Hypnose und Anpassung

Zunehmend erlebe ich die Welt unter Hypnose gefangen. Anders gesagt: verengt im Irrlicht von Illusionen. Andere sagen «Maya». Ein Leben jenseits des Wahrheits-Bewusstseins, ein Leben im Wahn. Ich frage mich: Hat sich meine Wahrnehmung verändert, eventuell geschärft, oder ist die Welt anders geworden: unwirklicher, gefangen in einer Art von Hypnose?

Ich war ein Nachkriegskind, ein Nachkriegs-Jugendlicher. Ich verschlang die Nachkriegs-Literatur, beschäftigte mich mit grossem Entsetzen mit dem Holocaust.

Folgender Text von Günter Eich packte mich:

«Nein, schlaft nicht, während die Ordner der Welt geschäftig sind… Tut das Unnütze. Singt die Lieder, die man aus eurem Mund nicht erwartet. Seid unbequem, seid Sand, nicht Öl im Getriebe der Welt.»                                                                      G. Eich, 1907 bis 1972

Dieses Zitat war mir ein Leitspruch während meiner Jugend. Es half mir, mich selbst zu finden, mich nicht an Fremdem, sondern an meinen eigenen Träumen zu orientieren.

Viel später beschäftigte ich mich wieder mit Anpassungs-Bereitschaft, als ich von Hannah Ahrendt hörte: Sie bezeichnete die Charakteristik des Bösen als banal, als eine Form der Anpassung bis hin zur Unterwerfung, als Gedankenlosigkeit, wo die Folgen der eigenen Gedanken und Taten nicht bedacht werden. Sie fand im Guten, im Gütigen Gedankentiefe, nicht aber im Bösen, welches sie als oberflächliche Pflichterfüllung, als Ordentlichkeit ohne Mitgefühl betrachtete.

«Es kommt immer anders, wenn man denkt.» So das Leitwort von Rubikon, dem wachen, empfehlenswerten alternativen Nachrichten-Magazin im Internet.
Kann man das Böse eventuell als Gedankenlosigkeit ansehen? Ich glaube, dass sie ein Aspekt davon ist.

Viele Trends in unserer Gesellschaft erinnern mich an Hypnose, die uns in eine Art von trance-ähnlichem Schlaf spült, in dem es spukt. Es ist ein Schlaf der uns betäubt zurück lässt, welcher es uns nicht erlaubt, klar zu denken und Entscheide zu fällen.

Zu den Herrschaftsmechanismen im Bildungsbereich äusserte sich Rainer Mausfeld* wie folgt:

«Im Gefolge der neo-liberalen «Revolution von obewurde auch das gesamte Bildungssystem ökonomischen Kategorien unterworfen. Die Aufgabe der Universität besteht nun in der marktkonformen Produktion von «Humankapital».
Dazu korrespondierend besteht die Aufgabe der Studierenden darin, ihr Fremdverwertbarkeitskompetenz zu optimieren, um so flexibel auf dem Arbeitsmarkt verwertbar zu sein. Die Verinnerlichung einer solchen Haltung und die Unterwerfung unter sie werden dann als «Selbstverwirklichung» bezeichnet. Eine solche Pervertierung der Idee einer Entfaltung eigener Neigungen und Fähigkeiten führt zwangsläufig zu geistiger und psychischer Fragmentierung der Studierenden und auch zu grossen Zukunftsängsten. Beides beeinträchtigt aus naheliegenden Gründen die Möglichkeit und die Bereitschaft, Dinge zu hinterfragen und führt zu Entpolitisierung, ja, politischer Lethargie.»*

 Ich glaube, dass die Anpassungs- und die Hinnahme-Bereitschaft bis hin zur Unterwerfung zunehmend unbewusst geschieht. Die «Intelligenz» des gesellschaftlichen Systems bewirkt, dass die Anpassungsleistungen, die die Leute erbringen, jenseits der Bewusstheit abläuft – eben in Hypnose.

Gewalt wird mit Wohlgeruch ummantelt, mit kleinen Vergnügungen. Infotainment ist eines der Mittel der Kaschierung. Euphemismen okkupieren die Sprache; die Meinungs-Vielfalt der Presse, der Medien, zerfällt zusehend. Zucker liegt auf den rohen Tatsachen.

Wir wissen immer weniger, dass wir hypnotisiert sind.

Beginnender Widerstand in der Bevölkerung wird ignoriert, unsichtbar gemacht oder ins Lächerliche gezogen. Oder: es wird ein Geschäft aus ihm gemacht, denn alles was stört, wird vermarktet und die Beschleunigung behindert das Erwachen. Das mag eine Erklärung dafür sein, warum die Lämmer schweigen.
Als Illustration zum Gesagten empfehle ich das Buch von Sibylle Berg: „GRM – Brainfuck» zu lesen. Es ist schwere Kost, aber analytisch brillant. Es geht im Buch um die total gesteuerte und überwachte Welt.

Und jetzt drängt es sich auf, das oben genannte Zitat noch einmal zu lesen:

«Nein, schlaft nicht, während die Ordner der Welt geschäftig sind… Tut das Unnütze. Singt die Lieder, die man aus eurem Mund nicht erwartet. Seid unbequem, seid Sand, nicht Öl im Getriebe der Welt.» 

*Rainer Mausfeld: Warum schweigen die Lämmer. Westend

Beitrags-Bild: Bild von HR Giger

 

 

Stärke und Hingabe

Da mein Gesundheitszustand seit einigen Jahren fragil ist, bin ich genötigt, tägliche verschiedene Medikamente zu verschiedenen Zeiten regelmässig zu mir zu nehmen und mich eines Lebensstiles zu befleissigen, der mir guttut. Da komme ich um ein Stück Selbst-Disziplinierung nicht herum. Ich nenne es auch Stärke. Ich lasse mich auch nicht von Ängsten und Ohnmachtsgefühlen wegtragen, sondern versuche, in dem stehen zu bleiben, was geschieht. Wenn ich nun, was ich versuche, das Beschwerliche meines Lebens nicht einfach nur zu erleiden, sondern mich diesem Geschehen, das mit zu meinem Lebensplan und meiner Lebensaufgabe gehört, hinzugeben und es anzunehmen, so stimme ich dem, was geschieht, zu und bin somit in Übereinstimmung mit meinem Lebensprozess.

Beim Nachspüren und Nachdenken über Stärke und Hingabe wurde mir klar, dass es sich hier nicht um Pole oder Gegensätze handelt, sondern um zwei Seiten einer Kraft.

Der womöglich wichtigste Aspekt von Stärke besteht darin, anzunehmen, was ist – und in dem, was ist, zu verweilen bis die gegenwärtige Gefühls- oder Gedanken-Welle abklingt. Negativ ausgedrückt: es ist nicht förderlich, ein Gefühl oder einen Gedanken zu verlassen, bevor er sich aufgebaut und ausgestaltet hat. Ich halte es für eine Zeitkrankheit, dass wir Menschen die Tendenz haben, von Gefühl zu Gefühl, von einem Gedanken zum nächsten zu springen, flüchtig, zerstreut, gehetzt, um hinter uns ein Spur von Unfertigem zurück zu lassen.

Die versteckte Absicht hinter diesem beschleunigten, angetriebenen Leben ist, dass der Mensch nicht zu sich kommt und damit manipulierbar bleibt.

Für viele Menschen ist es das Schwierigste, die Fülle, Schönheit und LIEBE anzunehmen und in sich hineinfliessen zu lassen, weil sie eine falsche Bescheidenheit erlernt haben oder weil sie glauben, dass sie es nicht wert sind, Gutes trotz eigener Schwächen geschenkt zu bekommen.

Alles braucht seine Zeit, damit es sich manifestieren kann. Es ist Hingabe an das Leben und gleichzeitig Stärke, den eigenen Rhythmus und das eigene Tempo zu finden.

Stärke bedeutet auch, Lebensphasen auszuhalten und zu bejahen, die weder aufregend, noch sensationell, sondern gewöhnlich, ja sogar langweilig sind. Manchmal stagnieren wir halt oder das Leben braucht eine Verschnaufpause. Manchmal ist es nicht die Zeit, zu liefern, Erkenntnisse oder Erfolg anzuhäufen, sondern geduldig zu warten, sanft und ruhig.

Wenn jemand zu lange die Seite der Stärke betont hat und ihm dies bewusst geworden ist, so ist es an der Zeit, die Seite der Hingabe zu beflügeln.

Hingabe: wir geben uns dem Leben hin, dem Nächsten, dem Geliebten und gleichzeitig – das ist die andere Art von Hingabe, wir erkennen das Leben als all das, was uns gegeben ist (das Leben als Gegebenes!). Hingabe hat etwas Rundes, Biegsames, Schmelzendes und Weiches an sich, während Stärke eher das Strenge und Aufrechte betont. Deshalb ist es vor allem die Hingabe, die uns wieder ins Fliessende des Lebens bringt.

Während wir vielleicht vorerst zwischen Stärke und Hingabe pendeln, kann es uns mit der Zeit möglich werden, beide Aspekt dieser Kraft gleichzeitig zu fühlen und zu erleben. Das ist im Alltagsbewusstsein kaum möglich, aber auf einer höheren Bewusstseinseben (etwa in Meditation) sehr wohl.

Stärke bedeutet auch die Kraft etwas zu halten, wenn nötig festzuhalten: zum Beispiel eine Beziehung, die eine Basis in unserem Leben darstellt, an der intuitive Absicht eine schwankende Brücke zu überschreiten, an einer zentralen Überzeugung beharrlich und treu festzuhalten, die eigenen Vision umzusetzen.
Gleichzeitig braucht es die Hingabe an den als nötig erkannten Prozess, mit der Strömung des Lebens und nicht gegen sie zu gleiten – in Leichtigkeit.

Manchmal ist die Zeit da, beharrlich zu sein, manchmal ist der Moment gekommen, nachgiebig zu sein. Es ist eine Lebenskunst zu spüren, wann welche Haltung erforderlich ist und mir jetzt die Gelegenheit bietet, zu lernen.

Jede Situation, die mir meine Seele kreiert, gibt mir die Gelegenheit bewusster und wacher zu werden. Es ist Stärke und Festigkeit, die sich bildet, wenn ich mich der Herausforderung, die in der Situation liegt, stelle. Wenn ich mich dem gegenwärtigen Prozess hingebe, dient er meiner Entfaltung.

Stärke/Festigkeit und Hingabe/Vertrauen bilden in ihrem Zusammenwirken die sanft-kraftvolle Herzenskraft (Tipharet).

In jeder Phase einer Meditation gilt es zu erkennen, ob es nun mehr der Stärke oder mehr der Hingabe bedarf, mehr der Konzentration und Verweil-Kraft oder mehr der Übergabe in den Herzensfluss, also der Hingabe.
Stärke und Hingabe erzeugen zusammen Elastizität und Biegsamkeit. Der starke und gleichzeitig biegsame Stamm eines Baumes hält auch kräftigen Stürmen stand, nicht aber der spröde oder zu weiche Stamm.

Dasselbe gilt für Beziehungen: Durchsetzungskraft und Nachgiebigkeit, Festigkeit und Hingabe in rhythmischem Ausgleich halten die Beziehung jung und elastisch.

Radikale Heilung

In lockerer Reihenfolge möchte ich zum Haupt-Titel «Radikale Heilung» einzelne Aspekte des Heilens zur Sprache bringen, da ich glaube, dass es in der jetzigen Zeit von ausserordentlicher Bedeutung ist, dass sich Menschen, denen die Zerfalls-Erscheinungen der heutigen Zeit bewusst sind, ihre Heilqualitäten wahrnehmen und entwickeln. Als Anteilnehmende scheint mir dies geradezu eine folgerichtige Konsequenz zu sein, und – wie bei allem, welches wir als essentiell bedeutsam wahrnehmen – beginnen wir bei uns selbst.

I.   Die Quelle – der Anfang

Im Zentrum, in der Mitte der Welt, in der einen Quelle, am Ort in dem alles wurzelt und hervorgeht in die Vielfalt der Verästlungen des Lebendigen, – da also, wo alles ruht, hervorgeht, emaniert, da, wo die Sonne des Herzens aufgeht:
hier erstrahlt der Geliebte;
da beginnt die Heilung unseres Planeten und die Heilung der Menschenwelt, da erhebt sich der wahre Mensch, so wie er gemeint ist. Im Licht. Der Geweitete, der Heiler der Welt. Da geschieht die radikale Heilung der Welt-Gesellschaft, die Transformation des Geknechteten in die Würde des Erstrahlenden, Geheilten, All-Liebenden.

Der Menschheitskörper erkrankt weiter oder er öffnet sich der Heilung.

Im Prozess, wo das Licht Heilgestalt annimmt, kommt wieder Farbe in das Verbleichende (Verblichene), und wieder bewegt sich einst Gelähmtes von Neuem.
Es ist der Seelen-Innen-Raum, in dem das Licht heilende Gestalt annimmt, wo der innere Heiler zum Leben kommt.

Im Anfang lebt das Vollkommene, wie im Samen schon der vollständige Baum abgebildet ist. – Abgespalten vom Ganzen, abgetrennt vom Ursprung verliert sich jedes Tun im Einzelnen, verkümmert zur Reparatur oder zur Symptom-Heilung.

In erlebter Verbindung mit dem Anfang, der Quelle, geht die Ur-Wirklichkeit in das Einzelne, mit dem wir uns beschäftigen, ein, so wie der Musiker, der die Symphonie im Ohr des Herzes hört, die Schönheit und Kraft des Gesamt-Kunstwerkes in den einzelnen Ton legt, den er gerade spielt.
Der erwachte, bewusste Mensch beginnt den Anfang, den Ursprung in allem zu spüren mit dem er im Kontakt ist. Der Klang des Anfangs, der aus ihm in völliger Ruhe aufsteigt wird ihm zum Grund im Leben in seiner Vielfalt.

Der Arzt, um ein anderes Beispiel zu nennen, der ein bestimmtes Organ seines Patienten untersucht und gleichzeitig in Verbindung bleibt mit dem Organismus, aber auch mit der körperlich-seelischen Ganzheit seines Patienten, wird heilende Energie verströmen und den ganzen Menschen, den er behandelt, stärken.

An der Quelle
Jeder Anfang, wenn sich neues Leben gebiert, ist hauchfein, zart, leise. Jeder Anfang ist rein, frisch, jung.
Jeder Anfang ist ewig.

Es gibt eine windhauchartige Regung im erblühenden Geist, der sich in feinstem Licht zu erkennen gibt und aus sich Leben gebiert, welches an eine weisse Flamme erinnern mag. Der Übergang, wo beide zugleich -Geist und Leben- erlebbar und «sichtbar» sind, ist heiliges Geschehen, Offenbarung der LIEBE, Geschenk, wenn es uns erlaubt ist, am Geschehen mit offenem Herzen teilzunehmen, eine heilende Initiation, der Anfang eines jeden Heilens, jeder Wiederherstellung und Wiederbelebung zerrütteten Lebens. Zeuge dieses Überganges, dieses Wunders zu sein, lässt uns zu Mit-Gebärenden werden.

Im Übergang gibt es jedenfalls den berührenden Moment, wo Licht, Liebe und Leben nicht mehr unterscheidbar sind; es ist der Moment, der uns zu unserem Wesen führt.

Ich werde im Moment geboren, wo Leben dem Geist-Licht entsteigt.

Dieser innere Geburts-Bereich im Seelenzentrum lässt sich erschaffen und ausweiten, wenn der Mensch ihm fortwährend Raum und Aufmerksamkeit zukommen lässt. Dies ist auch eine Art des Betens.

Da der Mensch niemals über die Quelle verfügen kann, wird er sich damit begnügen dürfen, Gefäss für das Wasser des Lebens zu sein.

Wie mysteriöse und paradox zugleich ist es doch, dass das Höchst und Tiefste, das göttliche Leben, im Menschen ist, sein Zentrum ausmacht, so dass man sagen könnte: «Zuinnerst sind wir göttliche Wesen», und gleichwohl steht es uns nicht zu, eigenmächtig darüber zu verfügen. Das, was uns am meisten ausmacht, ist nicht unser Besitz. – Ich fühle, dass es so gut ist.

 

Das betrachtende Selbst

Anders als die egozentrische Sicht, welche auf das, was stört, fixiert ist, ist der betrachtende, schauende Blick des hohen Selbst weit, all-umspannend, einbeziehend und weit, in Ausdehnung begriffen und wohlwollend.

Das Ego bindet, fixiert, macht abhängig, nimmt in Besitz. Es fragmentiert, atomisiert, pulverisiert, trennt, während die Sicht aus dem Selbst, organisch und natürlich das was ist, zur Entfaltung und ins volle Leben bringt. Das wahre Selbst ist konsistent und so auch sein Blick, der das Eine im Vielen erkennt, ein Blick voller Güte, der alles akzeptiert, respektiert, alles sanft und sehr liebevoll betrachtet. Wir können auch sagen: mit dem Herzen betrachtetes Leben.

Dieses Schauen entbindet das gefesselte Leben aus der Umklammerung des besitzergreifenden Egos.

Das Ego will das, was es stört, entfernen, abtrennen, aburteilen, verbannen oder vernichten.
Zerstören, was stört heisst die Kürzest-Formel dieses ausschliessenden Systems.

Es gibt Eltern, dies als ein Beispiel, die betrachten ihr Kind (vielleicht deshalb, weil es nicht so angepasst ist) als Störenfried, solange bis es wirklich gestört erscheint und ein falsches Selbst aufgebaut hat, in dem sein angebliches Gestört-sein eingebaut ist und zur Selbst-Verachtung führt. Diese Störung trägt meist einen Namen oder eine stigmatisierende Botschaft, zum Beispiel: «Du bist zu langsam!». Der betreffende «Störenfried» setzt sich in Folge unter Druck schneller zu werden, wird dadurch fehlerhaft und, weil er seine Fehler ausbügeln will, was Zeit braucht, noch langsamer, was wiederum auf Ablehnung stösst. So baut sich ein inneres Drama auf.
Das ist ein zentrales Merkmal des Ego: es erfindet Dramen, bläht diese auf, um vom Wesentlichen abzulenken.
Das Drama -wir können auch von einem Muster sprechen- bindet sehr viel Aufmerksamkeit und damit Energie an sich, wodurch sich die daraus entstehenden Konflikte verschärfen. Die Eltern, um zum Beispiel zurückzublenden, haben den Gewinn, der darin besteht, dass ihr Sohn oder ihre Tochter Träger*in ihrer eigenen, nicht eingestandenen Schwäche geworden ist, Symptom-Träger-in des eigenen Schattenanteiles.

So etwa arbeitet das Ego. Wir alle kennen das – bei uns und bei anderen.

Das Ego fixiert, kapselt ein, bringt in Vereinzelung und damit in Einsamkeit und erzeugt somit eine Art von falscher Identität: Ich bin so, du bist so. Zu Beispiel: Ich bin zuverlässig, du bist chaotisch. Mit dieser Art von Klein-Identitäten zimmern wir unser Lebens-Skript, unser Dreh-Buch des Lebens und daraus ist unser Blick und unser Urteil über andere gespeist. Unserem Drehbuch gemäss urteilen wir und binden andere Menschen an uns.

Wenn wir Andere von unseren Urteilen und Vorstellung entbinden, vergeben wir. Somit lassen wir die anderen Menschen frei, lassen sie ihren eigenen Weg gehen und wir geben ihnen den freien, offenen Raum, um sich ihrem Wesen gemäss zu entfalten. Zur selben Zeit befreien wir uns selbst von den Vorstellungen, die uns behindern, uns selbst zu verwirklichen.

Indem wir verzeihen wechseln wir die Ebene unseres Bewusstseins: Vom fixierenden, urteilenden Sehen wechseln wir zum wohlwollenden Betrachten. Wir lösen uns von unseren Erwartungen, die einengen und ihre Wurzel in der Angst haben. Es ist das betrachtende, göttliche Selbst, welches uns und andere auf den Grund unseres Seins führt.

Die Befreiung geschieht durch die Öffnung des Herzens und die Akzeptation der verschiedenen individuellen Ausdrucksweisen der Menschen, der Wesenheiten, was LIEBE bedeutet.

Durch das wohlwollende Betrachten entbinden wir, befreien Leben zu sich selbst hin. So betrachtet regeneriert sich bedrücktes, gebundenes Leben, findet zu seiner Ursprünglichkeit, zur Frische und Reinheit des Seins.

Dieses Betrachten können wir auch Kontemplation nennen.
Das Betrachten aus der Weite des Herzens befreit und heilt.

Freud und andere Psychologen lehrten, dass neurotisches, zwanghaftes Verhalten, das zu ständigen Wiederholungen neigt, durch Erkenntnis und Einsichten in die Entstehungsgeschichten der Symptomatik zur Gesundung und Lebendigkeit verhilft. Ich bin überzeugt, dass sie recht hatten. Allerdings ist dieser Weg allein mühsam und langwierig, während der Weg des Wechsels der Weise des Sehens vom egozentrischen Blick zum wohlwollenden kontemplativen Betrachten eher geeignet ist, die fixierten Energien frei zu setzen und dem Entfaltungsprozess des Menschen zuzuführen.

Das wohlwollende Betrachten hellt die Grund-Stimmung des Betrachters und des Betrachteten merklich auf.

Durch den Wechsel der Art des Schauens wird nicht nur der Betrachter in einen heilenden Strom geleitet, sondern auch der Betrachtete. Die gebundene Energie, die durch Urteile und Stereotype gefangen wurde, wird durch den geweiteten Blick des kontemplativen Betrachters befreit und steht nun wieder der Entfaltung der menschlichen Seelen-Kräfte und der Verwirklichung des Individuums zur Verfügung.

Der tiefenpsychologische Heilansatz und der von mir geschilderte spirituelle, kontemplative Ansatz lassen sich gut miteinander verbinden.

In Meditation kann es geschehen, dass der Meditierende, das alles akzeptierende und liebende Auge Gottes auf sich ruhen fühlt, wodurch er in tiefe Entspannung versinkt und sich völlig aufgehoben und geborgen fühlt. Es ist derselbe Blick, den er auch nach aussen richten kann, denn was er erfahren hat, will sich, wie alle tiefen Erlebnisse, mit-teilen.

Das Entgegenkommen

Meine Garten-Nachbarin – ich sitze im 2-Meter-Abstgand nehmen ihr – erzählt mir, wie sie als Kind und als junge Erwachsene sich alles habe erkämpfen müssen. Deshalb sei sie oft müde. Später schilderte sie mir freudig erregt, wie neulich das Mondlicht auf sie geschienen habe. Das Licht sei in sie eingedrungen; es habe in ihr gelebt. Dasselbe habe sie auch schon mit sich dem Sonnenlicht erlebt. Das seien mehr als Gefühle gewesen, so betont sie, das Licht sei wirklich lebendig in ihr gewesen. – Also, vieles, was sie sich früher hart erkämpfen musste, wird ihr heute, so habe ich sie verstanden, geschenkt. Sie hat sich offensichtlich dem Geschenkhaften des Lebens geöffnet.

Ich trete aus mir heraus, ziele in die Welt, wähle aus, was mir passt, packe an, bewege, tätige. Das kenne ich. Wer kennt diese Perspektive nicht?
Oder ich kehre die Perspektive um:
Ich öffne mich für das, was zu mir kommen will, was mich berühren und bewegen will, lasse mich ansehen, wahrnehmen, erkennen.

Vielleicht ist es so, dass sich die Herzenstüre vorerst nur nach innen öffnen lässt.

Zuerst soll ich gefunden werden, erkannt und geläutert sein, bevor ich in der Lage bin, im Bewusstsein meiner selbst nach aussen zu treten.

Erst dann, wenn ich es zulasse, von der LIEBE erkannt zu werden, die mich zu dem erweckt, was ich bin, werde ich in die nötige Kraft versetzt, liebevoll und kraftvoll auf die Welt zuzugehen, andere Menschen, Wesen, an mich herankommen zu lassen und ihnen wahrhaftig zu begegnen.

Kann ich es zulassen, mich bedingungslos von der Liebe bewegen zu lassen, mich ihr hinzugeben wie ein Kind? Bin ich bereit, meinen Innenraum jener Liebeskraft zu überlassen, damit ich von ihr gewandelt werde zu einem Wesen, das ich noch nicht ganz ausfülle?

Spüre ich, dass mich die Vögel betrachten, die Hunde, die Eidechsen?
Spüre ich, dass es Geistwesen, zum Beispiel Engel, gibt, welche Beziehung mit mir aufnehmen wollen? Oder Seelen von Verstorbenen? Und: wage ich diese Wesen eintreten zu lassen?

Wage ich vom Wasser der höchsten Quelle zu trinken und das höchste Geist-Licht einzuatmen?

Wage ich es zu fühlen, was in mich einfliessen möchte? Und: Kann ich mir vorstellen, dass dieses, das mir zuströmt, ich selber bin?

ICH BIN, WAS MIR ENTGEGENKOMMT.

Was löst dieser Satz in mir aus?

Ich bin nicht nur der Durst und der Dürstende, sondern auch das Wasser, das sich mir schenkt.

Ich bin nicht nur der Hunger und der Hungernde, sondern auch das Brot, das sich mir gibt.

Es ist heilsam, die bekannte Richtung, umzukehren, sich mit der Gegenseite zu identifizieren und noch besser, zu erkennen und zu verstehen, dass beide Seiten in mir leben und den Drang haben, sich zu vereinigen.

Ich bin der Getröstete und der Tröster.

Ich bin der Verletzte und der Heiler.

Ich bin der Erbarmungswürdige und der Erbarmende.

Ich bin nicht nur Geschöpf, sondern auch Schöpfer und Schöpfungsraum.

Auf höchster Ebene bin ich das, was sich mir gibt.

Es braucht beide Hände um einen Kelch zu bilden.

Ist es nicht so, dass ich auf der Erde bin, um zu lernen, was Beziehung ist?
LIEBES-BEZIEHUNG?
Ich öffne mich dem, was mir entgegenkommt.

Einwand: Ist es aber nicht so, dass auch das Vernichtende in mich eindringt, wenn ich mich öffne?
Dieser Einwand ist völlig berechtigt. Wenn ich jedoch ganz ausgerichtet bin auf den All-Eine, die höchste göttliche Quelle, ausgerichtet auch auf die Barmherzigkeit, so schützt mich diese aufrechte und hingebende Haltung und die Wächter am Tor meiner Wahrnehmung werden aktiviert. Sie helfen mir, das, was mich fördert heraus zu destillieren und jenes weg zu filtern, was mir schadet. Zusätzlich ist es sehr hilfreich, wenn ich mich oft mittels Mantras reinige. – Zum Thema des Selbst-Schutzes werde ich einmal einen Blog verfassen.

Das grosse ENTGEGENKOMMEN wird behütet. Es wird uns zu dem hin öffnen, was in uns primär angelegt ist.

 Beitrags-Bild: Ausschnitt aus einer Zeichnung von WB

 

Auf dem Weg zum Seins-Grund

Der Mensch versucht üblicherweise seine Probleme mit Denken zu lösen. Es gibt gute und weniger gute Lösungswege, Vorgehensweisen und Strategien, die mit Hilfe des Denkens und des Verstandes ausgearbeitet werden. Sie alle führen zu neuen Problemen, Komplikationen, Schwierigkeiten, die dann wiederum denkend gelöst werden wollen. Der Wille zur Perfektion führt zur Konfrontation mit Unvollkommenheit.

Ja, die Probleme kreisen in unseren Köpfen und wir drehen um sie. Sehr viele Menschen kreisen egozentrisch um ihre eigene Macht (die Eigenmächtigkeit) und verlieren die Verbindung mit den tieferen Schichten in sich.

Es ist unmöglich, dass sich der Mensch dahin helfen kann, glücklicher und erfüllter zu leben, wenn er sich weiterhin den vorhandenen Denkgewohnheiten unterzieht. Die Unruhe, die unserer herrschenden Kultur zu Grund liegt, Stress und Hast erzeugt, führt zu nervösen Gedankenstürmen. Das Gedankenkreisen verweist auf mangelnden Grund, auf fehlenden

Seins-Grund

Ohne Kontakt mit dem Seins-Grund verliert jeder Gedanke an Kraft. Ohne Kraft trägt er nicht die Potenz in sich, Wandel herbeizuführen. Ohne Seins-Kraft ist jeder Gedanke blass und neigt dazu, sich ständig zu wiederholen und alte Situationen wieder herbeizuführen, die es von Neuem zu lösen gilt. Ein Gedanken-Karussell.

Die Welt des Habens, die sich auf kognitive Instrumente beschränkt, taugt nicht dazu, einen freien Zugang zum Lebendigen zu finden, lässt uns mit verbundenen Augen an der Quelle achtlos vorübergehen. Sie lenkt den Durst um in Gier. Wer dies erkennt, verabschiedet sich aus der Oberflächen-Welt und wandelt sich in einen Mutigen:

Gelangt er durch das «Tor» in die Tiefe des Seins-Grundes, begegnen er seinem höheren Selbst, dem Christusselbst. Durchwandert er vertrauensvoll dieses Licht, das dort glüht, verwandeln sich Erkennen und Denken und werden mit Seins-Kraft und Bewusstheit aufgeladen und erneuert. Danach kehrt der Mutige mit Schöpferkraft in den Alltag zurück. Die Schöpferkraft, die Kraft der Erneuerung, finden wir jenseits unserer Denkgewohnheiten, jenseits aller Identifikationen und Konzepte, die wir uns überstülpt haben. Wir finden die schöpferische Kraft auf dem Grund, aus dem unser Leben strömt.

Den folgenden Satz auszusprechen kostet mich Mut, da er ausserhalb der gegenwärtigen Konventionen steht, gleichzeitig tut es mir gut, Wahrheit in Kürze ins Wort zu bringen:

ES GIBT KEIN LEBEN OHNE GOTT.

*
Die sich regenden Samen
tragen schon jetzt
den werdenden Blüten-Duft in sich,
welcher sanft über dem Seins-Grund weht.

Das Morgen ist schon im Heute
als duftende Ahnung
und als zarte Süsse
anwesend.

Der Turmbau zu Babel

Ich träumte kürzlich:
Ich besichtige eine Festung, die auch ein Turm ist. Bald habe ich das Bedürfnis, den Festungsbau zu verlassen. Ich finde aber keine Ausgänge, realisiere dann, dass ich ganz oben im Festungsturm bin und im Turminneren abzusteigen habe. Der Abstieg gestaltet sich sehr beschwerlich. Abgründe, immer neue, tun sich auf. Die Stein-Quader und Balken, die herumliegen sind nicht mehr fest, alles zeigt sich als wacklig, bröcklig. Der Turm, so wird es offenbar, ist am Zerfallen. Einmal ist der Schlund, in dem ich bin, so furchterregend, dass ich um Hilfe rufe, die ich auch bekomme. Ein Mann zeigt mir die noch begehbaren Stufen. Der Abstieg dauert sehr lange, immer neue Abgründe zeigen sich. Ich brauche alle Kraft, allen Mut und alles Vertrauen, um die Konzentration und Aufmerksamkeit hoch zu halten. Schliesslich komme ich unten an und ich erwache.

Vor ca. sieben Jahren hatte ich einen ähnlichen Traum. Auch damals war mir klar, dass es sich um den Turm zu Babel handelt. Dieser Turm symbolisiert mir die menschliche Hybris (Überheblichkeit). Ich erlebe die menschliche Verfassung und Zivilisation als bröcklig, hochgeschraubt, nicht wahrhaftig gegründet und verankert, sondern eben als schwankend, dem Zerfall nahe.

Hierzu die Deutung des jüdischen Mystikers Friedrich Weinreb*:

«Die Überlieferung berichtet, dass man das irdische Leben bis in den Himmel ausbreiten wollte. Den Himmel erobern… Man glaubte, dies mit Hilfe der materiellen Mittel zu erreichen.
Die ganze Menschheit musste an dem Bau mitarbeiten… insgesamt 600 000 Arbeiter…
Wenn eine Welt endet, tritt die Zahl 6 auf. Sie ist das Kennzeichen des Endes einer Vielheit, einer materiellen Kraft, eines Rausches.
Nicht der Wohlfahrtsstaat mit all seiner technischen Entwicklung ist das Ziel des Menschen in dieser Welt. Mit allem, dem der Mensch hier begegnete, kann er die Verbindung knüpfen mit Gott, eben mit der anderen Welt. Ist man jedoch einmal auf dem Weg der Entwicklung, dann fällt es unheimlich schwer, seinen Eigensinn einzugestehen. Natürlich soll man sich untereinander auch materiell helfen, aber der Mensch soll nicht materiell gebunden und gefangen werden.

Weil der Turm kein starkes Fundament hat und auch zu hoch gebaut ist, droht sein Einsturz.
Der Weg, so zeigte mir der Traum eindringlich, führt nach unten – und es ist keine Zeit zu verlieren.
Dieser Weg nach unten ist sowohl kollektiv, wie auch individuell zu verstehen.

Kollektiv-gesamtgesellschaftlich: Ich schätze, dass der gebildete, zivilisierte Mensch in den wohlhabenden Ländern etwas 70% seiner Zeit (meine Schätzung) vor Bildschirmen (PC’s, TV, Smartphones, etc.) verbringt und vor Tellern mit Snacks, wo keine Zärtlichkeiten, keine tieferen Gespräche, keine Sinnlichkeit stattfinden und dieser emsige, kopflastige Betrieb in natur-fernen Räumen, in grauen Büros und Küchen passiert. – Dies als ein Bild für den gefangenen, in sich gekehrten, einsamen Menschen. Der Mensch, in sich selbst geschaffener Einsamkeit und Isolation – was für ein trauriges Bild!

Individuell: Wir sind dazu erzogen worden, konkurrenzierend und leistungsbezogen den Weg nach oben anzustreben: zu mehr Prestige, Geltung und materiellem Reichtum. Wir sind es gewohnt in einer dauernden Anspannung zu funktionieren, uns anzupassen und unsere innere Welt zurückzunehmen. Hier ist mit dem Weg nach oben, nicht das Geistige gemeint, sondern das egozentrische Oben im Sinne von Selbst-Erhöhung.
Wir kapseln uns ein, mauern uns ein. Der Turm, in den wir uns einmauern, hält uns zurück, verhindert unsere Ausstrahlung. (Die Corona-Sicherheits-Bestimmungen machen es auch nicht einfacher – im Gegenteil.) Leben und Wachstum wollen sich ausdehnen, Licht will ausstrahlen. Eingekapselt, verkümmern wir. Wir müssen den Turm verlassen – gut, wenn er zerbröckelt. Gut gelang es Rapunzel eine Art von goldenem Seil aus ihren Haaren zu flechten, an denen sich der Retter (der Prinz) festhalten konnte. Auf welche Weise auch immer wir den Turm verlassen, es ist gut, denn es ist kein Leben in ihm.

Der Abstieg zu dem, was uns zusammenhält, unseren Wesensgrund, ist, so meine ich, die zentrale Herausforderung unserer Zeit.

Es ist also Zeit, tiefer zu gehen, das Fundament zu erneuern (vergleiche den letzten Blog-Beitrag: Beten). Da unten ist das einfache Leben – Leben in Beziehung.

Tiefer gehen heisst für mich: Die bestehenden Beziehungen zu anderen Menschen, zur Natur, zur Erde und zur geistigen Welt zu vertiefen: nackt, ich meine ohne Schutzhülle, sich verletzlich zeigen, hingebungsvoll und bereit zu lernen, Nähe einzugehen und auszuhalten.

Tiefer gehen heisst für mich aber auch: auf die Stimme des Herzens zu lauschen, auf die Seins-Kraft, die unter unserem Charakterpanzer und unter unserer vordergründigen Persönlichkeit gegenwärtig ist. Und dies möglichst täglich.

Während eher aussengeleitete Menschen manipulierbar und damit sehr anpassungsfähig sind, sind innengeleitete, im Seelengrund verwurzelte Menschen intuitiver im Denken, in Verbindung mit den sie begleiteten Wesenheiten und damit von innerer Wahrheit geleitet; sie sind unabhängiger, freier und kaum manipulierbar. Die Mächtigen der Welt haben an ihnen wenig Interesse und entziehen ihnen die Wertschätzung und Unterstützung. Sie, die von innen her Befreiten, bleiben klar und entschieden. Durch sie kann sich das Fundament erneuern.

*Friedrich Weinreb: Der göttliche Bauplan der Welt. Origo
Der Mystiker, Gelehrte, Lehrer und Autor lebte ab 1970 in Zürich, wo er 1988 verstarb.
Sein grossartiges Wirken und Werk fand bis heute nicht die verdiente Anerkennung.

 

 

 

 

 

 

Offener Brief an den globalen Weisen-Rat der indigenen Völker

Geschätzte Damen und Herren des globalen Weisen-Rates für indigene Völker,
werte Schamaninnen und Schamanen, Medizinmänner und Medizin-Frauen, Heiler*innen und Forscher*innen für das Miteinander von Erde und Mensch,

Wir, die sogenannt «entwickelten, zivilisierten» Bürger*innen der «modernen» Nationen sind nun dabei, Covid- 19, also das Virus der Corona-Krise zu bekämpfen.

Meiner Meinung nach, tun wir es auf eine hilflose Art, auf die alt-bekannte Weise der Symptombekämpfung, wie wir sie von unseren Eltern, den Schulen, den Unternehmungen und dem Militär gelernt haben. Dies befriedigt mich/uns nicht.

Ich bin ein Welten-Bürger der Erde und spreche wohl auch für viele andere Menschen der vermeintlich entwickelten Länder dieser Welt.

Es fehlt meiner Ansicht nach an der Tiefe und Breite des Verständnisses, wie wir die Krise erfassen und wie wir ihr begegnen.

Deshalb wende ich mich an Sie, geschätzte Frauen und Männer. Ich glaube, dass wir «Zivilisierte» das gefühlte und erlebte Verständnis für die Verbindung von Erde und Mensch vergessen haben. Hilflos sind wir, tastend, unsicher, hart und manchmal fanatisch. Ich fühle fest, dass es uns an Weisheit und angemessenem Handeln fehlt.

Deshalb wende ich mich an Sie und Ihre Ahnen, weil ich überzeugt bin, dass ihre Wurzeln tiefer, viel tiefer reichen.

Ich glaube, dass wir uns der tiefliegenden Ursachen der Krise höchstens ansatzweise bewusst sind. Es fehlt uns an Wissen. Wir halten uns für gescheit, doch dieses Wissen ist kopflastig; es hilft uns jetzt nicht weiter. Wir sind auch nicht in der Lage, die Folgen der Anordnungen, die Politiker und Virologen unserer Gesellschaft treffen, richtig abzuschätzen. Zum Beispiel, denke ich, dass der Hausarrest vieler Bewohner*innen der «zivilisierten» Völker, zu einem Verlust an direkter Sonnenbestrahlung führt – und ich frage Sie: Ist das gut, gesund und förderlich? Wahrscheinlich wissen Sie viel mehr über die Bedeutung der Sonne, ihrer Geistkraft und ihrer Bestrahlung, wie Sie wohl auch mehr wissen über die Heilkraft der Erde, der Natur und ihrer «Spirits».

Bitte helfen Sie uns, wir brauchen Ihre Weisheit jetzt. Mit Massnahmen allein können wir uns nicht retten. Wir sind zu Macher*innen verarmt, zu Kopffüsslern.

Es ist nun wichtig, dass wir uns nun wieder vermehrt mit Ihnen und Ihren bedrohten Völkern, die wir weitgehend ausgerottet haben, verbinden. Die Unterdrückung Ihrer Existenz durch unsere meist wohlhabenden, ausbeuterischen Völker, ist vielleicht eine der Ursachen unserer Krankheit und unserer Hilflosigkeit.

Wir können Sie nur um Verzeihung bitten. Wir haben Unrecht gegen Sie getan, wie wir auch gegenüber der Erde und der Natur ungerecht und räuberisch handeln.

Wir haben nicht mehr auf den Grossen Geist, Uakan Tanka, gehört, sondern haben stattdessen unsere technischen und wirtschaftlichen Errungenschaften auf den Thron gestellt und sie verehrt.

Da ist Vieles schief gegangen und Viele von uns spüren das unterschwellig.

Bitte zeigen Sie uns unsere Fehler auf, helfen Sie uns, unsere Sicht auf das Leben auf Erden zu erweitern, helfen Sie uns, wiederzuerkennen, dass die Erde und alles Leben auf ihr heilig sind.

Bitte!

Ihr WB und zahlreiche Bürger*innen unseres Planeten.

 

PS: Ob es diesen Rat auf physischer Ebene gibt, weiss ich nicht, vermutlich aber im Geistigen.

DIE SEELE Teil 1

Ich glaube, dass die verbreitete Abspaltung von der Seele, die wir zunehmend beobachten können, die Haupt-Ursache für die globale Krise, u.a. die ökologische Problematik, darstellt. Ihre Re-Integration erscheint mir als dringlich. Wenn wir uns gegenseitig helfen, unsere Herzen zu öffnen ist dies vielleicht das Sinnvollste, was wir heute tun können, um die verhärteten inneren und äusseren Strukturen aufzuweichen, damit unsere Seelen, wie auch die Seele der Welt wieder frei atmen und kreativ wirken können.

  • Die Krankheit der Welt: Seelenlosigkeit
    Nichts sind wir mehr als unsere Seele: Wir leben in ihr, aus ihr sind wir körperlich geboren, in ihr geht unsere Reise dem Ursprung entgegen, aus dem wir kommen. Die Seele wird über weite Strecken verleugnet und verneint. Sie existiert nicht, so denken vor allem Natur-Wissenschaftler.

    Warum, so frage ich mich oft, interessieren sich nicht mehr Menschen für die wahre, die unsterbliche Seele? Denn: Alle Menschen haben ja schon gespürt, dass es hinter den Dingen, eine unsichtbare Welt gibt, die sich zum Beispiel in Kunstwerken niederschlägt, sich in Träumen zeigt oder in Stimmungen, die uns über das Bekannte hinaustragen. Also noch einmal: Warum interessieren sich so Wenige für den manchmal doch sehr spürbaren Hintergrund unseres Daseins, den wir Seele nennen? Das Interesse an unserer Seele ist gering. Sie hat allenfalls Geltung als Bereich, in dem unsere Gefühle zu finden sind.
    Das Weltbild, welches die Seele (und meistens auch den Geist) ausschliesst, der pure Materialismus, ist arm, weil eindimensional. So hoch-komplex unsere Welt auch erscheinen mag, so ist sie doch elend, verarmt, auf Weniges, meist Materielles, reduziert. Dieses Wenige, das uns bleibt, verschlingen wir mit Heisshunger, nämlich unsere physische Existenz-Grundlage.
    Die Seele halten viele Menschen für ein Konstrukt, eine Einbildung, eine neurotische Vorstellung.“Die Krankheit der Welt besteht darin, dass der Einzelne seine wahre Seele nicht finden kann, und die Ursache an der Wurzel dieser Krankheit ist wieder, dass er, wenn er die äusseren Dinge ganz umfassen will, mit der wirklichen Seele der Welt, in der er lebt, nicht in Verbindung kommen kann.“  Sri Aurobindo*

Unsere Reise
Lange vor unserer physischen Existenz entstanden wir – so die mystische Sicht- aus einem Liebesgedanken Gottes, der zu unserer Seele wurde. Dieser Liebesgedanke drückt einen Aspekt Seiner umfassenden Wirklichkeit aus. Dieser Aspekt, beziehungsweise dieser Liebesgedanke ist der heilige Kern unserer inneren Wesenheit, unsere subliminale Seele.

Durch alle Bewusstseinsebenen und alle Leben hindurch speichert die Seele alle wesentlichen Erfahrungen und Erkenntnisse, die sie auf ihrem Weg der Reifung und Vervollkommnung braucht, damit sie einmal reiche Früchte trägt, als Segen für die Schöpfung und alle Lebewesen.

Die Seele bildet die Substanz höheren Wissens und Weisheit. Sie ist aber auch Empfängerin von Glückseligkeit.
Die Seele zieht es in grosser Sehnsucht zurück zu ihrem Ursprung, in den göttlichen Bereich, in dem sie geboren wurde. Also zu Gott, dem All-Einen, All-Umfassenden. Der Weg in die materielle Welt und zurück zur geistigen Welt dient der Bewusstwerdung, der Intensivierung des Lichts und der Vervollkommnung an Schönheit und Liebeskraft.
Die Seele ist unsere Reise-Begleiterin, die innere Weisheits-Lehrerin, der innere Seher.
Alle Stationen der Emanation aus der Quelle des Lichtes bis in die physische und individuelle Verkörperung des göttlichen Licht-Gedankens in den materiellen Welten, leben in unserer Seele als lebendiges Wissen, das aber vorerst weitgehend verborgen ist, bis es geweckt wird.

Die Erweckung
Durch eine Tiefen-Berührung wird unsere Seele erweckt. In Momenten, wo wir weich, offen und durchlässig sind und im Bewusstsein unserer tiefsten Sehnsucht, kann es geschehen, dass wir in der Tiefe bewegt und ergriffen werden von einem hohen lebendigen Impuls (Christus-Impuls) aus dem göttlichen Bereich.
Wir fühlen uns bewegt, berührt, weinen vielleicht oder lachen und es fühlt sich so an, als ob wir aus einem langen Schlaf erwachen würden, der uns nun eine neue, grosse lichtvolle Wirklichkeit voller LIEBE in unser Leben bringt.

Durch das kontinuierliche Interesse an unserem Innenleben, also an unserer Seele, unserer innersten Wesenhaftigkeit, entwickelt sie sich. Sie wird stärker und kann uns ihr Potential vor die inneren Augen und Ohren führen. Gleiches gilt ja für unsere Kinder, die dann seelisch wachsen, wenn wir uns auch für ihr Innenleben, ihre Wesenhaftigkeit interessieren.

Indem wir auf unsere Seele hören, entwickelt sich unsere Selbst-Wahrnehmung. Unser ganzes Wesen verfeinert sich. Es kommt der Moment, wo das innere Wesen, die Führung übernimmt, wo sich die kleine Persönlichkeit, das Ego, vollständig ins zweite Glied zurückzieht, nun nicht mehr herrscht, sondern dient.

Spätestens dann ist es uns zur Gewissheit geworden, dass diese so feine, zarte, fast hauchartige Seele die wahre Trägerin unseres Lebens ist, ausgestattet mit grosser Wirklichkeit und Wirksamkeit. Nun sind wir nicht mehr dem Hin und Her des polaren Lebens unterworfen, sondern können jeden Moment als gegeben, als ein Geschenk schätzen.

So wie wir nun unseren Körper als beseelt wahrnehmen und erkennen, dass er nicht nur durchdrungen, sondern auch von Seele umhüllt ist, so fangen wir an, auch die Erde und das Universum als von Seele durchdrungen zu erfahren.

Jeder Moment, weiss die Seele, ist uns gegeben.

*Sri Aurobindo, Das göttliche Leben, 1. Band, S. 253.

Der zweite Teil dieses Essay folgt demnächst.

 

 

 

 

Heute Abend

Heute Abend gare ich Fenchel, brate Kartoffeln und mache mir dazu eine Käserahm-Sauce mit Paprika und verschiedenen anderen Gewürzen.

Ich bin zufrieden mit dem Resultat. Langsam esse ich an meinem Platz am Fenster, alleine, wie oft und beobachtete den rollenden Abendverkehr auf der nahen Oltener-Strasse hinter der Tankstelle. Viele Lichter, wie aufgereiht. Der Verkehr zwischen Rollen und Stau.

Die Zeit des Einnachtens macht mich oft melancholisch. Gut gibt es Wein. Der Tropfen heute ist superb. Der diesjährige Januar ist mild wie selten. Ich geniesse die jetzigen nebelfreien Tage, mache Spaziergänge, der Sonne wegen.

Dann tänzle ich in die Stube im Rhythmus des swingenden Jazz. Ich höre «Jazz for dinner» am Radio Swiss Jazz, stelle es dann ab, setze mich auf das schwarze Ledersofa, mit dem Buch «Spirituelle Ökologie» in der Hand, schlage es auf und lese:

«Manchmal sind wir so dringend davon überzeugt, dass die Welt gerettet werden muss, dass wir uns zwingen, tagein, tagaus an der Rettung unseres Planeten zu arbeiten. Infolge dieser Sichtweise vernachlässigen wir unser eigenes Wohlbefinden, um schliesslich unter Burnout, Depressionen, Ehescheidungen und Desillusionierung zu leiden.

Deshalb lehrt uns die Gita, dass es nicht nötig ist, die Sorge um den Erdboden von der Sorge für die Seele zu trennen. Wir müssen beides tun… was bedeutet, sich Zeit für innere Reinheit, Meditation, Spiritualität und ein Leben in eleganter Einfachheit zu nehmen.»*

Am Ausdruck «elegante Einfachheit» bleibe ich hängen.
In einer Gesprächsgruppe, nannte ein Mann, als wir von spirituellen Tugenden sprachen, «Eleganz» als eine der spirituellen Tugenden. Ich horchte auf: wie bitte? – und spürte gleichzeitig, dass er recht hatte mit dieser Nennung.

Eleganz heisst, gemäss Duden: «Vornehmheit» in Bezug auf die äussere Erscheinung, elegantes Aussehen; Gewandtheit, Geschmeidigkeit in der Bewegung, sowie kultivierte, elegante Form und Beschaffenheit.
Der Autor des Artikels (Satish Kumar) bringt den Begriff Eleganz in Zusammenhang mit Einfachheit: ein Leben in eleganter Einfachheit.

Ich erinnere mich an meinen Aufenthalt in Senegal, vor vielen Jahren. Ich sehe, wenn ich an die Menschen dort denke, viele einfache, oft arme Personen, die in Würde dahin schlendern, in fast königlicher, schlichter Eleganz, oft bekleidet mit einem einfachen, langen, bunten Kleid. Insbesondere erinnere ich mich an ihre lockeren Handgelenke, an ihre Arme, die an Flügel erinnern, an ihre Geschmeidigkeit in der Bewegung und an ihr breites vergnügtes Lachen.

Die einfache Eleganz ist von innen getragen, wie auch die Bewegungen, die aus dem Sein auftauchen. Kein Luxus: es ist eine Art von innerer, schlichter Schönheit, die aus dem Herzen kommt, eine Geschmeidigkeit, wie es Verliebte an den Tag legen. Es sind beseelte Formen, die von der Stille zeugen, aus er sie kommen. Tanz also, Lebenstanz, Zelebration. Das Tänzeln nach dem Abendessen, das plötzliche Hüpfen auf dem Parkplatz wie von Zauberhand berührt. Ja: Eleganz: aus dankbarem Leben, gestaltet in Poesie.

Wo bleiben dann die schweren, ernsten Schritte gebückter Menschen in den vielen Strassen und Gassen vieler dunkler, schweren Städte und Dörfer? Ich höre sie von Weitem. In sich zusammengefallenes Leben, welches auf Trost wartet.

Unter diesen schweren Schritten höre ich auch die meinen, dem alten Mann, der ich bin. Ich sehe aber auch seine Tanz-Schritte, anmutig, vielleicht nicht von aussen betrachtet, aber von innen gefühlt, denn sie kommen aus der unvergänglichen, ein-fachen, zeitlosen Seele.

Noch einmal schlage ich das Buch auf: «Wir müssen die Fürsorge für die Seele als Teil der Fürsorge für die Erde betrachten.»

Heute Abend gehe ich früh ins Bett. Ich gehe durch die Wohnung, räume das Gröbste auf, trage die Teller in die Küche, lüfte kurz, nehme meine Globuli ein (Placebo würden einige sagen), putze die Zähne, nicke, lege mich nieder.

*aus dem Artikel: Die drei Dimensionen der Ökologie: «Erdboden, Seele und Gesellschaft» von Satish Kumar, aus «Spirituelle Ökologie» – Der Ruf der Erde. Verlag Neue Erde.