Wiesen

Von meinem Essensplatz aus (aufmerksame Leserinnen haben ihn in früheren Blogs schon kennengelernt) sehe ich auf die vor mir liegende Spielwiese, die eigentlich ein Rasen ist, der auch ein Fussballplatz ist, dahinter die vielbefahrene Strasse und die Eisenbahnlinie Olten – Luzern.

Diese Wiese wird jetzt erst vereinzelt betreten, bald aber, wenn es warm und sonnig sein wird, wird sie regen Zulauf bekommen.

Beim Essen beobachte ich die Menschen die für einige Minuten oder Stunden die Wiese (den Rasen) betreten, und es ist mir erst nach langer Zeit bewusst geworden, nachdem ich es schon lange gesehen (aber nicht erkannt habe), wie erstaunlich ihre Verwandlung ist, von dem Moment an, wo sie Erden-Boden unter ihren Füssen spüren. Kaum auf der Wiese, beginnen sie zu rennen, zu hüpfen, jagen umher, setzen sich, legen sich hin, bilden kleine ad-hoc-Kreise, stehen wieder auf um Untergruppen zu bilden, kurz: sie sind voller Bewegung, wirken fröhlich, leicht und erleichtert. Dies ist bei den kleinen Kindern am deutlichsten zu erkennen, aber auch bei Jugendlichen und jungen Mütter, welche ihre kleinen Kinder begleiten. Ihre Verwandlung ist für mich eine kleine Sensation. Sie sagt mir, dass viele Menschen, vorab jüngere, die Verbundenheit zur Erde spüren, trotz aller Mangelerscheinungen.

Kaum entfernen sich die Spielwiese-Besucherinnen verwandeln sie sich ebenso schnell wieder – aber jetzt auf eine eher erschreckende Weise: Kaum haben sie wieder versiegelten Boden unter ihren Füssen, bewegen sie sich gleichförmig, irgendwie ermattet, ihre Beweglichkeit scheint erloschen zu sein. Eine unheimliche Normalisierung passiert in kürzester Zeit.Erst nach einiger Zeit erkannte ich die grosse Bedeutung und Wichtigkeit dieser Beobachtung.

Mein Fazit:
– Der Mensch braucht natürlichen Erden-Boden unter sich, damit er sich  lebendig fühlt.
– Wir benötigen vor allem in städtischen Gebieten und dicht bebauten Agglomerationen sowohl Wiesen wie auch verwilderte, dschungelartige Lebensräume. Dies schulden wir vor allem unseren Nachkommen.

Unversiegelten, natürlichen Erden-Boden
Der Stoff, aus dem unsere Körper gemacht sind, ist Erden-Materie. Könnte man Erd-Platten zusammenschieben, würde man erkennen können, dass dieses Gebilde der Schädeldecke und den Platten, aus denen der menschliche Schädel besteht, auf verblüffende Art gleicht. Der Mensch enthält etwa gleich viel Wasser, wie die Oberfläche der Erde: über dreiviertel. Die Verwandtschaft von Erde und Menschenleib ist nicht zu übersehen. Die Menschen- und die Erdenseele entwickeln sich am besten miteinander. Wir benötigen diesen Austausch für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit in hohem Masse. Bewusst auf der Erde sitzend oder stehend, kann die geistige Kraft von Mutter Erde in uns einströmen. Dadurch finden wir zum Ja zu unserer physischen Existenz und wir empfangen, wenn wir achtsam sind, wieder das Wissen, dass die Erde heilig ist.

Wiesen und Stadt-Dschungel-Landschaften
Wir brauchen dringend Wiesen in unseren Städten und Agglomerationen – Grünzonen ohne Schilder, Wiesen (oder Rasen) und Wildnis-Oasen voller Sträucher, Blumen, Gras, Teichen, Refugien für wildernde Katzen, für Mäuse, Stadtfüchse und natürlich für Vögel und Insekten. Böden, die einzig da sind für die Natur selbst und Menschen, die sich daran erfreuen wollen.
Wir benötigen nicht-kommerzielle grüne Zonen, geschützt vor jeglicher Spekulation, Bereiche also, wo wir frei atmen und uns bewegen können, wo wir die Lust an freier Erde geniessen können.

An alle Stadt- und Lebensraum-Entwickler*innen: Lasst uns solche Natur- und Heilräume erträumen und erkämpfen! Wir brauchen sie, insbesondere für unsere Kinder, denn sie werden die Erden-Hüter*innen der Zukunft sein. Wer ergreift Initiativen?


«Und betet auf diese Weise auch zu eurer Erdenmutter:

Unsere Mutter, die du bist auf Erden, geheiligt sei dein Name. Dein Reich komme und dein Wille geschehe in uns, wie in dir. Da du jeden Tag deine Engel sendest, so sende sie auch zu uns. Vergib uns unsere Sünden, wie wir alle Sünden gegen dich sühnen. Und führe uns nicht in die Krankheit, sondern erlöse uns von allem Übel, denn dein ist die Erde, der Körper und die Gesundheit. Amen.»
aus dem Friedensevangelium der Essener, Band 1, Verlag Bruno Martin

Beitragsbild: Die erwähnte Wiese mit dem Schatten des Fotografen.

 

DIE SEELE – Teil 3

Auch im 3. Teil meines Essays unternehme ich den Versuch, mich dem geheimnisvollen Bereich, den wir Seele nennen, anzunähern. Zuerst entwerfe ich zwei Bilder, mit deren Hilfe ich versuche, das reiche Leben der Seele zu erläutern. Danach zeige ich auf, wie wichtig es ist, dass wir der Seele Raum zu atmen, damit sie sich zu entwickeln und zu zeigen vermag. Schliesslich weise ich auf einige Äusserungsweisen der Seele hin.

Bilder der Seele
Ich betrachte mein inneres Bild der Seele: Es hat die Form eines Mandalas. Zuinnerst ist der Punkt der absoluten, unergründlichen göttlichen Ruhe. Daraus geht unsere Buddha-Natur und die Christus-Wirklichkeit hervor. Um diesen ruhenden, zentralen Bereich kommt Bewegung auf: Es ist der Tanz der Liebenden. Sie umkreisen die heilige und heilende Mitte. Die Liebes-Tänzer*innen geben der geschaffenen Welt das Leben; sie halten die Sterne in ihrer Bahn durch die schaffende, bewegende Liebe, die aus ihrem Tanz strömt.
Danach, in weiterer Ausstrahlung sind alle Bereiche der feinstofflichen und grobstofflichen Welten der Schöpfung angeordnet. Auch sie sind, wenn auch nicht mehr so intensiv, durchstrahlt.

Aus den Innen-Bezirken unseres Wesens fliesst uns Nahrung zu: das Brot des Lebens, welches auch Wissen und Weisheit meint, denn -wie ich schon ausführte- ist die Seele eine wissende Substanz, die uns von innen nährt. «Gib uns heute unser tägliches Brot.»

In einem zweiten Bild erfahre ich die Seele als ein hoch-kommunikatives Feld, welches aus unzähligen Lichtfasern besteht (vergleichbar mit Nervenfasern), die in Beziehung und Vernetzung mit zahlreichen Lebewesen aus zahlreichen Bewusstseins- und Wirklichkeits-Ebenen stehen. So wie der Körper atmet auch die Seele –aber in nicht-polarer Weise. Das Feld der Seele vibriert. Sie ist eine lebendige Licht-Liebes-Vibration.

Unsere Seele entfaltet sich, wenn wir ihr zuhören. Damit geben wir ihr Raum (Hör-Raum), damit sie durch verschiedene Kanäle zu uns sprechen kann.

Raum
Der Raum ermöglicht es dem Impuls zu wirken, ermöglicht es dem Leben zu wachsen. Die Mutter (in uns) gibt Raum, Lebens- Gebärmutter- und Seelen-Raum.
Der göttliche Licht-Gedanke fühlt sich vom reinen, leeren Raum angezogen. Die Seele benötigt es, dass wir ihr Hör- und Empfangs-Raum zu atmen, damit sie sich zeigen und äussern kann.
Ausserdem können wir der göttlichen einwirkenden Kraft, die sich in uns inkarnieren möchte, helfen (es ihr leicht machen), sich in uns zu verkörpern, indem wir, achtsam atmend, innerlichen Raum bereitstellen.
Das zu uns Kommende, entfaltet sich, wenn wir ihm Raum geben, was eine Art von Hingabe ist. Dabei entfalten wir uns.

Äusserungsweisen der Seele
Es gibt verschieden Arten, wie sich die Seele ausdrückt. Hier einige Beispiele:
Sie gibt uns Einsichten (Inspirationen), spricht durch Lehr- oder Weisungs-Träume zu uns, offenbart sich in spontanen Meditationen, die im Alltag über uns kommen, sie hebt uns in höhere Welten, oft in der frühen Morgen-Dämmerung, sie enthüllt sich uns in Liebes-Beziehungen.

Ein-Sichten
Hier folgt ein persönliches Beispiel: Einige Tage nach meiner Herz-Operation – es ist schon einige Jahre her – kam eine Ärztin zum mir, um mein Herz mittels Ultra-Schall zu beobachten. Ich hatte freie Sicht auf dem Monitor. Was ich nun sah, erstaunte und erfreute mich und ich fühlte mich, durch das, was ich sehr präzise wahrnahm, erregt:
Ich sah dort, wo sich mein Herz befand, zwei tanzende Engel. Sie waren wunderschön, mit grossen Flügeln. Ihr Tanz war schnell und dynamisch; sie waren völlig aufeinander bezogen. Den Zwischenraum, den sie formten und mit starker Energie aufluden, bildete eine eigene, ebenfalls sehr schöne Gestalt, die sich ständig veränderte. Es war eine Energie-Gestalt, welche die Aufgabe hatte und hat, dem physischen Herzen, die nötige Energie zu geben, um mein Erden- Leben zu ermöglichen. Die Szene war sehr plastisch, realistisch und liess keinen Zweifel offen. Schliesslich konnte ich es mir nicht mehr verkneifen, die untersuchende Ärztin auf das Bild, da sich sah, aufmerksam zu machen. Sie räusperte sich kurz, ignorierte meine Mitteilung, was für mich okay war.

Ein-Sichten hinter die äusseren Erscheinungsweisen verzaubern und erhellen unser Bewusstsein. Spontan können sie sich einstellen.- Es sind Geschenke und bilden Lücken in den engen Verstand.

Lehr- und Weisungs-Träume
Anders als Träume, die der Verarbeitung von noch zu wenig verarbeitenden Alltags-Ereignissen dienen, wirken die eher selten auftretenden Weisungs- und Lehr-Träume, die von einem hohen Bewusstsein einfallen sehr intensiv und nachhaltig. Sie enthalten für uns sehr bedeutende Mitteilungen, die unseren Lebensweg und unsere Lebens-Vision betreffen. Die Botschaften sind in der Regel sehr klar und eindeutig, ob sie sich nun sprachlich, bildlich oder körperlich-kinästhetisch offenbaren.

Die gewöhnlichen Träume steigen aus dem Unbewussten auf, die Lehr-Träume kommen aus dem höheren Bewusstsein, dem Seelen-Zentrum, zu uns. Deshalb fühlen sie sich auch sehr unterschiedlich an.

Spontane Meditationen
Wenn ich gut mit mir selbst verbunden bin, kann es geschehen, dass eine meditative Stille über mich fällt, in mich einfliesst und grosse Stille erzeugt, die sich ausbreitet und sogar allfällig Personen, die sich im gleichen Raum wie ich aufhalten, manchmal erfasst.
Die Meditation oder das kontemplative Gebet kommt zu mir. In solchen Momenten falle ich augenblicklich in eine feierliche, tiefe Stille, in welcher der Verstand stille steht.

Dann sage ich mir: es meditiert oder es betet in mir. Das sind wunderbare Momente. Es ist gut, wenn wir offen sind für das, was zu uns kommen will.
Ich bin auch das, was mir entgegenkommt. Es kann die atmende Seele sein.

Morgen-Dämmerung
Im Zweilicht der Morgen-Dämmerung, im Übergang zwischen Schlaf und Wachen, ist es gut möglich, dass sich eine Brücke bildet zwischen diesen beiden Zuständen. Da können subtile Wahrheiten ins Alltags-Bewusstsein des Menschen einfliessen. Die Ätherwelt kann sich in wunderlichen, durchlichteten Formen darstellen, in zauberhaftem Glanz, uns entzücken und uns leicht machen, fliessend, beweglich. Oder es findet eine Begegnung zwischen zwei Seelen statt, eventuell zwischen uns und Verstorbenen, die uns etwas sagen möchten.

 Liebes-Beziehungen
Alle Beziehungen, die auf die LIEBE hin fokussiert sind, sind Liebes-Beziehungen. Die Kraft der Beziehung, die zwischen den Liebenden fliesst, die dritte Kraft oder der Heilige Geist wie sie auch genannt wird, verweist auf die EINS, auf das Einheits-Bewusstsein. Wenn die höchste Quelle in der Beziehung spürbar wird, Gott im anderen erlebbar wird, erscheint inneres Licht und grosse Freude. Solche Liebes-Beziehungen übersteigen das Endliche; sie sind darum fundamental und bilden die Pfeiler der Welt. Es kommt der Moment, dass die Tanzenden nur noch von der LIEBE bewegt werden, dann reihen sie sich in den grossen Tanz der Liebenden, die um das Lichtherz der Welt-Seele tanzen, ein.

 Wie schon gesagt, habe ich Beispiele für Äusserungsweisen der Seele angetönt im Wissen, dass es noch zahlreiche andere Weisen gib, wie sich die Seele zu äussern vermag. Je deutlicher und eindeutiger unser wahres, inneres Wesen, das wir sind, die Führung in unserem Leben übernommen hat, desto transparenter und durchlässiger werden wir für die Weisheit und Nahrung, die uns zufliesst. Durch das Gewahrsein unserer Seele und das Wissen um ihre Verbundenheit mit der Welt-Seele (Anima mundi) verändert sich unser Lebensgefühl deutlich in Richtung Fülle und Schönheit.

DIE SEELE – Teil 2

Im zweiten Teil dieses Essays gehe ich vorerst (bevor ich auf die Reise zum Mittelpunkt der Seele zu sprechen komme) auf einige begriffliche Klärungen ein, wie «Seele» verstanden werden kann. Noch einmal zitiere ich den grossen hinduistischen Meister Aurobindo:

«Ebenso haben wir in uns eine doppelte psychische Wesenheit:
die Begehren-Seele im Vordergrund, die sich in unseren vitalen Sehnsüchten, unseren Gefühlen, in der ästhetischen Begabung und im mentalen Suchen nach Macht, Wissen und Glück auswirkt, und
eine subliminale psychische Wesenheit, eine reine Macht von Licht, LIEBE, Freude und verfeinerter Essenz des Wesen, die unsere wahre Seele hinter der äusseren Form psychischen Daseins ist, die wir oft mit diesem Namen ehren. Erst wenn ein Widerschein dieser umfassenderen, reineren psychischen Wesenheit an der Aussenseite hervortritt, sagen wir von einem Menschen, er hat eine Seele.»*

Das Subliminale ist ein umfassenderes Bewusstsein als das vordergründige Dasein. Die Seele ist eine wissende Substanz.

In der jüdischen Tradition wird die subliminale Wesenheit Neschamah oder Seelenodem (der Hauch des Lebens) genannt, in der Anthroposophie wird von der Bewusstseins-Seele gesprochen. „Das, was in der Seele als Ewiges aufleuchtet, sei hier Bewusstseinsseele genannt.“ (R. Steiner).

Die individuelle, menschliche Seele ist innig verbunden mit der Seele der Erde und diese wiederum mit der Seele des Universums (Anima mundi), die Ur-Seele, wird auch Purusha oder Atman genannt.: die Welt-Seele

Merkwürdigerweise interessiert sich die westliche Psychologie fast ausschliesslich für die Begehren-Seele (oder Empfindungsseele) und befasst sich nur ausnahmsweise mit der inneren Wesenheit des Menschen, weshalb sich viele Menschen in Therapien auf ihrem spirituellen Weg nicht abgeholt fühlen. Allerdings nehmen jene Therapeuten, die sich für die spirituelle Seite des Menschen interessieren zu.
Noch oft werden tiefe spirituelle Erfahrungen pathologisiert – wie schrecklich!

Die materielle Sichtweise beschränkt sich auch im Hinblick auf die Erde auf die physisch Sicht des Planeten und erlaubt sich nicht nach der Seele der Erde (Anima mundi) zu fragen, wie sie ebenso der Meinung verfallen ist, das Universum sei vorwiegend ein kaltes, schwarzes Gebilde mit schwarzen Löchern, durchzogen von steinigen und gasförmigen kugligen Gebilden. Doch mystisch und seelisch gesehen waltet im Universum des Unendlichen Seligkeit, wirkt höchste kosmische Intelligenz. Die universelle schöpferische Kraft symbolisiert sich im goldenen Fötus. Das äussere, physische Universum ist der Körper Gottes, der seine Glorie und Wesenheit umhüllt und doch physisch ausdrückt.

In diesem Essay beziehe ich mich primär auf die innere Seele, also auf die subliminale psychische Wesenheit des Menschen.

 Die Reise zum Mittelpunkt der Seele

Der folgende «Reisebericht» ist eine Skizze. Ich spreche von einigen Stationen und Phasen auf dem Weg zum Mittelpunkt unserer Seele. Auf dieser Reise gibt es unendlich viele Reise-Varianten, so viele, wie es Menschen gibt. Ich versuche hier Phasen aufzuzeigen, die ich als häufig und wahrscheinlich erlebe.

Die Reise beginnt mit der Erkenntnis, dass wir mehr sind als unser Charakter, weit mehr als die hier auf Erden angelernten Gedanken- und Gefühlsmuster, viel mehr sind, als unsere Identifikationen (z.B. mit unserem Geschlecht, dem Beruf, unserem IQ, unseren emotionalen Auffälligkeiten, etc.). Wir spüren immer deutlicher, dass hinter dem angelernten Bereich eine weitere, umfassende Wirklichkeit anwesend ist. Dies erfahren wir meistens, wenn wir uns in Stille nach innen wenden.
Öffnet sich das Herz weiter kann es zur umwälzenden Erfahrung der Erweckung kommen. Die bisherigen Prägungen werden nun relativiert und mit dem Einfluss weiterer Wirklichkeits-Ebenen dehnt sich das menschliche Bewusstsein aus.

Die bisherigen Trennungslinien werden durchlässig (licht-durchlässig) und das bisher Abgespaltene wird neu als bekannt und vertraut erlebt und es verbindet sich wieder mit dem Kern der Person. «Ich bin auch, was mir entgegenkommt; ich bin nicht nur das Geschaffene, sondern auch der schöpferische, kreative Mensch. Ich bin nicht nur der Körper, sondern auch die Kraft, die ihn erschaffen hat.» So etwa kann der Prozess zu Wort kommen.

Parallel zum beschriebenen Prozess rückt die Arbeit am Schatten ins Blickfeld. Indem sich die Grenzen aufzulösen beginnen, fällt mehr Licht in das Innenleben des Menschen, wodurch sich das, was bisher verdrängt wurde, zum Vorschein kommt und damit greifbar und allmählich verstehbar. Die angehäuften Ängste, Verletzungen und die damit verbundenen Schmerzen zeigen ihre Umrisse, intensivieren sich. Die Angst vor einem endlosen Abgrund tut sich auf und wir spüren, dass nicht nur persönliche Ängste in uns stecken, sondern auch kollektive.
Da ist nun Geduld und Vertrauen gefragt: das Vertrauen nämlich, dass jenseits dieser finsteren Abgründe eine Macht wirkt, die uns liebt, die will, dass wir hier und im Leben sind.

In einer folgenden Phase erkennen wir, dass sich die Dunkelheit auflockert. Schimmer von Licht sind bemerkbar, erst schwach, dann stärker werdend.

Plötzlich treten Einbrüche von starkem Licht auf, manchmal an eine Flut erinnernd. Es ist sehr lebendiges Licht, das zu uns spricht, uns in unserer individuellen Wirklichkeit wahrnimmt, Licht, das uns meint, erkennt und wir sind fassungslos, freudig überrascht: wie kann das nur sein! Bis wir realisieren, dass wir geliebt sind. Bedingungslos mit all unseren Fehlern und Schwächen. Geliebt, angestrahlt, aufgehoben in unendlicher Zärtlichkeit.

Unterdessen sind wir umgestiegen, vom Verstand in das «Fahrzeug» der feinsten Sinne, also der Fein-Sinnigkeit und der Übersinnlichkeit. Hier sind wir zugänglich für die Wahrnehmung der bedingungslosen LIEBE, die uns durch alles, was wir sind, heilend berührt.
Je mehr wir uns verfeinern, desto besser kann sich uns die wahre Kraft, das hohe Bewusstsein und die umfassende Liebe offenbaren.

Nun nimmt unser inneres, hauchfeines Wesen Gestalt an. Diese ist durchlichtet und sehr fein. Wir fühlen uns zart, filigran. Manchmal meinen wir nichts zu sein, feiner als Hauch. Wenn wir dann ausharren, erleben wir diese Feinheit, die bis ins Nichts reicht als eine Realität, eine Wirklichkeit: der Hauch des Lebens, der Seelen-Odem. Es ist die Realität unseres innersten Seelen-Raumes und seine Wirklichkeit, das heisst seine Ausstrahlung. Dieser innerste Seelen-Raum ist individuell und universal/kosmisch.

Auf dem Weg zum Ursprungslicht, unserem Seelen-Zentrum, reinigt uns unsere Seele. Narzisstische Höhenflügel und Fehl-Identifikationen halten dem Licht der Wahrheit nicht stand. Sie trocknen allmählich aus, wahre Demut breitet sich aus. In der mystisch-christlichen Tradition spricht man auch von geistiger oder geistlicher Armut. Die Sufis sprechen von Fana, der Vernichtung des falschen Selbst.
Wir erfahren, dass alles, was an uns wesentlich, essentiell ist, Geschenk ist. Gegebenes.

Anstelle des mentalen Überbaues (unser Grössen-Selbst) breitet sich in unserem Bewusstsein Realität aus, die primäre Wirklichkeit dessen, was wir wahrhaftig sind. Es ist unspektakulär und wunderbar. Wo nichts mehr zu sein scheint, geht die Sonne des Bewusstseins und der ewigen Liebe auf.
Nun sind wir ganz nahe an unserem Wesenskern. Dieser ist der göttliche Funke oder die göttliche Flamme, die niemals erlischt. In sie werden wir einst eingehen.

Im Umkreis des Wesenskern tut sich der Himmel auf, wirkt die Aura Gottes. Da ist reines Strahlen. Wenn wir sterben fallen wir in den Kernbereich (den Wesens-Kern) unserer Seele, der heilig ist. Das Innerste unserer Seele ist vollständig durchgeistigt. Dort ist der Ewige/die Ewige, der Gebärer/die Gebärerin, der Liebende, die Liebende, die uns in LIEBE empfängt.

*Sri Aurobindo: Das göttliche Leben, Band 1, S.252

Der dritte und letzte Teil des Essays über DIE SEELE erscheint voraussichtlich in eine Woche.

DIE SEELE Teil 1

Ich glaube, dass die verbreitete Abspaltung von der Seele, die wir zunehmend beobachten können, die Haupt-Ursache für die globale Krise, u.a. die ökologische Problematik, darstellt. Ihre Re-Integration erscheint mir als dringlich. Wenn wir uns gegenseitig helfen, unsere Herzen zu öffnen ist dies vielleicht das Sinnvollste, was wir heute tun können, um die verhärteten inneren und äusseren Strukturen aufzuweichen, damit unsere Seelen, wie auch die Seele der Welt wieder frei atmen und kreativ wirken können.

  • Die Krankheit der Welt: Seelenlosigkeit
    Nichts sind wir mehr als unsere Seele: Wir leben in ihr, aus ihr sind wir körperlich geboren, in ihr geht unsere Reise dem Ursprung entgegen, aus dem wir kommen. Die Seele wird über weite Strecken verleugnet und verneint. Sie existiert nicht, so denken vor allem Natur-Wissenschaftler.

    Warum, so frage ich mich oft, interessieren sich nicht mehr Menschen für die wahre, die unsterbliche Seele? Denn: Alle Menschen haben ja schon gespürt, dass es hinter den Dingen, eine unsichtbare Welt gibt, die sich zum Beispiel in Kunstwerken niederschlägt, sich in Träumen zeigt oder in Stimmungen, die uns über das Bekannte hinaustragen. Also noch einmal: Warum interessieren sich so Wenige für den manchmal doch sehr spürbaren Hintergrund unseres Daseins, den wir Seele nennen? Das Interesse an unserer Seele ist gering. Sie hat allenfalls Geltung als Bereich, in dem unsere Gefühle zu finden sind.
    Das Weltbild, welches die Seele (und meistens auch den Geist) ausschliesst, der pure Materialismus, ist arm, weil eindimensional. So hoch-komplex unsere Welt auch erscheinen mag, so ist sie doch elend, verarmt, auf Weniges, meist Materielles, reduziert. Dieses Wenige, das uns bleibt, verschlingen wir mit Heisshunger, nämlich unsere physische Existenz-Grundlage.
    Die Seele halten viele Menschen für ein Konstrukt, eine Einbildung, eine neurotische Vorstellung.“Die Krankheit der Welt besteht darin, dass der Einzelne seine wahre Seele nicht finden kann, und die Ursache an der Wurzel dieser Krankheit ist wieder, dass er, wenn er die äusseren Dinge ganz umfassen will, mit der wirklichen Seele der Welt, in der er lebt, nicht in Verbindung kommen kann.“  Sri Aurobindo*

Unsere Reise
Lange vor unserer physischen Existenz entstanden wir – so die mystische Sicht- aus einem Liebesgedanken Gottes, der zu unserer Seele wurde. Dieser Liebesgedanke drückt einen Aspekt Seiner umfassenden Wirklichkeit aus. Dieser Aspekt, beziehungsweise dieser Liebesgedanke ist der heilige Kern unserer inneren Wesenheit, unsere subliminale Seele.

Durch alle Bewusstseinsebenen und alle Leben hindurch speichert die Seele alle wesentlichen Erfahrungen und Erkenntnisse, die sie auf ihrem Weg der Reifung und Vervollkommnung braucht, damit sie einmal reiche Früchte trägt, als Segen für die Schöpfung und alle Lebewesen.

Die Seele bildet die Substanz höheren Wissens und Weisheit. Sie ist aber auch Empfängerin von Glückseligkeit.
Die Seele zieht es in grosser Sehnsucht zurück zu ihrem Ursprung, in den göttlichen Bereich, in dem sie geboren wurde. Also zu Gott, dem All-Einen, All-Umfassenden. Der Weg in die materielle Welt und zurück zur geistigen Welt dient der Bewusstwerdung, der Intensivierung des Lichts und der Vervollkommnung an Schönheit und Liebeskraft.
Die Seele ist unsere Reise-Begleiterin, die innere Weisheits-Lehrerin, der innere Seher.
Alle Stationen der Emanation aus der Quelle des Lichtes bis in die physische und individuelle Verkörperung des göttlichen Licht-Gedankens in den materiellen Welten, leben in unserer Seele als lebendiges Wissen, das aber vorerst weitgehend verborgen ist, bis es geweckt wird.

Die Erweckung
Durch eine Tiefen-Berührung wird unsere Seele erweckt. In Momenten, wo wir weich, offen und durchlässig sind und im Bewusstsein unserer tiefsten Sehnsucht, kann es geschehen, dass wir in der Tiefe bewegt und ergriffen werden von einem hohen lebendigen Impuls (Christus-Impuls) aus dem göttlichen Bereich.
Wir fühlen uns bewegt, berührt, weinen vielleicht oder lachen und es fühlt sich so an, als ob wir aus einem langen Schlaf erwachen würden, der uns nun eine neue, grosse lichtvolle Wirklichkeit voller LIEBE in unser Leben bringt.

Durch das kontinuierliche Interesse an unserem Innenleben, also an unserer Seele, unserer innersten Wesenhaftigkeit, entwickelt sie sich. Sie wird stärker und kann uns ihr Potential vor die inneren Augen und Ohren führen. Gleiches gilt ja für unsere Kinder, die dann seelisch wachsen, wenn wir uns auch für ihr Innenleben, ihre Wesenhaftigkeit interessieren.

Indem wir auf unsere Seele hören, entwickelt sich unsere Selbst-Wahrnehmung. Unser ganzes Wesen verfeinert sich. Es kommt der Moment, wo das innere Wesen, die Führung übernimmt, wo sich die kleine Persönlichkeit, das Ego, vollständig ins zweite Glied zurückzieht, nun nicht mehr herrscht, sondern dient.

Spätestens dann ist es uns zur Gewissheit geworden, dass diese so feine, zarte, fast hauchartige Seele die wahre Trägerin unseres Lebens ist, ausgestattet mit grosser Wirklichkeit und Wirksamkeit. Nun sind wir nicht mehr dem Hin und Her des polaren Lebens unterworfen, sondern können jeden Moment als gegeben, als ein Geschenk schätzen.

So wie wir nun unseren Körper als beseelt wahrnehmen und erkennen, dass er nicht nur durchdrungen, sondern auch von Seele umhüllt ist, so fangen wir an, auch die Erde und das Universum als von Seele durchdrungen zu erfahren.

Jeder Moment, weiss die Seele, ist uns gegeben.

*Sri Aurobindo, Das göttliche Leben, 1. Band, S. 253.

Der zweite Teil dieses Essay folgt demnächst.

 

 

 

 

Heute Abend

Heute Abend gare ich Fenchel, brate Kartoffeln und mache mir dazu eine Käserahm-Sauce mit Paprika und verschiedenen anderen Gewürzen.

Ich bin zufrieden mit dem Resultat. Langsam esse ich an meinem Platz am Fenster, alleine, wie oft und beobachtete den rollenden Abendverkehr auf der nahen Oltener-Strasse hinter der Tankstelle. Viele Lichter, wie aufgereiht. Der Verkehr zwischen Rollen und Stau.

Die Zeit des Einnachtens macht mich oft melancholisch. Gut gibt es Wein. Der Tropfen heute ist superb. Der diesjährige Januar ist mild wie selten. Ich geniesse die jetzigen nebelfreien Tage, mache Spaziergänge, der Sonne wegen.

Dann tänzle ich in die Stube im Rhythmus des swingenden Jazz. Ich höre «Jazz for dinner» am Radio Swiss Jazz, stelle es dann ab, setze mich auf das schwarze Ledersofa, mit dem Buch «Spirituelle Ökologie» in der Hand, schlage es auf und lese:

«Manchmal sind wir so dringend davon überzeugt, dass die Welt gerettet werden muss, dass wir uns zwingen, tagein, tagaus an der Rettung unseres Planeten zu arbeiten. Infolge dieser Sichtweise vernachlässigen wir unser eigenes Wohlbefinden, um schliesslich unter Burnout, Depressionen, Ehescheidungen und Desillusionierung zu leiden.

Deshalb lehrt uns die Gita, dass es nicht nötig ist, die Sorge um den Erdboden von der Sorge für die Seele zu trennen. Wir müssen beides tun… was bedeutet, sich Zeit für innere Reinheit, Meditation, Spiritualität und ein Leben in eleganter Einfachheit zu nehmen.»*

Am Ausdruck «elegante Einfachheit» bleibe ich hängen.
In einer Gesprächsgruppe, nannte ein Mann, als wir von spirituellen Tugenden sprachen, «Eleganz» als eine der spirituellen Tugenden. Ich horchte auf: wie bitte? – und spürte gleichzeitig, dass er recht hatte mit dieser Nennung.

Eleganz heisst, gemäss Duden: «Vornehmheit» in Bezug auf die äussere Erscheinung, elegantes Aussehen; Gewandtheit, Geschmeidigkeit in der Bewegung, sowie kultivierte, elegante Form und Beschaffenheit.
Der Autor des Artikels (Satish Kumar) bringt den Begriff Eleganz in Zusammenhang mit Einfachheit: ein Leben in eleganter Einfachheit.

Ich erinnere mich an meinen Aufenthalt in Senegal, vor vielen Jahren. Ich sehe, wenn ich an die Menschen dort denke, viele einfache, oft arme Personen, die in Würde dahin schlendern, in fast königlicher, schlichter Eleganz, oft bekleidet mit einem einfachen, langen, bunten Kleid. Insbesondere erinnere ich mich an ihre lockeren Handgelenke, an ihre Arme, die an Flügel erinnern, an ihre Geschmeidigkeit in der Bewegung und an ihr breites vergnügtes Lachen.

Die einfache Eleganz ist von innen getragen, wie auch die Bewegungen, die aus dem Sein auftauchen. Kein Luxus: es ist eine Art von innerer, schlichter Schönheit, die aus dem Herzen kommt, eine Geschmeidigkeit, wie es Verliebte an den Tag legen. Es sind beseelte Formen, die von der Stille zeugen, aus er sie kommen. Tanz also, Lebenstanz, Zelebration. Das Tänzeln nach dem Abendessen, das plötzliche Hüpfen auf dem Parkplatz wie von Zauberhand berührt. Ja: Eleganz: aus dankbarem Leben, gestaltet in Poesie.

Wo bleiben dann die schweren, ernsten Schritte gebückter Menschen in den vielen Strassen und Gassen vieler dunkler, schweren Städte und Dörfer? Ich höre sie von Weitem. In sich zusammengefallenes Leben, welches auf Trost wartet.

Unter diesen schweren Schritten höre ich auch die meinen, dem alten Mann, der ich bin. Ich sehe aber auch seine Tanz-Schritte, anmutig, vielleicht nicht von aussen betrachtet, aber von innen gefühlt, denn sie kommen aus der unvergänglichen, ein-fachen, zeitlosen Seele.

Noch einmal schlage ich das Buch auf: «Wir müssen die Fürsorge für die Seele als Teil der Fürsorge für die Erde betrachten.»

Heute Abend gehe ich früh ins Bett. Ich gehe durch die Wohnung, räume das Gröbste auf, trage die Teller in die Küche, lüfte kurz, nehme meine Globuli ein (Placebo würden einige sagen), putze die Zähne, nicke, lege mich nieder.

*aus dem Artikel: Die drei Dimensionen der Ökologie: «Erdboden, Seele und Gesellschaft» von Satish Kumar, aus «Spirituelle Ökologie» – Der Ruf der Erde. Verlag Neue Erde.

 

 

Abwesenheit – Anwesenheit

Abwesenheit von Leben zeigt sich in substantiellen Mängeln, in einer kühlen, statischen Atmosphäre, in Bewegungs-Armut (dabei meine ich vor allem die innere Unbeweglichkeit), in einem Mangel von Wärme, Intimität und Zärtlichkeit.

Der Mensch wird zum Abwesenden, zum Unsichtbaren, Tauben, wenn er seine Seele, die ihm Wohnung sein kann, verlässt, wenn er sich also selbst verlässt, meidet, genauso wie öffentliche Plätze rasch abkühlen, wenn sie nicht mehr von Menschen, Tieren und Pflanzen beseelt werden.

Ich erinnere mich, wie es früher in kleinen und mittleren Unternehmungen, in sozialen Einrichtungen, in Läden und Restaurant oft eine sogenannt gute Seele gab. Treue Mitarbeiter*innen, über Jahre verwachsen mit dem Betrieb, in dem sie arbeiteten, oft Vermittler*innen mit mütterlichen Zügen, welche Wärme und Anteilnahme verbreiteten, bei denen man sich notfalls auch ausweinen konnte oder mit denen man mit einem Glas Sekt anstossen konnte bei freudigen Ereignissen. Sie waren erreichbar für die Chefs, wie auch für die Lehrlinge und die kleinen Angestellten. Auch die Putzfrauen und Ausläufer fühlten sich von ihnen geschätzt. Sie wurde respektiert. – Dann kam die Zeit des Neo-Liberalismus. Es hiess, die Unternehmungen müssten schlank werden. Man sprach von Effizienz-Steigerung und von Optimieren. In diesem Trend wurden die guten Seelen eliminiert und, falls sie in Pension gingen wurden ihre Plätze gestrichen. Die freien Wärme-Räume schlossen sich. Wo früher eine gute Seele die Fäden in der Hand hatte – liebevoll! – sind es heute Roboter, die Weisungen erteilen oder es sind kalte Leer-Räume entstanden, wo früher Wärme-Zentren waren.

Die Anonymisierung in der materiellen Gesellschaft nimmt aber auch heute ihren raschen Lauf. Viele der restlichen, organisch gewachsenen Menschennetzwerke zerfallen, deren emotionaler Mittelpunkt diese «guten Seelen» bildeten. Geblieben sind winzige Teil-Funktionen, deren Zusammenhalt nicht durch Menschen gewährleistet sind, sondern durch Roboter. Bezweckt werden reibungslose Abläufe und die Mehrung der Rendite. Man spricht auch von Rationalisierung oder vom Weg-Rationalisieren von nicht effizienten Dienstleistungen oder umständlichen Abwicklungen von Geschäften. Damit können auch Menschen gemeint sein; es können auch gute Seelen sein, deren soziale zwischenmenschliche Aufgabe und Funktion keine Rolle mehr zu spielen scheinen. – Viele von ihnen haben sich in den letzten Jahren in Enklaven oder auf Inseln zurückgezogen und bauen dort im Stillen ihre Oasen, oder sie fühlen sich verlassen und nicht mehr gebraucht in ihren kleinen engen Wohnungen.

Mit der Schilderung des Rückzuges der guten Seelen wollte ich auf das übergreifende Phänomen hinweisen: der Entseelung der Gesellschaft und der Auflösung des menschlichen Zusammenhaltes. Die Welt braucht ein globales Netzwerk, hilfsbereiter, wärmender «Seelen», damit das Herz der Erden-Menschheit weiterhin seine überlebensnotwendigen Impulse aussenden kann. Ich glaube, dass zu dieser Zeit der globale Herzschlag schwach ist, wodurch das Leben auf Erden gefährdet ist und die Verbindung zur Quelle nicht genügend stark ist, damit sich das Leben auf Erden erholen kann.

Um wahre lebendige Wesen zu sein und zu bleiben, also Anwesende zu sein, die mit dem Herzen hören, ist es wohl nötig innere Stärke zu entwickeln, um nicht in den Sog der Abwesenheit zu geraten, in die Unsichtbarkeit abzurutschen oder in der Unbeweglichkeit des Toten zu landen. Das Schlimmste ist Stagnation und  Verbitterung.
Sollten wir den Weg der Liebe (des Herzens) wählen, werden wir zu Pilger*innen. Als solche brauchen wir für unsere Wanderung dreierlei: Den Licht-Mantel, die Laterne und den Wander-Stab.

Der Lichtmantel: Die Umkleidung mit dem Lichtmantel schützt uns. Sie ist die Umhüllung mit dem Geist, dem göttlichen Atem (Prana), der uns umkreist und uns in Verbindung mit unserem Ursprung hält. Dieses Kleid wird uns geschenkt, wenn wir es wagen, uns regelmässig in Stille beschenken zu lassen, zum Beispiel in Form von Meditationen.

Die Laterne: Um auch in einer rauhen und dunklen Welt lebendig zu bleiben, ist es nötig, dass wir eine stets brennende Laterne fest in der Linken halten. Sie stellt das innere Licht dar und die Wärme des Lebens. Sie ist die lebendige Liebesflamme in uns. Die Lampe brennt durch unsere Erinnerung an sie, wenn möglich bei jedem Atemzug. Sie ist es, die bewirkt, dass wir Lichtstrahlen in diese Welt bringen können, ohne uns im Dunkeln zu verirren und verwirren zu lassen.

Der Stab: Er symbolisierte die menschliche Vertikale. Er erinnert uns, dass wir als Menschen, den Übergang und die Verbindung bilden zwischen Erde und Himmel, zwischen Tier und Engel. Er erinnert uns daran, aufrecht und würdig zu gehen, im Bewusstsein unserer Verantwortung.

Es ist hilfreich, uns jeden Morgen symbolisch und imaginativ auf diese Weise einzukleiden, um bewusst in den Tag zu gehen. Wir können diese Handlung durch kleine Gesten verlebendigen.

Ob wir es auf diese oder andere Weise tun spielt nicht so eine Rolle, wichtig ist, dass wir möglichst jeden Tag bewusst beginnen, denn die Kräfte der Verdrängung, der Spaltung und der Abnützung sind in unserer Welt – ich habe sie als rauh bezeichnet – gross.

Ich fühle, dass es gut ist, wenn ich weiss, worauf ich mich ausrichte, denn ich bin nicht gefeit davon, mich von dieser Welt vereinnahmen zu lassen. Denn ich bin ja auch ein Kind dieser Erden-Welt und sie fasziniert mich, obwohl ich weiss, dass sie in Schieflage geraten ist durch den ausufernden Materialismus und den Hyper-Individualismus, der uns einsam macht.

Ich vermute, dass die nächsten Erdenjahre uns durch unsere selbst geschaffenen Widersprüche, Einseitigkeiten und Ungerechtigkeiten durchschütteln werden. Ich will deshalb auf innere Stärke setzen und mit der inneren Flamme in Beziehung bleiben.

Neben meinem Bett steht der Stab, die Laterne und das Kleid liegt über der Stuhllehne und ich nehme die drei zu mir, wenn ich aufstehe.

 

Eine Kultur der Zärtlichkeit

«Zärtlichkeit, die friedliche, willkommene Grenzüberschreitung hinüber zum Du, steht als Prinzip der Bejahung, der Berührung und Vereinigung gegen das Prinzip der Verneinung, Abkapselung, Vernichtung.»                                        August E. Hohler

These: Zärtlichkeit ist das Fundament der Menschheit.
Der Mensch ist ein hoch-komplexes, fragiles, aber auch geschwächtes Geschöpf. Er gedeiht in einem Netz nährender, zärtlicher Beziehungen und Kontakte.

Wenn man mich fragen würde, welche Synonyme für mich treffend den Begriff Spiritualität erklären und veranschaulichen würden, so würde ich folgende Worte nennen:

Berührung   –   Bewusstheit   –   Zärtlichkeit.

Berührung:     Initiation, Lebens-Ur-Impuls, Erweckung, Vermittlung, Seins-Übertragung
Bewusstheit:  Gewahrsein des göttlichen Geistes, Reflexionsvermögen, Kontemplation
Zärtlichkeit:    Achtsamkeit, Empathie, Seligkeit, Seele, Heiliger Geist, das Lamm, LIEBE

Dieser Blog-Beitrag handelt von der Bedeutung der Zärtlichkeit im Leben des Menschen, bzw. der Menschheit.

Man hat herausgefunden, dass Haut und Gehirn aus der gleichen fötalen Bindegewebsschicht stammen, dem sogenannten primären Ektoderm. Aus dem ektodermen Keimblatt bilden sich: die Haut, das Nervensystem und die Sinnesorgane. Also diese drei wachsen und differenzieren sich aus dem Keimblatt (dem primären Ektoderm)

Es ist nun leicht einzusehen, dass bei der Entstehung des Embryos und damit des Menschen, Zärtlichkeit die Entwicklung der Haut, des Nervensystems, des Gehirns und der Sinnesorgane unterstützt und fördert und es kann vermutet werden, dass die Zärtlichkeit der Eltern bei der Zeugung des Kindes und danach während der ganzen Schwangerschaft die Bildung des Embryos positiv beeinflusst, genauso wie der Hautkontakt mit dem Neugeborenen später zentral ist für seine menschliche Entwicklung.

Wenn also Haut, Nerven und Sinnesorgane aus einem Gemeinsamem entstanden sind, so ist es leicht nachzuvollziehen, dass es durch Zärtlichkeit nicht nur der Haut, sondern auch den Nerven und Sinnessorganen gut gehen wird.

Hier möchte ich einfügen, dass für mich Zärtlichkeit zwei zentrale Aspekte umfasst:
Erstens: Intimität, taktile Hautkontakte wie Streicheln, Liebkosen, Umarmen, Küssen.
Zweitens: Eine zärtliche zwischenmenschliche Atmosphäre, ein emphatisches, feines Klima.

Beide Aspekte zusammen ergeben für mich die Bedeutung von Zärtlichkeit.

Nach dem der Mensch geboren ist, den mütterlichen Uterus verlassen hat, wechselt er über in die sozial-emotionale Gebärmutter. Er ist eine physiologische Früh-Geburt (Adolf Portmann). Anders als Säugetiere, die kurz nach ihrer Geburt gehen können, ist der menschliche Säugling noch unbeholfen, völlig auf Pflege, Betreuung und Umsorgung angewiesen.
Insbesondere aber auf Zärtlichkeit. Auf dem Boden der Zärtlichkeit reift er, wächst er, gedeiht er. Seine Intelligenz, insbesondere die emotionale Intelligenz, entwickelt sich zu einem grossen Teil durch Hautkontakte:

In einer Atmosphäre der Zärtlichkeit und des Getragen-seins entwickelt sich beim Säugling und beim Klein-Kind Urvertrauen. Ur-Vertrauen ist der Vertrauens-Boden, auf dem der Mensch steht und handelt. Konnte sich dieser Boden von Vertrauen nicht oder nur minimal bilden, spricht man von Ur-Misstrauen. Ohne Ur-Vertrauen fällt es Menschen sehr schwer, stabile und vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen und zu halten. Sie neigen dazu, sich zu isolieren oder sich mit Gewalt das zu holen, was sie brauchen.

Zärtlichkeit erdet! In einem Raum der Zärtlichkeit kann der Mensch ganz inkarnieren. Fehlt diese Basis wird der Mensch nur teilweise inkarnieren können. Die Erde kann nur mittels ganz Inkarnierten zu ihrer ganzen Wesenskraft finden. Lesen wir Jochen Kirchhoff („Was die Erde will“):

„Mir scheint es durchaus plausibel und sei es auch nur metaphorisch, von einer kosmischen Geburt von Erde und Erdenmenschheit zu reden. Vielleicht bedarf es einer kosmischen Geburt, damit die Erde zur ERDE transmutiert, die sie andererseits schon immer war. Die Erde muss das werden, was sie ist, und zwar unter Mithilfe des Menschen…Die Erde braucht den integralen Menschen, um ganz Erde (ERDE) zu sein… Der zu sich selbst gekommene Mensch ist die Erfüllung der Erde.“ (S. 263 und 372)

Zärtlichkeit hat sehr viel mit Erdung und der Bildung von Boden, im Sinne von Fundament zu tun. Vertrauen, durch Zärtlichkeit gewachsen, bildet der Boden, auf dem der Mensch lebt und handelt. Obwohl Zärtlichkeit beim Säugling und Kleinkind von besonderer Wichtigkeit ist, bleibt sie doch ein Leben lang unabdingbare Nahrung für das seelische und geistige Wachstum des Menschen, welcher aus ihr lebt, sich entwickelt und vervollkommnet.
Ich glaube, dass sich alle Kinderpsychologen und Kinder-Psychiater einig sind, dass das Kind, insbesondere der Säugling die Erfahrung der Zärtlichkeit, des Getragen-Werdens, der Körperwärme, unbedingt braucht, damit er sich gut und harmonisch entwickeln kann.
Wäre dies im Bewusstsein der Bevölkerung und seiner PolitikerInnen, wäre eine ausgiebige Elternzeit schon längst Gesetz und keine Frage mehr.
Wer Boden unter den Füssen hat und in einer zärtlichen Umgebung lebt (die er mitaufgebaut hat), hat fast alles was er benötigt: Gemeinschaft, Liebes-Beziehungen, Selbstvertrauen, ein Grundgefühl von Wärme und Akzeptation, Mut zur Selbstgestaltung, eine erfüllte Sexualität.

In Wärmeräumen, die in einer zärtlichen Gesellschaft laufend geschaffen werden (ich habe davon in früheren Beiträgen davon gesprochen) wird ein zärtliches Miteinander gelebt. Im Laufe der Zeit verbinden sich diese Orte miteinander. Ein zärtliches Beziehungsnetz entsteht, über die Landesgrenzen hinaus. An Orten der Zärtlichkeit – so mein Visions-Bild – wird in Liebe zusammengearbeitet und das Leben gefeiert. Und es bleibt viel, viel Zeit, Zärtlichkeit zu zelebrieren, sich somit zu nähren und wertzuschätzen.

Eine solche Erfahrung macht den Menschen im materiellen Sinne genügsam. Fast alles, was unsere moderne Zivilisation und Kultur hervorgebracht hat, ist Ersatz für den Mangel an Zärtlichkeit, Verstehen und Vertrauen.
Je mehr Konsum, desto weniger Zärtlichkeit. Je dicker die Menschen einer Gesellschaft sind, desto weniger echter Friede kann vermutet werden. Der Mangel an Zärtlichkeit macht unruhig, macht nervös. Sucht und fiebriges Reisen sind die Folge.

Wir brauchen eine Kultur der Zärtlichkeit, damit wir zur Ruhe kommen. Sie ist das Erste, das wir brauchen. Alles andere geht daraus hervor.
Kann das so simpel sein? Ja, das ist es, wenn auch der Bewusstseinsschritt gross ist.

Gewaltfreies Leben

Dieselben Menschen, die an menschliches Leben auf dem Mars glauben, bezweifeln, dass es möglich ist, gute Medikamente ohne Tierversuche zu entwickeln. Oder ist ihr Zweifel nur vorgegeben, um an alten Zuständen festzuhalten?

Menschen lassen durch Tricks gute Produkte veralten, um neue Produkte-Palletten zu lancieren, welche grössere Gewinne versprechen.

Menschen schneiden Organe aus den Organismen anderer Menschen, um künstliche Organe oder nano-technische Vorrichtungen einpflanzen zu können – für gutes Geld.

Menschen verbrennen Wälder im Glauben dadurch neue Anbauflächen zu erhalten, um gefragte landwirtschaftliche Produkte (z.B. Palmöl) anzupflanzen und für gutes Geld zu vermarkten. Sie glauben, dass es unbedingt dieses Produkt in grossen Mengen brauche und dass dafür Wälder weichen müssen.

Brauchen wir wirklich Pestizide, von Multis entwickelt, die durch ihre Gewinne weitere Gifte erfinden?
Ist es wirklich sinnvoll, Häuser abzureissen, nur wenige Jahre nach dem sie fertiggestellt wurden, mit dem Ziel an gleicher Stelle grössere Häuser zu bauen, die mehr Rendite versprechen?
Ist es wirklich nötig, Bäume zu fällen, längt bevor sie ausgewachsen sind und Tiere zu schlachten längst bevor sie ihre Jugend erreicht haben?

Ist es so, dass immer zuerst etwas getötet werden muss, um Fortschritt zu erzielen? Ist Wachstum ohne Vernichtung nicht möglich? Ist jede Kultur von Sünden-Böcken abhängig und von ausgegrenzten Minderheiten? Weshalb kann das Vorübergehende, Alte, nicht integriert werden und ins Werdende eingebracht werden?

Kann neue Kultur nur entstehen, wenn die alte ins Ghetto verbannt wird (z.B. die Indianer)?

Kann eine neue Ära beginnen, die auf einem Rufmord oder auf Ächtung beruht?

Die Energie des Tötens: wohin geht sie? – woran bindet sich die Gewalt?
Geht sie womöglich in das sogenannte Neue ein?
Karma, der ewige Kreislauf. Karma, die Gewalt-Spirale. – Wenn das stimmt, dann geht die Gewalt an Millionen von Tieren, die bei Tierversuchen elendiglich sterben in Medikamente über, die Genesung versprechen!? Und in uns, die wir sie millionenfach schlucken.
Heilung durch Tötung – durch Gewalt?

Wenn etwas nicht durch Gewalt, Anstrengung und Verzicht erworben worden ist, so kann es nicht wertvoll sein – so glauben Viele. Alles, so sind wir erzogen worden, muss durch die Gewalt gehen. Nichts ist geschenkt. Es gibt keine wirkliche Liebe. Alles was hält, ist in Härte errungen. Dies sagt MANN uns.

Deshalb glauben dieselben Menschen, die überzeugt sind, dass sich keine guten Medikamente ohne Tierversuch entwickeln lassen, an eine Zivilisation auf dem Mars (dem Kriegs-Gott).

Ich will hier nicht sagen, dass es nie aggressive Eingriffe brauche. Was ich ausdrücken möchte, ist, dass wir in einer Kultur leben, in der Zerstörung und Tötung von Leben zu einer dunklen, nur halb-bewussten Gewohnheit, ja zu einem Gesetzt, vergleichbar mit einem finsterer Opfer-Mythos geworden ist, die fest in unserer Gesellschaft und in unseren Seelen eingeschrieben zu sein scheint.
Haltungen und Handlungsweisen, die auf Gewalt basieren wirken verunreinigend. Sie behindern den Einfluss von Liebeskraft und von geistiger Durchstrahlung. Aber wir brauchen für unserer Entwicklung als Menschen und Menschheit einfliessende Liebeskraft und geistige Durchstrahlung.

Oft träume ich von einer Kultur, wo Entwicklung gewaltlos geschieht, ohne Tötung von Lebewesen und ohne Ausbeutung, – wo Christus leben darf.
Ja, oft.

Dennoch: Tot und Opfer gehen aller substantieller Erneuerung voraus. Jenseits des finsteren Opfer-Mythos steht die tiefliegende Erkenntnis, dass das Trennende, das sich aus dem Ganzen abisolierende Prinzip, das sich im Ego manifestiert, überwunden werden will. Die Illusion der Trennung, der Eigenwille, die Eigenmacht, die sich dem Gewahrsein der umfassenden Zusammengehörigkeit entgegenstellt, soll sterben und nicht das Andere, das, was wir als fremd ausgrenzen wollen.

Im Lamm Gottes kommt die überfliessende sanfte Hingabe, die umfassende, alles berührende Zärtlichkeit in die Welt, welche die Gewaltspirale dahinschmelzen lässt.

Diese letztere Behauptung weckt im Allgemeinen eine grenzenlose Wut aus, Zweifel, Resignation oder Unglauben. In ihr fliessen ganze Ströme von erlittenen Enttäuschungen und nicht geheilter Traumata.

Wir haben die Chance, sie in die umfassende Zärtlichkeit zu legen.

 

Lichte Trauer

In verschiedenen Blog-Beiträgen habe ich auf die bewegte, lichtdurchlässige Trauer hingewiesen. Nun möchte ich darauf ausführlicher eingehen. Dieser Blog versteht sich auch als Fortsetzung und Ergänzung meines letzten Artikels: «Weltschmerz».

Tiefe, bewegte Trauer, in Verbindung mit Mitgefühl ist ein Zeichen zunehmender Gesundung, Heilung. Oft nennen Menschen ihre depressiven Verstimmungen, ihre Bedrückung und selbstquälerischen Lebensphasen oder die inneren Zustände von gedämpfter Lebenskraft und Lebensfreude fälschlicherweise Trauer.

Trauer aber, so wie ich sie verstehe, stellt sich erst eint, wenn der Mensch sich im Prozess der Heilung befinden. Nur der Gesunde, oder gesundende Mensch ist fähig, sich ganz in seine Trauer einzulassen.

Trauer bewegt, weicht auf, bringt, was vorher gelähmt war, wieder in den Fluss des Lebens, bringt, was vorher starr und hart war in eine weiche Bewegung, ermöglicht, was vorher überspannt war, einen lockeren und entspannten Zustand, indem alle Gefühle an Tiefe gewinnen. Diese bewegte Trauer ist Teil eines Heilungsprozesses.

Der Menschen, der seelisch-geistig erwacht, der sich also seiner geistigen Wesenheit zunehmend bewusst ist, was einher geht mit der Erfahrung von bedingungsloser Liebe und eines Gefühls von umfassender Geborgenheit und Seligkeit (Glückseligkeit). Es ist eine Art von seelischer Berührung, Ergriffenheit bis hin zu einer Erschütterung, die dem Erwachen vorausgeht, oft verbunden mit einer Trauer und Rührung, in der wir die alte Gefasstheit verlieren und eintauchen in das ursprüngliche Leben vor allen Prägungen. Dabei erkennen wir die Zwänge, Prägungen und Gewohnheiten, die uns über lange Zeit im Halbdunkeln festgehalten haben. Wir trauern dann über uns selbst, darüber, dass wir solange nicht wirklich gelebt haben. Dies wird uns jetzt bewusst im Licht, das in uns wie eine Sonne aufgeht.

Der Nebel hat sich verzogen, die Nebelschwaden haben sich gelichtet und die Sonne wärmt uns.

Die Mischung von Trauer und Licht ist ein wunderliches und wunderbares Wandlungs-Ereignis.

Die bewegte, weiche, erweichende und schmelzende Trauer, die von Licht durchflutet ist, heilt und wandelt: Sie ist in Mitgefühl eingebettet. Sie ist es, die der Trauer diese sanfte, wiegende Bewegtheit verleiht.

Während uns der Schmerz an unsere individuelle und kollektive Trennung von unserer Seele, unserem Herzen, also von uns selbst erinnert, begleitet uns die heilende und uns sanft bewegende Licht- Trauer durch den Selbst-Versöhnungsprozess hindurch zurück zu unserer Mitte.

Die Trauer verbindet uns wieder mit den Bereichen, die wir von uns abgetrennt haben. Nun kann das Abgespaltene zurückkehren. Empfangen wir also das Verloren geglaubte im Lichte unserer Tränen. Integrieren wir es.
Das Bewegte unserer Trauer wiegt das bedürftige Kind in uns.

Dies ist die Vorbereitung auf die nachfolgende grosse Freude, auf das Fest des Lebens und der Wiedervereinigung.

 

Garten Eden

Auf einem meiner Spazierwege befindet sich der ehemalige «Garten», der zu einem toten Schotter-Garten geworden ist. Tonnenweise grauer Schotter liegt da; eine zerzauste Palme kämpft ums Überleben. Buddhas und Störche aus Gibbs oder Stein stehen herum, Plastik-Maskottchen, Gartenzwerge. Dazwischen hängen Schweizerfahnen. Nicht zu übersehen ist die verbreiterte Garageneinfahrt, wo der grosse Gelände-Wagen steht. Es ist ein Kuriosum von moderner Verelendung mit kaum zu übertreffendem Kitsch.

Europaweit sind solche Schottergärten entstanden, pflegeleicht, tot. Versiegelte und zubetonierte Böden, wo nichts mehr lebt. Abstellplätze für Autos und Geräte, Abfall und für allerlei «Dekorationen». Sicher kein Lebensraum mehr für Insekten, Igel und Vögel.

Der Garten Eden ist paradiesisch, fruchtbar von grossen Flüssen durchströmt. Eine blühende Landschaft, von Liebenden bewohnt. – Tatsächlich leben wir (lebten wir) auf einem unglaublich von Leben übersätem Planeten, auf dem Millionen von Lebensarten Leben und Ausdruck fanden. Ein blühendes Land.

«Zerstörung der wertvollen Insektenlebensräume
Geeignete Lebensräume für Insekten sind selten geworden und werden weiterhin beeinträchtigt oder zerstört. Besonders stark ausgeprägt ist dies in Gebieten intensiver Landwirtschaft. Seit 1900 sind 95% der artenreichen Trockenwiesen und -weiden verschwunden…
Die Gewässer wurden über Jahrzehnte aus Gründen der Landgewinnung und des Hochwasserschutzes hart verbaut oder gar eingedolt. In Höhenlagen bis 600 m ü M. sind rund 80% der Gewässer im Siedlungsgebiet sowie rund 50% im Landwirtschaftsgebiet in einem ungenügenden morphologischen Zustand…
In Siedlungen und Agglomerationen, entlang von Strassenrändern und in Privatgärten werden viele Grünflächen reinlich gepflegt, die Böden mit Schad- und Nährstoffen belastet, verdichtet oder versiegelt (Steingärten, Parkplätze), sodass kaum mehr Lebensraum für Insekten bleibt.»*

Ich liebe Blumen und Gärten, Alleen, Hecken und natürlich Wälder. Sie gehören für mich zum Glücklichsein. Tanzende Schmetterlinge und singende Vögel öffnen mein Herz. Sie sagen mir: das Leben ist schön.

Schon lange weiss ich um das Artenstarben: 100 pro Tag – so die Schätzung. Seit den 1970er Jahren hat sich die Anzahl der Arten halbiert.
«Der Mensch verursacht gerade das grösste globale Artensterben seit dem Verschwinden der Dinosaurier.» (WWF, Deutschland). Zwischen einer halben und einer Million Arten sind vom Aussterben bedroht.

Seit ca. zwei Jahren weiss ich um das weltweite Insektensterben. Dort, wo ich jeweils Ferien mache, in den Süd-Alpen, stelle ich mit Bedauern fest, dass es Jahr für Jahr weniger Schmetterlingsarten zu sehen gibt.
Erst jetzt beginne ich aber, die Trauer über das Sterben der vielen Arten zuzulassen. Abschied vom Garten Eden.

Die lichte, sehr tiefe (nicht depressive) und erweichende Trauer ist eine der stärksten Kräfte der Transformation: Sie steht unter dem Segen der göttlichen Mutter. Alleine sie kann Wandel bewirken und zum nötigen Handeln führen. Warum? Diese weiche Trauer öffnet uns für das vernachlässigte, vergessene und verkümmerte Leben.

Insekten bestäuben, befruchten; viele Vögel ernähren sich von ihnen. Wir brauchen eine intakte Insektenwelt. Die Handlungs-Aufforderungen sind klar:

Wir brauchen Magerwiesen, Bäche ohne Pestizid-Rückstände, renaturierte Uferzonen, eine Landwirtschaft, die auch das Land pflegt und Naturschutz-Zonen zur Verfügung stellt und bereit ist auf Pestizide möglichst vollständig zu verzichten.
Die Grünflächen sind auszuweiten: Zum Beispiel Magerwiesen und Sträucher auf Flachdächern.

Und jetzt kommts:
Wir müssen Strassen und Parkplätze wieder für die Natur freigeben, auf Privatautofahrten vermehrt verzichten, den Öffentlichen Verkehr und das Velofahren bevorzugen. Und: Es ist nötig, dass wir den Schotter aus den Gärten räumen und wieder Wiesen anpflanzen.

Es gibt kein «Drumherum»: Mit technischen Innovationen alleine lässt sich die gesunde Balance zwischen Menschen und Erde nicht herstellen. Wir haben der Natur Raum zurückzugeben. Und: Wir haben unserer Seele den Raum zuzugestehen, welchen sie braucht, um sich zu entfalten. Nur bei lebendiger Seele finden wir den tiefen Kontakt zur Natur und zur Mutter Erde, der nötig ist für eine wirklich Kooperation von Erde – Mensch.

Ich vermute, dass lebensdienlicher Verzicht glücklich macht. Fülle durch Verzicht. Nur so geht’s zurück in den Garten Eden – wenn er denn noch zu retten ist.

*Das Insektensterben stoppen – eine Auslegeordnung zuhanden der UREK-N.