird sie zu diesem Zweck  eingesetzt. Wer die Werbung genau anschaut, wird diese These rasch bestätigt finden. Keine Sphäre der menschlichen Gesellschaft ist intim genug, keine Not, keine Krise zu gross, um nicht vom System zwecks Rendite ausgebeutet zu werden.
Jedes Wissens- und Erfahrungsgebiet ist heute vom Wirtschaftsdenken infiziert, «durch-ökonomisiert». Die Wirtschaftssprache hat sich durchgesetzt.
Die Denkweise des wirtschaftlichen Nutzens haben wir Menschen uns einverleibt. Der Tanz ums goldene Kalb scheint einem neuen Höhepunkt zuzusteuern. Oder handelt es sich um einen Totentanz?
Viele stimmen der Ansicht zu, dass das Bewusstsein des Menschen mit den messbaren Hirnfunktionen endet. Die Schädeldecke bezeichnet das Ende des Menschen. Die Seele gilt mehr und mehr als eine altertümliche Illusion.

IV.
Es gibt nichts schön zu reden, zu bagatellisieren. Der beschriebene Mega-Trend, den gibt es, so wie es viele leuchtende Ausnahmen gibt.
Die Macht des herrschenden Systems hat sich tief in uns eingenistet. Genau hier muss die Heilung ansetzen.

V.
Die Welt widerspiegelt unsere innere Bewusstseins-Verfassung. Deshalb gilt es, sie als erstes zu heilen. Es bedarf der täglichen Arbeit an sich selbst, und sei diese noch so kurz. Fünf Minuten von 24 Stunden, ist schon ein Anfang – aber (verzeiht meine Strenge) bitte täglich.
Hier ein paar Merkpunkte, die hilfreich sein könnten:

  • Wir betrachten uns mit einem milden, nachsichtigen, weiträumigen Blick, in dem wir sein können. Es ist ein Blick zu unserem inneren Selbst, dem wir Raum geben, Seins-Raum. Und dabei geben wir uns die Zeit, die wir brauchen, um uns ganz selbst zu sein.
  • Wir üben die wunderbare Tugend Nachsicht: Es ist das verzeihende Verständnis für unsere eigene Unvollkommenheit, für unsere eigenen Schwächen, wie auch für jene der anderen.
    Immer, wenn wir einen heilenden Blick auf uns selbst werfen, im Wissen, dass wir Teil des Menschheits-Leibes sind, können wir davon ausgehen, dass wir nicht in einer Ego-Perspektive gefesselt sind und dass unsere Güte über uns hinaus wirkt.
    Nachsicht ist das Gegenteil der so verbreiteten Strenge, niemals zu genügen. Nachsicht schafft Lebensraum, hilft, uns in der Tiefe zu akzeptierten wie wir sind.
  • Wir neigen uns dem Verletzten, Bedürftigen, dem inneren Kind und der leidenden Welt, liebevoll zu, nehmen es/sie an unsere Brust und fühlen, wie unser Herz dabei weich und offen wird. Wir lassen alle Gefühle zu, bejahen ihren Ausdruck. Wir verzichten darauf, unsere Gefühle zu bewerten.
  • Wir betreten den inneren Raum der Heilung und Wandlung. (Vergleiche meinen Artikel Wandlung, Teil 3). Es gibt diesen Raum, es gibt den heilenden Geist. Wir können uns mit ihm verbinden. Ich zitiere aus dem erwähnten Artikel:
    „Die bedeutenden Menschheitslehrer wie Christus und Buddha, aber auch viele andere erleuchtete Lehrer, haben uns einen Raum der Heilung, des Wandels und der Auferstehung hinterlassen. Eine geistige Erbschaft, ein wunderbares Geschenk. Dieser gesegnete Raum ist gleichzeitig auch ein subtiler Körper. Er ist universell, immer und von überall her «zu betreten». Alle unsere Kirchen, Tempel und Moschen sind Abbild dieses universellen «Körper-Geist-Raumes», der in uns auch mikrokosmisch besteht: der innere Tempel. Im Tempel-Inneren wirkt die Kraft der Heilung, der Wandlung und der Auferstehung.“
  • Es braucht den Mut zur inneren Selbst-Erforschung. Nicht alles, was wir da entdecken ist schmeichelhaft. Gelingt es uns, diesen Mut mit Spielfreude und Leichtigkeit zu verbinden, so wird die Freude an den Entdeckungen und Erkenntnissen überwiegen.

VI.
Ein solcher Heilungsprozess dauert in der Regel Jahre. Doch jeder Lernschritt, der sich erdet, geht sofort in das Menschheits-Bewusstsein ein. So lasst uns also jeden Schritt würdigen, den wir getan haben.

VII.
Zum Schluss: Ich glaube, dass wir in der nächsten Periode unserer Menschheits-Entwicklung primär die weiblichen Qualitäten zu fördern und zu stärken haben und zwar solange, bis die Yin-Yang-Balance hergestellt ist, bis sich die Rechte und die Linke vor der Brust (dem Herzen) gefunden haben. Das ist der Moment der Verneigung.

VIII.
Indem Mass, wie die Heilung in uns voranschreitet, entwickeln wir die Kraft und Entschiedenheit, tatkräftig, liebevoll und heilend in die gesellschaftlichen Prozesse einzuwirken.

 

Das Empfangende

Ich stelle mir vor, dass der Mensch ein empfangendes Wesen ist, der hier auf Erden berufen ist, sich selbst in seiner Wesenheit zu empfangen, sich in seiner Empfänglichkeit zu erleben und damit sich selbst (wieder) zu finden.

Vor Gott sind wir alle weiblich, sind wir Empfangende.

Der empfängliche Mensch ist verliebt und hingebungsvoll; er gibt sich dem Gebenden, dem Liebenden hin – vorbehaltlos, vertrauend. – Er ist ein offenes Gefäss, an eine Schale oder an einen Kelch erinnernd. Er empfängt, trinkt dankbar, was ihm gegeben wird. Alles an ihm ist aufnehmend, rezeptiv: Sein Körper, dessen Poren weit geöffnet sind, seine Aura, zart und empfangend, seine Seele, ein seiden-leuchtendes Energiefeld, welches das grosse göttliche Licht einatmet.

Es ist nicht leicht zu sagen, ob das Empfangende nun eher passiv oder aktiv ist. Ich würde sagen: passiv-aktiv. Die Pflanze, die sich dem Licht entgegenreckt ist aktiv, passiv in ihrer Licht-Trunkenheit. – Der Mensch der sich sehnsüchtig dem Licht entgegenstreckt, sich damit aufrichtet und dabei doch gelöst bleibt, stellt das männliche Prinzip dar, das Weibliche ist das rezeptiv Empfangende, die aufnehmende Schale (die Seele), die Kraft der Verkörperung und Integration. Die beiden Qualitäten bilden die Yin-Yang-Balance, eine Ganzheit, die der Meditation sehr förderlich ist.

Da der Mensch in unserer Zivilisation sich gegen Überreizung und Erwartungsdruck schützt, gezwungenermassen, hat er sich eine dicke Schutzschicht zugelegt. Die Meditation hilft ihm, diese Schicht aufzulockern, wieder transparenter zu werden, damit er sich wieder in Beziehung mit dem setzt, was ihn seelisch-geistig nährt. In der Meditation geht es, wie auch im Gebet, darum, wieder in Resonanz zu jener Substanz zu finden, aus welcher der Mensch lebt.
Wir Menschen sind – so könnte man es sehen- Gegebenes, das sich verkörpert, also verkörperte Liebe.

Es braucht Mut, sich wieder zu öffnen, sich verletzlich zu machen und Kontrolle aufzugeben, um jenen lichten Stoff, die Substanz, die sehr fein ist und aus der wir sind, wieder zu spüren. Erfahren wir sie, können wir die göttliche Substanz bewusst und dankbar empfangen, uns selbst in unserer tiefen Wirklichkeit aufnehmen, um uns selbst zu verkörpern, zu werden, was wir in innerster Essenz sind. Es ist ein Geburts-Vorgang.

Bevor dies geschieht können wir festhalten: Was wir bisher durch unsere Erziehung und durch unsere Kultur verkörpert haben, hat viel mit den Ängsten und der Gier der Zivilisationswelt zu tun gehabt. Nun, wo wir uns neu nach dem wahren Selbst ausrichten, empfangen wir unser Wesen, das bisher verdeckt war. Bis es soweit ist, kommen wir nicht darum herum, unsere Empfänglichkeit zu entwickeln. Wir haben unsere Wahrnehmungsfähigkeit zu verfeinern. Wir haben zu lernen, auszuatmen, was uns hindert frei zu sein und frei zu empfinden.
Bei der Verfeinerung unserer Wahrnehmungsfähigkeit kommt die Phase, wo wir meinen, dass nichts da sei und manchmal brechen wir dann die Ein-Sicht ab. Dieses «Nichts» markiert oft den Beginn einströmender Fülle, die wir erst als das erkennen, was sie ist, wenn unser Innenleben jene Feinheit und Zartheit erreicht hat, die nötig ist, die subtile Welt zu empfangen.
Es kann aber auch passieren, dass uns einfach geholfen wird, dass hinweggenommen wird, was uns beschränkt.
In jenen wunderbaren Augenblicken oder Perioden, wo wir offen, empfänglich und hingebungsvoll sind, können wir erfahren, dass uns unterbrochen gegeben wird. Wir nennen diese Erfahrung auch Gnade. Die einströmende Gnade, der einfliessende Segen, erleben wir manchmal als weissliches-milchiges und nährendes Licht, andere Male als unglaublich feine kristalline Licht-Partikel, die sanft über uns kommen oder als hauchfeiner Licht-Sprüh-Regen, der uns beglückt. Diese Bilderfahrungen sind verbunden und eins mit der Empfindung von Glückseligkeit, mit Erstaunen, Ergriffenheit. Oft stellt sich ein Gefühl von Festlichkeit und Feierlichkeit ein. In solchen Momenten wird uns bewusst, dass dieses Einströmen von Güte, Liebe und Bewusstheit unendlich (also nie endend) ist und dass alles Geschenk ist. Fülle.

Natürlich sind diese oben genannten Empfindungsweisen nur Hinweise, wie sich göttliche Substanz, die wir empfangen, anfühlen kann. Jeder Mensch, empfängt vor allem jene Qualitäten, die er jetzt besonders benötigt und er empfängt sie in dem Masse, wie er in der Lage ist, sie aufzunehmen und zu integrieren. Ein starkes Gefäss vermag mehr aufzunehmen, als ein schwaches. Deshalb gilt es innere Seelenstärke, aber auch körperliche Harmonie zu entwickeln. Ausserdem erscheint es mir als sehr wichtig zu sein, liebevolles Einatmen einzuüben.

Was wir empfangen ist Liebe und das, was aus ihr geboren wird – Leben, wir selbst.

Da wir nicht nur individuelle Wesen sind, sondern auch Erden-Menschen, ist es auch Teil unserer Menschen-Verantwortung, das Wasser des Lebens in die Erde zu giessen und das Brot zu teilen.
L. Vaughan-Lee: «Die Welt ist am Verhungern. Durch unsere kollektive Haltung isolieren wir die äussere Welt von ihrem spirituellen Kern.»

Deshalb lasst uns auch Verbindung sein zwischen der geistigen Welt und der Erde, auf der wir leben, zwischen dem Kern und der äusseren Erde; lasst uns Verbindungsglied sein zwischen der Quelle und der dürstenden Erde.

Etwas soll auf die Erde gebracht werden. So empfinde ich es. Ich ahne es, was es sein könnte, es entzieht sich mir aber jeder Formulierung.

Wer liebt, gebiert, und was geboren ist, singt.

Die Geburt – der Ton

Der folgende Text ist N.B. gewidmet

Den nachfolgenden Text verstehe ich als den Versuch einer Zusammenfassung der Substanz meiner letzten Artikel. Es ist auch der paradoxe Versuch Unerklärliches zu erfassen. – Dieser Text basiert auch auf rhythmischen Wiederholungen und auf Bilder, die kaum ins Rationale zu übersetzen sind.

Wir brauchen eine existentielle und radikale Spiritualität, die uns berührt (wie die Zärtlichkeit), ergreift (wie die Hingabe) durchströmt (wie lebendiges Wasser) und durchrüttelt (wie ein Sturm und feurige Leidenschaft), eine Spiritualität also, die nicht im Kopf, im Verstand hängenbleibt, sondern bis in die Organe und Knochen eindringt, bis ins Seelenzentrum und uns umwandelt.

Die Metamorphose – durch Vertrauen ausgelöst.

Spiritualität ist Leben, dem wir uns vorbehaltlos hingeben, ist die Bereitschaft, uns vollkommen vom Leben berühren und durchströmen zu lassen. Sie beginnt, wenn wir uns vom Verstand und vom Ego nicht mehr beherrschen lassen und aufgehört haben, zu diskutieren. Wenn wir also die Bücher schliessen, aufstehen und weinen. Weinen, weil wir gerührt, berührt sind.

Stirb und werde durch die befreiende und erlösende Kraft der Metamorphose, die uns über die Schwelle trägt, heiter wie ein Herbstblatt im Wind.
Es ist ein Fallen, ein Gleiten in allem (in Abwandlung von Rilke).


Wir brauchen eine existentielle und radikale Spiritualität – Zärtlichkeit und Hingabe.
Umwandlung, durch das Sterben hindurch, in Heiterkeit.

Die wahre – die zweite Geburt des Menschen- findet dann statt, wenn sein Herz ganz aufgeht und «die Rose» den vollen Duft zu verströmt.

Es ist ein leiser Vorgang. Bevor sich das Herz ganz öffnet ist es bewegt, «schwanger», hervorgerufen durch «die Berührung». Die Rose des Herzens beginnt zu knospen, benötigt nun zärtlichen Schutz.

Doch dann:
Wenn sich die neue Quelle gebildet hat, im Moment der Herz-Öffnung, entsteht ein Ton. Manche sagen: Ein Engel sei geboren worden.
Dieser Ton «sprüht» durch das Universum.

Das Werden des inneren, wahren Menschen ist sehr leise, in einer für das menschliche Ohr unhörbare Frequenz, eine sehr feine Schwingung, die in die Schöpfung eingeht.

Die Schwingungen aller «Neugeborenen» wirken vereinend im Leibe der Schöpfung. Es bildet sich die Gemeinschaft der Liebenden. Aus diesen Schwingungen heilender Liebe erneuert sich der Planet und der Menschheitskörper.

Ist diese Vision auszuhalten? Ich glaube, dass es innere Stärke braucht, um Visionen zu halten. Das verleiht ihnen die Kraft der Verwirklichung.

Der Menschheitskörper erneuert und regeneriert sich fundamental durch das Opfer von Menschen, die bereit geworden sind, dem abgespaltenen Weltenschmerz, dem verdrängten Leiden zu antworten. Opfer ist Darbringung.

Die Antwort des Erwachenden ist Mitgefühl, wahres Mit-Leiden im Vertrauen und im Glauben an das Wirken der heilenden Schwingung, die im «Ton», dem aufbauenden Klang lebt, der in der Stille ist.

Wer hört, wird ins Leben gerufen. Wer hört, wird. Wer hört und empfängt, wird zu dem, was er gehört und empfangen hat. Empfängt er Lebenswasser, wird er zur Quelle.

Wer die Stimme, den Ton/Klang, auf dem Grund der Seele empfindet und empfängt, wird ins Leben hinein verwandelt.

Im «Ton» schwingt der sich in Freude verwandelnde Schmerz.

Wenn Menschen in Stille und Hingabe atmen, entsteht Licht, entsteht Bewusstheit. Darin richtet sich der Licht-Mensch auf, verbunden mit der Quelle, aus der er existiert.

Wo sollen sich die neuen, so benötigten Quellen bilden, wenn nicht im Herzen des Menschen?

Wir Menschen haben die Möglichkeit und Chance, bewusst an der grossen Umwandlung teilzunehmen, um ganz Mensch zu werden, als Mitfühlende, wodurch wir zu Strahlenden werden.

Dafür ist es unerlässlich, dass wir die Schreie der Notleidenden hören, wahrnehmen, zu Herzen nehmen. Der Karfreitag geht Ostern voraus.

Der Wandlungsvorgang ist ganz leise, still, sanft; weit weg von allem Getöse.

Wenn sich eine neue grundlegende Qualität, also eine neue Quelle, gebildet hat, entsteht ein Ton, der eine Brücke zwischen Schmerz und Freude bildet – eine Brücke zwischen Hier und Dort, Himmel und Erde.

Der Erwachende ist ein Antwortender. Im Licht der Stille richtet er sich auf.


Zusammenfassung: Eine tiefgreifende Berührung kann den hingebenden Menschen so zentral ergreifen, dass es in ihm zu einem Prozess der Umwälzung kommt. Dabei öffnete sich sein Herz und er kommt in Verbindung mit der göttlichen Quelle, aus der er lebt. Kann und will er dieses erweiterte Bewusstsein und die einströmende Liebe halten, wird er vielleicht zu einer Lichtträgerin oder zu einem Träger göttlichen Wassers. Im Prozess der Rückverbindung zum Ursprung ist dabei ein Klang oder ein Ton entstanden. Die Töne/Klänge der Erwachten finden zu einer Art Chor zusammen, der heilend und regenerierend auf die ausgetrocknete Erde und die durstige Menschheit einwirkt.

Das Unglück der Spaltung und die Freude der Wiedervereinigung

Mit dem Begriff «Weltenkörper», ein Begriff von mir, den ich hier einführe, meine ich erstens die Menschheit, auch in ihrer Geschichte, zweitens unsere Erde als physischen Körper und als Ätherleib und drittens die symbiotische Verbindung, die Union Mensch, Menschheit und Erde.
Körper und Leib werden dem Weiblichen zugeordnet. Die Frau ist die Mutter – Mutter Erde. Wenn der Papst, alle Frau, die je abgetrieben haben, als Auftragsmörderinnen bezeichnet*, lässt sich das interpretieren als letztes Aufbäumen des Patriarchats gegen seinen Zerfall. Denn die Zerstörung, Verurteilung und Abspaltung von Frau, Erde und Natur wendet sich schliesslich gegen seine Urheber.
Ich glaube, dass viele Menschen wieder auf der Suche sind, nach dem Menschen-Erde-Ganzen. Das weckt Hoffnung.

Weltenkörper und Weltseele
Der Mensch hat seinen Weltenkörper und seine damit verbundene Weltseele (anima mundi) weit von sich abgespalten.
Die Spaltung zwischen seiner Individualität, seinem Dasein als Einzel-Mensch auf der einen Seite und seinem Bewusstsein als Erdenbürger, bildet einen tiefen Riss in ihm, ja eine Wunde.

Diese Spaltung ist meines Erachtens eine der Haupt-Ursachen für die anhaltende Zerstörung unserer Mitwelt, die wir als Aussenwelt betrachten.

Die Klima-Katastrophe etwa ist eine der Folgen davon. Die «kapitalistische Philosophie», wenn es diese denn gibt, ist nicht bereit, sich mit dem Schmerz an sich zu befassen, sie kompensiert ihn mittels einer ausufernden und umweltbelastenden Kompensations-Industrie, die alles mit Konsum zudeckt und erstickt, was nach Verstehen und nach wirklichen Lösungen ruft. Ist dies die tragische Konsequenz des patriarchalen Weltverständnisses, welches sich womöglich in den letzten Zügen seines Bestehens befindet?
Die Spaltung erzeugt weltweit, so spüre ich es, eine Unruhe und eine Nervosität. Es ist, als ob wir Menschen schweben würden, wurzellos, entfremdet. Dahinter ist unschwer Trauer zu spüren. Trauer über den Selbst-Verlust. Wir versuchen durch Surrogate dieses «Loch» in der Seele zu stopfen. Zum Beispiel durch Wellness-Kuren, ohne wirkliche und dauerhafte Ruhe zu finden. Auf diese Weise heilt die Ur-Wunde, hervorgerufen durch die Spaltung, nicht.
Was bleibt ist Durst. Durst nach dem, was wir abgewiesen und abgespalten haben.
Vermutlich gab es in früheren Epochen und Kulturen Völker oder Gruppen von Menschen, die ganz mit und in dem Weltenkörper lebten. Ich denke dabei an bestimmte Indianerstämme. Zum Beispiel die Pueblos oder an andere matriarchale Zivilisationen.
Es muss Zeiten gegeben haben, in denen sich der Mensch von seinem Weltenkörper abgespalten hat. Die Gründe kenne ich nicht. Sicher aber ist, dass sich der Entfremdungsvorgang in den letzten Jahrzehnten der hyper-technischen und forcierten, alles an sich reissende wirtschaftliche Entwicklung verstärkt hat. Der abgespaltene Weltenkörper hat sich nun scheinbar gegen ihn gerichtet (Klima-Katastrophe), weil er ihn «verraten» hat. Alles, was wir abspalten, drängt zurück, weil es sich wieder verbinden möchte, es in die Ganzheit zurückstrebt. Wir Menschen fühlen uns von dem, was wir auch sind, angegriffen, doch es ist in Wirklichkeit eine Projektion unserer eigenen Destruktivität und Angst.
Angst vor unserer eigenen, abgespaltenen Natur!
Der Mensch, der sich von seinem Weltenkörper abgetrennt hat, erlebt diesen als etwas Wildes und Fremdes, das er glaubt, bändigen, beherrschen und kontrollieren zu müssen.

Eine Re-Integration unseres Weltenkörpers ist dringend. Die Wunde ist offen, blutet. Heilung tut Not. Wir können nicht ohne jene Wirklichkeit existieren, die wir auch wesenhaft sind.

Viele Menschen denken, der Erde sei der Mensch egal, oder: sie würde ihn als Störenfried erleben, ohne den sie sich besser entwickeln könnte.
Diese These bezweifle ich.

Ich bin überzeugt, dass die Erde den Menschen braucht, so wie er sie.

Ich stimme der Ansicht von Rudolf Steiner zu, der behauptete, dass der geistige Mensch, sehr lange vor seiner körperlichen Inkarnation, Anlass und Quelle der Bildung der Erde und des Sonnensystems war. Sein göttlicher Geist erschuf seine eigene Lebens-Grund-Lage, unseren Heimat-Planeten.

Mensch-Erde bilden eine Zwei-Einheit – eine Dual-Union. Die Spaltung dieser Einheit ist die Ursache für unsere Menschheits-Krise, die eine Überlebenskrise ist. Es gilt deshalb, sie zu überwinden, beziehungsweise sie zu heilen.

Um diese tiefe Entfremdung und Entwurzelung zu heilen, ist es notwendig, dass wir Menschen unser Mitgefühl entwickeln. Insbesondere unser Mitgefühl zu unserer natürlichen Mit-Welt. Dieser Akt setzt einen Prozess der Selbst-Versöhnung voraus, was bedeutet, dass wir Menschen uns wieder vermehrt unserer Binnen-Natur zuwenden. Wenn wir uns liebevoll der eigenen Natur zuwenden, so werden wir dadurch auch die äussere Natur als uns verwandt erkennen können. Dadurch kann der Heilungsvorgang eingeleitet werden.

Die Binnen-Natur des Menschen
Dazu zähle ich folgende Bereiche:

  • Das Gefühl für die psycho-somatische Einheit und Integrität der eigenen Leiblichkeit.
  • Das Empfinden des Organismus und die Intuition für seine zuträgliche Ernährung.
  • Mündiges, intuitives und selbstverantwortliches sexuelles Fühlen und Handeln.
  • Das Erspüren der Balance zwischen Selbst-Anforderung und Behutsamkeit.
  • Die nötige Intuition für ein ganzheitliches, vielfältiges Alltagsleben mit sich, den Mitmenschen und der Natur.
  • Die Einsicht, dass wir körperliche, seelische und geistige Wesen sind.

Es ist insbesonders der weibliche und mütterliche Bereich unseres Menschseins, der wieder in unsere Ganzheit integriert werden müsste, die wir sind. Durch die Zurücknahme dessen, was wir ausgegrenzt und abgespalten haben, werden wir wieder in sich ruhende und verwurzelte Menschen sein können.

Dies ist meine/unsere Hoffnung: Durch meditative Atemarbeit und durch eine visionäre und praktische Rückkehr zu unserer eigenen Natur, wie zur Natur «da draussen» werden wir uns mit dem unbewusst so vermissten Weltenkörper wiedervereinigen und werden dadurch zur Ruhe des fliessenden Lebens finden. Die Wunde wird sich schliessen durch das neue Erleben einer innigen Zusammengehörigkeit zwischen innen und aussen, zwischen unserer eigenen Seele und der Weltseele, zwischen Frau und Mann. Diese Heilungsarbeit setzt voraus, dass wir unsere Zerrissenheit erkennen und wir verstehen, dass es Sinn macht, uns am Heilungsvorgang zu beteiligen.
Bei unserer Wiedervereinigung wird unser Atem gross** und unsere Ganzheit als ungeteilte Menschen umfassen – all-umarmend. Menschheit und Erde leben nun in unserem Atem-Raum. Es wird sich Frieden einstellen und Freude wird aufkommen.

*So etwas darf nicht hingenommen werden!

**vergleiche den Beitrag zu ATEM 1 + 2

Zum Titelbild: «Der blaue Planet» Bild von Werner Binder

Der Weltschmerz und die Samen des Guten

Der Weltschmerz und das Leiden der Welt suchen eine Wohnstatt, einen Ort, wo sie -endlich – gesehen und gehört werden,
wie jeder Mensch gehört und gesehen werden will, damit er sich entspannen und sich lösen kann,
wie alle, die leiden, sich verloren und verzweifelt fühlen, ein offenes Ohr
und ein offenes Herz suchen, solange, und immer rastloser werdend,
bis sie es gefunden haben.

Und da gibt es Menschen, nicht Wenige, die
das Klopfen hören und auftun und Einlass gewähren.

Einlass für die Schmerzvollen, Verwundeten, Leidenden, in Gestalt
endloser Flüchtlingsströme,
in Gestalt hungernder Kinder,
in Gestalt verelendender Tiere und aussterbender Pflanzen,
in Gestalt junger Männer, die ihren Vater im Krieg verloren haben,
in Gestalt missbrauchter und vergewaltigter Frauen.

Jemand muss doch da sein für die Gestrandeten, die Verwundeten, die Verlassenen.

Der Schmerz der Welt will gehört und wahrgenommen sein.

All das, was Menschen ausgelagert haben, öffentliche Dienste, Funktionen, Gefühle, ihr eigenes Leiden ist auf der Suche
nach offenen Herzen.

Bis Du nicht mehr kannst, feinfühlige Frau, empathischer Mann,
bis zum Punkt, wo Du den Kopf auf den Tisch legst
und einen tiefen, langen Seufzer ausstösst,
und vielleicht legt sich dann Ruhe über Dich, wer weiss
und ein leises Lüftchen umkreist Deine Schläfen

oder Du bemerkst, dass ein wunderbarer hilfreicher oder schöpferischer Gedanke zu Dir kommt, der von Dir sanft geknetet und angehaucht werden möchte
und zu einem Samen des Guten werden möchte.
Du atmest bewusst, während Du ihn zu einem Samen rollst und mit jedem Atemzug
wird er geschmeidiger und er beginnt gold-gelb zu glänzen und

er bittet Dich zu einer guten Tat.
Die Magie der Verwirklichung umhüllt Dich wie ein feiner Zauber.
Du bringst den Samen, den Du zwischen den Fingern und im Herzen bewegt hast,
den Du liebevoll angehaucht hast und ihm so Leben gegeben hast
in die Erde.

In die Erde, den Humus, die Humanität.
Dann, wenn Du den Samen mit Erde zugedeckt hast,

beginnst Du darüber zu tanzen.
Die Sonne funkelt in deinen Wimpern
und Du spürst, wie dass Sonnenlicht zur Erde fällt.

Dann wirst Du leer, unendlich leer und still.
Und während Du schläft, flüstert Dir die Geliebte/der Geliebte ins Ohr,
während Dein Verstand im Tief-Schlaf ist.

Oh!

Am nächsten Tag, irgendwann zwischen Tür und Angel
klopft der Weltschmerz an Deine Türe
und die Heilkraft in Dir
öffnet ihm die Tür.


und Du spürst, wie Dir ein warmes Gefühl entströmt, wie ein Licht in der Nacht.
***********

zum Titelbild: Ausschnitt einer Darstellung von Kannon oder Kanzeon, Bodhisattva, die Verkörperung des Mitgefühls, in männlicher Gestalt als Avalokiteshvara bekannt.

Die Unsichtbaren

 Zum Begriff des unsichtbaren Menschen, der von mir stammt: Wenn der Mensch den Kontakt mit seinem inneren Licht verliert, kann er nicht mehr strahlen. Er hat sich verdunkelt, verfinstert, ist zum nach aussen gerichteten Abwesenden geworden; er ist einer geworden, der sich im Äussern verloren hat, weil er nicht mehr vom Innern, also vom Sein gehalten ist. Das, was wir im Innersten sind, leuchtet. Haben wir es vergessen, so hören wir auf zu scheinen und verdunkeln. Wir werden unsichtbar.

 

Der Mensch stürzt in die Unsichtbarkeit. Er irrt durch den Nebel der Selbst-Entfremdung.

Er entfremdet sich von sich selbst, wird zum Schatten seiner selbst. Er entwurzelt sich, trennt sich von seiner Seele ab und damit auch vom inneren Licht. Er spürt die Erde, auf der er geht, nicht mehr.

Der Mensch, als Schatten seiner selbst wird zum Unsichtbaren, der sich von seiner geistig-seelischen, göttlichen Wirklichkeit abtrennt, gleichsam aus dem Licht der Erkenntnis und der Liebe herausfällt und sich dem künstlichen Licht verschreibt, welches ihn blendet.
Geblendet wird alles schwarz vor Augen.
Ist unser Outfit eine Maske, die verdeckt? Glanz ohne Licht?
Ist das künstliche Licht, das sich zum Licht-Smog verdichtet, Ersatz für das wahre, geistige Licht? Das Kunst-Licht, zum Teil aus Atom-Strom gewonnen: Tut es uns in dieser immensen Ausbreitung gut?

Weder das Rendite-Denken und die Ausrichtung auf die Gewinn-Maximierung, noch die neuen Technologien (so gut sie auch sein mögen, wenn sie mit Augenmaas angewendet werden) können uns in unsere Mitte führen. Diese beiden Mega-Trends tragen einen immensen Absolutheits-Anspruch in sich, den Viele -auch ich- als gewalttätig empfinden.

Diese beiden Trends sind daran sich zu einem einzigen zu verschmelzen: Der digitale, neo-liberale Super- oder Übermensch soll entstehen, der sich physisch und verstandesmässig mit künstlicher Intelligenz (Trans-Humanismus) verbinden will, bei gleichzeitiger Verleugnung seiner Seele. DER TREND ist dabei, sich in Gesellschaften, die den Erfolg und die weltweite Vorherrschaft anstreben, durchzusetzen. DER TREND saugt alles an sich, dringt in alle gesellschaftlichen Bereiche ein. Zum Beispiel in die moderne westliche Medizin, in der die Eingriffe alle früheren Grenzen des ethischen Empfindens durchbrechen. Vermehrt werden Chips in den Körper eingefügt um diesen zu optimieren. Die Technologie-Gläubigkeit nimmt geradezu groteske Züge an – auf Kosten der Pflege und der seelischen Betreuung der Patienten – des Menschen überhaupt.
Wie riesig muss doch die Selbst-Verachtung von Menschen sein, die sich ohne Scham als Konsumenten, Verbraucher, Selbst-Optimierer bezeichnen, als Personen, die damit beschäftigt sind, sich immer raffinierter zu inszenieren, um Erfolg und Ansehen zu haben. Ist es denn nicht eine Selbst-Beleidigung, wenn sich Menschen als Kapitalisten sehen, deren Ziel Kapital-Akkumulation ist? Praktisch alle menschlichen Denk- und Handlungsbereiche sind okkupiert von ökonomischen Erwägungen und Sichtweisen, insbesondere vom Renditedenken. Bis tief in die Sprache und tief in die Psyche hinein. Sind wir infiziert?

Haben wir uns abgefunden, uns so zu definieren, weil es üblich geworden ist und wir resigniert haben – oder weil es stimmt?
Nun meine Sicht mag düster sein: Ich stelle fest, dass es einen Mega-Trend gibt, der aber nicht die vollständige Wirklichkeit repräsentiert. Dennoch scheint es mir wichtig und nötig, die Selbst-Verachtung, die wirksam ist, zu erkennen und als Gefährdung wahrzunehmen. Jede radikale Veränderung beginnt mit einem unerschrockenen Hinsehen.
Viele Leute werden einsehen, dass die Menschen (die Mächtigen, die Gescheiten, die Politiker, alle!) nicht mehr aus eigener Kraft zurück finden in das Wissen und in das Gefühl des unendlichen Aufgehoben-sein. Wir haben das Steuer aus den Händen verloren! – Dieses Eingeständnis könnte die Wende bringen – und uns sogar irgendwie trösten.

Ist das alle noch zu managen – oder bedürfen wir der Gnade?

Die Hüterinnen und Hüter des Lichts

Die Aussen- oder Mitwelt ist ein Spiegel unserer Innenwelt, unserer inneren Verfassung, der Seele. Die innere seelische Verfasstheit erzeugt den Charakter unserer Zivilisation und unsere Bewusstheit.
Die Welt ist dunkel, so scheint mir, das Licht dieser Epoche hat sich zurückgezogen. Anzeichen eines globalen Sterbeprozesses sind mit nüchternen Augen zu erkennen. Dies verweist auf unser gefährdetes Innere.

Hüten und nähren wir also die lebendige Liebesflamme in uns, so wird sie einmal auch im Aussen, also in der Welt, in der wir leben, wieder auflodern können.

«Unsere Aufgabe und unsere Übung ist es, dieses Licht am Leuchten zu halten und den Zugang zu diesem Licht zu bewahren. Es weist uns den Weg auf unserer inneren Reise in die Tiefen unseres Seins. Ohne es können wir den Weg nicht finden. Und es führt uns auch in der äusseren Welt und befähigt uns, dort ein Leben mit einem wirklichen Sinn zu finden. Das Licht der Seele ermöglicht es unserem wahren Selbst erfüllt zu sein. Ohne es lebt man lediglich das Leben des Ego auf einer kollektiv oberflächlichen Ebene.»    (Llewellyn Vaughan-Lee)

Nur das wahre Licht des Geistes in uns wird uns zurück in die Sichtbarkeit bringen können. Es wird uns mit unserer Hybris konfrontieren und uns helfen, empathisch zu werden und wieder in Verbindung mit dem Lebendigen zu kommen. Das Geistlicht lässt sich aber nicht zwingen; wir können es nur erbitten. Und: wir haben die Freiheit, uns auf die Quelle, aus der wir sind, auszurichten.
Wenn es dem Menschen (wieder) möglich sein wird zu bitten, wird dies ein Zeichen dafür sein, dass er seine Hybris überwunden hat. In dem Masse wie er erkennt, dass er und die Erde heilig ist, werden seine Kompensationen, seine Ersatz-Handlungen zerbröckeln. Was für eine Erleichterung!
Nur das, was wir im Innersten sind, leuchtet.

Strömendes Leben – Wege aus der Kontrolle

Die allumfassende Liebe, die sich auch als geistiges Licht (oder umgekehrt: das geistige Licht, das sich auch als allumfassende Liebe) ausdrückt, ist immer da, jetzt gegenwärtig. Die primäre Wirklichkeit oder anders ausgedrückt DIE REALITÄT bildet sowohl den Hintergrund, auf dem sich der Tanz des Lebens abspielt, wie auch das Zentrum ( das Herz) einer jeden lebendigen Manifestation. Jeder Mensch ist umhüllt und durchströmt von der gütigen, liebevollen göttlichen Gegenwart, aus der alles Leben kommt. Immer. – Dies ist das Fazit meiner Erkenntnisse nach 73 Jahren Leben.
Alles, wie auch wir Menschen, sind erleuchtet – und sind es dennoch nicht, solange wir das, was uns das Leben gibt, abweisen oder ignorieren. Die Sonne kann noch so schön scheinen, ohne dass wir dies bemerken – und wir bemerken es nicht, wenn wir zum Beispiel in einem von uns selbst völlig abgedunkelten Zimmer sind.
Unser verdunkeltes und noch wenig entwickeltes menschliches Bewusstsein rührt daher, dass wir Menschen im Allgemeinen das Licht der Liebe und der Wahrheit zurückweisen und/oder es als nicht existent erklären.
Viele denken, dass uns der Verstand und die menschliche Intelligenz genug sein müssten. Künstliche Intelligenz (KI) könne man hinzunehmen. Sie zu entwickeln sei dem menschlichen Verstand möglich.
Was, so denken Manche, würden so schwammig Konzepte wie Seele und Geist da nützen.
Das ist eben der Punkt: Seele und Geist gelten bei Vielen nur als Konzepte und Vorstellungen, die keinen Realitätsanspruch haben könnten; diese seien allenfalls das Resultat von Gehirn-Funktionen, wie sie denken.
So etwas wie geheimnisvolle, nicht ganz zu ergründende Wirklichkeitsebenen würden nicht existieren. Ein göttliches Wesen anzunehmen wäre lächerlich.

Ich betrachte diese Anschauungen als Allmachts-Ansprüche, die so etwas wie ein Angewiesen sein oder eine menschliche Ur-Bedürftigkeit in Abrede stellen. Diese Haltung ist in abgeschwächter Form bei fast allen Menschen festzustellen, auch bei solchen, die sich als spirituell ausgerichtet sehen.
Viele Menschen nehmen spirituelle Erfahrungsberichte von Menschen nicht als bare Münze, nicht als Wirklichkeit, sondern als Bilder über… oder Vorstellungen von… oder Hoffnungen auf… etwas wahr, das einmal sein könnte, nicht aber als Tatsachen, als Realität, also als etwas, dass es tatsächlich gibt, hier und jetzt.
Deshalb bleibt die bedingungslose Liebe, das grosse Licht der Wahrheit und der grosse Segen durch uns Menschen empfindlich abgeschwächt und darum kann das Licht in uns nicht zum Strahlen kommen. Deshalb lebt die Menschheit in einem Dämmerlicht, aufgeschreckt von Irrlichtern und ungezählten Versuchen, das Leben zu verbessern, ohne jemals das Glück nahen zu fühlen.
Das, was uns rettet und heilt, weisen wir zurück, eher passiv-resignativ, denn als lärmend und aggressiv.
*
Das, was uns rettet, ist in jedem (wirklich in jedem!) Atemzug gegenwärtig.

Es heisst im Prolog des Johannes-Evangeliums 1, 9 und 10 (und diese Passage macht mich stets traurig):
«Er war das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der zur Welt kommt. Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, und die Welt hat ihn nicht erkannt.
Er kam in das Seine, und die Seinen nahmen ihn nicht auf.»
Und nun in der Gegenwarts-Form:
«Er ist das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der zur Welt kommt.
Er ist in der Welt und die Welt wird durch ihn und die Welt erkennt ihn nicht. Er kommt in das Seine und die Seinen nehmen ihn nicht auf.» – Du kann st es auch in weiblicher Form lesen.
Und jetzt noch sächlich-neutral:
«ES ist das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der zur Welt kommt. ES ist in der Welt und die Welt ist durch ES geworden, und die Welt erkennt ES nicht. ES kommt in das Eigene und es nimmt ES nicht auf.»

Wir neigen dazu, die heiligen Texte in die Vergangenheit zu legen und sie dort festzuhalten. Wahrheitstexte machen aber vor allem für den gegenwärtigen Moment Aussagen.
Etwas zu empfangen, dass wir nicht unter Kontrolle haben, widerspricht unserem Zeitgeist zutiefst. Unsere Optimierungssucht schliesst alle Bereiche und Ebenen aus (oder minimiert sie), die nicht unserer Kontrolle unterstehen. Wir wollen uns nicht an Kräfte hingeben, die sich ausserhalb von dem bewegen, was wir kennen.
Dabei schliessen wir uns selbst aus, unser lichtes Wesen, das in der Dämmerung auf Befreiung wartet. Unser Kontroll-Anspruch lässt uns einsam werden – und er schneidet uns  von dem ab, was uns heilt und von dem, was wir zutiefst sind.

Ich entdecke auch in mir manchmal eine subtile Art, wie ich mich selbst hindere, mich den Strömen des Lebens und der Liebe hinzugeben, aus Angst die Kontrolle und den Überblick zu verlieren, oder weil ich meine, ich sei es nicht wert, die Fülle annehmen zu dürfen.

Ich glaube, dass es für uns alle hilfreich ist, wenn wir uns selbst und anderen Liebes- und Wiegenlieder vorsingen (es können auch Mantras sein), um uns zu stärken und uns zu ermutigen, uns den flutenden Wellen der Liebe anzuvertrauen.
In jedem Moment, in welchem Menschen solche Selbstbeschränkungs-Mechanismen entdecken und mutig überwinden und im Vertrauen auf jene Liebes-Ströme, die sie über die engen Grenzen hinwegtragen, wird es auf der Welt ein klein wenig heller.